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Das romische Burgerrecht lateinisch civitas Romana war in der Antike zunachst das Burgerrecht der mannlichen Einwohner der Stadt Rom Als diese ihren Herrschaftsbereich immer weiter ausdehnte wurde das Burgerrecht im Romischen Reich auch an weitere Personen Gruppen verliehen Das Burgerrecht war Voraussetzung fur das aktive und passive Wahlrecht der freien Manner in den Volksversammlungen Das Wahlrecht hatte jeder mannliche Romer ab dem 16 Lebensjahr Davon ausgeschlossen waren Frauen Sklaven und Auslander wobei letztere als peregrini behandelt wurden 1 2 Auch konnte nur der Burger am privaten und politischen Rechtsleben teilnehmen was bedeutete dass allein der civis romanus Eigentum erwerben Vertrage abschliessen Testamente abfassen und ehelichen konnte Zumindest wahrend der Zeit der Republik war das Burgerrecht dem Grundsatz nach mit der Verpflichtung zum Kriegsdienst verbunden erlaubte das Tragen der Toga und beinhaltete eine Reihe weiterer Privilegien Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte 2 Rechte und Pflichten 3 Verleihung 3 1 Zuordnung zum Patronym 3 2 Beurkundung im Romischen Reich Beurkundung des Burgerrechts 4 Bevolkerungsstruktur und zahl 5 Literatur 6 EinzelnachweiseGeschichte BearbeitenWohl in der Mitte des 5 vorchristlichen Jahrhunderts angeblich 451 wurde das fur romische Burger geltende Recht auf zwolf Tafeln aufgezeichnet dabei folgte man dem Vorbild der Griechen Das Wahlrecht hatte in der Zeit der Republik jeder mannliche Romer ab dem 16 Lebensjahr nicht nur der alte Erbadel die Patrizier lat patres Vater Vorfahren In der Zeit nach 340 v Chr gelang es den Romern die meisten Stadte in der Region Latium in den Latinerkriegen unter romische Kontrolle zu bringen Im Zuge der Errichtung von coloniae wahrend dieser Eroberung Italiens wurde neben dem romischen Burgerrecht fruh ein neues Burgerrecht geschaffen das so genannte latinische Burgerrecht An der Frage des gleichberechtigten Burgerrechts fur Bundesgenossen entzundete sich gegen Ende der Republik der Bundesgenossenkrieg 91 88 v Chr der durch die Lex Plautia Papiria beendet wurde die allen freien Bewohnern Italiens sudlich des Po das romische Burgerrecht verlieh Im gleichen Jahr wurde mit der Lex Pompeia de Transpadanis uber die Transpadaner des Konsuls Gnaeus Pompeius Strabo den Bewohnern nordlich des Po das latinische Burgerrecht verliehen Gaius Iulius Caesar weitete das romische Burgerrechtsgebiet dann vier Jahrzehnte spater bis an den Alpenrand aus Personlich freie Bewohner der romischen Provinzen provinziale blieben dagegen auch nach dem Bundesgenossenkrieg und am Anfang der romischen Kaiserzeit juristisch gesehen Fremde peregrini oder Bundesgenossen socii sie besassen nur das Burgerrecht ihrer jeweiligen Heimatgemeinde nicht das der Stadt Rom Damit hatten sie einen deutlich schlechteren Rechtsstatus inne als ein romischer Burger Sie unterlagen einer weitaus harteren Rechtsprechung mussten mehr Steuern zahlen durften nicht in den Legionarsdienst eintreten hatten kein Wahlrecht in Rom wenngleich dies in der Kaiserzeit ohnehin bald jede praktische Bedeutung verlor und konnten nicht in den Ritter oder Senatorenstand aufsteigen Bemerkenswerterweise scheint man erst im 2 Jahrhundert Standesamter in den Provinzhauptstadten eingerichtet zu haben die offizielle Listen mit den Inhabern des romischen Burgerrechts fuhrten 3 Glucklich konnten sich jene Orte schatzen die wie zum Beispiel das spatere Koln in den Rang einer colonia erhoben wurden womit allen freien Burgern zugleich auch das Burgerrecht der Stadt Rom zuteilwurde Im Lauf der romischen Kaiserzeit erhielten immer mehr Personen und Personengruppen das romische Burgerrecht s o bis es durch die Constitutio Antoniniana des Jahres 212 fast allen freien Reichsbewohnern verliehen wurde und in der Folgezeit als soziales und rechtliches Distinktionsmerkmal innerhalb der Bevolkerung des Imperium Romanum weitgehend seine Bedeutung verlor 4 Zur Abgrenzung gegenuber Reichsfremden behielt es hingegen auch in der Spatantike noch eine gewisse Relevanz so gab es auch nach der sogenannten Reichsteilung von 395 weiterhin nur eine einzige civitas Romana fur beide Reichshalften Rechte und Pflichten BearbeitenRechte und Pflichten eines Burgers variierten mit der Zeit fielen allerdings auch durch Herkunft und Laufbahn innerhalb des Staates unterschiedlich aus Es lassen sich folgende Rechte und Pflichten zusammenfassen Bestandteil des Burgerrechts war das ius suffragiorum das Recht in den Volksversammlungen zu wahlen aktives Wahlrecht Mit ihm korrespondierte das ius honorum das die Wahlbarkeit zu den Staatsamtern passives Wahlrecht gewahrleistete Fur den Rechtsverkehr bedeutete das ius commercii dass obligatorische wie dingliche Rechtsgeschafte Schuld und Sachenrecht getatigt vererbt und geerbt werden konnte Rechtsgeschafte mit Auslandern deckte das ius gentium Von hoher Bedeutung war im romischen Rechtszusammenhang die patria potestas vaterliche Gewalt Um sie zu erlangen und Familienoberhaupt zu werden bedurfte es des ius conubii Aufgrund dieses Rechtes durften romische Burger heiraten Ausserdem erhielten alle aus der Ehe hervorgegangenen Kinder das garantierte romische Burgerrecht Das romische Recht gewahrte raumlichen Freizug im Imperium Das ius migrationis verbriefte dass die Stufe des bereits erlangten Burgerrechts auch bei Umzug Bestand behielt Dies erklart sich daraus dass verschiedene Stadte des Imperiums unterschiedliche Burgerrechte hatten Ein romischer Burger behielt das romische Burgerrecht auch bei Umzug in eine Stadt mit weniger Burgerrechten Neben die genannten Rechte traten Privilegien und Annehmlichkeiten So mussten romische Burger keine lokalen Steuern entrichten und erhielten gegenuber diversen lokalen Gesetzen Immunitat zugestanden Nur sie waren prozessfahig und parteifahig konnten mithin vor den Magistraten klagen und verklagt werden Bei Gericht durften sie im Rahmen eines ordentlichen Gerichtsverfahrens selbst verteidigen Bestimmten Bestrafungsarten waren romische Burger uberdies nicht ausgesetzt Weder durfte Folter gegen sie angewandt werden noch mussten sie die Verhangung der Todesstrafe befurchten Eine Ausnahme bestand wenn es Hochverrat perduellio zu verhandeln galt Selbst in diesem Fall durften sie vor dem Kaiser Interventionsrechte geltend machen Da es zumeist als Ehrensache angesehen wurde in der Legion zu dienen konnte der romische Burger auf die Kriegsdienstpflicht verweisen Verleihung BearbeitenBurgerrechte wurden im Reich normalerweise durch Geburt namlich als Abkommling einer romischen Mutter wie der Jurist Gaius ausfuhrt 5 oder durch Verleihung vergeben Bei der Eroberung neuer Gebiete gab es wahrend der romischen Republik verschiedene Moglichkeiten mit besiegten Gemeinden umzugehen So durften die feindlichen Gebiete einverleibt werden wobei die Bevolkerung entweder vertrieben oder versklavt wurde Es wurde darauf hingewirkt dass ein Vertragsschluss zwischen Siegern und Besiegten zustande kam wobei Rom faktisch selbst dann wenn der Vertragspartner theoretisch gleichrangig war sich Dominanz vorbehielt Formal blieb die besiegte Gemeinde allerdings unabhangig Geschlagene Gemeinden erhielten eingeschrankte Burgerrechte ohne Wahlrecht civitates sine suffragio Dieses war gleichwohl mit Kriegsdienstpflicht ausgestattet die gegenleistungsweise mit einer Beteiligung an der Kriegsbeute beglichen wurde Besser erging es regelmassig der Oberschicht dieser Gemeinden denn sie erhielt nicht nur das volle romische Burgerrecht sondern wurde in das romische Staatswesen aufgenommen und galt als vollwertiges Bestandteil der romischen Gesellschaft was sich darin ausdruckte dass sie aktives und passives Wahlrecht eingeraumt erhielt und Kriegsdienst leistete nbsp Fragment eines Militardiploms um 160 n Chr und der Gewahrung des romischen Burgerrechts als ehemaliger Soldat der Kohorte V Bracaraugustanorum Aus dem Museum Quintana Kunzing Jene Gemeinwesen im Machtbereich Roms die nicht das volle romische Burgerrecht besassen bemuhten sich in der Regel fruh darum es zu erhalten im Falle des Bundesgenossenkrieges strebten sie dieses Ziel sogar mit Gewalt an Im Verlauf der Zeit stieg auch ausserhalb Italiens die Zahl der Orte mit romischem Burgerrecht Individuen konnten das Burgerrecht ebenfalls erwerben insbesondere durch Fursprache eines einflussreichen Romers die oft durch hohe Summen erkauft wurde oder durch den Dienst in den romischen Hilfstruppen siehe Militardiplom Im Verlauf der spaten Republik insbesondere aber in der Kaiserzeit sorgte dann vor allem eine Besonderheit des romischen Zivilrechts dafur dass sich der Kreis der Burger rasch ausweitete Jeder Sklave der einem romischen Burger gehorte und von diesem freigelassen wurde erhielt durch diesen Akt automatisch ein eingeschranktes Burgerrecht bereits seine freigeborenen Kinder besassen dann das uneingeschrankte Burgerrecht Da die Zahl der Sklaven im Imperium Romanum in die Millionen ging es aber gleichzeitig ublich war Privatsklaven beim Tod ihres Herren oder zu ihrem 30 Geburtstag die Freiheit zu schenken fuhrte dies vor allem wahrend der ersten beiden Jahrhunderte nach Christus zu einer erheblichen Ausweitung der romischen Burgerschaft Zuordnung zum Patronym Bearbeiten Um den romischen Burger zu kennzeichnen verwendete man den romischen Namen Er bestand aus einem Vor und einem Familiennamen teilweise erganzt durch ein oder zwei Beinamen Cognomen und Agnomen In offiziellen Inschriften und Dokumenten fugte man noch die Tribus sowie den Vaternamen z B Marci filius Sohn des Marcus hinzu Dies unterschied ihn von einem Freigelassenen welcher den Vornamen seines ehemaligen Herrn mit dem Zusatz libertus trug und den anderen Reichsbewohnern die ihr eigenes Namenssystem hatten und bei Erhalt des romischen Burgerrechts einen Namen nach dem Muster der Freigelassenen annahmen mit dem Namen des amtierenden Herrschers anstelle eines ehemaligen Herrn Der romische Vatername wurde dem Familiennamen nach und dem Beinamen vorangestellt z B Marcus Tullius Marci libertus Tiro Das romische Vaternamenssystem welches ohnehin nur nebenbei benutzt wurde verschwand im Jahr 212 n Chr als Kaiser Caracalla mit der Constitutio Antoniniana das romische Burgerrecht an fast alle Reichsbewohner verlieh Seine Funktion romische Burger von den Freigelassenen und anderen Reichsbewohnern zu unterscheiden war nun uberflussig geworden Beurkundung im Romischen Reich Beurkundung des Burgerrechts Bearbeiten Im Imperium Romanum genossen neben den Urkunden der staatlichen Autoritaten auch Urkunden offentlicher Schreiber Tabellionen und Urkunden die in den Rollen der Gemeinden verzeichnet waren gesta municipalia offentliche Glaubwurdigkeit Eine typische Form der Gestaltung von privaten Urkunden in der romischen Antike waren doppelt geschriebene Urkundentexte Eine Version des Textes schrieb man innen auf Wachstafeln oder Papyrus hinter Siegeln verschlossen eine andere meist knappere aussen auf den Schrifttrager Solange die Siegel nicht zerstort waren konnte die Richtigkeit des ausseren Textes jederzeit anhand des inneren Texts uberpruft werden In der antiken romischen Gesellschaft wurde die Schriftlichkeit und die Unterschrift unter den Urkundentext allgemein als hoch eingeschatzt Seit der Zeit des Kaisers Augustus werden Geburtsregister gefuhrt hier muss jedes eheliche Kind vermerkt werden Seit Marcus Aurelius gilt dies auch fur Kinder aus nicht ehelichen Beziehungen gefordert wurde eine Frist von 30 Tagen zu deren Erfassung Die Erfassung erfolgte vor einem Magistrat in einem Tabularium 6 Aus diesem Register professio liberorum wiederum werden nun die testationes als Ausweise erstellt Sie enthalten den Namen des Kindes Geschlecht und dessen Eltern die Tribus das Geburtsdatum und ort und eine Aussage zum Status als romischer Burger 7 Bevolkerungsstruktur und zahl BearbeitenIn dem Zeitintervall zwischen dem 1 Jahrhundert v Chr und dem 3 Jahrhundert n Chr lebten in den Grenzen des Imperium Romanum zwischen 50 und 70 Millionen Menschen In einem Zensus aus dem Jahre 70 n Chr wurden aber nur 910 000 Menschen mit dem romischen Burgerrecht erfasst 8 Literatur BearbeitenAltay Coskun Grosszugige Praxis der Burgerrechtsvergabe in Rom Zwischen Mythos und Wirklichkeit Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz Abhandlungen der Geistes und Sozialwissenschaftlichen Klasse 2009 1 Steiner u a Stuttgart 2009 ISBN 978 3 515 09350 7 Ralph W Mathisen Peregrini Barbari and Cives Romani Concepts of Citizenship and the Legal Identity of Barbarians in the Late Roman Empire In American Historical Review Bd 111 Nr 4 2006 S 1011 1040 doi 10 1086 ahr 111 4 1011 A N Sherwin White The Roman citizenship 2 Auflage Clarendon Press Oxford 1973 ISBN 0 19 814813 5 Einzelnachweise Bearbeiten Herbert Hausmaninger Walter Selb Romisches Privatrecht 9 Auflage 2001 Bohlau Wien 1981 ISBN 3 205 07171 9 S 74 ff Romisches Wahlsystem In archaeologos 24 April 2016 abgerufen am 31 Oktober 2019 Die als Quelle nicht unproblematische Historia Augusta schreibt diese Massnahme Kaiser Mark Aurel 161 bis 180 zu vgl Historia Augusta Marcus 9 7 Vgl Geza Alfoldy Die romische Gesellschaft Ausgewahlte Beitrage Heidelberger Althistorische Beitrage und Epigraphische Studien Band 1 Steiner Verlag Wiesbaden GmbH Stuttgart 1986 ISBN 3 515 04610 0 S 282 Vgl Gaius inst 1 81f Martin Hengel Ulrich Heckel Paulus und das antike Judentum Tubingen Durham Symposium im Gedenken an den 50 Todestag Adolf Schlatters 19 Mai 1938 Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament Band 58 Mohr Siebeck Tubingen 1991 ISBN 3 16 145795 1 Fussnote S 194 195 Max Kaser Das romische Privatrecht Abschnitt Das altromische das vorklassische und klassische Recht Handbuch der Altertumswissenschaft Abteilung 10 Rechtsgeschichte des Altertum C H Beck Munchen 1971 ISBN 3 406 01406 2 S 273 Nicolas Tran Balance der Ungleichheiten Spektrum der Wissenschaft Spezial Leben und Sterben im Alten Rom 2 16 S 6 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Romisches Burgerrecht amp oldid 235260112