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Brandtin ist eine Weiterleitung auf diesen Artikel Zu anderen Personen siehe Brandin Susanna Margaretha Brandt 8 Februar 1746 in Frankfurt am Main 14 Januar 1772 ebenda war eine Frankfurter Magd die Goethe zusammen mit dem Fall Maria Flint als Vorbild fur die Gretchentragodie in seinem Faust diente Sie totete ihr neugeborenes Kind und wurde dafur zum Tode verurteilt und hingerichtet Faust und Margaretha im Garten Ary Scheffer 1846 Inhaltsverzeichnis 1 Leben 2 Das Urteil im Wortlaut 3 Einwande im Rahmen des Verfahrens 4 Goethe und der Strafprozess 5 Gedenken 6 Literatur 7 Weblinks 8 EinzelnachweiseLeben BearbeitenSusanna Margaretha Brandt wurde als achtes Kind eines Soldaten geboren und wuchs als Waise auf Sie arbeitete als Dienstmagd bei der Witwe Bauer in der Frankfurter Herberge Zum Einhorn Drei oder vier Wochen vor Weihnachten 1770 wurde sie von einem Goldschmiedegesellen aus Holland verfuhrt der auf der Wanderschaft als Gast in der Herberge abgestiegen war Nach ihrer spateren Aussage hatte er sie zum Wein eingeladen und ihr mit schonen Worten geschmeichelt womoglich auch ein Pulver in den Wein getan denn es sei ihr so seltsam zumute geworden sie habe sich nicht mehr erwehren konnen der Teufel musse seine Hand im Spiel gehabt haben Nach wenigen Tagen war der Goldschmied nach Russland weiter gezogen Susanna Margaretha Brandt kannte von ihm weder den genauen Namen noch eine Adresse Ihre Schwangerschaft verheimlichte sie vor ihren beiden Schwestern und ihrer Wirtin obwohl diese schon bald Verdacht schopften Sie arbeitete weiterhin von fruh bis spat Ein Arzt den sie aufsuchte als ihre Reinigung ausblieb verschrieb ihr Tee Von der Schwangerschaft bemerkte er nichts Vier Wochen vor der Niederkunft ging sie auf Drangen der anderen Frauen zu einem weiteren Arzt Auch dieser bemerkte nichts davon dass sie im siebten Monat schwanger war Am 31 Juli 1771 wurde sie in der Waschkuche von Ubelkeit und heftigen Leibschmerzen befallen Die Witwe Bauer kochte ihr einen Tee und drohte ihr zugleich mit der Entlassung Die Verheimlichung einer Schwangerschaft oder gar eine heimliche Niederkunft waren damals mit Strafe bedroht Am Abend des 1 August 1771 brachte sie in der Waschkuche einen Knaben zur Welt Es war eine Sturzgeburt das Kind fiel mit dem Kopf voran auf den Steinboden Sie sagte spater aus dass es nur kurz gerochelt habe In Panik habe sie mit der linken Hand nach seinem Hals gegriffen und ihm mit der rechten durch das Gesicht gekratzt dann habe sie es im Stall an der Staufenmauer hinter dem Haus verborgen Im Morgengrauen mit dem Offnen der Stadttore floh sie uber Hochst nach Mainz wo sie ihre Ohrringe verkaufen musste um das Marktschiff und die Herberge bezahlen zu konnen Vollkommen mittellos und entkraftet kehrte sie am nachsten Tag nach Frankfurt zuruck Am Bockenheimer Tor wurde sie von der Wache festgenommen und in das Gefangnis in der Katharinenpforte neben der Katharinenkirche gebracht Am Abend des 3 August 1771 schaffte man sie von dort in das Hospital Funf Tage spater grub man den auf dem Schandfriedhof des Gutleuthofs beigesetzten Leichnam des Kindes wieder aus Als man ihn ihr vorlegte brach sie zusammen und gestand Herr Jesus das ist mein Kind ich habe Hand daran gelegt Nach achtwochiger Vorbereitung tagte das Gericht vom 8 bis 12 Oktober 1771 im Romer Das Strafverfahren fand nach damaligem Brauch ohne mundliche Verhandlung statt Am 12 Oktober erging das erste Todesurteil anschliessend hatte ihr Verteidiger Marcus Augustus Schaaf Zeit zum schriftlichen Pladoyer Am 7 Januar 1772 wurde das Urteil bestatigt es lautete auf Tod durch das Schwert ein Gnadengesuch wurde bereits am nachsten Tag abgelehnt Am 14 Januar 1772 gegen 10 Uhr morgens wurde die Verurteilte auf das Schafott an der Hauptwache gefuhrt wo der Scharfrichter Johann Hoffmann am Richtstuhl auf sie wartete Der Nachrichter fuhrte die Maleficantin mit der Hand nach dem Stuhl setzte sie darauf nieder band sie in zweyen Ort am Stuhl fest entblosete den Hals und Kopf und unter bestandigem zurufen der Herren Geistlichen wurde ihr durch einen Streich der Kopf glucklich abgesetzt 1 Das Urteil im Wortlaut BearbeitenDie 335 Seiten starke Prozessakte Criminalia 1771 Nr 62 ist im Institut fur Stadtgeschichte erhalten Auch eine Schere das Corpus Delicti mit dem Brandt die Leiche ihres Kindes verstummelt haben soll ist in der Akte asserviert Zu peinlicher Untersuchungssachen wider Susanna Margarethen Brandtin erkennen wir Burgermeister und Rath der Kaysserlichen freyen Reichsstadt Frankfurt am Mayn auf vorgangige umstandliche Erforschung und Untersuchung der Sache gefuhrte Verteidigung vorgelegt rechtliche Syndicatsbedenken und sorgfaltiger Erwagung aller Umstande vor Recht dass gedachte Brandtin des an ihrem lebendig zur Welt gebrachten Kinde nach eigener wiederholter Bekundnis vorsetzlich und boshafterweise verubten Mordes halber nach Vorschrift der gottlichen und weltlichen Gesetze und zwar ihrer zur wohlverdienten Strafe und anderen zum abscheulichen Exempel mit dem Schwerd vom Leben zum Todt zu bringen und dieses Urteil fordersamt zu vollziehen seye Geschlossen bey Rath dinstag den 7 Januar 1772 Einwande im Rahmen des Verfahrens BearbeitenIn der Offentlichkeit hatte der Prozess die Gemuter bewegt Das strenge Vorgehen des Rates fand nicht uberall Beifall zumal Brandts erst verspatet zum Prozess hinzugezogener Verteidiger Marcus Christoph Schaaf 2 in seinem Pladoyer allerhand mildernde Umstande auffuhrte Sie sei verwirrt und verzweifelt gewesen ob das Kind uberhaupt gelebt habe sei fraglich Er wies den arztlichen Gutachtern nach dass sie bereits in fruheren Fallen falsch geurteilt hatten Uberhaupt sei das Kind ein Achtmonatskind gewesen und diese seien bekanntlich seinerzeit nur selten lebensfahig Der Rat liess sich allerdings durch das Pladoyer nicht beeindrucken Goethe und der Strafprozess BearbeitenJohann Wolfgang Goethe hatte zu dieser Zeit gerade sein Studium der Rechte abgeschlossen und arbeitete von August 1771 bis Mai 1772 als Rechtsanwalt in seiner Geburtsstadt Er war mit vielen direkten Prozessbeteiligten personlich gut bekannt und erlebte den ganzen Prozess mit Der Gerichtsschreiber Johann Heinrich Thym war neun Jahre lang Hauslehrer Johann Wolfgangs und seiner Schwester Cornelia gewesen Goethes Freund und spaterer Schwager Johann Georg Schlosser war zu dieser Zeit Schriftfuhrer des Scharfrichters Die beiden Arzte die Susanna Margaretha Brandt im Hospital behandelten waren Hausarzte der Goethes und der Textors Weitere Verwandte Goethes darunter sein Onkel Johann Jost Textor gehorten dem Gericht an Goethe liess sich von dem Kanzlisten Liebholdt Abschriften der Prozessakten anfertigen Er war von der Geschichte der Brandtin so tief beeindruckt dass die Tragodie um die Kindesmorderin Gretchen ein zentrales Motiv des Urfaust wurde Die noch in Prosa verfasste Szene Im Kerker der alteste Teil des Urfaust entstand wahrscheinlich bereits kurze Zeit nach Margarethas Hinrichtung Goethe selbst nahm in Dichtung und Wahrheit zu dem Vorgang nicht Stellung sondern berichtete lediglich in knapper distanzierter Form Bald setzte ein entdecktes grosses Verbrechen dessen Untersuchung und Bestrafung die Stadt auf viele Wochen in Unruhe Im Falle der im Jahre 1783 hingerichteten Dienstmagd Johanna Catharina Hohn die ebenfalls ihr Kind getotet hatte geht die Forschung mittlerweile davon aus dass Goethe gegen die Intention des Herzogs Karl August die Todesstrafe befurwortet hat Gedenken Bearbeiten nbsp Gedenkstein im Sommerhoff Park FrankfurtAm 10 September 2021 stellte der Ortsbeirat des Frankfurter Gutleutviertels im Sommerhoffpark einen Gedenkstein aus Odenwalder Quarz fur Susanna Margaretha Brandt auf Die Inschrift lautet Susanna Margaretha Brandt 1772 als Kindsmorderin verurteilt und auf der Hauptwache hingerichtet Hier im ehemaligen Friedhof des Gutleuthofes bestattet Als Gretchen in Goethes Faust unsterblich 3 4 Literatur BearbeitenRuth Berger Gretchen Ein Frankfurter Kriminalfall Kindler Reinbek 2007 ISBN 978 3 463 40513 1 Belletristische Verarbeitung Siegfried Birkner Das Leben und Sterben der Kindsmorderin Susanna Margaretha Brandt Nach den Prozessakten dargestellt Insel Verlag Frankfurt 1973 ISBN 3 458 32890 4 Rebekka Habermas Hrsg Das Frankfurter Gretchen Der Prozess gegen die Kindsmorderin Susanna Margaretha Brandt C H Beck Munchen 1999 ISBN 3 406 45464 X Heinrich Heym Lebenslinien Schicksale aus einer alten Stadt Band I Frankfurt a M o J abgedruckt in Joachim Proescholdt Hrsg St Katharinen zu Frankfurt am Main Kramer Frankfurt am Main 1981 ISBN 3 7829 0240 8 Sabine Hock Brandt Susanna Margaretha im Frankfurter Personenlexikon Stand des Artikels 24 April 1987 auch in Wolfgang Klotzer Hrsg Frankfurter Biographie Personengeschichtliches Lexikon Erster Band A L Veroffentlichungen der Frankfurter Historischen Kommission Band XIX Nr 1 Waldemar Kramer Frankfurt am Main 1994 ISBN 3 7829 0444 3 S 97 Kent D Lerch Jorg Ziethen Sascha Ziemann Die Leiden des jungen Gretchen Ein Frankfurter Kriminalfall anno 1771 72 Der Prozess gegen die Kindsmorderin Susanna Margaretha Brandt In Forschung Frankfurt Das Wissenschaftsmagazin der Johann Wolfgang Goethe Universitat Frankfurt am Main Heft 2 2011 Frankfurt am Main 2011 ISSN 0175 0992 S 49 54 PDF Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Susanna Margaretha Brandt Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Brandt Susanna Margaretha Hessische Biografie In Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen LAGIS Hessisches Institut fur Landesgeschichte abgerufen am 22 November 2022 Ulrike Ruckert Gretchens Hinrichtung vor 250 Jahren In Deutschlandfunk de 14 Januar 2022 Marko Rosseler 14 01 1772 Hinrichtung Susanna Margaretha Brandt In WDR ZeitZeichen Podcast Die Gretchenfrage Stadtrundgang zur Erinnerung an Susanne Margareta Brandt In EFO Magazin de 9 August 2021Einzelnachweise Bearbeiten Heinrich Heym Lebenslinien Schicksale aus einer alten Stadt Band I Kettenhof Verlag Frankfurt am Main 1968 S 57 Matthias Trautsch Gretchen vor Gericht In Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 9 Oktober 2021 Matthias Trautsch Prozess vor 250 Jahren Gretchen vor Gericht In FAZ NET ISSN 0174 4909 faz net abgerufen am 9 Januar 2022 Gernot Gottwals Das Gretchen wird nun bewacht In Frankfurter Neue Presse 11 September 2021 S 19 Normdaten Person GND 118673270 lobid OGND AKS LCCN no00076210 VIAF 14149196471174791578 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Brandt Susanna MargarethaKURZBESCHREIBUNG Kindsmorderin und Vorbild fur Goethes GretchenGEBURTSDATUM 8 Februar 1746GEBURTSORT Frankfurt am MainSTERBEDATUM 14 Januar 1772STERBEORT Frankfurt am Main Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Susanna Margaretha Brandt amp oldid 238369007