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Das Gewohnheits und Sakralrechtswesen im antiken Rom dessen Ursprung zu Beginn der Konigszeit lag beruhte auf formlosem Gewohnheitsrecht das man als eine von den Gottern vorgegebene Ordnung ansah Der mos maiorum der Vater Sitte war den Romern heilig da er auf lang dauernder Ubung longa et inveterata consuetudo und auf allgemeinem Konsens consensus omnium beruhte 1 Diese unverruckbare Sitte ordnete zum einen die Verhaltnisse innerhalb eines Familienverbandes und zum anderen ermoglichte es das geregelte Zusammenleben in einer Burgergemeinde Ebenso war anerkannt dass veraltetes Recht durch dauerhafte Nichtanwendung desuetudo ausser Kraft gesetzt werden konnte derogierendes Gewohnheitsrecht 2 Eine Theorie des Gewohnheitsrechtes wurde andererseits nie entwickelt Wer sich bei einem Rechtssatz auf den mos maiorum berief artikulierte keinen aktuellen Geltungsgrund er bezeichnete seine historische Herkunft Die klassischen Juristen behandelten das Gewohnheitsrecht infolgedessen als vorgegeben und hatten es nach ihrem Verstandnis durch interpretatio weiterzubilden 3 Augustus als Pontifex maximus der in diesem Amt den Wert und die Bedeutung des mos maiorum als Fundament seiner rechtlichen und politischen Legitimation hervorheben wollteDie Rechtsprechung innerhalb des Familienverbands oblag einem Hausgericht das unter dem Vorsitz des Familienoberhaupts pater familias stand Er verfugte aufgrund seiner patria potestas uber eine nahezu unbegrenzte Gewalt Diese Autoritat konnte nur bei gravierendem Missbrauch etwa der unberechtigten Totung oder Verstossung sakralrechtlich eingeschrankt und sanktioniert werden Solche Handlungen wurden als Sakrileg nefas gegen die Schutzgottheit angesehen Der Frevler wurde fur friedlos erklart da er der Rache der Gotter sacer verfallen war Die fruhzeitliche Jurisdiktion in der religios gepragten Gesellschaft die anscheinend unter etruskischen und griechischen Einflussen gestanden hatte war beim Konig in seiner Doppelfunktionalitat als oberster Staatspriester und als staatlicher Gerichtsherr arrangiert Er hatte die sakralrechtliche Befugnis auspicium zur Urteilsfindung die Gotterzeichen einzuholen auspicatio Das Priesterkollegium pontifices unterstutzte den Konig bei der Deutung der gottlichen Zeichen Der Rechtsstreit wurde dann wenn eine rationale Losung unmoglich erschien durch ein Gottesurteil vielleicht mittels eines rituellen Zweikampfs entschieden Sakral bestimmt waren neben dem Gastrecht die priesterlichen Satzungen zu Opfer und Begrabnisriten Offentlich und sakular verfolgt wurden die Verbrechen gegen das Gemeinwesen wie der Hoch und Landesverrat perduellio Nach Vertreibung des letzten Konigs ging die Rechtsauslegung vollends auf den Pontifex maximus und auf das Priesterkollegium uber Dieses pontifikale Gremium unterstutze wie zuvor den Konig die staatlichen Gerichtsmagistrate bei der Rechtsfindung Die Priesterschaft entwickelte fur Anklage und Verteidigung verschiedene Spruchformeln legis actio die genauestens eingehalten werden mussten Das Wissen und die Verfahrensablaufe um die legis actio wurde von der Priesterschaft streng gehutet und in einem Archiv aufgezeichnet Eine fixierte Sammlung sakral und zivilrechtlicher Satzungen wird dem legendaren Sextus Papirius nachgesagt der um 510 v Chr als pontifex maximus das ius papirianum und das ius civile papirianum verfasst haben soll Die deliktischen Anspruche oder die vertragsrechtlichen Forderungen gegen Dritte also Personen die ausserhalb des Rechtsraums einer Familiensippe gens standen wurden in Eigeninitiative des oder der Geschadigten verfolgt und durchgesetzt Um anarchischen Auswuchsen einer ausufernden Selbstjustiz entgegenzuwirken wurde es zum Grundsatz dass die Rechtsverletzung iniuria oder die Streitsache mit der Ladung des Beklagten in ius vocatio vor einem fur den Einzelfall einzuberufenden Gericht reguliert wurden Diese prinzipielle Handhabung blieb bis zum Ende des Romischen Reichs grundsatzlich erhalten Mit der steigenden Anzahl von gleichartig beschiedenen Einzelfallentscheidungen Fallrecht bildeten sich einzelne Rechtsgebiete und Gerichtsverfahrensvorschriften mit streng einzuhaltenden Spruchformelverfahren heraus die von der rechtskundigen Priesterschaft abgegrenzt und verbindlich festgelegt wurden Das altromische Recht entwickelte sich aufgrund der Vielzahl gleichartig beschiedener Gerichtsentscheide in den vielen Einzelfallen von einem einfachen Gewohnheitsrecht zu einem blossen Fallrecht um schliesslich in eine fallorientierte Prajudiz uberzugehen Diese Wandlung begunstigte die schriftliche Fixierung von abstrakten Lebenssachverhalten in rechtliche Tatbestande die neben politischen Grunden Standekampfe um 450 v Chr im Zwolftafelgesetz normiert wurden Die Kodifikation der XII Tafeln beschrankte sich dabei nicht auf die schriftliche Fixierung uberlieferten Gewohnheitsrecht sondern erzeugten davon abweichendes neues Recht ohne das Gewohnheitsrecht andererseits abzulosen 3 Das in der Zeit nach Diokletian sich etablierende Vulgarrecht war ebenfalls primar romisches Gewohnheitsrecht Schon zu Beginn der Romischen Republik neigte sich das Rechtswesen im antiken Rom von einer religios bestimmten zu einer sachlich juristisch und gutachterlich ausgerichteten Rechtsordnung hin Die weltliche Rechtsfindung und auslegung fiel einer sich standig weiterentwickelnden rechtskundigen kurulischen Rechtspflege zu die rational und wissenschaftlich ausgerichtet war Das archaische Sakralrecht mit seinen Satzungen Vorschriften und religiosen Verbrechenstatbestanden wie dem Crimen incesti verblieb in der Gerichtsbarkeit des fachkundigen Priesterkollegiums unter dem Vorsitz ihres Oberpriesters Literatur BearbeitenHerbert Hausmaninger Walter Selb Romisches Privatrecht Bohlau Wien 1981 9 Aufl 2001 Bohlau Studien Bucher S 17 ff 23 32 Heinrich Honsell Romisches Recht 5 Auflage Springer Zurich 2001 ISBN 3 540 42455 5 S 3 f Max Kaser Das Romische Privatrecht 2 Auflage C H Beck Munchen Wurzburg 1971 ISBN 3 406 01406 2 S 1 31 Max Kaser Romische Rechtsgeschichte Verlag Vandenhoeck amp Ruprecht Gottingen 1976 2 neubearbeitete Auflage ISBN 3 525 18102 7 S 19 73 159 164 Max Kaser Karl Hackl Das Romische Zivilprozessrecht Verlag C H Beck Munchen 1996 zweite Auflage ISBN 3 406 40490 1 S 26 34 Wolfgang Kunkel Martin Schermaier Romische Rechtsgeschichte 13 Auflage Bohlau Koln u a 2001 ISBN 978 3 8252 2225 3 S 27 35 Einzelnachweise Bearbeiten Heinrich Honsell Romisches Recht 5 Auflage Springer Zurich 2001 ISBN 3 540 42455 5 S 3 f Instruktive Beitrage zum Gewohnheitsrecht Siegfried Brie Die Lehre vom Gewohnheitsrecht Eine historisch dogmatische Untersuchung M amp H Marcus Breslau 1899 Neuauflage Minerva Frankfurt a M 1968 Wolfgang Kunkel Kleine Schriften 1974 S 367 ff Franz Wieacker Romische Rechtsgeschichte Bd I 1988 S 499 ff Die Existenz eines Gewohnheitsrechts wird von diversen Autoren zu Unrecht bestritten so insbesondere von Werner Flume Gewohnheitsrecht und romisches Recht Rheinisch Westfalische Akademie der Wissenschaften Vortrage G 201 1975 a b Herbert Hausmaninger Walter Selb Romisches Privatrecht Bohlau Wien 1981 9 Aufl 2001 Bohlau Studien Bucher S 17 ff 23 32 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Gewohnheits und Sakralrechtswesen im antiken Rom amp oldid 232077313