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Die Wachstafel lateinisch tabula cerata ist eine in der Regel hochrechteckige Schreibtafel aus Holz auch aus Elfenbein oder Metall die ein oder beidseitig mit Wachs beschichtet ist Sie war von der Antike bis in das Mittelalter verbreitet in wenigen Regionen sogar bis zum Anfang des 20 Jahrhunderts in Gebrauch Die Schrift wurde mit einem Griffel Stilus in die Wachsflache eingekratzt Madchen mit Wachstafelbuch und Stilus Pompeji um 50 Wachstafel mit GriffelNachbildung einer romischen Wachstafel mit drei GriffelnAltgriechische Darstellung eines Mannes mit Wachstafel Duris um 500 v Chr Mehrere Wachstafeln konnten mit einfachen Scharnieren zu einem Wachstafelbuch Kodex verbunden werden Ein zweiteiliges Wachstafelbuch wird als Diptychon ein dreiteiliges als Triptychon ein vielteiliges als Polyptychon bezeichnet Diese Bezeichnungen werden ebenso auf Kodizes aus ungewachsten Tafeln angewandt Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte 1 1 Antike 1 2 Mittelalter 2 Formen und Materialien 2 1 Tafeln 2 2 Wachstafelbuch 2 3 Wachsmischung und Wachsauftrag 2 4 Stilus 3 Literatur 4 Weblinks 5 EinzelnachweiseGeschichte BearbeitenAntike Bearbeiten Wachstafeln waren schon fruh bei antiken Griechen Romern und Etruskern in Gebrauch Die fruheste Erwahnung eines Wachstafeldiptychon findet sich im 5 Jahrhundert v Chr beim griechischen Historiker Herodot Bereits der Dichter Homer lasst in der Ilias 8 oder 7 Jahrhundert v Chr eine Botschaft in einem Diptychon ubermitteln erwahnt aber nicht das Material der Schreibflache In der Geschichte des Bellerophon gibt ihm Proitos der Konig von Tiryns der ihn des Ehebruchs mit seiner Gattin Anteia verdachtigte eine Tafel mit die seinen Schwiegervater auffordert ihn zu toten 1 Aber er sandt ihn gen Lykia hin und traurige Zeichen Gab er ihm Todesworte geritzt auf gefaltetem Taflein Dass er dem Schwaher die Schrift darreicht und das Leben verlore Homer Ilias 6 Holzerne Schreibtafeln aus jungerer Zeit wurden an der Westkuste Kleinasiens gefunden Wachstafeln wurden in der Antike fur Aufzeichnungen beinahe jeder Art verwendet Notizen Schularbeiten Rechnungen und andere Geschaftsunterlagen Wachstafelbucher konnten versiegelt werden und eigneten sich daher als Brief der vom Empfanger geloscht vgl Stilus und auf derselben Wachsflache beantwortet werden konnte Belege u a bei Cicero Seneca Augustinus Originale Wachstafeln sind in grosser Zahl gefunden worden Solche mit erhaltener Beschriftung stammen u a aus den vom Vesuv 79 n Chr verschutteten Stadten In Pompeji fanden sich 153 Wachstafeln mit geschaftlichen Aufzeichnungen des Bankiers Lucius Caecilius Iucundus Nicht weit von Pompeji in Murecine sind die Wachstafeln einer weiteren Bankiersfamilie ausgegraben worden Diese Schriftstucke sind wichtige Zeugnisse der romischen Rechts und Wirtschaftsgeschichte Auch literarische Texte sind auf Wachstafeln uberliefert auf Wachstafeln des 3 Jahrhunderts n Chr aus Palmyra Syrien in der Universitat Leiden Niederlande den nach ihrem Entdecker H van Assendelft de Coningh sogenannten Tabulae Assendelftianae sind Ausschnitte aus dem Werk des Fabeldichters Babrios 2 Jahrhundert n Chr erhalten In der Spatantike konnen Diptychondeckel aus Elfenbein mit figurlichen Schnitzereien von hohem kunstlerischem Wert verziert sein Sie waren als wertvolle Geschenke beliebt Insbesondere die Konsuln pflegten derartige Kostbarkeiten bei Amtsantritt zu verschenken sog Konsulardiptychen Zahlreiche Elfenbeindiptychen der Spatantike sind erhalten geblieben weil sie im Mittelalter als Bucheinbande wiederverwendet wurden Mittelalter Bearbeiten Kirchenhistorisch wurden im Mittelalter Wachstafeln hier Diptycha ecclesiastica benutzt um Namenslisten von Lebenden und Verstorbenen zu fuhren fur die gebetet oder deren gedacht wurde Einige mittelalterliche Belege fur Wachstafelbucher dann haufig mit halbrundem oberen Teil finden sich beispielsweise in der Manessischen Liederhandschrift exemplarisch soll hier auf die Darstellung des Gottfried von Strassburg in derselben verwiesen sein Formen und Materialien BearbeitenTafeln Bearbeiten nbsp Rechteckige Wachstafel nbsp Wachstafel mit halbrundem OberteilMeist bestanden Wachstafelbucher aus Buchen oder Pinienholz seltener aus Eiche oder Ahorn Luxusexemplare bestanden aus Elfenbein Gold Silber oder anderen Metallen Es wird vermutet dass das englische book auf das angelsachsische boc Buche zuruckzufuhren ist 2 In die eigentliche Tafel war auf einer oder auf beiden Seiten eine der Tafelform folgende Vertiefung geschnitten Diese Vertiefung war bei erhaltenen Funden zwischen einem und drei Millimetern tief und zumeist mit Rillen oder Einkerbungen am Boden der Vertiefung versehen Diese meist rautenformig angeordneten Rillen am Boden hatten den Sinn das Wachs besser in der Vertiefung haften zu lassen Die Tafeln selbst wurden haufig einfach rechteckig oder mit einer halbrunden Oberseite hergestellt Einfache Versionen trugen keine oder kaum Verzierungen andere waren auf der Aussenseite reich verziert insbesondere Schnitzereien bei Prunkstucken hin bis zu Einlegearbeiten aus Bein oder Elfenbein oder Beschlag mit Blattgold Wachstafelbuch Bearbeiten Aus praktischen Gesichtspunkten um die Wachsschicht und das Geschriebene zu schutzen wurden in der Regel zwei in selteneren Fallen auch mehr Tafeln wie zu einem Buch zusammengebunden Dabei wurden die Tafeln so miteinander verbunden dass die mit Wachs versehenen Seiten der Wachstafeln aufeinander zu liegen kamen Die Verbindung der einzelnen Tafeln wurde im einfachsten Fall durch zum Beispiel eingebohrte und eingeklebte Lederbander oder aufgenagelte Lederstreifen als Scharnier hergestellt in aufwandigeren Fallen auch durch Metallscharniere Die Grosse der Wachstafelbucher variierte von kleinen zum Beispiel ca A6 grossen Notizbuchlein die auch als solche genutzt und dementsprechend mit herumgetragen wurden Andere eher stationar genutzte Exemplare wie die oben erwahnten Diptycha ecclesiastica erreichten nahezu A3 Grosse und bestanden zum Teil aus mehr als 20 Seiten Bei kleineren Exemplaren wurde in einigen Fallen offenbar eine Rille in die das Wachs umgebende Einfassung geschnitten um im zusammengeklappten Zustand den Stilus aufzunehmen der durch das Schliessen des Wachstafelbuches dann auch nicht mehr herausfallen konnte Einige Exemplare wurden auch mit Kerben fur eine Schnurung versehen Durch eine Verschnurung konnten die Wachstafelbucher auch wie ein Brief verschickt werden Die Schnurung konnte noch versiegelt werden wobei insbesondere in romischer Zeit Siegelkapseln als Schutz fur das Siegel fungierten Beispiel Nowgoroder Kodex Wachsmischung und Wachsauftrag Bearbeiten Bienenwachs wurde erhitzt und mit weiteren Zusatzen vermengt welche die Viskositat des Wachses verbesserten bzw einem ungewollten Verflussigen des Wachses bei hochsommerlichen Temperaturen vorbeugten Hierzu wurden dem Wachs zum Teil mehrere weitere Zusatze beigegeben zum Beispiel Leinol Talg oder Terpentin sowie Baumharz oder seltener auch Holzteer Eine typische Zusammensetzung einer Wachsmischung war 80 Prozent Bienenwachs 10 Prozent Kiefernharz 10 Prozent RussAls Farbemittel fur das Wachs wurde zumeist Russ schwarze bis tiefschwarze Farbung oder Birkenpech seltener aber auch Farbpigmente fur dunkelgrune Farbungen oder beispielsweise Auripigment fur eine tiefgelbe Farbung verwandt Vorherrschend waren jedoch dunkle Farbungen Die noch flussige Wachsmischung wurde hiernach zum Erkalten in die Vertiefungen der Tafeln eingefullt Zum Auftragen des Wachses und zum Glatten der gesamten Oberflache auch nach ausfuhrlichem Gebrauch konnten Wachsspachtel verwendet werden Stilus Bearbeiten Der Stilus fur eine Wachstafel ist ein einfacher Metallstift der an einer Seite fur das Schreiben angespitzt ist Am hinteren Ende befindet sich eine T formige Verbreiterung oder eine spachtelartige Abflachung mit der eine beschriebene Wachstafel wieder glattgezogen und das Geschriebene somit ausgeloscht werden konnte 3 Der Stilus wurde aus Knochen Elfenbein oder Metall hergestellt seltener auch aus Glas oder verschiedenen Holzern Fur die romische Zeit uberwiegen Funde aus Eisen zum Teil mit Buntmetalleinlagen Bronzestili und Knochenstili scheinen weitaus seltener Holzstili sind kaum in Funden nachweisbar das kann aber mit schlechteren Erhaltungschancen zusammenhangen Literatur BearbeitenRichard Wunsch Diptychon In Paulys Realencyclopadie der classischen Altertumswissenschaft RE Band V 1 Stuttgart 1903 Sp 1163 f Richard Delbrueck Die Consulardiptychen und verwandte Denkmaler Studien zur spatantiken Kunstgeschichte Bd 2 2 Bande Textbd Tafelbd de Gruyter Berlin 1929 Wolfgang Fritz Volbach Elfenbeinarbeiten der Spatantike und des fruhen Mittelalters Romisch Germanisches Zentralmuseum zu Mainz Katalog 7 2 Auflage Verlag des Romisch Germanischen Zentralmuseums Mainz 1952 Charlotte Teuber Weckersdorff Das Diptychon als kunsthistorisches Problem Innsbruck 1956 Innsbruck Universitat Dissertation 1956 Wolfgang Fritz Volbach Karl August Wirth Diptychon In Otto Schmitt u a Hrsg Reallexikon zur Deutschen Kunstgeschichte RDK Band 4 Dinanderie Elle Beck Stuttgart 1958 Horst Blanck Das Buch in der Antike Beck Munchen 1992 ISBN 3 406 36686 4 Hubert Cancik Helmuth Schneider Hrsg Der Neue Pauly Band 10 Pol Sal Metzler Stuttgart Weimar 1997 ISBN 3 476 01480 0 Otto Mazal Griechisch romische Antike Geschichte der Buchkultur Bd 1 Akademische Druck und Verlagsanstalt Graz 1999 ISBN 3 201 01716 7 Andrea Jordens Michael R Ott Rodney Ast unter Mitarbeit von Christina Tsouparopoulou Wachs In Michael R Ott Thomas Meier Rebecca Sauer Hrsg Materiale Textkulturen Konzepte Materialien Praktiken Materiale Textkulturen Band 1 De Gruyter Berlin Boston Munchen 2015 ISBN 978 3 11 037128 4 S 371 382 Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Wachstafel Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Stichworte zu den romischen Wachstafeln PDF 244 kB Beschriebene Wachstafeln aus dem 16 Jh als Digitalisat der Staatsbibliothek BambergEinzelnachweise Bearbeiten Homer Ilias 6 165 170 Voss sche Ubersetzung online Matthew Battles Die Welt der Bucher eine Geschichte der Bibliothek Artemis und Winkler Dusseldorf 2003 ISBN 3 538 07165 9 S 68 Klaus Peter Schaffel Tinte und Feder In Stiftarchiv Sankt Gallen Hrsg Lebenswelten des fruhen Mittelalters in 36 Kapiteln Kunstverlag Josef Fink Lindenberg 2019 ISBN 978 3 95976 182 6 S 62 Normdaten Sachbegriff GND 4188801 7 lobid OGND AKS Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Wachstafel amp oldid 236585609