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Die lateinische Epigraphik aus altgriechisch ἐpigrafein epigraphein auf einschreiben ist eine historische Hilfswissenschaft die sich mit dem Studium der Erstellung von Verzeichnissen und der Ubersetzung von antiken lateinischen Inschriften befasst Gegenstand sind im Wesentlichen alle originaren lateinischen Schriftzeugnisse aus romischer Zeit die auf dauerhaftem Material uberliefert sind Allerdings zahlen auch Inschriften auf nicht bestandigen Materialien etwa Wachstafeln tabulae ceratae oder mit Tinte beschriebene Holztafelchen dazu wahrend Munzinschriften und Dokumente auf Papyrus oder Pergament eigenen Disziplinen vorbehalten sind 1 Inschrift auf dem Titusbogen in Rom Inhaltsverzeichnis 1 Bedeutung Geschichte und Publikation der Inschriften 2 Inschriftenklassen 2 1 Instrumenta publica 2 2 Kalender Protokolle 2 3 Weihinschriften 2 4 Ehreninschriften 2 5 Bauinschriften 2 6 Grabinschriften 2 6 1 Beispiel einer Grabinschrift 2 7 Dipinti Graffiti und Kleininschriften 3 Ubliche Abkurzungen Auswahl 4 Namen Haufige Abkurzungen 5 Anmerkungen 6 Beispiel eines epigraphischen Textes 7 Literatur 8 Einzelnachweise 9 Siehe auchBedeutung Geschichte und Publikation der Inschriften BearbeitenLateinische Inschriften sind fur die allseitige Erforschung romischer Lebenswelt und Geschichte von unschatzbarem Quellenwert Zu den bekanntesten Beispielen gehoren der Tatenbericht des Kaisers Augustus Res gestae divi Augusti der von Theodor Mommsen als Konigin der lateinischen Inschriften bezeichnet wurde die Rede des Kaisers Claudius im Senat im Jahre 48 auf einer Bronzetafel aus Lyon 2 sowie die Grabrede eines Witwers aus Augusteischer Zeit die sogenannte Laudatio Turiae 3 Der exakte Zeitraum der lateinischen Epigraphik in der romischen Welt lasst sich nur regional genauer und damit unterschiedlich fassen Die zeitlich weiteste Ausdehnung erstreckt sich von den fruhesten Zeugnissen aus der romischen Konigszeit bis zum Jahre 711 n Chr dem Datum der arabischen Eroberung Spaniens als dem westlichsten Teil des Romischen Reiches das somit auch das Ende der genuin romischen Epigraphik markiert 4 Inschriften auf Stein finden sich auf zahlreichen Gebauden mit einem erklarenden oder kommentierenden Titulus Zudem finden sich Inschriften auf Sockeln von Statuen auf Sarkophagen Epitaphe auf Stelen auf Meilensteinen Miliaria oder auf Bronzetafeln mit Gesetzestexten z B die Tabula Clesiana 5 Zur lateinischen Epigraphik gehort auch das Studium der romischen Namen ihrer Abkurzungen und der Titulatur von Wurdentragern Im Laufe der Jahrhunderte wurden zahlreiche Inschriften entdeckt Sie werden in Sammlungen wie dem Corpus Inscriptionum Latinarum zusammengefasst neue Funde werden jahrlich in L Annee epigraphique verzeichnet Inschriftenklassen BearbeitenInstrumenta publica Bearbeiten Als Instrumenta publica gelten alle die staatliche Gemeinschaft regelnden Dokumente Dies betrifft zunachst Gesetze Senatsbeschlusse und kaiserliche Erlasse constitutiones dann Militardiplome und schliesslich Patronatstafeln zur Bestatigung der Aufnahme einer Gemeinde eines Municipium oder Familienverbandes in die Klientel eines Patrons 6 Kalender Protokolle Bearbeiten Inschriften mit Angaben zum romischen Kalender insbesondere zu den Dies fasti und nefasti dienten der romischen Gesellschaft zur Orientierung im staatlichen religiosen und wirtschaftlichen Leben In diesen Bereich gehoren auch die Acta fratrum arvalium die Sitzungsprotokolle der Arval Priesterschaft deren Mitglieder aus den hochsten Kreisen Roms ernannt wurden Ein Beispiel dafur ist das Carmen Arvale ein Kultgesang aus archaischer Zeit der in den Akten der Arval Priesterschaft aus dem Jahre 218 n Chr als antiquarische Abschrift bewahrt wurde die damals schon nicht mehr verstanden wurde 7 Weihinschriften Bearbeiten Auf Weihinschriften tituli sacri werden seit der romischen Fruhzeit Tempel Statuen Altare aber auch Gebrauchsgegenstande wie Waffen Gefasse oder blosse Votivtafelchen einer oder mehreren Gottheiten zugeeignet Dazu gehoren auch die sogenannten Fluchtafeln defixionum tabellae Dies sind in der Regel dunne meist aufgerollte Bleitafeln oft mit einem Nagel durchbohrt Auf ihren Innenseiten finden sich Verfluchungen von Personen Dieben Nebenbuhlern auch von Tieren Pferde beim Wagenrennen oft verbunden mit kryptischen magischen Zeichen Die Texte sind anonym abgefasst meist vergraben bewahrt und im Gegensatz zu Inschriften im Allgemeinen an keine Offentlichkeit gerichtet Adressaten wenn uberhaupt genannt sind vielmehr chthonische Gotter wie Hekate oder die Gotter der Unterwelt insgesamt 8 Ehreninschriften Bearbeiten Ehreninschriften tituli honorarii veroffentlichen Namen Amter und Ehrungen einer verstorbenen Personlichkeit 9 Bauinschriften Bearbeiten nbsp Pantheon Rom Die Bauinschriften zeichnen sich durch grosse Vielfalt aus Dazu gehoren zunachst die Inschriften auf offentlichen und privaten Bauen tituli operis publici et privati Bekanntestes Beispiel fur die Inschrift auf einem antiken Gebaude ist wohl jene vom Architrav des Pantheons in Rom M arcus Agrippa L uci f ilius co n s ul tertium fecit 10 Ubersetzung Marcus Agrippa Sohn des Lucius Konsul zum dritten Male hat es bauen lassen Weitere Beispiele fur Bauinschriften sind aber auch Meilensteine Miliaria Sie markierten an den viae publicae den romischen Reichsstrassen die Entfernung vom Ausgangspunkt einer Wegstrecke Ferner werden auch die Grenzsteine der Stadt Rom Termini dazu gezahlt 11 Grabinschriften Bearbeiten Grabinschriften tituli sepulcrales finden sich auf Aschenkisten und Urnen grosserer Grabbauten auf Kolumbarien am haufigsten jedoch auf Stelen sowohl an den Graberstrassen Roms als auch in den Grabstatten provinzialer Stadte oder auf den Friedhofen der Kastelle langs des Limes 12 Dabei werden oft diverse Arten von Abkurzungen verwendet Siglum Abkurzungszeichen bestehend aus einem Buchstaben wie L ucius Nota Teile eines Wortes wie aed ilis l e g io co n s ul oder Nummern DDD NNNN d omini n ostri quattuor Beispiel einer Grabinschrift Bearbeiten Erhalten hat sich die Inschrift auf dem Grabstein des Marcus Valerius Celerinus den man in Koln gefunden hat und heute dort im Romisch Germanischen Museum besichtigen kann Auf der Inschrift ist folgender Text zu lesen M VAL CELERINVS PAPIRIA ASTIGI CIVES AGRIPPINE VET LEG X G P F VIVOS FECIT SIBI ET MARCIAE PRO CVL VXORI 13 Lost man die Abkurzungen der Inschrift auf so erhalt man folgenden Text Zur besseren Ubersicht wurden die Erganzungen und die beiden Korrekturen bei CIVES und VIVOS kursiv und mit kleinen Buchstaben hinzugesetzt Marcus VALerius CELERINVS PAPIRIA ASTIGI CIViS AGRIPPINEnsis VETeranus LEGionis X Geminae Piae Fidelis VIVuS FECIT SIBI ET MARCIAE PRO CVLae VXORIUbersetzung Marcus Valerius Celerinus aus dem Bezirk der tribus Papiria aus dem Dorf Astigis kolnischer Burger Veteran der zehnten Legion der pflichtbewussten treuen Zwillingslegion fertigte diesen Stein zu Lebzeiten fur sich und Marcia Procula seine Frau Dipinti Graffiti und Kleininschriften Bearbeiten Schliesslich sind jene Zeugnisse anzufuhren die von vornherein nicht fur die Ewigkeit bestimmt waren sondern dem Zufall der Uberlieferung zu verdanken sind und uns so einen Einblick in den antiken Alltag gewahren Dazu gehoren Dipinti tituli picti oft in Form von Wahlaufrufen und Graffiti tituli scarifati von denen die meisten in Pompeji Herculaneum und Stabiae entdeckt wurden der Stadte die im Jahre 79 n Chr im Aschenregen des Vesuv untergegangen waren 14 Eine letzte Kategorie zahlreich und vielfaltig wie keine andere wird als Kleininschriften instrumentum domesticum zusammengefasst und findet sich auf Gegenstanden des taglichen Gebrauchs gestempelt eingeritzt oder aufgemalt 15 Ubliche Abkurzungen Auswahl BearbeitenA annus Jahr asses Asse AN XXXII semissis annorum Triginta duorum semissis im Alter von 32 5 Jahren AVG Augustus Augur B R P N bono rei publicae natus zum Wohle des Staates geboren B T O Q bene tua ossa quiescant mogen deine Knochen in Frieden ruhen B VIX bene vixit hat gut gelebt CAES Caesar COS S Consule Consulibus im Jahre des Konsulats des und C V clarissimus vir hochangesehener Mann DM Dis Manibus den Gottern der Unterwelt geweiht F Filius Sohn Fastus fecit fecerunt Er sie liess en anfertigen H S E Hic situs est Er liegt hier begraben ID Idibus An den Iden am 13 15 I S infra scriptus untenstehend I O M Iovi Optimo Maximo dem besten und grossten Jupiter KAL IVL Kalendis Iuliis am 1 Juli L Libertus Freigelassener oder romischer Name Lucius LEG X Legionis Decimae der zehnten Legion MIL Miles Soldat NON Nonis An den Nonen am 5 7 Q Quastor PRO COS proconsul pro consule Prokonsul fur den Konsul S C Senatus consultum Senatsbeschluss STIP XXV stipendiorum Viginta quinque Nach 25 Kriegsjahren VET Veteranus Veteran pensionierter Soldat V IL Vir illustris hervorragender Mann V S L L M Votum solvit laetus libens merito er sie loste das Gelubde froh gern und nach Gebuhr einNamen Haufige Abkurzungen Bearbeiten Hauptartikel Romischer Vorname Die gebrauchlichsten mannlichen Vornamen A ulus C aius CN aeus D ecimus K aeso L ucius M anius M arcus P ublius Q uintus S purius SER vius SEX tus T itus TIB erius auch TI abgekurzt 16 Anmerkungen BearbeitenName des Toten meist im Nominativ oder Dativ Stifter meist im Nominativ eventuell mit Angabe der Beziehung zum Toten z B frater Filiation z B M F Sohn des Marcus Gesellschaftsstand z B M Terenti L Freigelassener des Marcus Terentus Herkunft meist im Ablativ z B Ara aus Koln Bononia aus Bonn Beruf militarischer Rang z B miles centurio praefectus Dienstzeit stipendiorum XV Alter annorum XXX Weihung fur eine Gottheit im Dativ z B Dis Manibus IOM Deae Fortunae Deo Mithrae Weihe Stiftungsformel z B V S L L M faciendum curavit fecit Grabformel z B Hic situs est Hic iacet de suo de suis aus eigenem VermogenBeispiel eines epigraphischen Textes Bearbeiten nbsp Inschrift auf dem Septimius Severus Bogen in Rom 203 n Chr Imp eratori Caes ari Lucio Septimio M arci fil io Severo Pio Pertinaci Aug usto patri patriae Parthico Arabico et Parthico Adiabenico pontific i maximo tribvnic ia potest ate XI imp eratori XI co n s uli III proco n s uli et imp eratori Caes ari M arco Aurelio L ucii fil io Antonino Aug usto Pio Felici tribvnic ia potest ate VI co n s uli proco n s uli p atri p atriae optimis fortissimisqve principibvs ob rem pvblicam restitvtam imperivmque popvli Romani propagatvm insignibvs virtvtibus eorvm domi forisqve S enatus P opulus Q ue R omanus Anmerkung Zeilenwechsel Ausgemeisselter und spater uberschriebener Teil Quelle CIL 000006 VI 1033 ILS 425Ubersetzung Dem Imperator Caesar Septimius Severus dem Sohn des Marcus dem Pius Pertinax Augustus Vater des Vaterlandes dem Besieger der Parther der Araber und des parthischen Adiabene dem Pontifex Maximus der zum elften Mal Trager der Macht eines Tribuns zum elften Mal zum Imperator ernannt zum dritten Mal Konsul und Prokonsul ist und dem Imperator Caesar Marcus Aurelianus Antoninus Sohn des Lucius dem Augustus Pius Felix der zum sechsten Mal die Macht eines Tribunen hat dem Konsul Prokonsul Vater des Vaterlandes den besten und starksten principes fur die Rettung des Staates und die Erweiterung des Herrschaftsbereichs des romischen Volkes und fur ihre ausserordentlichen Leistungen in der Heimat und in der Fremde Der Senat und das Volk von Rom Literatur BearbeitenGiancarlo Susini Epigrafia romana Guide allo studio della civilta romana Band 10 1 ZDB ID 2459323 0 Jouvence Rom 1982 ISBN 88 780 1017 0 Leonhard Schumacher Romische Inschriften Philipp Reclam Stuttgart 1988 ISBN 3 15 008512 8 Knud Paasch Almar Inscriptiones Latinae Eine illustrierte Einfuhrung in die lateinische Epigraphik Odense University classical studies Band 14 Odense University Press Odense 1990 ISBN 877 492701 9 John Bodel Epigraphic Evidence Ancient history from Inscriptions Routledge London New York 2001 ISBN 0 415 11623 6 Jean Marie Lassere Manuel d epigraphie romaine Antiquite Syntheses Band 8 1 2 2 Bande Band 1 L individu la cite Band 2 L etat index Picard Paris 2005 ISBN 2 7084 0732 5 Manfred G Schmidt Einfuhrung in die lateinische Epigraphik 2 durchgesehene und bibliographisch aktualisierte Auflage Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2011 ISBN 978 3 534 23642 8 Alison Cooley The Cambridge manual of Latin epigraphy Cambridge University Press Cambridge 2012 ISBN 978 0 521 54954 7 Einzelnachweise Bearbeiten Manfred G Schmidt Einfuhrung in die lateinische Epigraphik 2 Auflage Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2011 S 1 CIL 13 1668 Wikisource fr WP Table claudienne CIL 6 1527 Abbildungen 1 2 Vorlage Toter Link www1 ku eichstaett de Seite nicht mehr abrufbar festgestellt im April 2019 Suche in Webarchiven nbsp Info Der Link wurde automatisch als defekt markiert Bitte prufe den Link gemass Anleitung und entferne dann diesen Hinweis Manfred G Schmidt Einfuhrung in die lateinische Epigraphik 2 Auflage Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2011 S 2 CIL 5 5050 Manfred G Schmidt Einfuhrung in die lateinische Epigraphik 2 Auflage Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2011 S 31 43 Manfred G Schmidt Einfuhrung in die lateinische Epigraphik 2 Auflage Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2011 S 27 30 Manfred G Schmidt Einfuhrung in die lateinische Epigraphik 2 Auflage Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2011 S 44 49 Manfred G Schmidt Einfuhrung in die lateinische Epigraphik 2 Auflage Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2011 S 50 CIL 6 896 Manfred G Schmidt Einfuhrung in die lateinische Epigraphik 2 Auflage Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2011 S 57 64 Manfred G Schmidt Einfuhrung in die lateinische Epigraphik 2 Auflage Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2011 S 65 Die Inschrift befindet sich heute im Romisch Germanischen Museum in Koln ein Foto der Inschrift ist hier zu finden Manfred G Schmidt Einfuhrung in die lateinische Epigraphik 2 Auflage Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2011 S 73 74 Manfred G Schmidt Einfuhrung in die lateinische Epigraphik 2 Auflage Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2011 S 76 Manfred G Schmidt Einfuhrung in die lateinische Epigraphik 2 Auflage Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2011 S 85 86 Siehe auch BearbeitenEpigraphik Zeitschrift fur Papyrologie und Epigraphik Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Lateinische Epigraphik amp oldid 230151509