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Der Begriff Griechische Kolonisation bezeichnet die vor und wahrend der archaischen Periode der griechischen Antike vom griechischen Festland der Westkuste Kleinasiens und von den Inseln der Agais ausgehende Grundung griechischer Pflanzstadte Apoikien Diese waren unabhangige selbstandige Gemeinwesen Poleis keine Kolonien im modernen Sinne Durch diese Stadtegrundungen wurden vor allem in den Kustenbereichen von Mittelmeer und Schwarzem Meer die griechische Sprache Kultur und Polis Ordnung verbreitet Griechische rot und phonizische gelb Kolonien im MittelmeerraumDerart umfassende Auswirkungen zeitigte speziell die Grosse Kolonisation vom 8 bis ins 6 Jahrhundert v Chr nach deren Ende sich der griechische Siedlungsraum von Spanien bis zum Kaukasus und von Sudrussland bis Agypten erstreckte Im 11 und 10 Jahrhundert v Chr vorausgegangen waren Migrationserscheinungen in nachmykenischer Zeit die unter den Begriffen Ionische Wanderung und Ionische Kolonisation erfasst und problematisiert werden Die antike griechische Kolonisationsbewegung stellt ein durch anhaltende intensive Ausgrabungstatigkeit offenes und im Fluss befindliches Forschungsfeld dar Die traditionelle Bezeichnung Kolonisation stosst dabei in der jungeren Forschung zunehmend auf Kritik Vom neuzeitlichen Kolonialismus der auf die Vereinnahmung auswartiger Gebiete und die Unterwerfung von Land und Bevolkerung unter die Herrschaft expandierender Kolonialmachte zielte ist die griechische Kolonisation ebenso zu unterscheiden wie von den romischen coloniae die auf einem von Romern unterworfenen und besetzten Gebiet zur Herrschaftssicherung romische Burger als Kolonisten ansetzten Die Folgewirkungen der Grossen Kolonisation waren von kaum zu uberschatzender historischer Tragweite und Vielfalt Sie erstreckten sich auf die genannten Raume und die zugehorigen Volker aber sie beeinflussten auch die weitere Entwicklung auf dem griechischen Festland und begrundeten zumindest nach Ansicht der alteren Forschung unter allen Hellenen ein Bewusstsein der Zusammengehorigkeit Auf ihm beruhte unter anderem die in dieser Zeit sich entfaltende Bedeutung zentraler Orte des Kultes und der Begegnung aller Griechen unter denen Delphi und Olympia nachhaltig herausragen Wahrend das moderne Bild der so genannten Kolonisation sehr lange stark von der Darstellung der Vorgange durch spatere griechische Autoren wie Herodot Thukydides und Strabon gepragt war haben in den letzten Jahren insbesondere die Ergebnisse der Klassischen Archaologie neues Licht auf die Ereignisse geworfen Viele sicher geglaubte Annahmen wurden dabei in Frage gestellt Die Forschungsdiskussion dauert an Inhaltsverzeichnis 1 Rekonstruktionsprobleme des historischen Geschehens in archaischer Zeit 2 Sogenannte Ionische Kolonisation 3 Grosse Kolonisation 3 1 Voraussetzungen und Motive 3 2 Typische Verlaufsformen einer Kolonisation 3 3 Mutterstadte und Schwerpunktregionen fur Apoikien 4 Bedeutung 5 Siehe auch 6 Literatur 7 AnmerkungenRekonstruktionsprobleme des historischen Geschehens in archaischer Zeit BearbeitenDie schriftliche Uberlieferung zu Grundungs und Entwicklungsvorgangen der griechischen Pflanzstadte im Mittel und Schwarzmeerraum setzte erst Jahrhunderte nach den Geschehnissen ein auf die sie sich bezog Herodot und Thukydides fassten im funften Jahrhundert v Chr zusammen was ihnen an Uberlieferung vorlag Noch gut 400 Jahre spater in augustaischer Zeit datieren die diesbezuglichen Aufzeichnungen Strabons Fur Martin Mauersberg ist die griechische Kolonisation Ergebnis einer doppelten Konstruktion zu der die retrospektiven antiken Wahrnehmungen auf der ersten Ebene gehoren sowie auf der zweiten die Aufnahme der Uberreste des antiken Wissens durch die moderne Altertumswissenschaft in Form einer Einbettung in zeitgenossische Sinngebungsmuster 1 Das Grundproblem bestehe darin dass kaum Textzeugnisse aus der Zeit der Grossen Kolonisation erhalten sind und dass die wenigen noch verfugbaren Quellen nicht mit der Absicht einer wirklichkeitsgetreuen Beschreibung der soziopolitischen Gegebenheiten verfasst worden seien 2 Die grossen Zeitabstande aller Berichte zu den historischen Vorgangen lassen einen schwer abzuschatzenden Prozess der Vereinheitlichung und Rationalisierung alterer Traditionen vermuten der ein womoglich differenzierteres Bild der tatsachlichen Entwicklungen verdecken mag Archaologische Forschungen widersprechen etwa der verbreiteten Annahme dass eine durch Ubervolkerung und daraus resultierende Landnot bedingte okonomische Krise als Hauptursache fur die Kolonisationsbewegung anzusehen sei Korinth etwa Mutterstadt zahlreicher Kolonien durfte das besagte Problem nicht gehabt haben die von Solon uberlieferte soziookonomische Krise Athens in archaischer Zeit wiederum fuhrte nicht zur Schaffung von Apoikien anderwarts 3 Mauersberg weist in seiner Untersuchung der Quellen zur griechischen Kolonisation darauf hin dass ursprunglich der Begriff ktisis Grundung als Bezeichnung fur die jeweilige Neuansiedlung der Migrierten ublich war Erst in klassischer Zeit mit permanenten innergriechischen Konflikten sei der Begriff ἀpoikia Apoikie im Sinne von Aussiedlung fern der Mutterstadt in den Vordergrund geruckt Dabei ging es laut Mauerberg um mehr als eine identitatsstiftende Funktion Apoikie beinhaltete die Vorstellung einer politischen Verbindung zwischen Mutterstadt und Pflanzstadt und konnte so der ideologischen Unterfutterung von Machtanspruchen unter griechischen Poleis dienen 4 Sogenannte Ionische Kolonisation BearbeitenSolche fur die Grosse Kolonisation gegebenen Rekonstruktionsprobleme bestehen in noch hoherem Masse fur den Zeitraum davor Der Zusammenbruch der mykenischen Palastzivilisation um 1200 v Chr der in Griechenland vielerorts zu Auflosungserscheinungen und Bevolkerungsruckgang fuhrte hatte eine Reorganisation der Sozialstrukturen und die Migration von Personengruppen zur Folge die in ihrem bisherigen Siedlungsumfeld nach den erlebten Zerstorungen keine Zukunftsperspektive mehr sahen In diesen Zeitraum der sogenannten Dunklen Jahrhunderte fielen auch sprachliche Transformationsprozesse und die Ausbildung der unterschiedlichen griechischen Dialekte und Dialektgruppen In spat und nachmykenischer Zeit vollzog sich laut Welwei in einem Attika und viele Agaisinseln umfassenden Grossraum auf der Basis sudtmykenischer Idiome die Bildung der attisch ionischen Dialektgruppe womoglich in einem Prozess wellenformiger Ausbreitung 5 Umfangliche Wanderungsbewegungen in organisierter Form wie sie der Begriff der Ionischen Kolonisation nahelegt geben die archaologischen Befunde nicht her Ortliche Neubesiedlungen von westkleinasiatischen Gebieten durften zum Teil von den Bewohnern agaischer Inseln herruhren Die Trager des dort sich verbreitenden ionischen Dialekts bildeten insgesamt keine homogene Abstammungsgemeinschaft und kamen aus mehreren Regionen Durchgangig bevorzugt waren hoher gelegene kustennahe Orte Halbinseln oder vorgelagerte Inseln die gute Verteidigungsmoglichkeiten boten 6 Die fruhen griechischen Siedlungen in diesem Raum stellten nach 1000 v Chr wohl lediglich Kult und Dorfgemeinschaften von geringer Grosse mit einigen Dutzend Familien dar noch ohne staatliche Organisationsformen Wie Ausgrabungen in Alt Smyrna zeigen wo in der zweiten Halfte des 11 Jahrhunderts eine kleine Gruppe von griechischen Neusiedlern sich den bereits ansassigen Einheimischen zugesellte handelte es sich hierbei wie auch andernorts um Vorgange begrenzten Umfangs und nicht um planmassig angelegte Siedlungen 7 Ergebnis dieser fruhen griechischen Migration war im kleinasiatischen Kustenbereich um 800 v Chr grob unterteilt ein nordlicher Streifen aolischer Zuordnung sowie zwischen Smyrna und Milet ein Mittelstuck ionischer Pragung und daran sudlich anschliessend ein dorischer Abschnitt 8 Aus Athen das bereits Solon als alteste ionische Stadt bezeichnet hatte verlautete in klassischer Zeit und im Zeichen des athenischen Fuhrungsanspruchs im Attischen Seebund eine Lesart wonach die ursprunglich auf der Peloponnes beheimateten Ionier letztlich von Attika aus ihre Wanderung nach Kleinasien angetreten hatten Das hat an der neueren historischen Forschung jedoch keinen Ruckhalt wird vielmehr als Zweckpropaganda angesehen 9 Grosse Kolonisation BearbeitenAuch die sogenannte Grosse Kolonisation die etwa von der Mitte des 8 bis zur Mitte des 6 Jahrhunderts v Chr datiert wird siehe Archaik war nicht das Ergebnis zentraler Planung fur die es mindestens anfanglich an politischen Organisationsformen und Institutionen fehlte 10 Bengtson sah darin vielmehr eine unubersehbare Summe von vielfach unkontrollierbaren Einzelvorgangen von Planen Versuchen Erfolgen und Misserfolgen in bunter Reihe Was daraus folgt war fur ihn desto erstaunlicher Als die Kolonisation um die Mitte des 6 Jahrhunderts nach einer Dauer von zwei Jahrhunderten allmahlich abklingt schliesst sich ein weiter Kranz bluhender hellenischer Pflanzstadte fast um das ganze Becken des grossen Mittelmeeres nur im Osten haben die vorderasiatischen Grossreiche die Festsetzung der Griechen an Syriens Kuste verhindert 11 Wegen des grossen zeitlichen Abstands der literarischen Zeugnisse zu den darin erfassten Grundungsvorgangen ist Skepsis gegenuber den einzelnen oftmals plausibel erscheinenden inhaltlichen Darstellungen angebracht Nach Moglichkeit sollten die archaologischen Befunde zu den gemeinten Orten und Regionen vergleichend gepruft werden Denn die dem jeweiligen Zeithorizont zugehorigen Keramikscheiben aufgefundenen Mauerreste Tempel und Hauser ergeben ein von der literarischen Uberlieferung teils deutlich abweichendes Bild 12 Voraussetzungen und Motive Bearbeiten Zu den Unabdingbarkeiten der Kolonisation im archaischen Griechenland zahlten neben einer entwickelten Mobilitat von der die homerischen Epen zeugen auch nautische Kenntnisse und das Wissen um geeignete Siedlungsplatze Solches Wissen war den mykenischen Griechen bereits bekannt und im Kontakt mit den als Seefahrern und Handlern erfahrenen Phoniziern zugewachsen die im westlichen Mittelmeer Handelsstutzpunkte unterhielten und zum Teil dauerhaft unter den Einheimischen siedelten In Pithekoussai auf Ischia im Tyrrhenischen Meer das bereits in der ersten Halfte des 8 Jahrhunderts griechisch kolonisiert wurde lebte man mit Phoniziern zusammen und konnte von dem profitieren was diese uber die geographischen und ethnologischen Verhaltnisse an den Mittelmeerkusten erfahren hatten 13 Die Expansionsrichtung der Grossen griechischen Kolonisation die sich hauptsachlich auf den Westen und Norden der Mittelmeerwelt konzentrierte erklart sich wesentlich aus dem Fehlen einer politischen Macht dort die wie das Assyrerreich im Osten unterbindend hatte wirken konnen Die Motive der Kolonisten mogen wahrend des 200 jahrigen Zeitraums von Fall zu Fall variiert haben Mitunter kann ein Teilexodus als Losung von Streit in der Burgerschaft eine Rolle gespielt haben vielfach auch Handelsinteressen So hatten die wichtigsten Mutterstadte Chalkis Eretria Korinth Megara Milet Phokaia anscheinend starke Handelsinteressen 14 Handler informierten uber geeignete Orte fur eine Koloniegrundung bekannte Seeverbindungen und Nachschubmoglichkeiten erklaren warum es vielfach entlang der Handelsrouten zu Neuansiedlungen kam Als wesentlicher Motor des Kolonisationswesens ist aber vor allem eine Bevolkerungszunahme anzusehen die bei der Kleinraumigkeit vieler griechischer Poleis zu Landnot fuhrte Aufgrund der von Handlern verbreiteten Informationen wurde es in dieser Lage moglich die vom Bevolkerungsdruck hervorgerufenen sozialen Spannungen durch die Suche nach Land in der Fremde abzubauen und so einen inneren Umsturz zu verhindern Die Stadt organisierte dazu eine Koloniegrundung Die Entdeckung dass Land im Bereich der Kolonien ausreichend zur Verfugung stand wird ein Wachstum der Bevolkerung und dies wiederum noch mehr Koloniegrundungen hervorgerufen haben viele Stadte sandten binnen einer Generation sogar mehrmals Kolonisten aus 15 Typische Verlaufsformen einer Kolonisation Bearbeiten Ruinen des Apollon Tempels in Delphi der Schutzgottheit der Neugrundungen Der Piraus Apoll aus dem 6 Jahrhundert v Chr Bronze Statue aus dem Archaologischen Museum von Piraus Zu den vorbereitenden Massnahmen des Kolonisationsunternehmens gehorte zumindest teilweise die Befragung des Delphischen Orakels Dessen Weihegott Apollon wurde so auch zur Schutzgottheit der Neugrundungen Die in Delphi sich ansammelnden Informationen uber Vorhaben und Schwierigkeiten der Aussiedlungsinitiativen konnten die Orakelstatte zu einer Art Koordinationszentrum der Grossen Kolonisation werden lassen 16 Die Quellenlage auch dazu ist jedoch relativ durftig Von etwa 170 aus klassischer Zeit erhaltenen Ausserungen uber Apoikien enthalten nur 16 Hinweise auf ein Orakel Auf Delphi bezogene konkrete Angaben datieren relativ spat die Korrektheit der zitierten Orakelspruche ist entsprechend ungewiss 17 Die eigentliche Leitung einer Kolonisation lag wie es den Sozialstrukturen der archaischen Zeit entsprach regelmassig in der Hand eines Adligen der als Oikist oder auch Archeget das Kommando uber seine Weggefahrten Hetairoi hatte die Regeln fur das Zusammenleben in der Apoikie vorgab und auch fur die Landverteilung vor Ort zustandig war In etwa 200 Auswanderer wurden nach Oswyn Murray fur eine Neugrundung gebraucht die aber nicht alle aus demselben Burgerverband stammen mussten In der Regel durfte es sich um unverheiratete waffenfahige Manner gehandelt haben 18 Der Aufruf zur Sammlung fur ein genugend grosses Auswandererkontingent durfte ofters auf die Burger mehrerer Poleis gezielt haben Damit ware zu erklaren dass beispielsweise Chalkis Eretria Megara oder Milet innerhalb weniger Jahrzehnte mehrere Kolonistenzuge aussandten In Erwartung moglicher gewaltsamer Konflikte mit der einheimischen Vorbevolkerung im Zielgebiet durfte man auf die Mitnahme von Frauen zunachst verzichtet haben Nach uberstandener Grundungsphase konnten diese nachgeholt werden wenn nicht einheimische Frauen geheiratet wurden 19 Mutterstadt der Apoikie war diejenige Gemeinde die den Oikisten und die Schiffe stellte Von ihr wurden der Kult und diverse Organisationsweisen des Zusammenlebens anfangs ubernommen Doch formalrechtlich waren die Apoikien von den Mutterstadten unabhangig bildeten eine neue gesonderte Burgerschaft und entwickelten teils auch ein eigenes Brauchtum beispielsweise im Bestattungswesen 20 Auf den Auswandererschiffen hatten nicht nur die Siedler Platz sondern es wurde auch eine erste Grundausstattung an Saatgut Vieh Geratschaften und Waffen mitgefuhrt sowie fur kultische Zwecke Feuer und Erde aus der Mutterstadt Zu den Aufgaben des Oikisten gehorte bald nach der Landnahme die Errichtung von Heiligtumern und Tempeln an einem geeigneten Ort bevorzugt an markanten hohergelegenen Platzen die als sakraler Bereich abgegrenzt und befestigt wurden Fur die Ortswahl bei Neugrundungen besonders wichtig waren Sicherheitsaspekte Leicht zu verteidigende Landzungen vorgelagerte Inseln oder nutzbares Land zwischen zwei Flussmundungen waren bevorzugte Platze Man suchte nach Arealen mit sicheren Anlegeplatzen hinreichender Wasserversorgung und fruchtbarem Umland Waren die Festlegungen fur Kultzentren und offentliche Versammlungsorte von Burgerschaft und Rat getroffen organisierte der Oikist die Landverteilung unter den Mitburgern Neben Umsetzungsmodalitaten die fur Gleichformigkeit und Gleichartigkeit der zur Verteilung anstehenden Landlose sprechen mogen auch gesonderte Zuweisungen an den Oikisten und andere Privilegierte eine Rolle gespielt haben 21 Die Interaktionen von Ankommlingen und Einheimischen vor Ort fuhrten zu unterschiedlichen Ergebnissen Mitunter wurden Vorbewohner vertrieben andernorts wurden sie unterworfen und versklavt Auch freiwillige Unterordnung unter die Einwanderer soll vorgekommen sein die den Ansassigen mit Nahrungsmittelversorgung und militarischem Schutz entgolten worden sei 22 Mutterstadte und Schwerpunktregionen fur Apoikien Bearbeiten Von 81 griechischen Poleis sie machen etwa 8 Prozent der uberlieferten Poleis aus ist bekannt dass sie als Metropolis bzw Mutterstadt zu Zeiten der Grossen Kolonisation gewirkt haben Einzeln oder zu mehreren betrieben sie die Grundung hunderter Pflanzstadte von denen einige wiederum selbst zur Metropolis wurden 23 Als die Mutterstadt schlechthin ist Chalkis auf Euboa anzusehen Vom Stutzpunkt Pithekoussai aus haben etwa um 750 v Chr Chalkidier die alteste griechische Siedlung Kyme Cumae in Italien gegrundet 24 Auch bei der griechischen Kolonisierung Siziliens war Chalkis Vorreiter Die Grundung von Naxos hat Thukydides auf 734 v Chr datiert bald darauf folgte die Besiedlung Ortygias der Urzelle der spateren korinthischen Pflanzstadt Syrakus sowie die Kolonien Leontinoi Zankle Messina und Rhegion Auch die etwas spatere Besiedlung der Inseln und Vorgebirge im Bereich der Nordagais war so stark von Chalkidiern bestimmt Chalkis grundete hier allein 32 Pflanzstadte dass die Halbinsel Chalkidike nach ihnen benannt wurde Die Kolonisation der Insel Thasos und seiner Peraia erfolgte etwa 680 v Chr durch die Parier An der Sudkuste Siziliens wurde von Rhodiern die Pflanzstadt Gela errichtet die spater weiter westlich ihrerseits Akragas grundete das an Glanz und Prachtentfaltung bald die Mutterstadt uberbot Ganz im Westen der Insel blieben jedoch die Phonizier vorherrschend wie auch an der nordafrikanischen Kuste auf Sardinien und den Balearen Wahrend auf Sizilien nur an den Kustenstreifen kolonisiert wurde und das Binnenland der Vorbevolkerung uberlassen blieb geriet ganz Suditalien in die Hand landhungriger griechischer Kolonisten vor allem aus Achaia und Lokris beiderseits des Golfs von Korinth So wuchs um den Busen von Tarent eine Fulle von Siedlungen empor jede auch die kleinste Kustenebene wurde ausgenutzt und als an der Ostkuste kein Land mehr zu vergeben war drangen die Griechen quer durch Italien zum Westmeer vor an dessen Ufer von Rhegion Reggio Calabria bis Poseidonia Paestum sich ein Kranz bluhender hellenischer Pflanzstadte zusammenschloss Kroton Sybaris und Metapont waren Grundungen achaischer Siedler Lokroi Epizephyrioi zeigt in dem Namen die Herkunft seiner Siedler aus Lokris an Tarent um 700 v Chr von den sagenhaften Partheniern gegrundet blieb die einzige spartanische Kolonie uberhaupt Neben Ionien ist es vor allem das unteritalische Griechentum und in ihm das achaische Element aus der Peloponnesos das im 6 Jahrhundert als politisch und kulturell fuhrend in der griechischen Geschichte hervortritt 25 Fur die Hellenen Unteritaliens wurde im Zusammenhang mit den dort als Kolonisten hervorgetretenen Graiern die aus Boiotien in Mittelgriechenland stammten die Bezeichnung Graeci gepragt Ganz Unteritalien wurde seit dem 6 Jahrhundert v Chr als Grossgriechenland Megale Hellas bezeichnet woraus sich fur die Romer der Begriff Magna Graecia ergab 26 Bei der planvollen Kolonisation hervorgetan hat sich von den kleinasiatisch ionischen Stadten vor allem Milet ab spatestens dem 7 Jahrhundert v Chr mit etwa 70 Kolonien im Schwarzmeergebiet darunter Apollonia Pontike Sinope Trapezous Odessos und Olbia mit der Grundung von Kyzikos an der Propontis und von Naukratis in Agypten das unterstutzt von Pharao Psammetich I zu Glanz und Blute gelangte 27 Die milesischen Kolonien am Sudrand des Schwarzen Meeres sind bis auf Sinope 28 kaum erforscht Am Westufer des Schwarzen Meeres ist das bereits ab 1914 systematisch ausgegrabene Histria am Sinoe See sehr gut erforscht 29 Von den Ionischen Inseln aus namentlich von Kerkyra das sich 665 v Chr von seiner Mutterstadt Korinth losriss wurden Kolonisten nach der illyrischen Kuste und nach Unteritalien entsendet welche hier schon altere Handelsniederlassungen der Ionier und Karer aus Kleinasien vorfanden Vom Ostrand des Mittelmeeres drangen die Seeleute von Phokaia bis nach Korsika und an die Kuste Sudfrankreichs vor wo Massalia Mittelpunkt ihrer Handelsplatze wurde darunter bald auch Nikaia Nizza Von Massalia aus steuerten die Griechen auch Spanien an grundeten die Pflanzstadte Emporion Hemeroskopeion Mainake sowie Hepta Adelphia und machten den Karthagern die Herrschaft uber den Handel streitig Weitere Kolonisationsunternehmen fuhrten die Griechen unter anderem zur Grundung von Aspalathos in Dalmatien und Epidamnos sowie Apollonia in Albanien von Byzantion am Bosporus sowie von Dioskurias und Mesambria im Schwarzmeergebiet Von Thera aus wurde die Pflanzstadt Kyrene in Nordafrika angelegt welche sich unter der Herrschaft der Grunder Dynastie der Battiaden rasch entwickelte und zu einem machtigen Reich wurde das sich gegen Agypten behauptete Bedeutung Bearbeiten Die Inschrift vom Monument des Glaukos auf der Insel Thasos ehrt einen Anfuhrer der gemeinsam mit dem Dichter Archilochos an der Kolonisierung der Insel teilnahm und sicherte dort uber Jahrhunderte die Erinnerung an den Oikistes der KolonieNicht nur geographisch sondern auch kulturhistorisch war die Grosse Kolonisation von weittragender Bedeutung So haben die Etrusker in Mittelitalien nicht allein das griechische Alphabet ubernommen sondern sich auch mit griechischen Kunsterzeugnissen eingedeckt Daher wurden ihre Grabstatten von Ausgrabern anfanglich fur griechisch gehalten Auch auf die Hallstatt Kultur die westeuropaischen Kelten und die Skythen Sudrusslands hat das Kolonisationsgriechentum kulturell eingewirkt 30 Doch auch die Binnenverhaltnisse der griechischen Staatenwelt gerieten mit der griechischen Kolonisation verstarkt in Bewegung Fur Welwei besteht kein Zweifel dass die von den Oikisten bei den jeweiligen Neugrundungen erprobten Regelungen fur die Siedlergemeinschaft innerhalb des griechischen Kosmos kommuniziert wurden und dass sie in der damaligen Formierungsphase der Polis vielerorts Interesse fanden und Anregungen fur die Ausgestaltung der eigenen Verhaltnisse boten Dies erklart nicht zuletzt die Vielfalt der Institutionen und die Variationsbreite ihrer Kompetenzen in den Siedlungsgebieten der Griechen 31 Zudem forderten Kolonisation und erweiterte Handelsbeziehungen das Bewusstsein der Zusammengehorigkeit aller Hellenen Dass der Hellenenname zuerst bei Archilochos Mitte des 7 Jahrhunderts erscheint der viele Lander sah und der an der Kolonisation beteiligt war wird schwerlich ein Zufall sein Das von neun griechischen Stadten gemeinsam erbaute Heiligtum in Naukratis in der Zeit des Amasis 569 526 hiess Hellenion Weihinschriften galten den Gottern der Hellenen auch dies ein Zeichen fur die Bildung eines gemeingriechischen Bewusstseins in fremdem Lande 32 Grosse Bedeutung erlangten Delphi und sein Orakel als Zentrum einer Amphiktyonie die 600 v Chr alle Staaten Mittelgriechenlands umfasste Die delphische Priesterschaft ubte dabei durch Ubernahme eines babylonischen Elements auf die Vielzahl der griechischen Kalendersysteme eine vereinheitlichende Wirkung aus Der Initiative der delphischen Amphiktyonie war auch eine Konvention zu verdanken die im Kriegsfall zum Beispiel verbot die Wasserversorgung des Gegners zu unterbinden 33 Auf der Peloponnes erlangte Olympia mit der Zeit eine Delphi vergleichbare Bedeutung Nachdem die Olympischen Spiele im 8 Jahrhundert v Chr dort begonnen hatten nahmen seit Beginn des 6 Jahrhunderts unter der Aufsicht der als Hellanodiken bezeichneten Kampfrichter unter anderem auch die von Ferne anreisenden Griechen Ioniens und Unteritaliens an dem sportlichen Wettstreit teil Siehe auch BearbeitenListe dorischer Stadtgrundungen Liste ionischer StadtgrundungenLiteratur BearbeitenFrank Bernstein Konflikt und Migration Studien zu griechischen Fluchtbewegungen im Zeitalter der sogenannten Grossen Kolonisation Mainzer althistorische Studien Band 5 Scripta Mercaturae Verlag St Katharinen 2004 ISBN 3 89590 148 2 Norbert Ehrhardt Milet und seine Kolonien Vergleichende Untersuchung der kultischen und politischen Einrichtungen Lang Frankfurt am Main u a 1983 ISBN 3 8204 7876 0 Hans Joachim Gehrke Griechische Wanderungsnarrative und ihre Wirkung In Felix Wiedemann Kerstin P Hofmann Hans Joachim Gehrke Hrsg Vom Wandern der Volker Migrationserzahlungen in den Altertumswissenschaften Berlin Studies of the Ancient World Band 41 Edition Topoi Berlin 2017 ISBN 978 3 9816751 6 0 S 41 65 online Gocha R Tsetskhladze Hrsg Greek Colonisation An Account of Greek Colonies and Other Settlements Overseas Zwei Bande Brill Leiden 2006 2008 Martin Mauersberg Die griechische Kolonisation Ihr Bild in der Antike und der modernen altertumswissenschaftlichen Forschung transcript Bielefeld 2019 ISBN 978 3 8376 4689 4 Theresa Miller Die griechische Kolonisation im Spiegel literarischer Zeugnisse Narr Tubingen 1997 ISBN 3 8233 4873 6 Oswyn Murray Das fruhe Griechenland dtv Munchen 1982 Elke Stein Holkeskamp Das archaische Griechenland Die Stadt und das Meer Munchen 2015 ISBN 978 3 406 67378 8 Karl Wilhelm Welwei Die griechische Fruhzeit C H Beck 3 aktualisierte Ausgabe Munchen 2019 Originalausgabe 2002 Anmerkungen Bearbeiten Mauersberg 2019 S 11 Es sei inzwischen ein Gemeinplatz dass die moderne Erforschung der griechischen Kolonisation durch die Wahrnehmungen der modernen Kolonisation gepragt sei Ebenda S 12 Mauersberg 2019 S 25 Die meisten der besagten Zeugnisse stammten aus den homerischen Epen Ebenda S 26 Stein Holkeskamp 2015 S 98 100 f Mauersberg 2019 S 103 Karl Wilhelm Welwei Griechische Geschichte Paderborn 2011 S 50 57 ders 2019 Die griechische Fruhzeit S 37 und 39 f Welwei 2019 S 40 f Welwei 2019 S 38 41 Vgl Grosser historischer Weltatlas hrsg vom Bayerischen Schulbuch Verlag Teil 1 Vorgeschichte und Altertum bearb Von Hermann Bengtson und Vladimir Milojcic 6 durchgesehene Auflage Munchen 1978 S 15 Welwei 2019 S 37 Welwei 2019 S 45 Hermann Bengtson Griechische Geschichte Von den Anfangen bis in die Romische Kaiserzeit Sonderausgabe der 5 Aufl Munchen 1979 S 67 S 65 Stein Holkeskamp 2015 S 99 f Die Steine so hat der Vergleich zwischen der archaologischen Evidenz und der literarischen Tradition ergeben erzahlen eine andere Geschichte als die Worte heisst es bei Stein Holkeskamp Sie lassen die Grundung einer Kolonie nicht mehr als singularen Akt erscheinen sondern vielmehr als einen uber Generationen reichenden Prozess der mit der Zeit an Dynamik gewinnt Ebenda S 119 Wolfgang Schuller Griechische Geschichte 3 uberarbeitete und erweiterte Auflage Munchen 1991 S 13 Murray 1982 S 136 Murray 1982 S 141 Wolfgang Schuller Griechische Geschichte 3 uberarbeitete und erweiterte Auflage Munchen 1991 S 13 anders dagegen Welwei 2002 Die griechische Fruhzeit S 51 keine zentrale Koordinationsstelle fur Kolonistenzuge Mauersberg 2019 S 106 f Murray 1982 S 144 Stein Holkeskamp 2015 S 104 Stein Holkeskamp 2015 S 108 f Stein Holkeskamp 2015 S 105 f Stein Holkeskamp 2015 S 107 Josiah Ober Das antike Griechenland Eine neue Geschichte Stuttgart 2016 S 75 Welwei 2019 S 61 Ca 150 Jahre spater wurde Cumae dann zur Mutterstadt der Nachbargrundung Partenope aus der sich Neapolis Neapel entwickelte Hermann Bengtson Griechische Geschichte Von den Anfangen bis in die Romische Kaiserzeit Sonderausgabe der 5 Aufl Munchen 1979 S 70f Hermann Bengtson Griechische Geschichte Von den Anfangen bis in die Romische Kaiserzeit Sonderausgabe der 5 Aufl Munchen 1979 S 72 Bengtson ebda sieht in der Bezeichnung Grossgriechenland moglicherweise den Gegensatz des hier vorhandenen weiten Raumes fur die unteritalischen Kolonisten im Vergleich zu den grossteils viel engeren Verhaltnissen im Mutterland gespiegelt Allgemein zu den milesischen Kolonien und ihrem Verhaltnis zur Mutterstadt Milet Norbert Ehrhardt Milet und seine Kolonien vergleichende Untersuchung der kultischen und politischen Einrichtungen Frankfurt 1983 ISBN 3 8204 7876 0 Zu den Ausgrabungen in Sinope siehe Ekrem Akurgal Ludwig Budde Vorlaufiger Bericht uber die Ausgrabungen in Sinope Turk Tarih Kurumu Basimevi Ankara 1956 Siehe Forschungsgeschichte Histria von Alexandru Suceveanu englisch Wolfgang Schuller Griechische Geschichte 3 uberarbeitete und erweiterte Auflage Munchen 1991 S 14f Welwei 2002 Die griechische Fruhzeit S 53 Hermann Bengtson Griechische Geschichte Von den Anfangen bis in die Romische Kaiserzeit Sonderausgabe der 5 Aufl Munchen 1979 S 63 Hermann Bengtson Griechische Geschichte Von den Anfangen bis in die Romische Kaiserzeit Sonderausgabe der 5 Aufl Munchen 1979 S 64 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Griechische Kolonisation amp oldid 235463577