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Die Gretchentragodie ist ein offenes Drama das Johann Wolfgang Goethe in den Urfaust von 1772 einflocht und uberarbeitet in sein Hauptwerk Faust I ubernahm Sie beschreibt das Auseinanderbrechen des Liebesverhaltnisses zwischen Faust und Margarete stellt sich motivisch neben die Tragodie des Gelehrten und fliesst am Ende von Faust II uberhoht und gelautert mit dieser zusammen In fruheren Varianten des Fauststoffs den Goethe aufgegriffen hat kommt hingegen eine Helena vor die als heidnisches Bild Fausts Begehren entfacht siehe Fauststoff Goethe wahlt in der Gretchentragodie keinen damonischen und in Wahrheit leblosen weiblichen Gegenpart fur Faust sondern eine Unschuldige die von ihm ins Verderben gezogen wird Inhaltsverzeichnis 1 Inhalt 2 Biographischer Hintergrund 3 Literatur 4 EinzelnachweiseInhalt Bearbeiten nbsp Tragodie erster Teil Faust und Mephisto im Kerker Lithographie von Joseph FayDie Szene Strasse fungiert dabei als Exposition und beschreibt die erste Begegnung der beiden Charaktere Gretchen die bezeichnenderweise gerade die Kirche verlasst verhalt sich reserviert gegenuber der unmittelbaren Ansprache durch Faust sie halt ihn fur einen Adeligen da er als Junker auftritt der wiederum angetrieben von der vorangegangenen Verjungung in der Szene Hexenkuche sich sofort begeistert von Gretchen zeigt und in ihr das wunderschone Frauenbild erkennt das ihm dort im Zauberspiegel erschienen ist Faust besucht daraufhin am Abend in Begleitung Mephistos das Zimmer Gretchens und ist fasziniert Wie atmet rings Gefuhl der Stille Der Ordnung der Zufriedenheit In dieser Armut welche Fulle In diesem Kerker welche Seligkeit Er hinterlasst schliesslich ein Kastchen mit Schmuck das er von Mephisto als erbetenes Geschenk erhalten hat Zuvor wird in einem kurzen Monolog Gretchens deutlich dass sich in ihr nach der anfanglichen Reserviertheit Neugier und Interesse an Faust regen Unmittelbar bevor sie das Geschenk findet wird Gretchens Bereitschaft zu und Sehnsucht nach einer romantischen Liebesbeziehung durch den Gesang der Ballade Der Konig in Thule deutlich Fausts Geschenk wirkt nicht lange da Gretchen sich nach der uberraschenden Entdeckung gleich an ihre beiden Fixpunkte Familie und Kirche wendet und den Schmuck ihrer Mutter uberlasst die das Geschenk an den Pfarrer weiterreicht Faust erfahrt dies durch ein Gesprach mit Mephisto wahrend eines Spaziergangs in dem er Mephisto auch bittet ein weiteres Mal Schmuck in Gretchens Zimmer zu hinterlegen Gretchen trifft sich unterdessen in der Nachbarin Haus mit Marthe und erzahlt ihr von dem zweiten Kastchen Ganz nach Mephistos Vorbild empfiehlt Marthe den Schmuck auf keinen Fall ein zweites Mal der Mutter zu uberlassen sondern lieber von Zeit zu Zeit den Schmuck geheim anzulegen Mephisto macht sich anschliessend in der gleichen Szene um Faust verdient Er teilt Marthe mit dass ihr Mann gestorben sei Diese ist vordergrundig voller Trauer verrat sich jedoch durch ihr Entsetzen uber das fehlende Erbe ihres Mannes Alsbald verlangt sie eine Bestatigung fur seinen Tod wohl um sich anderen Mannern zuwenden zu konnen Mephisto verspricht einen zweiten Zeugen Faust und vereinbart ein gemeinsames Treffen zu viert uber das er Faust auf der Strasse wenig spater informiert Der weigert sich zunachst zu lugen doch gibt er angesichts der Chance Gretchen wieder zu treffen und kennenzulernen schliesslich nach Bei dem vereinbarten Treffen im Garten der Nachbarin spazieren die beiden Paare Faust mit Gretchen und Mephisto mit Marthe umher und unterhalten sich Marthe macht sich schamlos an Mephisto heran der jedoch Unverstandnis fur ihre vieldeutigen Bemerkungen vortauscht Gretchen und Faust gestehen sich ihre Gefuhle und bekennen einander ihre Liebe In einem Gartenhauschen kommt es schliesslich zu der einzigen beschriebenen Liebesszene zwischen Faust und Gretchen die jedoch von Mephisto unterbrochen wird Faust gewinnt anschliessend in der Szene Wald und Hohle dem Wendepunkt des Dramas Abstand zu den geschehenen Ereignissen und erkennt dass er Gretchens Welt zerstoren muss wenn er mit ihr zusammenkommen mochte Er entmephistophisiert sich und kehrt beinahe zu seinem fruheren Streben nach Hoherem zuruck Faust ist ruhelos aufbrausend hinterfragend und hat ein kritisches Verhaltnis zur Religion wahrend Gretchen ein geregeltes und geordnetes Leben nach vorgegebenen Erwartungen und Mustern zwischen Familie und Kirche fuhrt Doch Mephisto erscheint in just diesem Moment stachelt ihn erneut an und schickt ihn zuruck in die Nahe seiner Geliebten Im Kontrast dazu wird Gretchens Situation in Gretchens Stube verdeutlicht alleine schon durch die gleichmassige und kurze Liedform ihres Monologes im Vergleich zu Fausts langen und komplizierten Satzen der Kontemplation Sie bewundert Faust und beschreibt ihre Liebe zu ihm doch erkennt Meine Ruh ist hin V 3386 Nachdem die Situation der beiden Charaktere eingangig beschrieben worden ist findet in Marthens Garten wieder ein Treffen zwischen Faust und Gretchen statt wo sie ihm ihre Gretchenfrage stellt Nun sag wie hast du s mit der Religion V 3415 Faust gibt eine umfassende und wortgewaltige Antwort ohne Gretchen zu uberzeugen Sie sieht ihren inneren Konflikt verstarkt gibt sich jedoch damit einverstanden ihrer Mutter Fausts Schlaftropfen zu geben so dass er sie in der Nacht besuchen kann Unbestimmte Zeit spater unterhalt sich Gretchen am Brunnen mit Lieschen In diesem Gesprach macht Lieschen am Beispiel von Barbelchen deutlich wie uneheliche Schwangerschaften oder Kinder zur gesellschaftlichen Ausgrenzung oder gar Bestrafung gefuhrt haben Gretchen die wie nur untergrundig deutlich wird von Faust schwanger ist erkennt ihre Sunde und ist verzweifelt und voller Angst Gleich in der nachsten Szene Zwinger wendet sie sich an Maria Mater Dolorosa und bittet sie um Erbarmen Ihre Befurchtungen bewahrheiten sich in der Nacht Mephisto totet durch Faust ihren Bruder Valentin der sie noch im Sterben als ehrlose Hure offentlich blossstellt Zur Katastrophe kommt es in der Szene im Dom in der ein boser Geist auf Gretchen einredet und ihr vorwirft ihre Unschuld verloren zu haben Es wird deutlich dass ihre Mutter durch die Schlaftropfen gestorben ist Zusammen mit ihrer Schwangerschaft und dem Tod ihres Bruders bedeutet dies eine unglaubliche Last fur Gretchen unter der sie am Ende der Szene in Ohnmacht fallt Die beiden darauf folgenden Szenen Walpurgisnacht und Walpurgisnachtstraum haben begrenzten Einfluss auf die Handlung Mephisto versucht Faust von Gretchen abzulenken Diesem jedoch erscheint eine Gestalt des verurteilten und gekopften Gretchens woraufhin er Mephisto in Truber Tag Feld fur die Katastrophe verantwortlich macht und seine Hilfe zur Rettung Gretchens fordert Mephisto gesteht ihm dies zu weist jedoch auf seine beschrankte Macht hin die wohl von der Frommigkeit Gretchens herruhrt Beide reiten auf Zauberpferden zu Gretchen Nacht Offen Feld und kommen dabei an einer Hexenzunft vorbei die gerade einen Richtplatz weiht welcher aber nicht der Platz ist auf welchem Gretchen noch am nachsten Morgen hingerichtet werden soll Sie soll auf dem Marktplatz unter dem Fallbeil sterben Im Kerker schliesslich muss Faust Gretchen vollig verwirrt vorfinden Sie hat ihr neugeborenes Kind getotet und soll dafur hingerichtet werden Sie erkennt Faust zunachst nicht und halt ihn fur den Henker der sie verfruht abholen will Nachdem Gretchen ihn schliesslich erkannt hat will Faust sie zur Flucht uberreden Doch sie straubt sich auch weil Mephisto gegen den Gretchen aus offensichtlichen Grunden eine intensive Aversion hegt nach einer Weile hinzukommt Schliesslich drangt Mephisto Faust Gretchen im Stich zu lassen und beide verlassen Gretchen Biographischer Hintergrund BearbeitenGoethe hatte sich bereits in seiner Disputation vom 7 August 1771 an der Universitat Strassburg mit der Frage beschaftigt ob eine Kindsmorderin zum Tode verurteilt werden sollte 1 Kurze Zeit spater verfolgte er in Frankfurt am Main den Fall der Dienstmagd Susanna Margaretha Brandt die 1771 ihr neugeborenes Kind totete Sie wurde verhaftet in einem Strafverfahren entsprechend den damaligen Gesetzen zum Tode verurteilt und am 14 Januar 1772 offentlich hingerichtet Goethe arbeitete zu dieser Zeit als Rechtsanwalt in seiner Vaterstadt Zahlreiche Prozessbeteiligte gehorten zu seinen Verwandten oder guten Bekannten Er liess sich Abschriften der Prozessakten anfertigen und war von der Geschichte der Brandtin so beeindruckt dass die Tragodie um die Kindesmorderin Gretchen ein zentrales Motiv des Urfaust wurde Doch generell beschaftigte sich Goethe viel mit diesem Thema Bei einem Fall des Kindsmordes durch Johanna Catharina Hohn am 11 April 1783 fragte der Richter Goethe und zwei weitere um Rat ob sein Urteil in Ordnung sei Goethe antwortete darauf dass auch nach meiner Meinung rathlicher seyn mogte die Todesstrafe beyzubehalten 2 Die noch in Prosa verfasste Szene Im Kerker der alteste Teil des Urfaust entstand wahrscheinlich bereits kurze Zeit nach der Hinrichtung Goethe nahm spater in Dichtung und Wahrheit nicht Stellung zu dem Vorgang sondern berichtet stattdessen lediglich in knapper distanzierter Form Bald setzte ein entdecktes grosses Verbrechen dessen Untersuchung und Bestrafung die Stadt auf viele Wochen in Unruhe Die Problematik der Kindstotung wurde im 18 Jahrhundert viel diskutiert Sie wird auch in Werken von Zeitgenossen Goethes aufgegriffen zu nennen sind Zerbin oder Die neuere Philosophie von Jakob Michael Reinhold Lenz sowie Die Kindermorderin von Heinrich Leopold Wagner Literatur BearbeitenSiegfried Birkner Das Leben und Sterben der Kindsmorderin Susanna Margaretha Brandt nach den Prozessakten der Kaiserlichen Freien Reichsstadt Frankfurt am Main der sogenannten Criminalia 1771 dargestellt Insel Frankfurt am Main 1973 ISBN 3 458 32890 4 Insel Taschenbuch 1190 Siegfried Birkner Goethes Gretchen das Leben und Sterben der Kindsmorderin Susanna Margaretha Brandt nach den Prozessakten dargestellt Insel Frankfurt am Main 1999 ISBN 3 458 34263 X Insel Taschenbuch 2563 Rebekka Habermas Hrsg Das Frankfurter Gretchen Der Prozess gegen die Kindsmorderin Susanna Margaretha Brandt C H Beck Munchen 1999 ISBN 3 406 45464 X Einzelnachweise Bearbeiten Samtliche Werke Munchener Ausgabe Band 1 2 S 916 Christoph Braendle Sonntagsbeilage der Neuen Zurcher Zeitung vom 5 6 Dezember 1998 Werke von Johann Wolfgang von Goethe Romane und NovellenDie Leiden des jungen Werthers Wilhelm Meisters theatralische Sendung Unterhaltungen deutscher Ausgewanderten Wilhelm Meisters Lehrjahre Novelle Die Wahlverwandtschaften Wilhelm Meisters WanderjahreDramenDie Laune des Verliebten Die Mitschuldigen Gotz von Berlichingen mit der eisernen Hand Ein Fastnachtsspiel vom Pater Brey Das Jahrmarktsfest zu Plundersweilern Satyros oder Der vergotterte Waldteufel Prometheus Gotter Helden und Wieland Claudine von Villa Bella Clavigo Urfaust Egmont Erwin und Elmire Die Geschwister Lila Der Triumph der Empfindsamkeit Iphigenie auf Tauris Torquato Tasso Der Gross Cophta Der Burgergeneral Was wir bringen Stella Die naturliche Tochter Faust I Pandora Des Epimenides Erwachen Faust IIGedichte Lieder und BalladenDie Metamorphose der Pflanzen Vermachtnis Wandrers Sturmlied Mailied Willkommen und Abschied Mahomets Gesang Prometheus Geistesgruss Der Konig in Thule Der Fischer An den Mond Der Erlkonig Wandrers Nachtlied Das Gottliche Romische Elegien Nahe des Geliebten Venezianische Epigramme Der Zauberlehrling Der Schatzgraber Xenien Legende vom Hufeisen Die erste Walpurgisnacht Das Tagebuch Der Totentanz Bei Betrachtung von Schillers Schadel Marienbader Elegie West ostlicher Divan Gingo bilobaVersepenReineke Fuchs Hermann und DorotheaUbertragungenLeben des Benvenuto Cellini Mahomet Rameaus NeffeAsthetische SchriftenUber Kunst und AltertumNaturwissenschaftliche SchriftenUber den Zwischenkiefer der Menschen und der Tiere Versuch die Metamorphose der Pflanzen zu erklaren Beitrage zur Optik Zur FarbenlehreLibrettofragmentDer Zauberflote 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