www.wikidata.de-de.nina.az
Die patria potestas vaterliche Gewalt war im antiken Rom ursprunglich nur ein Anwendungsfall einheitlicher und unbeschrankter Herrschaftsmacht potestas die dem pater familias dem mannlichen Familienoberhaupt oblag Er ubte sie uber Personen und Sachen uber freie und unfreie Hausgenossen familia aus Zur romischen familia gehorten anders als bei vielen anderen Familienformen auch die verheirateten Sohne mit ihren Frauen und Kindern die Adoptivsohne Sklaven Vieh und sonstiges Besitztum Die patria potestas war fur das Familien und Eheleben rechtlich konstitutiv Inhaltsverzeichnis 1 Charakteristika 2 Beginn und Ende der vaterlichen Gewalt 3 Spatere Rezeption 4 Literatur 5 EinzelnachweiseCharakteristika BearbeitenDer mos maiorum band den Hausvorstand seit jeher dahingehend dass er schwere Strafen iudicium domesticum wie die Totung eines Hauskindes ius vitae necisque nicht willkurlich vornahm sondern in seiner Eigenschaft als Richter und unter Einbezug des Familienrates verhangte 1 Faktisch uberwachten die Zensoren mit offentlichem Auftrag die Einhaltung der Sitten boni mores 2 Obwohl Quellen von Einzelfallen missbrauchlicher Ausubung der Familiengewalt berichten sind derartige Falle zumindest in historischer Zeit selten Die hervorragende Stellung des pater familias bezeichnete die vermogensrechtliche Verfugungsgewalt und die Gewalt uber das Leben der familia zumeist eher symbolisch Tatsachliche Totungen heranwachsender oder erwachsener Kinder sind nur in funfzehn Fallen uberliefert Nahezu alle davon konnen aber zugleich oder vorrangig auf andere Rechtsgrundlagen zuruckgefuhrt werden so dass das ius vitae necisque moglicherweise keine reale Rechtsnorm war sondern eine eher allegorisch zu verstehende Betonung der patria potestas 3 Die patria potestas manifestierte sich auch in der Entscheidungsgewalt des Hausvorstands und Gewalthabers pater familias uber die Annahme oder Ablehnung neugeborener Kinder deren Verausserung ius vendendi sogar im Recht sie zu toten Kinder von Familienangehorigen die man nicht aufziehen konnte oder wollte sei es aus finanziellen Grunden sei es weil sie Bastarde waren behindert oder schlicht Madchen wurden getotet oder haufig an offentlichen Platzen ausgesetzt Die Aussetzung von Neugeborenen an offentlichen Dunghaufen war in der gesamten romischen Welt bis zum Jahr 374 n Chr legal Die Kinder verfielen allerdings in der Regel nicht dem Tode sondern der Sklaverei Sie wurden zum Eigentum dessen der sie aufnahm und grosszog Nach Ansicht heutiger Althistoriker wurde diese Praxis von den Zeitgenossen keineswegs als inhuman angesehen da die Aussetzung jenen Kindern eine Chance auf Uberleben ermoglichte Erst in christlicher Zeit als sich aufgrund der kirchlichen misericordia Alternativen zur Aussetzung boten wurde die nunmehr nicht mehr notwendige Praxis als anstossig empfunden und in der Folge verboten Auch das Kindstotungsrecht ius vitae necisque wurde erst unter christlichem Einfluss abgeschafft wobei es seine Bedeutung bereits zur Zeit der hohen Republik verloren hatte 1 Um neugeborene Kinder dagegen in der familia zu halten war es erforderlich dass der pater familias dem sie nach der Geburt zu Fussen gelegt wurden sie aufhob was suscipere oder tollere hiess und damit formal annahm Sie erhielten die Knaben am neunten die Madchen am achten Tag dies lustricus Namen und religiose Weihe und wurden hierauf im elterlichen Haus erzogen und unterrichtet Beginn und Ende der vaterlichen Gewalt BearbeitenDie patria potestas begann mit der Geburt und endete regelmassig mit dem Tod des Gewalthabers Mit dem Tod des Gewalthabers wurden die Kinder Sohne und Tochter gewaltfrei die Sohne ihrerseits erlangten die vaterliche Gewalt uber die eigenen Kinder und Kindeskinder Neben der Geburt und dem Tod als naturlichen Begrundungs und Beendigungstatbestanden von vaterlicher Gewalt spielten die beiden Erscheinungsformen der Adoption eine bedeutende Rolle um das Aussterbens des Geschlechts zu verhindern Das romische Recht kannte aus archaischer Zeit bereits die arrogatio die Annahme an Kindes Statt Sie kam durch Beschluss der Kurienversammlung auf Empfehlung rogatio des pontifex maximus zustande Spater wurde die Erscheinungsform der arrogatio durch die adoptio abgelost Diese wurde in zwei Akten auf den Weg gebracht Im ersten Akt wurde die mancipatio ein Scheinverkauf des Kindes an Dritte vollzogen dies in drei Ubertragungsakten In den XII Tafeln waren zu dem durch Ubertragungsrituale gepragten Geschaft umfangreiche Anordnungen getroffen worden Nach einem dritten Ubertragungsschritt wurde das Kind frei von den Gewaltverhaltnissen si pater filium ter venum duit filius a patre liber esto wenn ein Vater seinen Sohn dreimal zum Verkauf gegeben hat so soll der Sohn von der vaterlichen Gewalt frei sein Daran schloss sich ein zweiter Akt an ein Anwendungsfall der in iure cessio einem Scheinprozess Der Adoptierende vindizierte das Kind wobei der vormalige Gewaltgeber auf Gegenrechte contravindicationes ausdrucklich verzichtete Der Magistrat tat daraufhin die neuen Eigentumsverhaltnisse kund 1 Das Kind verlor alle Anwartschaftsrechte auf Erbschaft gegenuber seinem ehemaligen Gewaltgeber Vater Sohne wurden nach dem Tod des Vaters frei sui iuris und konnten selbst pater familias ihrer Familie werden sie emanzipierten sich 1 Hauskinder waren vermogensunfahig Sie konnten gegebenenfalls Sondervermogen zur selbstandigen Bewirtschaftung erhalten beispielsweise peculium castrense anlasslich des Heeresdienstes erworbenes Vermogen oder jederzeit entzugsfahiges peculium profecticium 1 Tochter wechselten durch eine Manusehe in die patria potestas ihres Mannes oder Schwiegervaters Die vaterliche Gewalt war Ausgangspunkt fur das von der Blutsverwandtschaft abgekoppelte agnatische Verwandtschaftssystem Dieses trat im Laufe der Rechtsentwicklung aber zugunsten der Konsanguinitat zuruck 2 Faktisch unterlag die patria potestas spatestens seit der Spatzeit der Republik erheblichen Beschrankungen sie blieb aber formal wahrend der Kaiserzeit und Spatantike geltendes Recht und wurde noch 534 n Chr im Codex Iustinianus bestatigt Von einer tatsachlichen Ausubung der meisten mit ihr verbundenen Rechte ist zu dieser Zeit aber nichts mehr bekannt Spatere Rezeption BearbeitenNach Ende des Westromischen Reiches wurde das romische Recht teilweise durch andere Rechte wie die germanischen Stammesrechte abgelost In diesen Rechtsaufzeichnungen findet sich eine personenrechtliche Hausgewalt ohne Bezug auf die patria potestas geregelt die Munt Erst im Rahmen der wissenschaftlichen Bearbeitung des romischen Recht der sogenannten Rezeption des romischen Rechts wird die patria potestas wieder aufgegriffen Ihr Umfang wurde jedoch reduziert dem Vater wurden nur geringere Zuchtigungs und Erziehungsrechte zugesprochen er blieb jedoch alleiniger Inhaber des Vermogens Die Hauskinder waren nur beschrankt vermogensfahig Die Juristen hielten dabei am Rechtsinstitut des peculium fest 4 Eine Beendigung der vaterlichen Gewalt war durch Abschichtung moglich 5 Im Rahmen des Aufkommens des Naturrechts nahm die Bedeutung der rezipierten patria potestas ab Nun standen die Eltern als Vormunder der Kinder im Vordergrund und nicht als Inhaber einseitiger Rechte Ihre Bedeutung schwand durch Einfuhrung der Volljahrigkeit als automatisches Ende der vaterlichen Gewalt 4 Das Institut der Abschichtung und somit indirekt auch das Institut der patria potestas war jedoch noch in einigen Kodifikationen zu finden wie dem Preussischen Allgemeinen Landrecht oder dem Sachsischen Burgerlichen Gesetzbuch Endgultig abgeschafft wurde die Abschichtung in Deutschland durch die Einfuhrung des Burgerlichen Gesetzbuches in Osterreich durch Gesetz vom 6 Februar 1919 5 Literatur BearbeitenAntti Arjava Paternal Power in Late Antiquity In Journal of Roman Studies Bd 88 1998 S 147 165 doi 10 2307 300809 Elmar Bund Patria Potestas In Der kleine Pauly Band 4 Nasidius bis Scaurus Druckenmuller Stuttgart u a 1972 Sp 552 f Karl Christ Die Romer Eine Einfuhrung in ihre Geschichte und Zivilisation 3 uberarbeitete Auflage Beck Munchen 1994 ISBN 3 406 38504 4 Jane F Gardner Family and familia in Roman Law and Life Clarendon Press Oxford 1998 ISBN 0 19 815217 5 Herbert Hausmaninger Walter Selb Romisches Privatrecht Bohlau Wien 1981 9 Aufl 2001 Bohlau Studien Bucher ISBN 3 205 07171 9 S 92 96 Heinrich Honsell Romisches Recht 5 Auflage Springer Zurich 2001 ISBN 3 540 42455 5 S 182 ff Raymond Westbrook Vitae Necisque Potestas In Historia Bd 48 Nr 2 1999 S 203 223 JSTOR 4436540 Einzelnachweise Bearbeiten a b c d e Heinrich Honsell Romisches Recht 5 Auflage Springer Zurich 2001 ISBN 3 540 42455 5 S 182 ff a b Herbert Hausmaninger Walter Selb Romisches Privatrecht Bohlau Wien 1981 9 Aufl 2001 Bohlau Studien Bucher ISBN 3 205 07171 9 S 92 96 John Curran Ius vitae necisque the politics of killing children pdf In Journal of Ancient History 2018 6 1 19 Juni 2018 S 111 135 abgerufen am 15 Juni 2021 englisch a b Elisabeth Koch Patria potestas In Handworterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte 2 Auflage Band IV Sp 427 429 a b Thomas Olechowski Abschichtung In Handworterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte 2 Auflage Band I Sp 24 28 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Patria potestas amp oldid 237996154