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Mit dem Bundesverfassungsgesetz vom 30 April 1934 uber ausserordentliche Massnahmen im Bereich der Verfassung oder kurz Ermachtigungsgesetz 1934 wurden die bisherigen Befugnisse des osterreichischen Nationalrates und des Bundesrates auf die Regierung ubertragen Wahrend der Zeit des autoritaren Standestaats Austrofaschismus wurde die Mehrzahl der Gesetze auf Grundlage des Ermachtigungsgesetzes und unter Umgehung der verfassungsmassig vorgesehenen Gesetzgebungsorgane erlassen Inhaltsverzeichnis 1 Vorgeschichte 2 Inhalt 3 Anwendung in der Regierungspraxis 4 Literatur 5 Weblinks 6 EinzelnachweiseVorgeschichte BearbeitenIm Marz 1933 nutzte Bundeskanzler Engelbert Dollfuss den in der Geschaftsordnung des Nationalrates nicht vorgesehenen Rucktritt der drei Nationalratsprasidenten dazu das Parlament auszuschalten Ein Wiederzusammentreten der Mandatare wurde mit Hilfe der Polizei verhindert Die Regierung verfolgte fortan einen autoritaren Kurs und erliess Gesetze auf Basis des eigentlich fur den Kriegsfall vorgesehene Kriegswirtschaftlichen Ermachtigungsgesetzes von 1917 Wahlen wurden verboten das Versammlungs und Demonstrationsrecht eingeschrankt Der Verfassungsgerichtshof der diese verfassungswidrigen Verordnungen und Gesetze hatte aufheben konnen wurde lahmgelegt 1 Am 24 April 1934 verordnete die Regierung auf Basis des Kriegswirtschaftlichen Ermachtigungsgesetzes eine neue Verfassung 2 Um der Verfassung den Anstrich von Rechtmassigkeit zu geben wurde am 30 April 1934 Nationalrat und Bundesrat einberufen um sie abzusegnen und das Ermachtigungsgesetz zu beschliessen Dem Rumpf Nationalrat gehorten unter Berucksichtigung mittlerweile verstorbener Abgeordneter nur mehr 90 oder 91 Mitglieder an da die Mandate der Sozialdemokraten sowie der Heimwehr Abgeordneten die sich der NSDAP angeschlossen hatten aberkannt worden waren Tatsachlich erschienen 76 Abgeordnete zu wenig um ein eigentlich erforderliches Prasenzquorum zu erfullen 72 Abgeordneten gehorten der Christlichsozialen Partei und dem Heimatblock an Die meisten Landbund Abgeordneten blieben aus Protest der Sitzung fern zwei erschienen und stimmten fur das Ermachtigungsgesetz Von der Grossdeutschen Volkspartei kamen auch zwei Vertreter die dem Gesetz ihre Zustimmung versagten Im Bundesrat wurde das Ermachtigungsgesetz nicht beeinsprucht Der Bundesrat entsprach mittlerweile jedoch nicht mehr dem demokratische legitimierten Organ da fur die sozialdemokratischen und nationalsozialistischen Bundesrate nicht vom Landtag gewahlte sondern von den Landeshauptleuten im Absprache mit der Bundesregierung ernannte Mandatare nachgeruckt waren Auch eine eigentlich notwendige Volksabstimmung uber das Ermachtigungsgesetz wurde nicht durchgefuhrt Somit kam das Ermachtigungsgesetz und mit ihm die neue Verfassung und die Abschaffung der bisherigen Gesetzgebungsorgane verfassungswidrig zu Stande Inhalt BearbeitenDas Bundesverfassungsgesetz vom 30 April 1934 enthalt vier Artikel Im ersten Artikel werden Artikel 44 Absatz 2 und Artikel 50 des Bundesverfassungsgesetz von 1929 aufgehoben Der Artikel 44 Absatz 2 sah vor dass Gesamtanderungen der Bundesverfassung einer Volksabstimmung zu unterziehen sind 3 Der Artikel 50 bestimmte dass politische Staatsvertrage und andere Staatsvertrage die gesetzesandernde Wirkung haben der Zustimmung des Nationalrates bedurfen und sofern sie Anderungen von Verfassungsgesetzen nach sich ziehen eine Volksabstimmung erfordern 4 Im zweiten Artikel wird die der Regierungsverordnung vom 24 April 1934 als Anlage beigefugte Verfassungsurkunde unter Bekraftigung ihres rechtlichen Bestands als Bundesverfassungsgesetz im Sinne der gegenwartig geltenden Bundesverfassung erklart Die Regierung wird ermachtigt diese Verfassungsurkunde als Verfassung 1934 am 1 Mai 1934 im Bundesgesetzblatt als Verlautbarung kundzumachen Im dritten Artikel werden im ersten Absatz der Nationalrat und der Bundesrat mit dem auf die Verlautbarung folgenden Tag d h mit 2 Mai 1934 fur aufgelost und ihre Funktionen fur erloschen erklart Im zweiten Absatz werden die dem Nationalrat dem Bundesrat und den ihren Ausschussen und Organen zustehenden Befugnisse insbesondere die Zustandigkeit fur die Bundesgesetzgebung einschliesslich der Verfassungsgesetzgebung auf die Bundesregierung ubertragen Somit wurde die Gewaltenteilung aufgehoben Der vierte Artikel ist eine kurze Vollzugsklausel in dem die Bundesregierung mit der Vollziehung dieses Bundesverfassungsgesetzes betraut wird Anwendung in der Regierungspraxis BearbeitenNach der nun in Kraft getretenen sogenannten Maiverfassung waren der Bundestag und weitere Organe fur die Gesetzgebung zustandig Tatsachlich berief sich die Regierung in der Mehrzahl der verabschiedeten Gesetze auf den zweiten Absatz des dritten Artikels des Ermachtigungsgesetzes und umging damit diese verfassungsmassigen Organe Zwischen Mai und November 1934 wurden Gesetze ausschliesslich durch den Ministerrat auf Basis des Ermachtigungsgesetzes verabschiedet Ende November nahmen die verfassungsmassigen Organe der Bundesgesetzgebung ihre Arbeit auf seither kam es zu einer Doppelgleisigkeit der Gesetzgebung wobei mit der Zeit immer weniger Gesetze per Ermachtigungsgesetz verabschiedet wurden Von den 532 Gesetzen die zwischen der konstituierenden Sitzung der Organe der Bundesgesetzgebung und dem 11 Marz 1938 im Bundesgesetzblatt kundgemacht wurden waren 367 uber das Ermachtigungsgesetz erlassen worden Als am 13 Marz 1938 das Anschlusskabinett Seyss Inquart das den Staat Osterreich liquidierende Bundesverfassungsgesetz uber die Wiedervereinigung Osterreichs mit dem Deutschen Reich verabschiedete geschah dies ebenfalls auf Basis des Ermachtigungsgesetzes 5 Literatur BearbeitenHelmut Wohnout Das Ermachtigungsgesetz 1934 und seine Handhabung im autoritaren Osterreich In Beitrage zur Rechtsgeschichte Osterreichs 8 Jahrgang Heft 2 2018 S 371 384 doi 10 1553 BRGOE2018 2s371 Weblinks BearbeitenBundesverfassungsgesetz vom 30 April 1934 uber ausserordentliche Massnahmen im Bereich der Verfassung BGBl I Nr 255 1934 Digitalisat des Bundesgesetzblattes auf ALEX Historische Rechts und Gesetzestexte Online Einzelnachweise Bearbeiten Otto Helmut Urban Marz 1933 Der Beginn des Austrofaschismus In orf at 11 Februar 2004 abgerufen am 16 Februar 2021 Verordnung der Bundesregierung vom 24 April 1934 uber die Verfassung des Bundesstaates Osterreich BGBl I Nr 234 1934 digitalisiert in ALEX Historische Rechts und Gesetzestexte Online Verordnung des Bundeskanzlers vom 1 Janner 1930 betreffend die Wiederverlautbarung des Bundes Verfassungsgesetzes Artikel 44 BGBl Nr 1 1930 digitalisiert in ALEX Historische Rechts und Gesetzestexte Online Verordnung des Bundeskanzlers vom 1 Janner 1930 betreffend die Wiederverlautbarung des Bundes Verfassungsgesetzes Artikel 50 BGBl Nr 1 1930 digitalisiert in ALEX Historische Rechts und Gesetzestexte Online Bundesverfassungsgesetz uber die Wiedervereinigung Osterreichs mit dem Deutschen Reich BGBl Nr 75 1938 digitalisiert in ALEX Historische Rechts und Gesetzestexte Online Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Ermachtigungsgesetz 1934 amp oldid 218317612