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Das altromische Recht war der erste Entwicklungsschritt in einer knapp eintausendjahrigen Rechtsgeschichte des Romischen Reichs Es umfasst die Zeit von den dunklen Anfangen der legendaren Grundung Roms bis etwa zur Mitte des 3 Jahrhunderts v Chr Uber den Rest der Zeit der romischen Republik bis zum Prinzipat schloss sich die Phase des vorklassischen Rechts an Mit Ausnahme der Zwolftafelgesetzgebung aus den Jahren 451 450 v Chr war das altromische Recht uberwiegend ungeschriebenes Gewohnheitsrecht Dieses war vornehmlich beherrscht durch den mos maiorum der Vater Sitte Der Rechtshistoriker Fritz Schulz schrieb dass das Volk des Rechts nicht das Volk der Gesetze sei Bis zu den spatantiken Kompilationen Justinians die sich materiellrechtlich auf das Zusammentragen und Aktualisieren bestehender Bestimmungen beschrankten sollten die XII Tafeln die einzige echte Kodifikation des romischen Rechts bleiben Die gelegentlich in die Diskussion eingefuhrten leges Regiae der Konigszeit und Uberlieferungen zu pradecemviralen Komitialgesetzen etwa die lex Aternia Tarpeia werden kaum fur glaubhaft erachtet Sie seien eher als Rekonstruktionsversuche und Rechtfertigungsgrunde spaterer Generationen fur das angetroffene Inventar zu verstehen Inhaltsverzeichnis 1 Gesellschaftsrechtlicher Kontext 2 Rechtliche Wesenszuge 3 Literatur 4 AnmerkungenGesellschaftsrechtlicher Kontext BearbeitenIn Ermangelung auch nur einer einzigen zeitgenossischen Quelle muss das Bild das zur heutigen Kenntnis beitragt aus spater erfolgten Berichten zusammengetragen und rekonstruiert werden Historische Rechtsvergleichung ist kaum moglich 1 ebenso bleibt im Dunkeln ob und wie Rom von aussen rechtlich beeinflusst worden ist Insbesondere mit Blick auf etruskische Autoritaten sei dies besonders fraglich 2 Hellenistische Einflusse hingegen seien nicht unwahrscheinlich wobei neben der verbreiteten Auffassung dass stoische Leitbilder durch die Decemvirn aus Athen zur Weiterbearbeitung in den XII Tafeln nach Rom gebracht worden seien 3 in der Forschung auch die Vorstellung aufgeworfen wird dass die Ideen nicht aus Athen sondern aus den unteritalienischen griechischen Kolonien nach Rom eingesickert seien 4 Es wird sogar fur moglich gehalten dass die fur Rom wegweisende Idee der Einigung der Patrizier und der Plebejer in einem einzigen Gesamtgesetz beide ausgestattet mit gleichen Rechten dem griechischen Vorbild entstammt 5 Anschauungen uber die Riten die Grenzziehungen oder das Verbandswesen wurden in dieser Hinsicht bereits in der Antike diskutiert 6 Das altromische Recht war das feststehende Recht der romischen Burgergemeinde Im Kern war es latinisches Recht Im latinischen Bund bestand von alters her eine uberstaatliche Rechtsgemeinschaft 7 Es kann davon ausgegangen werden dass es sich soweit nicht positive Regelungen Besonderheiten angeordnet haben nicht wesentlich von anderen latinischen Rechten unterschieden hat Das altromische Recht war kein primitives Recht aber es war urwuchsig ungeschliffen sehr assoziativ und ohne theoretischen Unterbau Auch gab es keine Begriffssystematik mittels derer die Verknupfung von Inhalten vorgenommen hatte werden konnen es bestand lose aneinandergereiht nebeneinander 4 Der Geltungsbereich war vom Personalitatsprinzip bestimmt mithin fur Mitglieder des Gemeinwesens unabhangig von deren Aufenthaltsort 8 Abgewanderte konnten von ihrem Ruckkehrrecht Gebrauch machen 9 Den romischen Lebensgrundlagen nach charakterisiert sich das romische Volk als traditionsbewusste bauerliche Gemeinschaft die Landbau und Viehzucht betrieb Der rechtliche Massstab die Sitten der Ahnen liess zwar gesellschaftlichen Wandel und Veranderungen im Sozialgefuge zu Reformen aber wurden weitgehend abgelehnt Es galt nie neues Recht zu schaffen sondern das vorgegebene Recht richtig zu erkennen 10 Eine staatliche Autoritat war nicht beteiligt es gab kein gesetzes Recht der Konige oder der Priesterschaft die einst moglicherweise aufgezeichnet haben mag 11 Bedingt durch den wirtschaftlichen und politischen Aufschwung bildete sich eine Oberschicht heran die die Grundherrschaft ausubte Dabei handelte es sich um den patrizischen Bodenadel Spatere gesellschaftliche Durchmischungen mit den aufstrebenden Plebejern fuhrten zu einer patrizisch plebejischen Nobilitat Diese liess fur sich arbeiten und verschrieb sich selbst den urbanen Lebensformen Aus der Sippe entwickelte sich die weitgehend autarke Kleinfamilie als fester Rechtsverband Dem stand der pater familias mit straffer Fuhrung und als einziger Entscheider vor Alle anderen Familienmitglieder waren neben den Sklaven ihm mit allen Konsequenzen gewaltunterworfen Mit diesem Konzept grenzten sich die Familienhausverbande rechtlich gegeneinander ab So bestimmten sich auch die Grenzen des Privatrechts im Verhaltnis der Familien untereinander denn der Staat mischte sich in diese Sphare grundsatzlich nicht ein Im familiaren Innenverhaltnis wurde nach Ermessen des Hausherrn entschieden im Aussenverhaltnis zu den anderen Familien standen einige bald zahlreiche Klagewege offen 4 Rechtliche Wesenszuge BearbeitenAm Beginn der romischen civitas waren es der Legende nach 12 die Konige die Gesetze erliessen bezeichnet als leges regiae Diese seien schliesslich ausser Gebrauch gekommen da in der jungen Republik die XII Tafeln ins Leben gerufen worden waren Ihre Legitimation erhielten die Tafeln durch Volksbeschluss publica autoritate des populus als Souveran 13 Die Tafeln statuierten das gewohnheitsrechtlich hergebrachte altromische burgerliche Privatrecht Es war von agronomen Strukturen und von strengrechtlichem Formalismus gepragt Ausschlaggebend fur die Rechtsbindung eines Geschaftsakts war ein behabig anmutender rituell zelebrierter Formelwortlaut der Pontifikaljurisprudenz 14 Vornehmliche Schutzobjekte waren die landwirtschaftlich kostbaren Guter die res mancipi etwa Grund und Boden Grossvieh und Sklaven Zwischen Privat und Prozessrecht wurde nicht unterschieden da der Blickwinkel von vornherein auf die Umsetzung von Anspruchen und die Erhebung von Einwendungen gelenkt wurde und nicht etwa der Tatbestand eines Gesetzes ausschlaggebend war wie heute ublich Jede Klage actio und jede Einwendung exceptio war fur sich ein neuer Rechtsschopfungsakt Da auch Wiederholungsfalle zu entscheiden waren gelangte man vom individuellen Fallrecht Schritt fur Schritt zum Prajudizienrecht mit Musterformeln Da uber die zivilprozessualen Legisaktionen regelmassig Fragen des Erwerbs des Verlustes oder des Schutzes von Dingen und Rechten zwischen den Parteien regelten bedurfte es des gottlichen Schutzes insoweit nicht Daher erstellten die Pontifices in ihrer Doppeleigenschaft als einerseits Rechtskundige und andererseits Heilsvermittler bei ihren Gutachten responsae keinen sakralen Bezug Fur Fremde peregrini galt uberdies unterschwelliges Fremdenrecht ius gentium Als Gast cliens genoss der Fremde jedoch treuen sakral bedingten Schutz Die Formulierung des Staates uber Gesetze leges publicae wird als Entwicklungsprozess aus den Gerichtsentscheiden responsae fur die verhandelten Einzelfalle betrachtet Die Annahme dass abstrakte Normen bereits parallel zur altesten Gerichtsbarkeit ihr Dasein hatten verbote sich nach heutiger Auffassung einerseits aus etymologischen Grunden lex aus legere Lesen der Spruchformel und andererseits aus dem Prinzip der Kasuistik selbst da sich abstrakte Obersatze gegossenen in ein Gesetz aus den Schematisierungsversuchen fur ein einheitliches Vorgehen zur Bewaltigung vergleichbarer Anwendungsfalle erst ergaben 11 Das Geldwesen spielte kaum eine Rolle denn Leistungen beruhten vornehmlich auf Gutertausch Ein privatrechtlicher Schuldner hatte in diesem Rechtssystem einen schweren Stand ihm wurde grundsatzlich erhebliches Misstrauen entgegengebracht er wurde mit hohen Zinssatzen bedacht und war bei Leistungsstorungen harten Vollstreckungsmassnahmen gegebenenfalls mit personlicher Haft ausgesetzt Sehr empfindlich reagierte die Rechtsordnung auf die Verletzung von Privatdelikten sofern sie sich gegen bauerliche Besitztumer richteten etwa Hof Feld und Fahrnis 4 Einzelne Hinweise Bedeutende Rechtsgeschafte waren die mancipatio die emancipatio die coemptio confarreatio conventio in manum die stipulatio und in iure cessio Wer nicht handlungsfahig war stand unter Vormundschaft tutela oder Pflegschaft cura Vererbt wurde im Wege der Haus und nachrangig der Aussenerbfolge Das Testamentswesen war wie auch woanders im Entstehen begriffen ebenso Legate Von grosser Bedeutung waren Eigentums und Besitzverhaltnisse die auch gemeinschaftlich ercto non cito und geteilt servitutes ausgeubt werden konnten Relevanz erlangten dabei die Erscheinungsformen der Haftungsverhaltnisse insbesondere bei Delikten Noxal und Tierschadenshaftung inbegriffen Literatur BearbeitenHerbert Hausmaninger Walter Selb Romisches Privatrecht Bohlau Wien 1981 9 Aufl 2001 Bohlau Studien Bucher S 17 ff Heinrich Honsell Romisches Recht 5 Auflage Springer Zurich 2001 ISBN 3 540 42455 5 S 3 6 Max Kaser Das Romische Privatrecht Erster Abschnitt Das altromische das vorklassische und klassische Recht C H Beck Munchen 1955 Zehnte Abteilung Dritter Teil Dritter Band Erster Abschnitt 3 45 S 15 156 Wolfgang Kunkel Martin Schermaier Romische Rechtsgeschichte 13 Auflage Bohlau Koln u a 2001 ISBN 978 3 8252 2225 3 S 27 35 Fritz Schulz History of Roman Legal Science Oxford 1946 deutsch Geschichte der romischen Rechtswissenschaft Weimar 1961 Anmerkungen Bearbeiten Leopold Wenger in Archiv fur Rechts und Sozialphilosophie Band 14 1920 21 S 1 ff 106 ff Paul Koschaker in Recueil d Etudes en l honneur d Edouard Lambert Band I Paris 1938 S 274 ff Bernhard Rehfeldt Grenzen der vergleichenden Methode bei der rechtsgeschichtlichen Forschung Titel bei der Antrittsvorlesung in Bonn Juni 1942 Vgl beispielsweise zur Diskussion um das Matriarchat Carl Wium Westrup Introduction to early Roman law Band I Kopenhagen Oxford 1944 S 224 ff Franz Wieacker Vom Romischen Recht Wirklichkeit und Uberlieferung Koehler amp Amelang Leipzig 1944 S 42 f a b c d Max Kaser Das Romische Privatrecht Erster Abschnitt Das altromische das vorklassische und klassische Recht C H Beck Munchen 1955 3 S 15 20 Franz Wieacker Vom Romischen Recht Wirklichkeit und Uberlieferung Koehler amp Amelang Leipzig 1944 S 41 f Zur Aisymnetie vgl Johannes Toepffer Aisymnetes 1 In Paulys Realencyclopadie der classischen Altertumswissenschaft RE Band I 1 Stuttgart 1893 Sp 1088 1091 Cicero De legibus 2 23 59 Begrabnisriten gemass XII Tafeln 10 4 Gaius Digesten 47 22 4 Vereinswesen Gaius Digesten 10 1 13 Grenzregelungsklage actio finium regundorum zum Letzten auch Papinian Hal 1 80 ff Artur Steinwenter Ius Latii In Paulys Realencyclopadie der classischen Altertumswissenschaft RE Band X 1 Stuttgart 1918 Sp 1260 1278 Beschrieben als Erfahrungsregel bei Heinrich Siber Romisches Recht in Grundzugen fur die Vorlesung II Romisches Privatrecht Berlin 1928 S 9 Max Kaser Das Romische Privatrecht Erster Abschnitt Das altromische das vorklassische und klassische Recht C H Beck Munchen 1955 3 S 26 Heinrich Honsell Theo Mayer Maly Walter Selb Romisches Recht 4 Auflage Springer Verlag Berlin Heidelberg New York 1987 S 75 34 Capitis deminutio Max Weber Wirtschaft und Gesellschaft Tubingen 1921 22 5 revidierte Auflage hrsg von Johannes Winckelmann Tubingen 1976 MWG I 22 1 I 22 5 MWG I 23 S 396 ff a b Max Kaser Das Romische Privatrecht Erster Abschnitt Das altromische das vorklassische und klassische Recht C H Beck Munchen 1955 3 S 24 f Vgl hierzu Susanne Hahnchen Rechtsgeschichte Von der Romischen Antike bis zur Neuzeit 4 vollig neu bearbeitete und erweiterte Auflage C F Muller Heidelberg u a 2012 ISBN 978 3 8114 9842 6 S 13 Folker Siegert Charakteristika des romischen Rechts Aus dem Buch Band I Einleitung Arbeitsmittel und Voraussetzungen hrsg von Folker Siegert Berlin Boston De Gruyter 2023 S 53 76 53 Erklarungsversuch bei Julian Digesten 1 3 32 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Altromisches Recht amp oldid 234768364