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Als Lex Haberlin I und II werden in der Schweiz zwei gescheiterte eidgenossische Gesetzesvorlagen von Bundesrat Heinrich Haberlin von 1922 bzw 1934 bezeichnet Beide Vorlagen hatten zum Ziel durch die Einfuhrung einer Ausnahmegesetzgebung die Staatsschutzbestimmungen des Bundesrechts zu verscharfen Im damaligen politischen Kontext richteten sich diese Staatsschutzvorlagen klar gegen sozialistische bzw kommunistische Gruppierungen Das Scheitern der Lex Haberlin II 1934 bewirkte den Rucktritt von Bundesrat Haberlin Bundesrat Heinrich Haberlin Inhaltsverzeichnis 1 Lex Haberlin I 2 Lex Haberlin II 3 Siehe auch 4 EinzelnachweiseLex Haberlin I BearbeitenDie Ausarbeitung der Vorlage fur die Lex Haberlin I war durch die Polarisierung der schweizerischen Parteienlandschaft nach dem Landesstreik von 1918 gepragt Die burgerliche Mehrheit in der Bundesversammlung stimmte mit den Initianten der Schutzhaftinitiative darin uberein dass die wachsende kommunistische und sozialistische Agitation seit 1918 fur die zahlreichen Streiks und Strassenunruhen verantwortlich war Sie befurchtete jedoch insbesondere auch eine langsame propagandistische Unterwanderung der Schweizer Armee und anderer staatlichen Behorden durch die Arbeiterbewegung Da sowohl die Sozialdemokratische Partei der Schweiz wie auch zahlreiche gewerkschaftliche Organisationen in ihren Programmen den verstarkten Klassenkampf begrussten und die Diktatur des Proletariats anstrebten bzw die bestehende burgerlich demokratische Staatsordnung ablehnten strebten die burgerlichen Parteien mit der Lex Haberlin einen verstarkten Staatsschutz auch gegen innen an Das Gesetz wurde deshalb auch als Umsturzgesetz bezeichnet Dieser burgerliche Klassenkampf wollte ahnlich den deutschen Sozialistengesetzen dem burgerlichen Staat die Rechtsmittel in die Hand geben damit dieser gegen die Rechtsordnung destabilisierende sozialistische Propaganda Agitation und Massenstreiks vorgehen konnte Wesentliche Impulse fur die Ausarbeitung des Bundesgesetzes betreffend Abanderung des Bundesstrafrechts vom 4 Februar 1853 in Bezug auf Verbrechen gegen die verfassungsmassige Ordnung und innere Sicherheit und in Bezug auf die Einfuhrung des bedingten Strafvollzugs so der offizielle Titel der Lex Haberlin I kamen aus den eidgenossischen Volksinitiativen Schutzhaft und betreffend die Ausweisung von Auslandern Diese Initiativen wollten den Bundesrat verpflichten Schweizerburger welche die innere Sicherheit gefahrden sofort in Schutzhaft zu nehmen bzw gefahrliche Auslander sofort aus der Schweiz auszuweisen Die auch vom Bundesrat zur Ablehnung empfohlenen Initiativen scheiterten am 11 Juni 1922 Ausweisung von Auslandern 1 bzw am 18 Februar 1923 Schutzhaft 2 deutlich am Volks und Standemehr Hauptpunkte der verscharften Staatsschutzbestimmungen der Lex Haberlin I waren die Neuregelungen der Straftatbestande Hochverrat Aufruhr Widersetzung Wahlvergehen Gefahrdung der staatlichen Ordnung und Sicherheit Aufforderung und Verleitung zur Verletzung militarischer Dienstpflichten Untergrabung der militarischen Disziplin Ungehorsam gegen Befehle und Verordnungen und Landfriedensbruch vor Die das Militar betreffenden Revisionen richteten sich vor allem gegen pazifistische Propaganda in der Armee Das Gesetz wurde am 31 Januar 1922 von der Bundesversammlung gegen den entschiedenen Widerstand der Sozialdemokraten verabschiedet Die verschiedenen Arbeiterorganisationen sammelten darauf bis zum Ablauf der Referendumsfrist am 2 Mai 1922 mit einer stark emotional gefuhrten Kampagne 149 954 Unterschriften gegen das Gesetz Der freisinnige Bundesrat Haberlin wurde durch die Kampagne zum politischen Hauptfeind der Sozialdemokratie hochstilisiert Nach einem stark polarisierenden Abstimmungskampf in dem beide Seiten im Falle ihrer Niederlage die dustersten Zukunftsperspektiven fur die Schweiz abgaben scheiterte die Vorlage am 24 September 1922 bei einer Stimmbeteiligung von 70 3 mit 376 832 gegen 303 794 Stimmen 3 4 Die Ablehnung der Verscharfung des Strafrechts in Bezug auf den Staatsschutz wies darauf hin dass die schweizerische Bevolkerung keine polizeistaatlichen Methoden zur Losung der gesellschaftlichen Konflikte nach dem Ersten Weltkrieg siehe auch Schweiz im Ersten Weltkrieg wunschte und bereit war die Risiken der freiheitlich demokratischen Ordnung weiter auf sich zu nehmen 5 Lex Haberlin II BearbeitenDas Bundesgesetz zum Schutz der offentlichen Ordnung auch bekannt als Lex Haberlin II wurde am 13 Oktober 1933 von der Bundesversammlung beschlossen Inhaltlich schloss sich das Gesetz den gescheiterten Bemuhungen zur Verscharfung des Staatsschutzes von 1922 an Dieser neue Anlauf stand unter dem Eindruck der nationalsozialistischen Machtubernahme in Deutschland und des Frontenfruhlings in der Schweiz Mindestens gleichgewichtig war er aber auch wiederum gegen die so gesehene stalinistische Bedrohung gerichtet 6 Das Gesetz sah unter anderem vor besondere Strafen fur gewisse Straftatbestande einzufuhren so Aufforderung zu Verbrechen oder Vergehen die mit Zuchthaus bedroht werden Teilnahme an gewalttatigen Zusammenrottungen Verleitung zur Verletzung der militarischen Dienstpflicht Verstosse gegen das Versammlungsverbot und nachrichtendienstliche Tatigkeit zum Nachteil der Schweiz Wie die Lex Haberlin I scheiterte auch diese Vorlage am 11 Marz 1934 an einem erfolgreich von der Arbeiterbewegung lancierten Referendum bei einer Stimmbeteiligung von 78 98 mit 488 672 gegen 419 399 Stimmen 7 Nach dem Scheitern der Vorlage erklarte Haberlin am 12 Marz 1934 seinen Rucktritt Der katholisch konservative Bundesrat Jean Marie Musy forderte als Reaktion auf das Scheitern der Lex Haberlin II vom Bundesrat vergeblich ultimativ eine standestaatliche Umgestaltung der Schweiz und die Bekampfung der sich am Klassenkampf orientierenden Parteien und Gewerkschaften Sein Rucktritt erfolgte am 30 April 1934 Siehe auch BearbeitenListe der eidgenossischen Volksabstimmungen Schweiz in der ZwischenkriegszeitEinzelnachweise Bearbeiten Volksinitiative betreffend die Ausweisung von Auslandern Bundeskanzlei Volksabstimmung vom 18 Februar 1923 Bundeskanzlei Volksabstimmung vom 24 September 1922 Bundeskanzlei Oswald Sigg Die eidgenossischen Volksinitiativen 1892 1939 Bern 1978 S 127 130 Willi Gautschi Der Landesstreik 1918 Benziger Zurich 1968 S 370 Urs Paul Engeler Grosser Bruder Schweiz 1990 Volksabstimmung vom 11 Marz 1934 Bundeskanzlei Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Lex Haberlin amp oldid 207705383