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Die Geschichte der Juden in Libyen begann in der griechischen Kyrenaika vor rund 2500 Jahren Sie hat ihre Spuren in der Bibel hinterlassen und wurde in wechselnder Herrschaft uber Libyen von Puniern Romern Berbern Vandalen Arabern Turken und Italienern gepragt Nach der Grundung des Staates Israel wurden zwischen 1949 und 1951 32 000 Juden vertrieben was 90 ihrer Gemeinschaft entsprach Im Gefolge des Sechstagekriegs wurde der uberwiegende Teil der verbliebenen Juden evakuiert und unter Muammar al Gaddafi siedelte die letzte verbliebene Judin 2003 nach Rom uber Libysche Juden und ihre Nachkommen leben heute vor allem in Israel aber auch in Italien Judische Frauen aus Tripolis in traditioneller Kleidung 1914 Inhaltsverzeichnis 1 Altertum 1 1 Kyrenaika 1 2 Kyrene in der Bibel 1 3 Tripolitanien 2 Spatantike 3 Araber und Turkenherrschaft 4 Italienische Herrschaft 5 Konigreich und Massenexodus 6 Herrschaft Gaddafis 7 Burgerkrieg 7 1 Alija nach Israel 8 Literatur 9 Weblinks 10 EinzelnachweiseAltertum BearbeitenKyrenaika Bearbeiten nbsp Griechische Inschrift auf der Grabstele einer judischen Familie aus der Kyrenaika 1 Jahrhundert v Chr nbsp Tumultus Judaicus Schrifttafel an den trajanischen Thermen von KyreneDie Kyrenaika also das heutige Ost Libyen war ab dem 7 Jahrhundert v Chr Siedlungsraum der Griechen und verfugte schon bald uber einen starken judischen Bevolkerungsanteil Die wohl alteste hebraische Inschrift in Libyen ist der Name des Besitzers auf einem Siegelstein der in der Stadt Kyrene dem Zentrum des Siedlungsgebiets der Griechen gefunden wurde Er konnte nur grob auf das zehnte bis vierte Jahrhundert vor Christus datiert werden 1 Aus dem ersten Jahrhundert v Chr stammt eine Grabstele ausgestellt im kleinen Museum von Marsa Susa am Rande des antiken Apollonia der fruheren Hafenstadt von Kyrene mit Namen und Alter von drei Personen einer judischen Familie Weitere ahnliche Funde belegen dass es in allen funf Stadten der Pentapolis judische Gemeinden gab 2 Die altesten judischen Diaspora Gemeinden in Libyen gehen laut Flavius Josephus auf den Diadochen Ptolemaus I 305 285 v Chr zuruck Er soll Juden aus Alexandria in Kyrene und anderen Stadten Ost Libyens angesiedelt haben um dieses Gebiet seines Reiches besser unter Kontrolle zu haben 3 Von ihrer starken Verbreitung und ihrem Einfluss in der Kyrenaika die 74 v Chr romische Provinz wurde berichtet Flavius Josephus indem er den griechischen Geschichtsschreiber Strabon ca 63 v Chr bis 23 n Chr zitiert In der Stadt Kyrene gab es vier Klassen Burger Bauern Metoken und Juden Sie sind bereits in jede Stadt gekommen und man kann nicht leicht einen Ort in der Welt finden der nicht dieses Geschlecht aufgenommen hat und von ihm eingenommen wird 4 Allerdings wurden zur Zeit Strabons die Juden in der Kyrenaika von ihren griechischen Nachbarn so drangsaliert und bestohlen dass Kaiser Augustus ihre Position per Dekret starken musste Er bestatigte den Juden das Recht freier Religionsausubung erlaubte ausdrucklich die Abfuhrung von Tempelgeldern nach Jerusalem und erklarte deren Entwendung sei als Tempelraub zu bestrafen 5 6 Nachdem 70 n Chr der erste grosse Aufstand der Juden in Palastina von Titus niedergeworfen und der Tempel von Jerusalem zerstort war kam es im Jahre 73 in Kyrene zu dem vergeblichen Versuch eines Sikariers den Kampf gegen die Romer wieder aufzunehmen 7 Grosse Verwustungen und einen hohen Blutzoll der Geschichtsschreiber Cassius Dio spricht von uber 200 000 getoteten Romern und Griechen 8 forderte der judische Diasporaaufstand der 115 von Kyrene ausging Seine Niederwerfung verlangte den Romern grosse militarische Anstrengungen ab und dezimierte letztlich die judische Bevolkerung in der Kyrenaika Zypern und Agypten An Hadrians Wiederaufbau der Stadt Kyrene nach diesem Tumultus Judaicus erinnern mehrere noch heute erhaltene lateinische Inschriften Wichtige Quellen zum Gemeindeleben in der Kyrenaika sind die in der fruhen romischen Kaiserzeit entstandenen griechischen Inschriften von Berenike Euhesperides dem heutigen Bengasi 9 10 Das jungere von zwei Ehrendekreten des judischen Politeuma der Stadt stammt von 24 25 n Chr Es war laut Inschrift an prominenter Stelle im Amphitheater der Stadt angebracht und verlieh dem Dank der judischen Gemeinde an den romischen Prafekten Marcus Tittius fur dessen humanen Umgang mit den Juden Ausdruck Kyrene in der Bibel Bearbeiten Die Existenz judischer Gemeinden in der Kyrenaika ist auch aus der Bibel herauszulesen So taucht in den Apokryphen ein Autor Jason von Kyrene auf dessen nicht erhaltenes funfbandiges Geschichtswerk die Basis fur das Zweite Buch der Makkabaer bildete 11 Es erganzt die im Ersten Buch der Makkabaer enthaltene Berichterstattung uber den judischen Freiheitskampf gegen die Seleukiden 167 142 v Chr Zu den Adressaten eines Rundschreibens des romischen Senats zugunsten der Juden von 139 138 v Chr das im Ersten Buch der Makkabaer 12 erwahnt wird gehort Kyrene Auch im Neuen Testament wird Kyrene mehrfach genannt So wird beispielsweise ein Mann namens Simon von Kyrene eventuell ein in Jerusalem lebender Diaspora Jude aus der Kyrenaika von romischen Soldaten gezwungen das Kreuz Christi zu tragen 13 Und der Apostelgeschichte ist zu entnehmen dass Diasporajuden aus Kyrene in Jerusalem eine eigene Synagoge hatten 14 Tripolitanien Bearbeiten Es ist nicht unwahrscheinlich dass sich Juden bereits ab 813 v Chr im Gefolge der sprachverwandten phonizischen Siedler langs der nordafrikanischen Kuste niedergelassen haben 15 16 Gesicherte judische Spuren aus vorromischer Zeit sind westlich der Kyrenaika allerdings praktisch nicht vorhanden In Tripolitanien das zum neu entstandenen punischen Kulturraum mit Zentrum Karthago gehorte gab es ab 70 n Chr nach der Zerstorung des Tempels von Jerusalem judische Einwanderer in grosserer Zahl Zuwanderungswellen durfte auch die Niederschlagung des Diasporaaufstands und des Bar Kochba Aufstands ausgelost haben Hinweise auf judische Gemeinden wurden in Leptis Magna und Oea dem heutigen Tripolis gefunden 17 Carthago im Nachbarland Tunesien muss eine starke Anziehungskraft auf judische Handler und Siedler ausgeubt haben Nach der totalen Zerstorung des punischen Metropole 146 v Chr baute sie erst Kaiser Augustus wieder auf und machte sie zur Hauptstadt der 27 v Chr gebildeten Provinz Africa proconsularis Die am nordwestlichen Stadtrand Carthagos unter dem Gammarth Hugel gefundene grosse Nekropole aus dem ersten bis funften Jahrhundert enthalt zahlreiche judische Schiebegraber 18 Eine aktuelle Zusammenstellung der archaologischen Tatbestande und deren neutrale Analyse hebt allerdings die stark lokale nordafrikanische Pragung der in Gammarth beobachtbaren Bestattungskultur hervor und hinterfragt den Grad talmudischer Einflusse 19 Schon der fruhe christliche Schriftsteller Tertullian ca 150 230 n Chr berichtete aus Carthago von missionarischer Aktivitat der Juden und der islamische Historiker Ibn Chaldun 1332 1406 erwahnt in seinem Werk uber die Geschichte der Berber dass diese vor der muslimischen Eroberung zum Teil judischen Glaubens gewesen seien Zu den explizit genannten Stammen gehoren nicht nur die Dscharawa aus dem Aures mit ihrer beruhmten Fuhrerin al Kahina sondern auch die Nefouca Berber aus Ifriqiya 20 Ifriqiya ist die mittelalterliche Bezeichnung fur das Gebiet der romischen Provinz Africa proconsularis die auch Tripolitanien einschliesst und die Nefouca teilen ihren Namen mit den Nefusa Bergen welche sich hinter der flachen Kustenzone Tripolitaniens erheben Die von Ibn Chaldun angefuhrten wesentlich alteren Theorien uber die Abstammung der Berber von Einwanderern aus Palastina durften allerdings in die Kategorie der Legenden gehoren 21 Im Lauf der Jahrhunderte hatten sich die indigenen Berber in Sprache und religiosen Vorstellungen den semitischen Phoniziern und Juden stark angenahert Aber auch Juden die im Hinterland Libyens lebten haben ihrerseits Sitten der Berber ubernommen 22 Spatantike BearbeitenBereits in der klassischen romischen Kaiserzeit war Libyen wegen seiner judischen Gemeinden und der geringen Entfernung zu Palastina ein wichtiges Ziel der ersten christlichen Missionsarbeit die in Konkurrenz zu judischen Bekehrungsbemuhungen stand Die nordafrikanischen Christenfuhrer bekampften daher die Juden so etwa der Kirchenvater Tertullian aus Carthago mit seiner Streitschrift Adversus Judaeos 23 Der Konflikt blieb ohne grosse Folgen solange die romischen Kaiser beispielsweise der aus Tripolitanien stammende Septimius Severus und sein Sohn und Nachfolger Caracalla die Christen verfolgten und die Juden weiterhin privilegiert behandelten Tendenziell anderte sich aber die Lage als Konstantin der Grosse ab 313 mit der Mailander Vereinbarung das Christentum forderte und dieses ab 380 zur Staatsreligion avancierte Konstantins Nachfolger verschlechterten mit Konzilsentscheiden und Gesetzen den rechtlichen Staus der Juden So wurden beispielsweise 388 n Chr Eheschliessungen zwischen Christen und Juden verboten 24 Die Grenze die bei der Reichsteilung von 395 nach Chr zwischen den beiden romischen Reichen entstand verlief mitten durch Libyen Nach dem Einfall der Vandalen die Carthago im Jahre 439 zu ihrer Hauptstadt machten blieb Libyens Westen ein Jahrhundert Teil des Vandalenreichs Es ist anzunehmen dass die arianischen Vandalenherrscher toleranter gegen die Juden waren als zuvor die christlichen Kaiser 25 Die Ruckeroberung Libyens durch Justinian I brachte dem Land nicht nur dessen rege Bautatigkeit die Prokop in seinem Buch de aedificiis beschreibt sondern auch dessen radikale Christianisierungspolitik die Gotzendiener und Getaufte die mit dem Irrtum der Heiden weiter leben mit der Todesstrafe bedrohte 26 Zusatzlich erhielt der Statthalter von Africa den Auftrag samtliche Synagogen sowie die Kirchen der Arianer und der Donatisten in Kirchen der Rechtglaubigen umzuwandeln 27 Diese Novelle wurde jedoch wegen der instabilen Lage in der Region nicht in die Tat umgesetzt Von einem Ausnahmefall berichtet allerdings der Historiker Prokop Uber die judische Gemeinde Borieum auch Borion am Westrand der Kyrenaika verhangte Justinian eine Konversion zum Christentum und die Umwandlung der Synagoge in eine christliche Kirche und das obwohl in der Gemeinde die alte Uberlieferung bestand ihre Synagoge sei von Konig Salomo gebaut worden 28 Araber und Turkenherrschaft Bearbeiten nbsp Heutige Troglodytenwohnung in Gharyan so wohnten die Troglodyten Juden Bei der Eroberung Nordafrikas durch die Araber wurde die Kyrenaika 643 und Tripolitanien 647 besetzt und das Land islamisiert Nach Jahren der Unterdruckung durch Ostrom begrusste vermutlich die uberwiegende Mehrheit der Juden diesen Umbruch Trotz mehrfach wechselnder arabischer Dynastien konnten sie mit ihrem Dhimma Status der sie zwar diskriminierte ihnen aber immerhin die Ausubung ihrer Religion gestattete uber Jahrhunderte uberwiegend gut mit den muslimischen Herrschern auskommen Eine Ausnahme bildete die Herrschaft der Almohaden die bis Tripolitanien und nach Spanien vorstiessen und Juden und Christen gleichermassen hart verfolgten Unter Kalif Muawiya I 661 680 dem Grunder der Umayyaden Dynastie verwandelte sich die arabische Welt in einen sakularen Staat Muawiya sah die Juden als treue Verbundete an und forderte ihre Ansiedlung in Tripolis 29 In der Zeit der Abbasiden engagierten sich die Juden stark im Fernhandel und judische Siedlungen langs des Ost West Handelswegs durch Libyen waren dabei ein strategischer Vorteil Im Nachbarland Tunesien entwickelte sich in der Zeit der schiitischen Fatimiden die judische Gemeinde von Kairouan zu einem bedeutsamen Zentrum der judischen Welt 30 Im Streit der Jeschiwot von Palastina und Bagdad um die Vorherrschaft in Nordafrika schrieb Rabbi Scherira Gaon 987 seinen historisch wichtigen Brief an die Juden von Kairouan Dass das judische Leben in Libyen im Goldenen Zeitalter nicht die Blute erreichte wie im ubrigen Maghreb und in Spanien lasst ein Brief von Maimonides ca 1135 1204 vermuten Er empfiehlt darin seinem Sohn er solle den Kontakt mit Juden westlich von Djerba meiden Diese seien ignorant und hatten ungewohnliche Sitten Tatsachlich durften die haufig wechselnde Herrschaft uber die Kuste und Nomadenuberfalle aus dem Hinterland den Kontakt der judischen Gemeinden in Libyen mit den westlichen Nachbarn behindert haben 31 Informationen uber das Leben der libyschen Juden liefert auch die Geniza von Kairo Berichtet wird beispielsweise in Briefen aus dem 11 Jahrhundert uber einen Warenaustausch zwischen Sizilien und Tripolis am Vorabend des Endes der islamischen Herrschaft uber Sizilien 32 Tripolitanien bildete auch nach der Reconquista einen wichtigen Fluchtpunkt fur die Juden die auf der Iberischen Halbinsel eine lange kulturelle Bluteperiode erlebt hatten und nach der Vertreibung der Mauren ihre Heimat aufgrund des Alhambra Edikts von 1492 ebenfalls verlassen mussten Bei Ankunft der Spanier in Tripolis 1510 flohen 800 judische Familien aus der Stadt Ein Teil davon verstarkte in den Nafusa Bergen bei Gharyan die Gemeinden der Troglodyten Juden Viele kehrten zuruck nachdem die Turken die schon ab 1517 in der Kyrenaika auftraten 1551 Tripolis erobert hatten 33 Zu denen die Spanien in Richtung Nordafrika verliessen gehorten die Vorfahren von Shimon ibn Lavi Dieser Sefarde reorganisierte im 16 Jahrhundert das religiose Leben der Juden in Libyen und gilt bis heute als Vater der libyschen Tradition im Judentum 34 Vom 16 bis zum fruhen 19 Jahrhundert grassierte im westlichen Mittelmeer die Piraterie der Barbareskenstaaten Bei Losegelderpressungen fur gefangene Christen traten Juden haufig als Vermittler auf Sie waren aber auch 1705 an der Verteidigung von Tripolis beteiligt als der Bey von Tunis Ibrahim el Scherif bei einer Strafaktion gegen Piraten die Stadt belagerte Der uberraschende Abbruch der Belagerung und damit die Rettung der Juden ist der Grund fur ihr traditionelles Fest Purim Scherif Ein weiteres regionales Purim Fest Purim Burghol erinnert an die Erlosung der Stadt aus der Schreckensherrschaft des Korsaren gleichen Namens 31 Von 1711 bis 1835 wurde Libyen von der weitgehend autonomen Dynastie der Qaramanli regiert Danach ubernahm 1835 die Hohe Pforte direkt die Verwaltung Libyens und hob alle bestehenden diskriminierenden Vorschriften fur Juden auf Der Rumane Israel Joseph Benjamin der Libyen Mitte des 19 Jahrhunderts bereiste berichtete von fast 1000 judischen Familien mit acht Synagogen in Tripolis 400 Familien mit zwei Synagogen in Bengasi sowie von acht weiteren kleinen Gemeinden teilweise in Troglodyten Die insgesamt 2200 Familien lebten von Handel Hausieren Handwerk besonders Weberei und Schlosserei und Landwirtschaft Trotz ihrer verbrieften Rechte hatten sie unter der Intoleranz der Muslime zu leiden gehabt 35 Schon bald nach der Einigung Italiens bemuhte sich dieser junge Staat um Einfluss in Libyen Bereits 1876 wurde eine italienische Schule in Tripolis eroffnet die ein Jahr spater auch Madchen aufnahm 36 Die Eroffnung einer Schule der Alliance Israelite Universelle AIU im Jahre 1895 fuhrte wegen ihrer modernen abendlandischen Ausrichtung sie nahm ebenfalls Madchen auf zu einer Spaltung der judischen Gemeinschaft 37 Italienische Herrschaft Bearbeiten nbsp Zahlenmassige Verteilung der Juden in Libyen um 1939 nbsp Slat Abn Schaif Synagoge in Zliten vor dem Zweiten WeltkriegDie kolonialistische Eroberung Libyens durch Italien setzte im Jahre 1911 ein und konzentrierte sich zunachst auf Tripolitanien Der Fessan konnte erst 1924 und die Kyrenaika erst 1932 vollig unter Kontrolle gebracht werden Die Zahl judischer Burger wuchs an und betrug nach einer Erfassung von 1931 21 000 Personen in Tripolitanien was etwa vier Prozent der Bevolkerung entsprach Davon lebten 15 000 in Tripolis In der Kyrenaika wurden 3000 Juden gezahlt davon uber 2000 in Bengasi Der Oberrabbiner in Tripolis und viele Rabbiner stammten aus Italien desgleichen zahlreiche der oft aus Livorno eingewanderten Glaubigen 38 Die Juden Libyens erfreuten sich wahrend der ersten 25 Jahre einer gewissen Wertschatzung durch die italienische Kolonialmacht und erlebten eine Zeit des Wohlstands und des Fortschritts bis in den 1930er Jahren der italienische Faschismus und die Allianz Italiens mit Nazideutschland zu erneuter Diskriminierung fuhrten Allerdings wurden die Gesetze des Mutterlandes von 1939 bis 1940 auf die Juden in Libyen nicht sofort angewandt weil diese oft eine wichtige Rolle im Aufbau der Kolonie spielten Nach dem Einmarsch des deutschen Afrikakorps 1941 zur Unterstutzung der italienischen Truppen gegen die Briten wurden viele Juden Libyens von den Achsenmachten mit Zwangsarbeit in Frontnahe belegt deportiert oder interniert Nach zweimaligem Frontwechsel in Bengasi wurde fast die gesamte judische Bevolkerung wegen Sympathie mit dem Feind in die Nafusa Berge deportiert Im KZ Giado starb innerhalb von 14 Monaten fast ein Viertel der 2600 Insassen an Hunger und Typhus bevor die Uberlebenden im Januar 1943 durch die britische 8 Armee befreit wurden 38 Konigreich und Massenexodus BearbeitenAuf die Niederlage der deutschen und italienischen Truppen folgte von 1943 bis 1951 die Herrschaft einer britischen Tripolitanien und Kyrenaika und franzosischen Fezzan Treuhandadministration im Auftrag der Vereinten Nationen Sie wurde 1951 durch das Konigreich Libyen mit dem Herrscher Idris I abgelost Die Briten konnten 1945 und 1948 wenig erreichen als die durch den arabischen Nationalismus und den Zionismus sich rapide verschlechternden Beziehungen zwischen Arabern und Juden zu Pogromen fuhrten Das Pogrom von Tripolis 1945 begann am 4 Dezember 1945 mit antijudischen Gewalttatigkeiten in der Hauptstadt die auch auf andere Stadte ubergriffen Insgesamt kamen 135 Juden sofort ums Leben 300 werden verwundet zum Teil todlich 39 Die Juden bauten daraufhin eine Selbstverteidigungsorganisation auf die bei Ausbruch erneuter Angriffe auf Juden nach Ausrufung des Staates Israel am 12 Juni 1948 ihr altes Quartier in Tripolis verteidigen konnte Auf judischer Seite waren 14 Tote zu beklagen Die Unruhen in Bengasi am 16 Juni forderten ein weiteres Opfer Da ihre Position im Lande hoffnungslos geworden war verliessen zwischen 1949 und 1952 in einem Massenexodus 90 der rund 36 000 libyschen Juden das Land Sie gingen uberwiegend nach Israel siedelten aber auch teilweise nach Rom und in andere italienische Stadte uber Um die verbliebenen Juden wahrend des Sechstagekriegs 5 Juni bis zum 10 Juni 1967 vor der Volkswut zu schutzen entschied die libysche Regierung sie in einem Lager ausserhalb von Tripoli bzw in einer Kaserne in Bengasi unterzubringen Gleichwohl gab es mehrere Tote und zahlreiche Brandschatzungen sowie Plunderungen von Synagogen Laden und Hausern auch in den neuen Judenquartieren Besonders Italien half bei der Evakuierung der Fluchtlinge 40 Herrschaft Gaddafis Bearbeiten nbsp Dar E Serousi Synagoge und Hebraischschule in der Altstadt von TripolisMuammar al Gaddafi entmachtete am 1 September 1969 in einem unblutigen Staatsstreich Konig Idris I der im Ausland weilte Zu dieser Zeit blieben im Land um die 100 Juden Er verscharfte die Bestimmungen bezuglich des Verbleibs von Juden im Land und der Verstaatlichung des Besitzes ausgewanderter oder abwesender Juden Synagogen wurden in Moscheen umgewandelt oder geschlossen Alleine in Tripolis gab es vor der Vertreibung der Juden 62 Synagogen 41 Die im Jahre 1628 gebaute Sla El Kebira Synagoge wurde eine Moschee das Gebaude der fruheren Dar E Serousi Synagoge und hebraischen Schule wurde 1994 erneuert und als Stadtarchiv genutzt und die Dar Bishi Synagoge an deren Einweihung einst der italienische Konig Viktor Emanuel III teilgenommen hatte wurde verschlossen und dem Verfall preisgegeben Als am 10 Oktober 2003 die 81 jahrige Rina Debash zu ihrem Neffen David Gerbi nach Rom ubersiedelte 42 war damit das judische Leben in Libyen vollig erloschen anders als in allen anderen arabischen Landern Kultur und Brauche der libyschen Juden aber lebten weiter und bereicherten in vielfacher Hinsicht die neue Heimat der Fluchtlinge Etwa 200 000 Menschen in Israel und Italien aber auch in Grossbritannien den USA und in anderen Landern gelten heute als Nachfahren libyscher Juden Lokale Gruppierungen und vor allem die World Organization of Libyan Jews WOLJ 43 versuchen deren Interessen wahrzunehmen und die Erinnerung an die alte Heimat wachzuhalten Dazu dienen unter anderem das Museum in Or Jehuda 44 und eine spezielle Libyenabteilung des judischen Museums in Rom 45 Burgerkrieg BearbeitenAls 2011 im Verlauf des Arabischen Fruhlings der Burgerkrieg in Libyen ausbrach der mit dem Sieg der Rebellen und dem Tod Gaddafis endete war Antisemitismus auch bei den Revolutionaren anzutreffen Um Gaddafis Herkunft hatte es schon immer mehr oder weniger ernstzunehmende Geruchte gegeben er habe judische Vorfahren 46 47 Nun tauchten besonders an offentlichen Gebauden haufig Graffiti der Aufstandischen auf die ihn als Juden und Handlanger Israels beschimpften 48 Der Experte fur das libysche Judentum Maurice Roumani meinte nach dem Ende des Gaddafi Regimes in einem Interview durch Manfred Gerstenfeld vom Jerusalem Center of Public Affairs Libysche Juden begrussten fast einhellig den Sturz Muammar Gaddafis sie glaubten er verdiene sein Schicksal Gaddafi war beruchtigt dafur antiisraelisch zu sein 49 Schon fruh hatte die World Organization of Libyan Jews WOLJ versucht mit dem Nationalen Ubergangsrat der Aufstandsbewegung Kontakt aufzunehmen David Gerbi ein italienischer Analytischer Psychologe der als Zwolfjahriger mit seinen Eltern aus Tripolis nach Italien geflohen war besuchte 2011 als WOLJ Delegierter zunachst Bengasi 50 Im Kampfgebiet der Berber einer in Gaddafis Libyen diskriminierten Minderheit wurde er besonders herzlich empfangen 51 Als er aber in einer medienwirksamen Aktion in Tripolis die Mauer die den Eingang zur Dar Bishi Synagoge versperrte einriss und ankundigte er wolle die Synagoge wieder aufbauen wurde er in der Folge von einer Miliz bedroht und musste fliehen 52 Seine Einladung zu einem Kongress der Berber International Forum of the Constitutional Rights of the Amazigh of Libya anlasslich ihres Neujahrfestes am 12 Januar 2013 in Tripolis wurde in letzter Minute mit der Begrundung zuruckgezogen sein Besuch sei verfruht 53 M Roumani sagte nach Gerbis Versuch der Offnung der Dar Bishi Synagoge uber den Nationalen Ubergangsrat TNC Ein Jude der kommt um judisches Erbe wiederherzustellen in einem Land in dem eine Revolution lauft ist das Letzte was der TNC am Hals haben wollte 49 Nach einer Volkswahl wurde inzwischen das Provisorium TNC am 8 August 2012 durch den libyschen Allgemeinen Volkskongress abgelost Aber angesichts der weiterhin instabilen Lage im Lande sind Entschadigungen fur enteignetes Privat und Kollektiveigentum der Fluchtlinge die Wiederherstellung von Synagogen und Friedhofen sowie die Moglichkeit auf der Suche nach den eigenen Wurzeln nach Libyen zu reisen oder zuruckzukehren nach wie vor nicht absehbar Alija nach Israel Bearbeiten Zeitraum 1948 1951 1952 1960 1961 1971 1972 1979 1980 1989 1990 1999 2000 2006Anzahl 30 972 2 079 2 466 219 66 0 25Quelle 54 Literatur BearbeitenM Rachmuth Die Juden in Nordafrika bis zur Invasion der Araber Monatsschrift fur Geschichte und Wissenschaft des Judentums 14 Koebner Breslau 1906 Eli Barnavi Universalgeschichte der Juden dtv Munchen 2004 ISBN 3 423 34087 8 Haim Hillel Ben Sasson Hrsg Geschichte des judischen Volkes von den Anfangen bis zur Gegenwart Ubersetzung von Siegfried Schmitz Beck Munchen 2007 ISBN 978 3 406 55918 1 Shimon Applebaum Jews and Greeks in Ancient Cyrenaica Brill Leiden 1979 ISBN 90 04 05970 9 M Roumani The Jews of Libya Coexistence Persecution Resettlement Sussex Academic Press USA 2008 ISBN 978 1 84519 137 5 R Simon Changes within Tradition among Jewish Women in Libya University of Washington Press Washington 1992 ISBN 0 295 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21 2 23 Geschichte von Boreium englisch E Barnavi Universalgeschichte der Juden 2004 S 81 E Barnavi Universalgeschichte der Juden 2004 S 83 a b A Chouraqui Histoire des juifs en Afrique du Nord 1998 S 257 Moshe Gil David Strassler Jews in Islamic Countries in the Middle Ages Brill Leiden 2004 S 550 557 A Chouraqui Histoire des juifs en Afrique du Nord 1998 S 256 Goldstein Goren International Center of Jewish Thought Ben Gurion University of the Negev Israel A Chouraqui Histoire des juifs en Afrique du Nord 1998 S 262 R Simon Changes within Tradition among Jewish Women in Libya 1992 S 111 127 E Barnavi Universalgeschichte der Juden 2004 S 188 a b H Hirschberg u a A History of the Jews in North Africa 1981 S 185 H Hirschberg u a A History of the Jews in North Africa 1981 S 186 M Roumani The Final Exodus of the Libyan Jews in 1967 PDF 241 kB In Jewish Political Studies Review 19 3 4 Fall 2007 Abschnitt Beginning of the End R Luzon In Libya now Memento vom 11 Dezember 2012 im Internet 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