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Dieser Artikel beschreibt die Theorie eines Standestaats fur die osterreichische Auspragung siehe Standestaat Osterreich Der Standestaat auch Korporationenstaat ist ein politisches Konzept des 20 Jahrhunderts als im ideologischen Ruckgriff auf die vormoderne Standeordnung diverse antiliberale Theoretiker und Regimes die standische d h auf Gruppenzugehorigkeit basierende korporatistische Neuordnung der zeitgenossischen Staaten und Gesellschaften und die Abschaffung des Parteienpluralismus anstrebten Inhaltsverzeichnis 1 Ziele 2 Realisierungsversuche 2 1 Italien 2 2 Osterreich 2 3 Andere Staaten 3 Einzelnachweise 4 LiteraturZiele BearbeitenVorlaufer hat die Idee des Standestaates in der romantischen Staatstheorie z B von Adam Heinrich Muller Friedrich Schlegel oder den spaten Schriften Johann Gottlieb Fichtes 1 Die Hauptstossrichtung der Idee richtete sich nach dem Ende des Ersten Weltkriegs gegen die organisierte Arbeiterbewegung Arbeitgeber und Arbeitnehmer sollten sich gemeinsam innerhalb der Berufsstande organisieren wodurch eine selbststandige Gewerkschaftsbewegung unmoglich werden sollte Die Uberwindung des Klassenkampfes war ein vordringliches Ziel Diesen berufsstandischen Ausgleich zwischen Kapital und Arbeit forderte vor allem die Enzyklika Quadragesimo anno 1931 von Papst Pius XI Des Weiteren richtete sich die Idee des Standestaates gegen die parlamentarische Demokratie und den liberalen Individualismus Der osterreichische Philosoph Othmar Spann der wichtigste Propagandist des Konzepts sprach 1929 an der Universitat Munchen von einem autoritaren Standestaat als Drittem Weg zwischen Demokratie und Marxismus Er war gemeinsam mit Walter Heinrich Initiator des von Fritz Thyssen unterstutzten Institutes fur Standewesen in Dusseldorf 1933 bis 1936 Der Begriff des Standestaates ist wie Arthur Benz bemerkt eigentlich ein Widerspruch in sich da die Standeordnung moderner Staatlichkeit vorausgeht und durch diese abgelost wurde 2 Realisierungsversuche BearbeitenDas Spannungsverhaltnis zwischen sich selbst verwaltenden Korporationen Standen und staatlich autoritaren Interventionen pragte auch die misslungenen Versuche der Realisierung eines Standestaates Wahrend die papstliche Enzyklika strikt zwischen der Rolle der Korporationen und Familien den sogenannten Gliedern des Sozialkorpers und der des Staates unterschied und erstere auf ihre wirtschaftliche Rolle beschranken wollte ihnen also gemass dem Subsidiaritatsprinzip eine grosse Selbststandigkeit gegenuber staatlichen Eingriffen zubilligte betonten Othmar Spann wie auch die Theoretiker des italienischen Faschismus den Vorrang des Ganzen vor dem Einzelnen Die Nationalsozialisten konnten sich hingegen mit der Idee des Standestaates nicht anfreunden da sie der volkischen und Rassenideologie im Wege stand Italien Bearbeiten Die unter Mussolini in Kraft getretene italienische Carta del Lavoro Charta der Arbeit vom 21 April 1927 ist ein Basisdokument der Prinzipien des faschistischen Standestaats Sie erhob den Korporatismus zur Doktrin proklamierte eine syndikalistische Ethik der Arbeitsbeziehungen und legte Grundzuge einer faschistischen politischen Okonomie fest 3 Neben der Rolle der nach Branchen bzw Berufsgruppen organisierten Standekammern in denen Arbeitgeber und nehmer vertreten waren wurden in der Carta auch die des Privateigentums und der kollektiven Arbeitsvertrage festgeschrieben Es gab ausserdem ein eigenes Standeministerium Beeinflusst war die Carta von Ideen des Sozialisten Alceste de Ambris einem Gegner Mussolinis der schon 1923 freiwillig nach Frankreich ins Exil gegangen war Der Text selbst wurde von Justizminister Alfredo Rocco und dem von Hegel beeinflussten konservativen Juristen Carlo Costamagna entworfen bzw redigiert Der Wirtschaftsjurist Rocco ein ehemaliger Marxist kam aus der 1910 gegrundeten Associazione Nazionalista Italiana deren Ideen Mussolinis faschistische Partei pragten Roccos Ziel war nicht zuletzt die wirtschaftliche Starkung Italiens gegenuber den dominanten europaischen Machten Auch der ebenfalls aus dem marxistischen Lager stammende Philosoph und Jurist Sergio Panunzio forderte den Syndikalismus durch starkere Interventionen des Staates zum Korporatismus weiterzuentwickeln Jedoch sah er anders als Costamagna die Korporationen nicht als unabhangige Vertretungen sondern als Staatsorgane an Damit wurde er zu einem der wichtigsten Theoretiker des italienischen Faschismus Nach Franklin H Adler steht hinter dem unvollstandig bzw widerspruchlich umgesetzten Versuch der Etablierung eines italienischen Standestaats das Bestreben die zunehmende Zersplitterung und Konflikte der politischen und sozialen Krafte im liberalen Nightwatchmanstate Nachtwachterstaat durch Bundelung dieser Krafte nach Branchen Berufsgruppen Regionen und Gemeinden zu verhindern Damit sollte den negativen Wirkungen einer zunehmenden funktionalen Differenzierung der Wirtschaft und Gesellschaft entgegengewirkt und eine gesellschaftliche Mobilisierung und Modernisierung bewirkt werden 4 De facto beschrankte sich der italienische Standestaat auf symbolische Reprasentationsformen In der Praxis erwies sich die Kompetenz der einzelnen Gliederungen als minimal der Staat riss alle Rechtsgewalt an sich Zumindest damit stand er im Widerspruch zu den Zielen des Vatikan was in Nr 91 95 der Enzyklika zum Ausdruck kommt Hinter dem Vorhang des Korporatismus uberdauerten ausserdem vor allem in Suditalien alte halbfeudale Machtstrukturen die in Konflikt mit den immer starker werdenden staatlichen Interventionen und technokratischen Modernisierungsversuchen gerieten Osterreich Bearbeiten Hauptartikel Standestaat Osterreich Insbesondere durch die Weltwirtschaftskrise erhielt die Idee des Standestaates zur Befriedung der Klassenauseinandersetzungen europaweit Auftrieb Auch die Diktatur des osterreichischen Dollfuss Schuschnigg Regimes 1934 1938 erhob den Anspruch einen solchen Standestaat in Osterreich zu errichten Die am 1 Mai 1934 im Namen Gottes verabschiedete nie wirklich in Kraft getretene osterreichische Maiverfassung sollte zur Grundlage eines sozialen christlichen deutschen Staates Osterreich auf standischer Grundlage werden der sich gegen den kampferischen Klassenkampfgedanken stellte Sie zielte auf ein von der katholischen Kirche getragenes standisch feudales Gesellschaftsmodell sog Austrofaschismus Nach dem Anschluss Osterreichs an das Deutsche Reich 1938 gerieten die dort wirkenden Theoretiker des Standestaates wie Othmar Spann und Walter Heinrich in Konflikt mit den Nationalsozialisten u a weil ihre Ideen einer hierarchisch gegliederten Gesellschaft mit einer Elite an der Spitze nicht mit dem Konzept eines einheitlichen Volkskorpers und der nationalsozialistischen Rassenlehre kompatibel war Andere Staaten Bearbeiten In der wissenschaftlichen Literatur wird der Begriff zudem fur die gesellschaftliche Zielvorstellung verwendet die Salazars Estado Novo in Portugal 1933 1974 5 oder das Regime Tisos in der Slowakei 1938 1945 6 verfolgten Diese Regimes gelten vielfach als faschistisch Auch in Spanien unter Francisco Franco und in Lateinamerika das schwer von der Weltwirtschaftskrise getroffen war wurden korporatistische Strukturen geschaffen so in Mexiko in Brasilien unter Getulio Vargas und in Argentinien unter Juan Peron Teils schwachten teils starkten diese Strukturen die Gewerkschaften In abgeschwachter Form wurde ein Standestaat auch unter der autoritaren Herrschaft von Konstantin Pats in Estland etabliert Einzelnachweise Bearbeiten Jakob Baxa Einfuhrung in die romantische Staatswissenschaft In Othmar Spann Hrsg Die Herdflamme Band 4 Verlag von Gustav Fischer Jena 1931 Arthur Benz Der moderne Staat Grundlagen der politologischen Analyse Oldenbourg Munchen u a 2001 ISBN 3 486 23636 9 Julius F Reiter Entstehung und staatsrechtliche Theorie der italienischen Carta del Lavoro Rechtshistorische Reihe 316 Lang Frankfurt am Main u a 2005 ISBN 3 631 54340 9 Zugleich Berlin Humboldt Universitat Dissertation 2005 Franklin Hugh Adler Italian Industrialists from Liberalism to Fascism The Political Development of the Industrial Bourgeoisie 1906 1934 Cambridge University Press Cambridge u a 1995 ISBN 0 521 43406 8 S 349 Fernando Rosas Hrsg Vom Standestaat zur Demokratie Portugal im 20 Jahrhundert Schriftenreihe der Vierteljahrshefte fur Zeitgeschichte 75 Aus dem Portugiesischen von Gerd Hammer Oldenbourg Munchen 1997 ISBN 3 486 64575 7 Gerhard Botz Corporatist state and enhanced authoritarian Dictatorship The Austria of Dollfuss and Schuschnigg 1933 38 In Antonio Costa Pinto Hrsg Corporatism and Fascism The Corporatist Wave in Europe Routledge London u a 2017 ISBN 978 1 138 22483 4 S 144 173 Literatur BearbeitenCarlo Costamagna Manuale di diritto corporativo italiano Fonti e motivi della legislazione sulla disciplina giuridica dei rapporti collettivi del lavoro Mit einem Vorwort von Alfredo Rocco UTET Unione Tipografico Editrice Torinese Turin 1927 Paolo Buchignani Fascisti rossi Da Salo al Pci la storia sconosciuta di una migrazione politica 1943 53 Mondadori Mailand 1998 ISBN 88 04 45144 0 Normdaten Sachbegriff GND 4182790 9 lobid OGND AKS Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Standestaat amp oldid 230194605