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Heinrich Haberlin 6 September 1868 in Weinfelden 26 Februar 1947 in Frauenfeld heimatberechtigt in Bissegg und Frauenfeld war ein Schweizer Politiker FDP und Richter Ab 1904 war er Nationalrat ab 1905 Mitglied des Grossen Rates des Kantons Thurgau Vier Jahre lang prasidierte er die FDP Fraktion in der Bundesversammlung 1920 wurde er in den Bundesrat gewahlt und leitete bis 1934 das Justiz und Polizeidepartement Haberlin hatte grossen Anteil an der Vereinheitlichung des Strafgesetzes Pragend fur seine Amtszeit waren insbesondere zwei vom Volk abgelehnte Gesetze zur Ausweitung des Staatsschutzes die als Lex Haberlin I und II bekannt wurden Sie sollten die burgerlich demokratische Staatsordnung vor extremistischen Einflussen schutzen richteten sich aber im politischen Kontext der Zwischenkriegszeit vor allem gegen linke Gruppierungen Heinrich Haberlin Inhaltsverzeichnis 1 Biografie 1 1 Familie Studium und Beruf 1 2 Kantons und Bundespolitik 1 3 Bundesrat 1 4 Weitere Tatigkeiten 2 Literatur 3 Weblinks 4 EinzelnachweiseBiografie BearbeitenFamilie Studium und Beruf Bearbeiten Haberlin entstammte einer einflussreichen Thurgauer Familie die mehrere liberale Politiker hervorbrachte Sein Vater Friedrich Heinrich Haberlin war langjahriger Grossrat Regierungsrat und Nationalrat Sein Onkel Eduard Haberlin hatte in den 1860er Jahren derart viele unterschiedliche Mandate inne dass die Opposition die als System Haberlin bezeichnete Amterkumulation bekampfte und schliesslich 1869 eine Verfassungsreform durchsetzte 1 Die Mutter Anna Gmunder stammte aus Herisau Die obligatorische Schulzeit verbrachte Haberlin in Weinfelden Anschliessend besuchte er die Kantonsschule Frauenfeld die er 1887 mit der Matura abschloss Wahrend seiner Schulzeit war er Mitglied in der Schulerverbindung Thurgovia 2 Er begann Rechtswissenschaft an der Universitat Zurich zu studieren und setzte sein Studium an der Universitat Leipzig sowie an der Humboldt Universitat in Berlin fort Seine Doktorarbeit beendete er nicht da ein anderer Student das gewahlte Thema vor ihm zum Abschluss gebracht hatte Haberlin erhielt 1891 das Patent als Rechtsanwalt und absolvierte ein kurzes Praktikum in Lausanne im Buro von Bundesrat Louis Ruchonnet 1892 eroffnete er in Weinfelden seine eigene Anwaltskanzlei die er zwei Jahre spater in die Kantonshauptstadt Frauenfeld verlegte Nach kurzer Zeit als Gerichtsschreiber in Bischofszell prasidierte er von 1899 bis 1920 das Bezirksgericht Frauenfeld 3 Wahrend seines Aufenthalts in Lausanne lernte er Paula Freyenmuth kennen die Tochter eines Frauenfelder Baumeisters Sie heirateten im Jahr 1897 und hatten zusammen zwei Kinder Im Militar hatte Haberlin den Rang eines Obersten und kommandierte im Ersten Weltkrieg ein Infanterie Regiment Sein 1899 geborener Sohn Fritz Haberlin amtierte Mitte des 20 Jahrhunderts uber 25 Jahre lang als Bundesrichter 4 Kantons und Bundespolitik Bearbeiten Um die Jahrhundertwende wandte sich Haberlin der Politik zu Er kandidierte mit Erfolg bei einer Nachwahl und gehorte anschliessend bis 1920 dem Nationalrat an In den Jahren 1914 bis 1918 war er Vorsitzender der FDP Fraktion Engagiert setzte er sich gegen das Proporzwahlrecht ein musste aber 1919 in dieser Sache eine endgultige Niederlage hinnehmen 1918 19 war er Nationalratsprasident von 1911 bis 1920 Mitglied des Zentralkomitees der gesamtschweizerischen FDP Parallel zu seinen politischen Aktivitaten auf nationaler Ebene war Haberlin auch im Kanton Thurgau tatig 1905 erfolgte die Wahl in den Thurgauer Grossen Rat dem er 15 Jahre lang angehorte Zweimal amtierte er als Grossratsprasident 1909 10 und 1915 16 Daruber hinaus prasidierte er von 1908 bis 1915 die Thurgauer FDP Kantonalpartei 3 Im Januar 1920 erklarte Bundesrat Felix Calonder seinen Rucktritt Dass sein Nachfolger ein Ostschweizer sein wurde war unbestritten Der zunachst favorisierte St Galler Nationalrat Robert Forrer lehnte eine Kandidatur aus gesundheitlichen Grunden ab Albert Machler ein weiterer St Galler Nationalrat war ebenfalls im Gesprach gewesen rechnete sich aber keine Chancen aus Daraufhin entschied sich die Fraktion einstimmig Haberlin zu nominieren Bei der Bundesratswahl am 12 Februar 1920 erhielt er im ersten Wahlgang 124 von 159 gultigen Stimmen Auf Johannes Baumann den Standerat von Appenzell Ausserrhoden entfielen 13 Stimmen auf weitere Personen 20 Stimmen Die sozialdemokratische Fraktion enthielt sich geschlossen der Stimme und legte leer ein 5 Bundesrat Bearbeiten Haberlin trat sein neues Amt umgehend an und ubernahm das Justiz und Polizeidepartement Seine Aufgabe bestand im Wesentlichen darin verschiedene Reformen in der Gesetzgebung zu betreuen Dazu gehoren das Militarstrafgesetz 1927 das Gesetz uber die Verwaltungsrechtspflege 1928 das Enteignungsgesetz 1930 und die Revision der handelsrechtlichen Bestimmungen im Obligationenrecht Am nachhaltigsten war sein Einfluss bei der Vereinheitlichung des Strafrechts Nicht mehr das Verbrechen allein sollte im Mittelpunkt stehen neu sollte auch die Personlichkeit des Taters in die Urteilsfindung miteinbezogen werden Zu diesem Zweck sollten wissenschaftliche Strafrechtserkenntnisse moglichst weitgehend in die Praxis umgesetzt werden Haberlins Nachfolger Johannes Baumann vollendete das Werk das 1942 vier Jahre nach gewonnener Volksabstimmung in Kraft trat In den Jahren 1926 und 1931 amtierte Haberlin als Bundesprasident 6 Nach dem Landesstreik von 1918 pragte eine zunehmende Polarisierung der Parteienlandschaft die Schweizer Politik Unter dem Eindruck wachsender kommunistischer und sozialistischer Agitation strebten die burgerlichen Parteien einen verstarkten Staatsschutz nach innen an Der Staat sollte Rechtsmittel erhalten gegen sozialistische Propaganda Agitation und Massenstreiks vorzugehen ausserdem sollte die pazifistische Propaganda in der Armee unterbunden werden Die vom Parlament verabschiedete Vorlage hiess offiziell Bundesgesetz betreffend Abanderung des Bundesstrafrechts vom 4 Februar 1853 in Bezug auf Verbrechen gegen die verfassungsmassige Ordnung und innere Sicherheit und in Bezug auf die Einfuhrung des bedingten Strafvollzugs wurde aber uberwiegend als Lex Haberlin oder Umsturzgesetz bezeichnet Die Arbeiterorganisationen brachten ein Referendum zustande In der ausserst polemisch gefuhrten Kampagne wurde Haberlin zum Hauptfeind der Sozialdemokratie hochstilisiert 7 Am 24 September 1922 lehnte das Volk die Vorlage mit 55 4 Nein Stimmen ab 8 Eine weitere Abstimmungsniederlage musste Haberlin funf Jahre spater hinnehmen Am 15 Mai 1927 lehnte das Volk das Bundesgesetz uber den Automobil und Fahrradverkehr mit 59 9 Nein Stimmen deutlich ab 9 Enttauscht uber die Ablehnung der Vorlage die eine Rechtsvereinheitlichung im Strassenverkehr gebracht hatte beklagte sich Haberlin uber das mangelnde Vertrauen in seine Behorden und den Kantonligeist Er dachte ernsthaft uber einen Rucktritt nach liess sich aber von seinen Parteifreunden zum Weitermachen uberreden 6 Die Neuauflage des Strassenverkehrsgesetzes brachte er 1932 durch nachdem ein Referendum dagegen nicht zustande gekommen war 10 Zu Beginn der 1930er Jahre spitze sich die Situation an den politischen Extremen wieder zu Am 9 November 1932 wurden in Genf 13 Teilnehmer einer antifaschistischen Protestkundgebung durch Soldaten erschossen unter dem Eindruck der Machtergreifung in Deutschland im Januar 1933 kam es im Frontenfruhling zu einem vorubergehenden Aufschwung rechtsextremer Gruppierungen Haberlin straubte sich zunachst gegen eine Neuauflage des Staatsschutzgesetzes von 1922 versuchte dann aber die Sozialdemokraten fur die Sache zu gewinnen Als bei den parlamentarischen Beratungen zum Bundesgesetz zum Schutz der offentlichen Ordnung die burgerlichen Parteien mehrere Verscharfungsantrage durchbrachten stellten sich die Linken gegen die Vorlage und ergriffen das Referendum 11 Das auch als Lex Haberlin II bezeichnete Gesetz scheiterte in der Volksabstimmung vom 11 Marz 1934 mit 53 8 Nein 12 Weitere Tatigkeiten Bearbeiten Einen Tag nach der Abstimmungsniederlage erklarte Haberlin seinen Rucktritt dieser erfolgte am 30 April 1934 Ein weiterer Grund fur seine Amtsmudigkeit waren die andauernden Streitereien zwischen seinen Bundesratskollegen Edmund Schulthess und Jean Marie Musy gewesen Haberlin wirkte anschliessend in zahlreichen Organisationen 11 Seit 1924 war er Prasident des Stiftungsrates von Pro Juventute gewesen In dieser Funktion die er bis 1937 innehatte half er mit die Verfolgung der Jenischen zu propagieren In einer Broschure der Organisation Kinder der Landstrasse bezeichnete er 1927 die Korberfamilien als einen dunklen Fleck in unserm auf seine Kulturordnung so stolzen Schweizerlande den es beseitigen gelte Als Bundesrat war er dafur besorgt gewesen dass fur diese gezielt gegen eine Minderheit gerichtete Aktion Bundessubventionen bewilligt wurden 13 Von 1921 bis zu seinem Tod prasidierte Haberlin die Ulrico Hoepli Stiftung von 1939 bis 1944 die Kulturstiftung Pro Helvetia und von 1936 bis 1946 die Eidgenossische Natur und Heimatschutzkommission Ausserdem sass er im Verwaltungsrat der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt 1930 erhielt er von der juristischen Fakultat der Universitat Basel den Ehrendoktortitel Haberlin trat 1937 38 nochmals politisch in Erscheinung als er sich fur das neue von ihm lancierte Strafgesetz sowie fur das Ratoromanische als vierte Landessprache einsetzte Am 26 Februar 1947 starb er im Alter von 78 Jahren 14 Literatur BearbeitenVerena Rothenbuhler Heinrich Haberlin In Historisches Lexikon der Schweiz Rolf Soland Heinrich Haberlin In Urs Altermatt Hrsg Das Bundesratslexikon NZZ Libro Zurich 2019 ISBN 978 3 03810 218 2 S 319 324 Roland Soland Heinrich Haberlin In Thurgauer Beitrage zur Geschichte Bd 132 1995 doi 10 5169 seals 585749 114 S 111 122Weblinks BearbeitenPublikationen von und uber Heinrich Haberlin im Katalog Helveticat der Schweizerischen Nationalbibliothek Tondokumente von und uber Heinrich Haberlin im Katalog der Schweizerischen NationalphonothekEinzelnachweise Bearbeiten Verena Rothenbuhler Eduard Haberlin In Historisches Lexikon der Schweiz Walter Labhart Bundesrat Ludwig Forrer 1845 1921 Neujahrsblatt der Stadtbibliothek Winterthur Band 303 Stadtbibliothek Winterthur Winterthur 1973 S 18 a b Soland Das Bundesratslexikon S 319 Verena Rothenbuhler Fritz Haberlin In Historisches Lexikon der Schweiz Soland Das Bundesratslexikon S 320 a b Soland Das Bundesratslexikon S 321 322 Soland Das Bundesratslexikon S 321 Volksabstimmung vom 24 September 1922 admin ch 20 August 2013 abgerufen am 24 August 2013 Volksabstimmung vom 15 Mai 1927 admin ch 20 August 2013 abgerufen am 24 August 2013 Bundesgesetz uber den Motorfahrzeug und Fahrradverkehr admin ch 20 August 2013 abgerufen am 24 August 2013 a b Soland Das Bundesratslexikon S 322 Volksabstimmung vom 11 Marz 1934 admin ch 20 August 2013 abgerufen am 24 August 2013 Thomas Huonker Ein dunkler Fleck In Merken was lauft Rassismus im Visier Pestalozzianum Zurich 2009 ISBN 978 3 03755 105 9 S 167 174 Online PDF 586 kB Soland Das Bundesratslexikon S 323 VorgangerAmtNachfolgerFelix CalonderMitglied im Schweizer Bundesrat 1920 1934Johannes BaumannVorsteher des Eidgenossischen Justiz und Polizeidepartements EJPD Henri Druey Jonas Furrer Jakob Stampfli Josef Martin Knusel Jakob Dubs Paul Ceresole Fridolin Anderwert Emil Welti Louis Ruchonnet Adolf Deucher Eugene Ruffy Eduard Muller Ernst Brenner Robert Comtesse Josef Anton Schobinger Ludwig Forrer Arthur Hoffmann Camille Decoppet Heinrich Haberlin Johannes Baumann Eduard von Steiger Markus Feldmann Friedrich Traugott Wahlen Ludwig von Moos Kurt Furgler Rudolf Friedrich Elisabeth Kopp Arnold Koller Ruth Metzler Arnold Christoph Blocher Eveline Widmer Schlumpf Simonetta Sommaruga Karin Keller Sutter Elisabeth Baume Schneider Normdaten Person GND 119082004 lobid OGND AKS LCCN nr94031630 VIAF 69111448 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Haberlin HeinrichKURZBESCHREIBUNG 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