www.wikidata.de-de.nina.az
Gerhard Leibholz 15 November 1901 in Berlin 19 Februar 1982 in Gottingen war ein deutscher Rechtswissenschaftler 1951 1971 war er Bundesrichter am Bundesverfassungsgericht Inhaltsverzeichnis 1 Leben 2 Bedeutung 3 Ehrungen 4 Veroffentlichungen Auswahl 5 Briefwechsel 6 Literatur 7 Weblinks 8 EinzelnachweiseLeben BearbeitenLeibholz wurde als Sohn wohlhabender judischer Eltern geboren selbst allerdings getauft christlich erzogen und mit Hans von Dohnanyi konfirmiert Mit Dohnanyi verbanden ihn personliche Freundschaft die Bejahung der Weimarer Republik und die Bekanntschaft mit der Familie Bonhoeffer Beide begannen das Studium der Rechte und der Philosophie an der Ruprecht Karls Universitat Heidelberg wo Leibholz 1921 im Alter von 19 Jahren bei Richard Thoma mit einer Arbeit uber Johann Gottlieb Fichte zum Dr phil promoviert wurde 1 1925 folgte bei Heinrich Triepel in Berlin die Promotion zum Dr iur 2 Hier deutete er den Gleichheitssatz als Willkurverbot und vertrat die Auffassung dass der bis dahin als Rechtsanwendungsgebot verstandene Artikel 109 der Weimarer Reichsverfassung nicht nur die Verwaltung sondern auch den Gesetzgeber binde Er heiratete am 6 April 1926 Sabine Bonhoeffer die Zwillingsschwester Dietrich Bonhoeffers 1928 habilitierte sich Leibholz bei Triepel in Berlin 3 Dieses Werk in dem er die Transformation des liberalen Reprasentativstaates in einen Parteienstaat konstatierte wurde spater zur Grundlage seiner sogenannten Parteienstaatsdoktrin Seine Antrittsvorlesung befasste sich mit dem faschistischen Verfassungsrecht Italiens 1929 wurde Leibholz auf einen Lehrstuhl an der Juristischen Fakultat der Preussischen Universitat zu Greifswald berufen 1931 erhielt er einen Lehrstuhl an der Rechts und Staatswissenschaftlichen Fakultat der Georg August Universitat Gottingen auf den er nur durch eine Intervention des preussischen Wissenschaftsministers Adolf Grimme gelangte nachdem sich die Fakultat mit antisemitischen Motiven gegen ihn ausgesprochen hatte Als die Nationalsozialisten 1933 das Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums erliessen mit dem sie die Mehrzahl judisch stammiger Beamter aus dem offentlichen Dienst entfernten durfte Leibholz nach einer Ausnahmevorschrift vorerst im Amt bleiben weil er glaubhaft machen konnte dass er nach dem Ersten Weltkrieg an der Unterdruckung bolschewistischer Unruhen teilgenommen hatte 1935 aber wurde er wegen seiner judischen Herkunft in den Ruhestand versetzt Ihm folgte auf den Lehrstuhl im November 1938 Georg Erler nach Leibholz konnte 1938 noch rechtzeitig vor den Novemberpogromen 1938 mit seiner Frau und den beiden Tochtern nach Grossbritannien emigrieren Dort wurde er 1940 kurzzeitig als Enemy Alien interniert Obwohl Leibholz einige Vorlesungen an der Universitat Oxford hielt konnte er seine wissenschaftliche Karriere in England letztlich nicht weiterverfolgen Allerdings wirkte er als Berater des anglikanischen Bischofs George Bell dessen Kritik an der offiziellen britischen Kriegspolitik er beeinflusste Vier seiner Schwager darunter Dietrich Bonhoeffer und Hans von Dohnanyi wurden von den Nationalsozialisten noch kurz vor Ende der NS Zeit nach standgerichtlichen Scheinverfahren ermordet Leibholz alterer Bruder Hans hatte sich mit seiner Frau bereits beim Einmarsch der Deutschen in seinem Exil in den Niederlanden das Leben genommen Im Jahr 1947 kehrte Leibholz vorerst als Gastprofessor an die Universitat Gottingen zuruck Seine endgultige Ruckkehr nach Deutschland wurde nicht zuletzt durch seine Berufung an das neu gegrundete Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe begunstigt Vom 7 September 1951 bis zum 8 Dezember 1971 gehorte er dem Zweiten Senat des Bundesverfassungsgerichts an Er hatte dort das Referat fur Parlaments Parteien und Wahlrecht inne und beeinflusste insbesondere die parteienfreundliche Rechtsprechung des Gerichts Von Bedeutung ist auch seine Rolle als Verfasser des sogenannten Status Berichts im Jahre 1952 in dem das Gericht seine Stellung als Verfassungsorgan selbst definierte und damit seine spezifische Position im Verfassungsgefuge der Bundesrepublik Deutschland begrundete Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts dem Leibholz nicht angehorte folgte bereits in einer seiner ersten Entscheidungen Leibholz Interpretation und deutete den Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 Grundgesetz GG als Willkurverbot 1961 1978 sass er im Beirat der Friedrich Naumann Stiftung fur die Freiheit Bedeutung Bearbeiten nbsp Grabstatte Leibholz auf dem Gottinger StadtfriedhofGerhard Leibholz ist besonders als Vertreter der sogenannten Parteienstaatslehre bekannt geworden die ihre Ursprunge in der Zeit der Weimarer Republik hat unter der Geltung des Art 21 GG aber verstarkt Zuspruch erhielt Nach dieser Lehre ist das liberal reprasentative Verfassungssystem besonders des Grundgesetzes durch das Aufkommen und die grundgesetzliche Anerkennung der Parteien als Organisationen mit denen der Wille des Volkes geformt wird uberlagert Das Bundesverfassungsgericht nahm die Lehre in seinen Entscheidungen gerade in der Anfangszeit auf dies auch unter dem Einfluss von Leibholz Sowohl die Zulassigkeit der Parteienfinanzierung wie auch die Aberkennung des Bundestagsmandates von Angehorigen verbotener Parteien SRP Urteil des Ersten Senates von 1952 wurde mit dieser Sichtweise begrundet In neuerer Zeit ist eine Abkehr von der Parteienstaatslehre zu beobachten Ehrungen BearbeitenVerdienstorden der Bundesrepublik Deutschland Grosses Verdienstkreuz mit Stern und Schulterband 1968 Gerhard Leibholz Strasse in Neureut Karlsruhe 2006 4 Veroffentlichungen Auswahl BearbeitenLiebmann Berlin 1925 Dissertation Universitat Berlin 1924 2 durch eine Reihe erganzender Das Wesen der Reprasentation unter besonderer Berucksichtigung des Reprasentativsystems Ein Beitrag zur allgemeinen Staats und Verfassungslehre De Gruyter Berlin 1929 3 erweiterte Auflage 1966 unter dem Titel Das Wesen der Reprasentation und der Gestaltwandel der Demokratie im 20 Jahrhundert Die Auflosung der liberalen Demokratie in Deutschland und das autoritare Staatsbild Duncker amp Humblot Munchen 1933 mit Hans Reif Verfassungsrechtliche Stellung und innere Ordnung der Parteien Mohr Siebeck Tubingen 1951 Strukturprobleme der modernen Demokratie Vortrage und Aufsatze Muller Karlsruhe 1958 Neuausgabe der 3 erweiterten Auflage Athenaum Frankfurt am Main 1974 ISBN 3 8072 6012 9 Politics and Law Leyden 1965 Verfassungsstaat Verfassungsrecht Vortrage gehalten zwischen 1956 und 1968 Kohlhammer Stuttgart 1973 Sygxronos Germanikh episthmh toy politeiakoy dikaioy Zeitgenossische deutsche Wissenschaft des Staatsrechts In Arxeion Filosofias kai 8ewrias twn Episthmwn Athen 3 1931 1932 S 345 374 ohne Namen des Ubersetzers To oloklhrwtikon kratos ths shmeron kai ai politikai ideai toy 19oy aiwnos Der totale Staat von heute und die politischen Ideen des 19 Jahrhunderts In Arxeion Filosofias kai 8ewrias twn Episthmwn Athen 8 1937 S 239 282 Ek toy Germanikoy kata metafrasin K P Kanellopoulos Briefwechsel BearbeitenEberhard Bethge Ronald C D Jasper Hrsg An der Schwelle zum gespaltenen Europa der Briefwechsel zwischen George Bell und Gerhard Leibholz 1939 1951 Kreuz Verlag Stuttgart Berlin 1974 ISBN 3 7831 0448 3 Literatur BearbeitenSusanne Benohr Das faschistische Verfassungsrecht Italiens aus der Sicht von Gerhard Leibholz Zu den Ursprungen der Parteienstaatslehre Schriften zum Parteienrecht Bd 23 Nomos Baden Baden 1999 ISBN 3 7890 6307 X Werner Heun Leben und Werk verfolgter Juristen Gerhard Leibholz 1901 1982 In Eva Schumann Hrsg Kontinuitaten und Zasuren Rechtswissenschaft und Justiz im Dritten Reich und in der Nachkriegszeit Wallstein Gottingen 2008 S 301 326 Anna Bettina Kaiser Hrsg Der Parteienstaat Zum Staatsverstandnis von Gerhard Leibholz Staatsverstandnisse Bd 58 Nomos Baden Baden 2013 ISBN 978 3 8329 7105 2 Sabine Leibholz Bonhoeffer Vergangen erlebt uberwunden Schicksale der Familie Bonhoeffer Gutersloher Verlagshaus Gutersloh 1983 ISBN 3 579 03961 X Christoph Link Hrsg Der Gleichheitssatz im modernen Verfassungsstaat Symposium zum 80 Geburtstag von Bundesverfassungsrichter i R Professor Dr phil Dr iur Dr h c Gerhard Leibholz am 21 November 1981 Nomos Baden Baden 1982 Christoph Link Leibholz Gerhard In Neue Deutsche Biographie NDB Band 14 Duncker amp Humblot Berlin 1985 ISBN 3 428 00195 8 S 117 119 Digitalisat Robert Chr van Ooyen Kritik der Parteienstaatslehre von Gerhard Leibholz In ders Politik und Verfassung Beitrage zu einer politikwissenschaftlichen Verfassungslehre VS Verlag Wiesbaden 2006 S 56 63 DOI 10 1007 978 3 531 90077 3 4 Christian Starck Gerhard Leibholz 1901 1982 In Peter Haberle Michael Kilian Heinrich Wolff Staatsrechtslehrer des 20 Jahrhunderts Deutschland Osterreich Schweiz De Gruyter Berlin Boston 2 Auflage 2018 S 679 691 ISBN 978 3 11 054145 8 Shigetoshi Takeuchi Gerhard Leibholz 1901 1982 Sein Leben sein Werk seine Zeit Yuhikaku Gakujutu Center Tokio 2004 Peter Unruh Erinnerung an Gerhard Leibholz 1901 1982 Staatsrechtler zwischen den Zeiten In Archiv des offentlichen Rechts Bd 126 2001 S 60 92 Manfred H Wiegandt Norm und Wirklichkeit Gerhard Leibholz 1901 1982 Leben Werk und Richteramt Studien und Materialien zur Verfassungsgerichtsbarkeit Bd 62 Nomos Baden Baden 1995 ISBN 3 7890 3795 8 ders Der Weg Gerhard Leibholz in die Emigration In Kritische Justiz 1995 S 478 492 ders Antiliberal Foundations Democratic Convictions The Methodological and Political Position of Gerhard Leibholz in the Weimar Republic In Peter Caldwell William E Scheuerman Hrsg From Liberal Democracy to Fascism Political and Legal Thought in the Weimar Republic Humanities Press Boston Leiden Cologne 2000 S 106 135 ders Zwischen antiliberalen und demokratischen Vorstellungen Gerhard Leibholz in der Weimarer Republik In Christoph Gusy Hrsg Demokratisches Denken in der Weimarer Republik Nomos Baden Baden 2000 S 326 364 ders Gerhard Leibholz 1901 1982 In Jack Beatson Reinhard Zimmermann Hrsg Jurists Uprooted German speaking Emigre Lawyers in Twentieth century Britain Oxford University Press Oxford 2004 S 535 581 ders Von der Weimarer Republik zur Bonner Republik Gerhard Leibholz 1901 1982 In Joachim Lege Hrsg Greifswald Spiegel der deutschen Rechtswissenschaft 1815 1945 Mohr Siebeck Tubingen 2009 S 373 397 Weblinks BearbeitenLiteratur von und uber Gerhard Leibholz im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek Nachlass Bundesarchiv N 1334Einzelnachweise Bearbeiten Philosophische Dissertation Fichte und der demokratische Gedanke Ein Beitrag zur Staatslehre Juristische Dissertation Die Gleichheit vor dem Gesetz Eine Studie auf rechtsvergleichender und rechtsphilosophischer Grundlage erganzt gedruckt in 2 Auflage Beck 1959 Habilitationsschrift Das Wesen der Reprasentation Detlev Fischer Gerhard Leibholz in Blick in die Geschichte Nr 122 22 Marz 2019 S 1 Normdaten Person GND 118571206 lobid OGND AKS LCCN n82094977 NDL 00447278 VIAF 97995778 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Leibholz GerhardKURZBESCHREIBUNG deutscher JuristGEBURTSDATUM 15 November 1901GEBURTSORT BerlinSTERBEDATUM 19 Februar 1982STERBEORT Gottingen Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Gerhard Leibholz amp oldid 229144223