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Als Maiverfassung 1934 wird die oktroyierte Verfassung des osterreichischen Standestaats bezeichnet die am 1 Mai 1934 in Kraft trat und durch den Anschluss an Deutschland 1938 aufgehoben wurde Inhaltsverzeichnis 1 Entstehungsgeschichte 2 Kundmachung Gliederung und Praambel 3 Inhalt 3 1 Legislative 3 2 Exekutive 3 3 Judikative 3 4 Landesrecht 3 5 Grundrechte 4 Konkordat von 1933 5 Wirksamkeit 6 Literatur 7 Weblinks 8 EinzelnachweiseEntstehungsgeschichte BearbeitenNachdem die Dollfuss Regierung durch die spater so genannte Selbstausschaltung des Parlaments ein formales aus der Geschaftsordnung entstandenes Missgeschick am 4 Marz 1933 welches das Parlament handlungsunfahig machte den Boden der parlamentarischen Demokratie endgultig verlassen hatte erschien dem Regime die Verfassung von 1920 in der Fassung von 1929 obsolet Deshalb arbeitete man unter dem Vorsitz von Otto Ender eine neue Verfassung aus Diese wurde schliesslich gleich zweimal erlassen einerseits durch eine Verordnung der Bundesregierung nach dem Kriegswirtschaftlichen Ermachtigungsgesetz was eindeutigen Verfassungsbruch darstellte und dem damit geubten autoritaren System entsprach andererseits um die Optik gegenuber dem Ausland zu verbessern durch einen Beschluss des Rumpf Nationalrats am 30 April 1934 Die Mandate der sozialdemokratischen Abgeordneten waren als erloschen erklart worden die meisten grossdeutschen Abgeordneten blieben der verfassungswidrigen Sitzung ebenfalls fern Ersteres geschah vor allem um den Partner von Dollfuss Vaterlandischer Front die Heimwehren die seit ihrem Bestehen auf die Beseitigung des Parlaments hingearbeitet hatten und daher einen nicht parlamentarischen Weg zur Schaffung der neuen Verfassung forderten zufriedenzustellen zweiteres geschah um den Schein der Rechtskontinuitat zu bewahren Doch erfullte auch dieser zweite Weg wie zwei grossdeutsche Abgeordnete in der letzten Nationalratssitzung der Ersten Republik betonten die formalen Bedingungen der bis dahin geltenden Bundesverfassung 1920 1929 nicht da weder das Prasenzquorum erfullt war also beim Beschluss nicht die erforderliche Zahl von Abgeordneten anwesend war noch die Volksabstimmung abgehalten wurde die bei dieser Gesamtanderung der Verfassung zwingend vorgeschrieben war 1 Kundmachung Gliederung und Praambel BearbeitenKundgetan wurde die Verfassung schon in der Anlage der Verordnung der Bundesregierung vom 24 April 1934 uber die Verfassung des Bundesstaates Osterreich BGBl Nr 239 1934 Die formale Umwandlung in einen neuen Staat erfolgte aber erst mit dem bewusst gewahlten Datum des 1 Mai Vorbereitet wurde sie durch das Bundesverfassungsgesetz vom 30 April 1934 uber ausserordentliche Massnahmen im Bereich der Verfassung BGBl Nr 255 1934 mit dem sie auch in den ab dann geltenden Verfassungsbestand ubernommen und die Bundesregierung zur Wiederverlautbarung als Verfassung 1934 ermachtigt wurde Art II und Nationalrat und Bundesrat mit Wirksamkeit des folgenden Tages aufgelost wurden Art III Dann erschien sie im neuen Bundesgesetzblatt fur den Bundesstaat Osterreich in der Anlage der Kundmachung der Bundesregierung vom 1 Mai 1934 womit die Verfassung 1934 verlautbart wird BGBl II Nr 1 1934 2 weshalb man heute von Maiverfassung spricht Die Verfassung gliedert sich in 13 Hauptstucke 182 Artikel und eine Praambel die wegen ihres programmatischen Inhalts von Bedeutung ist Im Namen Gottes des Allmachtigen von dem alles Recht ausgeht erhalt das osterreichische Volk fur seinen christlichen deutschen Bundesstaat auf standischer Grundlage diese Verfassung Im Gegensatz zur Bundesverfassung 1920 1929 nach der das Recht der Republik vom Volk ausgegangen war wurde die Maiverfassung 1934 im Namen Gottes gegeben wahrend das Volk sie nur passiv erhalt Es handelte sich um eine oktroyierte Verfassung obwohl dieses Faktum durch den Beschluss des Rumpf Nationalrates verschleiert werden sollte Damit war der Standestaat entgegen der 1919 nach Aufhebung der de facto katholischen Habsburgermonarchie von Gottes Gnaden bewusst auf Trennung von Kirche und Staat beruhenden Republik auch wieder dezidiert nicht laizistisch angelegt Inhalt BearbeitenLegislative Bearbeiten Die Verfassung sah fur die ordentliche Gesetzgebung vier vorberatende Organe vor namentlich den Staatsrat den Bundeskulturrat den Bundeswirtschaftsrat und den Landerrat Diese waren als sachkundige Gremien gedacht die Gesetzentwurfe begutachten sollten Ersterer starkte das autoritare System da seine Mitglieder vom Bundesprasidenten unter Gegenzeichnung des Bundeskanzlers auf zehn Jahre ernannt wurden letztere betonten das standische Element da ihre Mitglieder von den einzelnen Standen entsandt wurden Der Bundestag bestand aus Mitgliedern der vier vorbereitenden Organe und war als beschliessendes Organ vorgesehen er konnte jedoch den Gesetzentwurfen bloss zustimmen oder sie rundweg ablehnen Da er keinerlei Befugnis zur Gesetzesinitiative und zur Bestimmung des Gesetzesinhalts hatte und des Weiteren von den vorberatenden Gremien beschickt wurde handelte es sich de facto um ein blosses Akklamationsinstrument der Regierung Die alleinige Gesetzesinitiative oblag der Bundesregierung Die Verfassung enthielt auch plebiszitare Elemente Ein regierungsinitiierter Volksentscheid hatte beispielsweise einen ablehnenden Beschluss des Bundestags aufgehoben und ersetzt Die Moglichkeit eines von der Bevolkerung initiierten Volksbegehrens wurde hingegen abgeschafft Des Weiteren blieb das Kriegswirtschaftliche Ermachtigungsgesetz von 1917 in Kraft das nach verfassungswidriger Interpretation gesetz und verfassungsandernde Regierungsverordnungen erlaubte Daneben existierte auch noch ein Notrecht der Bundesregierung und des Bundesprasidenten Exekutive Bearbeiten Die Organe der Verwaltung wurden fast identisch aus der Ersten Republik ubernommen geandert wurde jedoch ihre Kreation So sollte der Bundesprasident nun von allen Burgermeistern aufgrund eines Dreiervorschlags der Bundesversammlung gewahlt werden seine Amtszeit wurde auf sieben Jahre verlangert Die Bundesregierung blieb oberstes Vollzugsorgan des Bundes ihre Bestellung erfolgte weiterhin durch den Bundesprasidenten Eine wesentliche Starkung erfuhr sie da sie nunmehr dem Parlament nicht mehr verantwortlich war und ihr die alleinige Gesetzesinitiative oblag Judikative Bearbeiten Die Justiz blieb weiterhin Bundessache trotz des autoritaren Grundgehalts der Verfassung wurde die richterliche Unabhangigkeit garantiert Die Geschworenengerichte wurden da ihre Urteile schwer vorherzusehen waren durch Schoffensenate ersetzt was einer Schwachung des unberechenbaren Laienelements gleichkam Der Verfassungs und der Verwaltungsgerichtshof wurden zum Bundesgerichtshof zusammengefasst in den regimetreue Richter bestellt wurden Landesrecht Bearbeiten Auf Landesebene blieb das Volk weiterhin Trager der Gewalt allerdings hatte es nur mehr auf standischer Grundlage Zugang zur Willensbildung Die Landtage wurden nicht mehr durch Wahlen sondern durch Entsendung von Vertretern wirtschaftlicher und kultureller Organisationen zusammengesetzt Die Landtage hatten kein Initiativrecht und praktisch kein Kontrollrecht Die Gesetzesbeschlusse der Landtage bedurften der Zustimmung des Bundeskanzlers Die Landesregierungen setzten sich nunmehr aus einem Landeshauptmann der vom Bundesprasidenten aufgrund eines Dreiervorschlags des Landtags ernannt wurde einem Stellvertreter und Landesraten zusammen Die Bezirkshauptmanner wurden vom Land mit Zustimmung des Bundeskanzlers ernannt Diese wiederum mussten die Wahl der Burgermeister bestatigen und ermoglichten so dass nur dem Regime loyale Personen zur Wahl des Bundesprasidenten zugelassen waren Grundrechte Bearbeiten Des Weiteren enthielt die Verfassung auch Bestimmungen uber die allgemeinen Grundrechte der Staatsburger zur Pressefreiheit oder der Freiheit der Lehre welche angesichts der autoritaren Grundstruktur der Verfassung vergleichsweise liberal erscheinen Die Rechte konnten allerdings von der Bundesregierung jederzeit durch verfassungsandernde Verordnungen beschrankt werden und waren dies auch Die Freiheitsrechte erschienen wegen der in der Verfassung vermerkten Einschrankungen aus Freidenker Sicht in der Praxis fast bedeutungslos 3 Konkordat von 1933 BearbeitenDas im Vorjahr am 5 Juni 1933 unterfertigte und auf Grund einer verfassungswidrigen Regierungsverordnung in Kraft gesetzte Konkordat zwischen Osterreich und dem Heiligen Stuhl galt im Standestaat von Anfang an ebenfalls als Verfassungsgesetz Es ermoglichte der romisch katholischen Kirche grossere Einflussnahme auf den Staat und auf personenrechtliche Belange als zuvor Es wurde als Konkordat zwischen dem Heiligen Stuhle und der Republik Osterreich im BGBl II Nr 2 1934 mit der Verfassung 1934 wiederveroffentlicht und vom Bundesprasidenten kraft seines Amtes als ratifiziert erklart Wirksamkeit BearbeitenDie Maiverfassung 1934 war bis zum Aufgehen Osterreichs im Deutschen Reich 1938 zu keiner Zeit voll in praktischer Geltung Es blieb weitestgehend dabei dass die Bundesregierung mit Verordnungen diktatorisch regierte Die 1932 begonnene zweite Amtsperiode Wilhelm Miklas ware nach dem Bundes Verfassungsgesetz in der Fassung 1929 im Jahr 1936 zu Ende gegangen es fand aber keine Bundesprasidentenwahl nach den Regeln der neuen Verfassung statt Auch das Anschlussgesetz vom 13 Marz 1938 wurde keinem der nach der Maiverfassung vorgesehenen Legislativorgane vorgelegt sondern als Verordnung der Bundesregierung beschlossen Schon die Proklamation vom 27 April 1945 uber die Selbstandigkeit Osterreichs StGBl Nr 1 1945 forderte in ihrem Artikel I die demokratische Republik Osterreich ist wiederhergestellt und im Geiste der Verfassung 1920 29 wieder zu errichten 4 Damit erklarte sie nicht nur den Anschluss an Deutschland als null und nichtig Wortlaut des Art II sondern implizit auch den Standestaat Das 1 Verfassungs Uberleitungsgesetz 1945 stellt das B VG und das ubrige Bundesverfassungsrecht im Stand des 5 Marz 1933 wieder her Insbesondere aufgehoben wurden also Verfassung 1934 Ermachtigungsgesetz 1934 F VG 1934 V UG 1934 sowie Anschlussgesetz 1938 Ostmarkgesetz 1939 4 Diese Massnahme trug viel zum spater oft als Opfermythos kritisierten Selbstverstandnis der 2 Republik bei weil damit sozusagen Dollfuss und Schuschnigg die Verantwortung fur die Entwicklungen die zum Anschluss fuhrten personlich angelastet wurden nicht aber der Republik die damit als im Fruhjahr 1934 erloschen angesehen wurde und dem Staatsvolk das in der Verfassung 1934 als Souveran ubergangen wurde Daraus resultiert auch die zwiespaltige Rolle von Dollfuss im osterreichischen Geschichtsbild der einerseits uberzeugter Osterreicher und scharfster Gegner Hitlers zu seiner Zeit war andererseits durch seine totalitaren Massnahmen als sein wichtigster Wegbereiter fur das weitere Geschehen in Osterreich gilt Dazu gehort auch dass die Machtergreifung durch Dollfuss anders als die rechtskonforme Machtergreifung Hitlers in Deutschland 1933 in der Nachschau als in der Parlamentskrise des Marz 1933 rein eine Gesetzeslucke ausnutzend und daher illegitim begriffen wurde Literatur BearbeitenGertrude Enderle Burcel Mandatare im Standestaat Christlich standisch autoritar 1934 1938 Biographisches Handbuch der Mitglieder des Staatsrates Bundeskulturrates Bundeswirtschaftsrates und Landerrates sowie des Bundestages Hrsg durch das Dokumentationsarchiv des Osterreichischen Widerstandes und die Osterreichische Gesellschaft fur Historische Quellenstudien Wien 1991 ISBN 3 901142 00 2 Stephan Neuhauser Hrsg Wir werden ganze Arbeit leisten Der austrofaschistische Staatsstreich 1934 Books on Demand Norderstedt 2004 ISBN 3 8334 0873 1 https data onb ac at iv AC04153682 Inhaltsverzeichnis als PDF Weblinks BearbeitenDie Maiverfassung im Wortlaut Eintrag zu Maiverfassung im Austria Forum im AEIOU Osterreich Lexikon Verfassungsbruch als konstitutives Element des Austrofaschismus Memento vom 12 Januar 2006 im Internet Archive Verfassungsbruch als konstitutives Element des AustrofaschismusEinzelnachweise Bearbeiten Helmut Wohnout Politisch juristische Kontroversen um die Verfassung 1934 im autoritaren Osterreich In Erika Weinzierl Hrsg Justiz und Zeitgeschichte Symposionsbeitrage 1976 1993 Band 2 Jugend amp Volk Wien 1995 ISBN 3 224 12999 9 S 833ff Um es nicht mit der 1 Verordnung im alten Bundesgesetzblatt fur die Republik Osterreich vom 4 Januar 1934 zu verwechseln vergl BGBl Nr 1 1934 wird das neue Gesetzblatt als ein am 1 Mai 1934 beginnender zweiter Teil des Bundesgesetzblattes 1934 wird so im Art II BGBl I Nr 255 1934 letzter Satz ausdrucklich genannt Die Kirche segnet den Eidbruch Das Vorspiel zur geistigen Verknechtung Oesterreichs in Freidenker Heft 9 Band 18 1935 a b Vergl Osterreichische Verfassungsgeschichte Mitschrift von Lukas Muller Universitat Wien 27 Oktober 2011 Kapitel XI Periode Fremdkontrollierte Republik Osterreich 1945 1955 Kapitel Memento vom 17 April 2016 im Internet Archive dort S 1 f ganzes Dokument Memento vom 17 April 2016 im Internet Archive beide pdf doc unet univie ac at abgerufen 17 April 2016 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Maiverfassung amp oldid 233693179