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Als Radikalenerlass bezeichnet man den auch kurz Extremistenbeschluss genannten Beschluss der Regierungen des Bundes und der Lander zur Uberprufung von Bewerbern fur den Offentlichen Dienst auf deren Verfassungstreue vom 28 Januar 1972 1 Der Erlass hatte zum Ziel die Beschaftigung sogenannter Verfassungsfeinde im offentlichen Dienst zu verhindern 2 Instrument war eine bundesweit einheitliche Auslegung und Anwendung des damals geltenden 35 BRRG 3 wonach sich Beamte durch ihr gesamtes Verhalten zu der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes zu bekennen und fur deren Erhalt einzutreten hatten Jeder Einzelfall musste fur sich gepruft und entschieden werden Dies hatte zur Folge dass vor der Einstellung aber auch zur Uberprufung bestehender Dienstverhaltnisse eine Regelanfrage beim Verfassungsschutz durchgefuhrt wurde Ein Bewerber der verfassungsfeindliche Aktivitaten entwickelte wurde nicht eingestellt bzw konnte aus dem Dienst entfernt werden Fur Arbeiter und Angestellte im offentlichen Dienst galten entsprechend den jeweiligen tarifvertraglichen Bestimmungen dieselben Grundsatze Der Erlass betraf nicht nur Mitglieder von Parteien sondern auch Personen die nicht parteigebunden waren Er wurde 1979 4 von der Regierungskoalition aus SPD und FDP einseitig aufgekundigt Es bestand politisch keine Einmutigkeit mehr uber den Erlass Auch ein Urteil des Bundesverfassungsgerichtes aus dem Jahr 1975 hatte keine Klarheit gebracht Seitdem gehen die Landesregierungen eigene Wege Die Praxis wurde auch im Ausland und insbesondere in Frankreich abgelehnt und als ein deutscher Sonderweg betrachtet Von Berufsverboten wurde im politischen Diskurs von Gegnern des Radikalenerlasses deshalb kritisch gesprochen weil die Betroffenen ihre erlernten Berufe als Lehrer Postler oder Eisenbahner uberwiegend nur im offentlichen Dienst ausuben konnten Auch wenn die Betroffenen ihren Beruf als solchen weiterhin ausuben durften konnten die Folgen ahnlich sein wie bei einem Berufsverbot In manchen Berufen gibt es alle oder fast alle Arbeitsplatze nur im offentlichen Dienst Das galt vor allem fur Lehrer da Schulen fast immer in kommunaler Tragerschaft waren und nur selten privat sowie fur Postbedienstete und Eisenbahner Bundesbahn und Bundespost waren damals noch Staatsbetriebe Von 1972 bis zur ab 1985 erfolgten endgultigen Abschaffung der Regelanfrage zuletzt 1991 in Bayern wurden bundesweit insgesamt 3 5 Millionen Personen uberpruft Davon wurden 1250 uberwiegend als linksextrem bewertete Lehrer und Hochschullehrer nicht eingestellt rund 260 Personen entlassen 2 Die vom Radikalenerlass Betroffenen fordern Entschadigung und eine vollstandige Rehabilitierung 2016 richtete als erstes Land Niedersachsen eine Kommission zur Aufarbeitung der Schicksale der von niedersachsischen Berufsverboten betroffenen Personen und der Moglichkeiten ihrer politischen und gesellschaftlichen Rehabilitierung ein Inhaltsverzeichnis 1 Vorgeschichte 2 Inhalt 3 Rechtsprechung 4 Anwendungspraxis 5 Kritik 5 1 Kritik aus Politik Recht und Gesellschaft 5 2 Kritik aus dem Ausland 6 Widerstand 6 1 Universitaten 6 2 Offentlichkeit Personlichkeiten Medien Kirche 6 3 Kulturbereich 7 Aufhebung des Erlasses und Aufarbeitung 8 Siehe auch 9 Literatur 10 Weblinks 11 EinzelnachweiseVorgeschichte BearbeitenBereits in den 1950er und 1960er Jahren waren Bewerber fur den offentlichen Dienst in der Bundesrepublik wegen Zweifel am Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung aufgrund des Adenauer Erlasses in Bezugnahme auf Regelungen im Beamtengesetz abgelehnt worden Ende der 1960er Jahre war die politische und gesellschaftliche Entwicklung von einer zunehmenden politischen Polarisierung im Zusammenhang mit der ausserparlamentarischen Opposition gepragt Die Grosse Koalition von CDU CSU und SPD hatte 1968 als die rechtsradikale NPD in einigen Landtagen sass die Grundung der Deutschen Kommunistischen Partei DKP zugelassen Eher furchtete sie die Aktivitat des SDS der schliesslich 1970 in einen DKP freundlichen und einen maoistischen Teil auseinanderbrach 5 Die 1969 folgende sozialliberale Koalition konzentrierte sich auf eine neue Ostpolitik die die Opposition aussenpolitisch in die Defensive brachte Um die neue Regierung unter Druck zu setzen beschworen CDU und CSU unter Verweis auf Rudi Dutschkes Wort vom lange n Marsch durch die Institutionen die Gefahr einer Unterwanderung durch Extremisten im offentlichen Dienst Die SPD hielt es daraufhin fur notig zu dokumentieren dass aussenpolitische Realpolitik d h Verstandigung mit dem Osten keinesfalls identisch mit einem besseren inneren Verhaltnis zu Kommunisten sei 6 So kam es nach der Unterzeichnung des Moskauer Vertrages 14 November 1970 zu einem Abgrenzungsbeschluss der SPD gegen jede Zusammenarbeit mit Kommunisten der auch als Signal an die Offentlichkeit und als Klarstellung gegenuber den Christdemokraten gedacht war Der erste neue Radikalenerlass nach dem Adenauer Erlass der weiterhin galt wurde im sozialliberal regierten Hamburg erlassen wo die SPD Spitze auch eine Unterwanderung der eigenen Partei furchtete Da einige Lander Ahnliches planten galt es zudem einer Zersplitterung des Beamtenrechts vorzubeugen und einheitliche rechtsstaatliche Standards zu schaffen Das Prinzip der wehrhaften Demokratie wurde dafur zur Rechtfertigung herangezogen Nordrhein Westfalens Ministerprasident Heinz Kuhn SPD sagte dazu Ulrike Meinhof als Lehrerin oder Andreas Baader bei der Polizei beschaftigt das geht nicht 7 Im Januar 1972 wurde der einheitlich fur die Bundesrepublik Deutschland und Westberlin geltende spater Radikalenerlass genannte Beschluss gefasst Inhalt BearbeitenEs wurden folgende Grundsatze beschlossen 8 Nach den Beamtengesetzen in Bund und Landern darf in das Beamtenverhaltnis nur berufen werden wer die Gewahr dafur bietet dass er jederzeit fur die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes eintritt Beamte sind verpflichtet sich aktiv innerhalb und ausserhalb des Dienstes fur die Erhaltung dieser Grundordnung einzusetzen Es handelt sich hierbei um zwingende Vorschriften Jeder Einzelfall muss fur sich gepruft und entschieden werden Von folgenden Grundsatzen ist dabei auszugehen Bewerber Ein Bewerber der verfassungsfeindliche Aktivitaten entwickelt wird nicht in den offentlichen Dienst eingestellt Gehort ein Bewerber einer Organisation an die verfassungsfeindliche Ziele verfolgt so begrundet diese Mitgliedschaft Zweifel daran ob er jederzeit fur die freiheitliche und demokratische Grundordnung eintreten wird Diese Zweifel rechtfertigen in der Regel eine Ablehnung des Einstellungsantrages BeamteErfullt ein Beamter durch Handlungen oder wegen seiner Mitgliedschaft in einer Organisation verfassungsfeindlicher Zielsetzung die Anforderungen des 35 Beamtenrechtsrahmengesetz nicht aufgrund derer er verpflichtet ist sich durch sein gesamtes Verhalten zu der freiheitlichen und demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes zu bekennen und fur deren Erhaltung einzutreten so hat der Dienstherr aufgrund des jeweils ermittelten Sachverhaltes die gebotenen Konsequenzen zu ziehen und insbesondere zu prufen ob die Entfernung des Beamten aus dem Dienst anzustreben ist Fur Arbeiter und Angestellte im offentlichen Dienst gelten entsprechend den jeweiligen tarifvertraglichen Bestimmungen dieselben Grundsatze Rechtsprechung BearbeitenDie Rechtsprechung zum Radikalenerlass basiert auf der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes das eine Einstellung nur dann fur vertretbar halt wenn der Bewerber eine von der Verfassung Art 33 Abs 5 GG geforderte und durch das einfache Gesetz konkretisierte rechtliche Voraussetzung fur den Eintritt in das Beamtenverhaltnis erfullte namlich dass der Bewerber die Gewahr bietet jederzeit fur die freiheitliche demokratische Grundordnung einzutreten 9 Der Europaische Gerichtshof fur Menschenrechte EGMR stellte am 26 September 1995 im Fall der aufgrund ihrer Mitgliedschaft in der DKP aus dem Staatsdienst entlassenen und spater wieder eingestellten Lehrerin Dorothea Vogt einen Verstoss gegen die Art 10 und Art 11 der Europaischen Menschenrechtskonvention Recht auf Meinungs und Versammlungsfreiheit fest und verurteilte die Bundesrepublik zur Zahlung von Schadensersatz 10 Das Urteil bezog sich jedoch ausdrucklich nur auf bereits eingestellte Beamte und nicht auf Bewerber fur den offentlichen Dienst In drei Minderheitenvoten rechtfertigten einige EGMR Richter den Radikalenerlass u a mit der Ost West Konfrontation Anwendungspraxis Bearbeiten nbsp Wandzeitung der CDU gegen das Abrucken der SPD Lander vom RadikalenerlassIn der Anfangszeit des Radikalenerlasses erfolgte eine Regelanfrage beim Bundesamt fur Verfassungsschutz wenn jemand sich fur eine Stelle im offentlichen Dienst bewarb Antworten setzten eine unbemerkte nachrichtendienstliche Observation Verdachtiger durch die Amter fur Verfassungsschutz und oder bei Wehrpflichtigen und anderen Bundeswehrangehorigen durch den Militarischen Abschirmdienst MAD voraus 11 Allein vom 1 Januar 1973 bis zum 30 Juni 1975 einem Zeitraum der Experten allerdings als besonders intensiv gilt kam es laut Bundesministerium des Innern zu 450 000 Anfragen bei den Nachrichtendiensten Daraus ergaben sich in 5700 Fallen sog Erkenntnisse und 328 Ablehnungen Die Nichtregierungsorganisation Weg mit den Berufsverboten unterschied fur die Zeit ab 1972 hingegen 1250 Ablehnungen einer Einstellung und 2100 Disziplinarverfahren sowie 256 Entlassungen aus dem Dienst 12 Die Grunde die Bewerber fur den offentlichen Dienst in den Verdacht der Verfassungsfeindlichkeit brachten waren vielfaltig In der Praxis waren vom Radikalenerlass vor allem Beamte inkl Anwarter Angestellte und Arbeiter des offentlichen Dienstes aus dem linken Spektrum betroffen Mitunter war es ausreichend in einer Organisation aktiv zu sein in der auch Kommunisten aktiv waren oder die mit Kommunisten zusammenarbeitete Dazu gehorten beispielsweise der sozialdemokratische Sozialistische Hochschulbund SHB die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten VVN BdA die Deutsche Friedensgesellschaft Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen DFG VK oder die Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen VDJ Zwar hiess es wie schon zuvor beim Adenauer Erlass Einstellungsverweigerungen und Entlassungen seien gegen Radikale von links wie rechts gerichtet faktisch aber betrafen sie fast ausschliesslich Friedbert Muhldorfer Kommunisten der unterschiedlichen Parteien vor allem aber der DKP und andere Linke Damit standen sie in der Tradition des Adenauer Erlasses von 1950 So wurden in Bayern zwischen 1973 und 1980 aus dem linken Spektrum 102 Bewerber abgelehnt dagegen nur 2 aus dem rechten 2 Von Berufsverboten wurde im Alltagsdiskurs deshalb gesprochen weil die Betroffenen ihre erlernten Berufe als Lehrer Postler oder Eisenbahner allein im offentlichen Dienst hatten ausuben konnen zu dem sie nicht zugelassen wurden Die politischen administrativen und justiziellen Befurworter des Radikalenerlasses wandten sich gegen die Verwendung des Wortes Berufsverbot weil es sich wie es das Bundesverfassungsgericht in einem Urteil formulierte um ein Schlag und Reizwort handle das nur politische Emotionen wecken solle 13 14 Kritik BearbeitenKritik aus Politik Recht und Gesellschaft Bearbeiten Fur die SPD und FDP Fuhrung hatte der Beschluss zunachst die Funktion gehabt die Ratifizierung der Ostvertrage politisch abzusichern doch Herbert Wehner SPD sah schon 1972 Gesinnungsschnuffelei und in dem angestrebten Schutz der freiheitlichen Grundordnung einen ersten Schritt zu ihrer Beseitigung 15 Peter Merseburger Als Flankenschutz gegen die Volksfront angriffe der Rechten ist auch jener Radikalenerlass gedacht den Brandt spater als einen seiner kardinalen Fehler werten wird denn er kostet ihn Glaubwurdigkeit bei der jungen Generation Es ist schon fatal wenn gerade er der ja den grosseren nicht zu Gewalt bereiten Teil der rebellierenden Jugend in den demokratischen Prozess integrieren will seine Unterschrift unter jenen Erlass setzt der Andersdenkende mit beruflicher Repression bedroht 16 Der franzosische Schriftsteller Alfred Grosser monierte eine Ungleichbehandlung von Unterstutzern des Hitler Regimes die spater in der Bundesrepublik Karriere gemacht hatten 4 Auf dem FDP Bundesparteitag 1976 konnte der Bundesvorstand gegen den Widerstand der Parteilinken die den Radikalenerlass ganz beseitigen wollten nur noch durchsetzen dass das nachweisliche Bekampfen des Kernbestandes der freiheitlichen demokratischen Grundordnung Hindernis fur eine Ubernahme in den offentlichen Dienst sein solle Nationale und internationale Organisationen und Institutionen wie die Internationale Arbeitsorganisation und der Europaische Gerichtshof fur Menschenrechte sahen in den Berufsverboten einen Verstoss gegen das Volkerrecht bzw eine Verletzung des Rechts auf Meinungs und Vereinigungsfreiheit der Europaischen Menschenrechtskonvention 17 2 Kritik aus dem Ausland Bearbeiten Brandt stiess mit seinem Erlass auf Widerstand auch in befreundeten westeuropaischen Staaten und bei befreundeten Parteien Vor allem in Frankreich wo sich 1972 die Sozialistische Partei die Kommunistische Partei und die Bewegung der Radikalen Linken gerade auf ein gemeinsames Programm einer kunftigen Regierung geeinigt hatten wurde er als undemokratisch abgelehnt Francois Mitterrand Vorsitzender der Sozialistischen Partei Frankreichs war 1976 Mitbegrunder des Comite francais pour la liberte d expression et contre les interdictions professionelles en RFA Weitere Komitees gegen die Einschrankung der Burger und Freiheitsrechte entstanden 18 Prominente wie Jean Paul Sartre sprachen sich gegen die Berufsverbote aus Berufsverbote wurde ins Franzosische ubernommen Man befurchtete Westdeutschland falle in uberkommene antidemokratische und autoritare Politikmuster zuruck 19 20 Aus dem westlichen Ausland sind Falle der Nichteinstellung bzw Entlassung offentlich Bediensteter aufgrund der ausserdienstlichen politischen Betatigung fur eine legale Partei oder Organisation oder wegen blosser Nahe zu einer solchen kaum uberliefert Ein Fall einer organisierten beruflichen Ausgrenzung dort aber nicht nur im offentlichen Dienst war in den USA die Zeit der McCarthy Ara in den 1950er Jahren in denen es in Westdeutschland den Adenauer Erlass und das KPD Verbot das gleichfalls eine europaische Raritat war 21 gegeben hatte Widerstand BearbeitenUberraschend fur Befurworter und Praktiker des Radikalenerlasses war dass Emporung und Widerstand sich nicht auf das unmittelbare berufliche oder organisatorische Umfeld der Betroffenen beschrankten sondern mit dem Wachsen der Zahl der Verfahren bald auf weite Bevolkerungskreise ubergriff Die Auswuchse der Gesinnungsschnuffelei trafen vor allem in der studierenden Jugend die personlich nicht konkret betroffen war auf so massiven Unwillen dass dieser sich Ende 1976 in Berlin in einem spontanen Studentenprotest entlud der in einen Berufsverbotestreik genannten Ausstand mundete Universitaten Bearbeiten An der Freien Universitat Berlin FU war es bereits im Mai 1975 zur Grundung eines Aktionskomitee gegen Berufsverbote gekommen um das sich entsprechende Initiativgruppen in den Fachbereichen bildeten Da die Fulle der Aufgaben stetig anstieg wurde im WS 1975 76 ein Initiativenausschuss gegrundet der u a im November 75 eine Demonstration mit 10 000 Leuten gegen das Berufsverbot mit tragen konnte 22 nbsp Transparente an der Hochschule der Kunste Berlin im Januar 1977 An der FU hatte sich die Anzahl der vom Berufsverbot betroffenen Dozenten und Professoren im Verlauf des Jahres 1976 auf 24 Falle erhoht Hierzu kamen zahlreiche ahnliche Falle an der TU und den Fachhochschulen Unzahlige andere Falle wurden uber Nichtbesetzung von Planstellen oder dunkle Berufungsfragen geregelt Der lange Marsch Sondernummer zur neuen Studentenbewegung April 1977 Nachdem zwei Falle bei den Germanisten der FU unter den Studierenden des Instituts einen Streik ausgelost hatten beriefen diese kurz darauf eine Vollversammlung im Audimax der Universitat ein das mit 4000 Teilnehmern vollig uberfullt war Die Versammlung rief den allgemeinen Streik an der FU aus der rasch um sich griff 15 von 21 Fachbereichen der Technischen Universitat TU schlossen sich an sowie fast alle anderen Hochschulen und Fachhochschulen der Stadt und die Schulen des Zweiten Bildungswegs Der Berufsverbotestreik uberraschte die Politik die Verwaltungen der Lehranstalten sowie die Offentlichkeit und entwickelte eine Dynamik die schon bald Spekulationen um eine Neue Studentenbewegung hervorbrachte Bemerkenswert war dass diese neue Generation der Unorganisierten und Alternativen zwar im Innenverhaltnis die Vorherrschaft der maoistischen K Gruppen und der DDR orientierten Studentenverbande brach aber sich dennoch mit entsprechend gesinnten Dozenten solidarisierte nbsp Demonstration gegen Berufsverbote am 28 Januar 1977 in BerlinDie Gefahr die von diesen Massnahmen fur Staat und Gesellschaft selbst ausging kennzeichnete FU Prasident Eberhard Lammert als er vor dem Akademischen Senat der FU ausfuhrte dass verstandliches politisches Engagement wahrend des Studiums zu schweren Nachteilen bei der Berufswahl fuhren kann 23 Es fuhlten sich nicht nur politisch oppositionell denkende Studenten bedroht sondern die diffuse Gefahrlichkeit der Massnahme wurde der grossen Mehrheit bewusst Der Streik war erfolgreich d h die Suspendierung der Germanistik Dozenten wurde zuruckgenommen und durch die intensive Offentlichkeitsarbeit der Studierenden gerieten die Uberprufungsmassnahmen auch zunehmend in die Aufmerksamkeit der Medien Auch durch Gerichtsentscheidungen zu den Einzelfallen wurde vor allem die ausufernde Praxis der Informationserhebung und Verdachtsausweitung zunehmend eingeschrankt Es kam zu gewerkschaftlichen Solidaritatsadressen mit der Studentenschaft aus GEW HBV und OTV Organisationen die nun auch Falle in ihren Bereichen ans Licht brachten Offentlichkeit Personlichkeiten Medien Kirche Bearbeiten Ein herausragender Exponent des Widerstandes gegen die Berufsverbote dessen personliche Integritat von keiner Seite in Frage gestellt wurde war der Professor der evangelischen Theologie in Bonn und an der FU Berlin Helmut Gollwitzer 24 Kulturbereich Bearbeiten Auf dem Fest der jungen Filmer 1975 der Bundesarbeitsgemeinschaft der deutschen Jugendfilmclubs BAG in Werl Westfalen belegte der Kurzspielfilm Der Besuch uber eine fruhmorgendliche Durchsuchung einer Privatwohnung den ersten Platz Aufhebung des Erlasses und Aufarbeitung BearbeitenBis zur Abschaffung der Regelanfrage wurden bundesweit insgesamt 1 4 Millionen Personen uberpruft Ca 1100 davon wurde der Eintritt in den bzw das Verbleiben im offentlichen Dienst verwehrt 4 Insgesamt wurden 11 000 Verfahren eingeleitet Allein bei den Lehrern gab es 2200 Disziplinarverfahren und 136 Entlassungen 25 Etwa ab 1983 wichen einige Bundeslander von der Regelanfrage Praxis ab Formlich hab als erstes Land das Saarland den Radikalenerlass am 25 Juni 1985 auf Weitere Lander folgten oder ersetzten den Erlass durch landerspezifische Nachfolgeregelungen Als letztes Land stellte der Freistaat Bayern 1991 die Regelanfrage ein In den meisten Landern wird heute eine sogenannte Bedarfsanfrage beim Verfassungsschutz durchgefuhrt wenn sich Zweifel daran ergeben ob der Bewerber jederzeit fur die freiheitliche und demokratische Grundordnung eintreten wird Dies ist selten der Fall und fuhrt noch seltener zu Konsequenzen In Bayern muss sich seit 1991 gemass der Bekanntmachung der Bayerischen Staatsregierung uber die Pflicht zur Verfassungstreue im offentlichen Dienst jeder Bewerber bis heute zudem in einem Fragebogen u a erklaren ob er Mitglied in oder Unterstutzer einer extremistischen oder extremistisch beeinflussten 26 Organisation ist bzw war Diese Organisation werden in vier Kategorien eingeteilt Linksextremismus in Bayern zahlen dazu bspw Deutsche Kommunistische Partei Rote Hilfe Linksjugend solid Die Linke SDS u a Rechtsextremismus in Bayern zahlen dazu bspw NPD Die Republikaner Blood and Honour Die Rechte Junge Alternative fur Deutschland Bayern Der Flugel u a Islamistische islamistisch terroristische auslanderextremistische Bestrebungen in Bayern zahlen dazu bspw Al Qaida Arbeiterpartei Kurdistans u a und sonstiger Extremismus in Bayern zahlen dazu bspw Scientology Politically Incorrect Gruppe Munchen Reichsburgerbewegung u a 26 Im Fragebogen muss zusatzlich beantwortet werden ob man Mitarbeiter eines auslandischen Nachrichtendienstes oder Mitarbeiter des Ministeriums fur Staatssicherheit der ehemaligen DDR war 27 Betroffene fordern Entschadigungen und ihre vollstandige Rehabilitierung 28 Als erstes Land der Bundesrepublik beschloss Niedersachsen 2016 die Einrichtung einer Kommission zur Aufarbeitung der Schicksale der von niedersachsischen Berufsverboten betroffenen Personen und der Moglichkeiten ihrer politischen und gesellschaftlichen Rehabilitierung 29 Begrundet wurde der Landtagsbeschluss u a mit der Feststellung es handle sich bei den Berufsverboten um ein unruhmliches Kapitel in der Geschichte Niedersachsens 30 An der Universitat Heidelberg besteht seit 2018 ein Forschungsprojekt das die Anwendungspraxis des Radikalenerlasses fur Baden Wurttemberg wissenschaftlich untersucht 31 Siehe auch BearbeitenMichael CsaszkoczyHorst HolzerGabriele SprigathLiteratur BearbeitenAlexandra Jaeger Auf der Suche nach Verfassungsfeinden Der Radikalenbeschluss in Hamburg 1971 1987 Wallstein Gottingen 2019 Heinz Jung Stiftung Hrsg Wer ist denn hier der Verfassungsfeind Radikalenerlass Berufsverbote und was von ihnen geblieben ist PapyRossa Koln 2019 ISBN 978 3 89438 720 4 Cornelia Booss Ziegling Hubert Brieden Rolf Gunther Bernd Lowin Joachim Sohns Matthias Wietz Vergessene Geschichte Berufsverbote Politische Verfolgung in der Bundesrepublik Deutschland Begleitheft pdf Eine Ausstellung der Niedersachsischen Initiative gegen Berufsverbote Hannover 2015 Christoph Gunkel Der Feind im Klassenzimmer In Der Spiegel 3 2012 Friedrich Konrad Der Fall F Konrad Wie man einem DKP Mitglied den Beamtenstatus entziehen wollte Verlag Peter Engstler Nurnberg 2011 ISBN 978 3 941126 18 3 Dominik Rigoll Staatsschutz in Westdeutschland Von der Entnazifizierung zur Extremistenabwehr Beitrage zur Geschichte des 20 Jahrhunderts Hrsg von Norbert Frei Bd 13 Wallstein Gottingen 2013 ISBN 978 3 8353 1076 6 zugl Dissertation Freie Universitat Berlin 2010 Manfred Histor Willy Brandts vergessene Opfer Geschichte und Statistik der politisch motivierten Berufsverbote in Westdeutschland 1971 1988 2 erw Auflage Ahriman Verlag Freiburg im Breisgau 1999 ISBN 3 922774 07 5 Gerard Braunthal Politische Loyalitat und Offentlicher Dienst der Radikalenerlass von 1972 und die Folgen Schuren Presseverlag Marburg 1992 ISBN 3 89472 062 X Wulf Schonbohm Verfassungsfeinde als Beamte Die Kontroverse um die streitbare Demokratie Munchen 1979 ISBN 978 3 7892 7147 2 Jury Beirat und Sekretariat des 3 Internationalen Russell Tribunal Hrsg 3 Internationales Russell Tribunal Zur Situation der Menschenrechte in der Bundesrepublik Deutschland Band 2 Das Schlussgutachten der Jury zu den Berufsverboten Berlin 1978 ISBN 3 88022 195 2 Jens A Bruckner Das Handbuch der Berufsverbote Rechtsfibel zur Berufsverbotspraxis Nicolaische Verlagsbuchhandlung Berlin 1977 ISBN 3 87584 061 5 Peter Frisch Extremistenbeschluss Zur Frage der Beschaftigung von Extremisten im offentlichen Dienst mit grundsatzlichen Erlauterungen Argumentationskatalog Darstellung extremistischer Gruppen und einer Sammlung einschlagiger Vorschriften Urteile und Stellungnahmen 2 Auflage Heggen Verlag Leverkusen 1976 ISBN 3 920430 61 1 Aktionskomitee gegen Berufsverbote Hrsg Dokumente I IV Uberprufung der politischen Treuepflicht Berufsverbot Berlin 1975 1976 Wolfgang Bittner Verfassungsfeindlichkeit zur Disposition In Manfred Funke Hrsg Extremismus im demokratischen Rechtsstaat Ausgewahlte Texte und Materialien zur aktuellen Diskussion Schriftenreihe der Bundeszentrale fur politische Bildung Heft 122 Droste Dusseldorf 1978 ISBN 3 7700 0470 1 Andreas Dress Mechtild Jansen Ingrid Kurz Aart Pabst Uwe Post Erich Rossmann Hrsg Wir Verfassungsfeinde Pahl Rugenstein Verlag Koln 1977 ISBN 3 7609 0313 4 Horst Bethge Erich Rossmann Hrsg Der Kampf gegen das Berufsverbot Dokumentation der Falle und des Widerstands Pahl Rugenstein Verlag Koln 1973 ISBN 3 7609 0103 4 Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Radikalenerlass Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Erlass zur Beschaftigung von Radikalen im offentlichen Dienst Radikalenerlass 28 Januar 1972 In 1000dokumente de Deutsches Historisches Museum BRD Radikalenerlass radikalenerlass de berufsverbote deEinzelnachweise Bearbeiten Ministerialblatt fur das Land Nordrhein Westfalen vom 29 Februar 1972 S 342 Faksimile 1000dokumente de a b c d Friedbert Muhldorfer Radikalenerlass HLB 16 Juni 2014 BGBl 1957 667 a b c WDR de Stichtag 19 Mai 2006 Vor 30 Jahren Neue Richtlinien zum Radikalenerlass Berufsverbot fur linke Gesinnung Arnulf Baring Machtwechsel Die Ara Brandt Scheel Stuttgart 1982 S 73f Zitiert nach Dietrich Thranhardt Geschichte der Bundesrepublik Deutschland 1949 1990 Band 12 edition suhrkamp Frankfurt am Main 1996 S 205 Dietrich Tranhardt Geschichte der Bundesrepublik Deutschland 1949 1990 edition suhrkamp Frankfurt am Main 1996 S 205f Der schwere Weg zur Demokratie auf deutschlandfunkkultur de Ministerialblatt fur das Land Nordrhein Westfalen vom 29 Februar 1972 S 342 Faksimile 1000dokumente de BVerfG Beschluss vom 22 Mai 1975 Az 2 BvL 13 73 BVerfGE 39 334 Extremistenbeschluss Az 7 1994 454 535 Grundrechte und Verfassungsschutz Wiesbaden 2011 S 123 Siehe Hans Gerd Jaschke Streitbare Demokratie und Innere Sicherheit Grundlagen Praxis und Kritik Opladen 1991 S 164 Dort weitere Zahlenangaben zu den einzelnen Landern Bundesverfassungsgericht Beschluss vom 22 Mai 1975 2 BvL 13 73 Rn 113 online bei openJur Otto Kohler Berufsverbot Ein Pardon wird nicht gegeben Wie Niedersachsens Justiz eine Lehrerin aus dem Schuldienst entfernt In Die Zeit 24 November 1989 Thranhardt Geschichte der Bundesrepublik Deutschland S 206 Peter Merseburger Willy Brandt Visionar und Realist Deutsche Verlags Anstalt DVA Stuttgart Munchen 2002 ISBN 3 421 05328 6 S 634 Siehe auch Vorwarts de Reinhard Wilke Aus der Froschpersepektive Memento vom 9 September 2011 im Internet Archive 7 Dezember 2005 Gerhard Stuby Die Empfehlungen des ILO Untersuchungsausschusses zur Praxis der Berufsverbote Oldenburg 1988 Lucie Filipova Erfullte Hoffnung Stadtepartnerschaften als Instrument der deutsch franzosischen Aussohnung 1950 2000 Gottingen 2015 S 192 Dirk Petter Auf dem Weg zur Normalitat Konflikt und Verstandigung in den deutsch franzosischen Beziehungen der 1970er Jahre Munchen 2014 S 223f Dominik Rigoll Herr Mitterrand versteht das nicht Rechtsstaat und deutscher Sonderweg in den deutsch franzosischen Auseinandersetzungen um den Radikalenbeschluss 1975 76 In Detlef Georgia Schulze Sabine Berghahn Frieder Otto Wolf Rechtsstaat statt Revolution Verrechtlichung statt Demokratie Transdisziplinare Analysen zu deutschen Weg in die Moderne Bd 2 Die juristischen Konsequenzen Munster 2010 S 812 822 Carmen Boker Frankreich Le Karcher c est moi Berliner Zeitung vom 13 Januar 2010 Siehe etwa Wolfgang Abendroth Helmut Ridder Otto Schonfeldt KPD Verbot oder Mit Kommunisten leben Reinbek 1968 S 54 Der lange Marsch zeitung fur eine neue linke Berlin April 1977 S 4 Der Tagesspiegel 7 Januar 1977 Siehe Nachruf von Uwe Wesel Ein deutscher Gelehrter ohne Misere FU Info FU N 10 November 1993 S 10 Roland Seim Zwischen Medienfreiheit und Zensureingriffen Eine medien und rechtssoziologische Untersuchung zensorischer Einflussmassnahmen auf bundesdeutsche Popularkultur Diss Munster Munster 1997 S 205 a b Bayerische Staatskanzlei Verzeichnis extremistischer oder extremistisch beeinflusster Organisationen nicht abschliessend Burgerservice In Bayern Recht Abgerufen am 20 Marz 2022 Bayerische Staatskanzlei Bekanntmachung uber die Pflicht zur Verfassungstreue im offentlichen Dienst Teil 2 Verfahren Anlage 2 Fragebogen zur Prufung der Verfassungstreue In Bayern Recht Abgerufen am 16 Marz 2022 Suddeutsche Zeitung vom 28 Januar 2012 40 Jahre nach Beschluss des Radikalenerlasses Stellungnahme des DGB und der Mitgliedsgewerkschaften Radikalenerlass ein unruhmliches Kapitel in der Geschichte Niedersachsens endlich Kommission zur Aufarbeitung der Schicksale der von Berufsverboten betroffenen Personen einrichten DGB Bezirk Niedersachsen Bremen Sachsen Anhalt 09 2014 Drucksache 17 7150 Niedersachsischer Landtag 15 Dezember 2016 Der Radikalenerlass in Baden Wurttemberg auf radikalenerlassbawuede com Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Radikalenerlass amp oldid 238332694