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Gottesgericht ist eine Weiterleitung auf diesen Artikel Zum Begriff des letzten Gottesgerichts siehe Jungstes Gericht Ein Gottesurteil Gottesgericht 1 lateinisch ordalium oder Ordal ist eine vermeintlich durch ein ubernaturliches Zeichen herbeigefuhrte Entscheidung die im Altertum und Mittelalter auch zur Wahrheitsfindung in einem Rechtsstreit eingesetzt wurde Dabei liegt die Vorstellung zugrunde nur ein Gott oder sakular eine Schicksalsmacht konne als hochste Instanz in einem existenziellen Entscheidungsprozess ein untrugliches Urteil fallen Dierick Bouts der Altere Die Feuerprobe Inhaltsverzeichnis 1 Etymologie 2 Geschichte 3 Einteilung 3 1 Einseitiges Ordal 3 2 Zweiseitiges Ordal 4 Ordalformen 5 Sakulares Ordal 6 Gottesurteil als Motiv in der Literatur 7 Literatur 8 Weblinks 9 EinzelnachweiseEtymologie BearbeitenGottesurteil ist die deutsche Ubersetzung der im Mittellateinischen gebrauchlichen Begriffe iudicium dei oder iudicium divinum Unter Einfluss des wohl aus dem Althochdeutschen stammenden Wortes ordel sowie uber Einbeziehung von Bezeichnungen wie ordal altenglisch 2 oder godis ordil mittelniederdeutsch wurde der Begriff in die Volkssprache ubernommen Der Begriff Ordal kommt etymologisch so weit man das Wort zuruckverfolgen kann von or deal althochdeutsch ordel und bedeutet soviel wie Ur Teil oder auch Ur Sprung Das Wort Ordal 3 wird im Allgemeinen synonym fur Gottesurteil benutzt Allerdings weisen Rechtshistoriker darauf hin dass die Bezeichnung Ordal im Grunde immer dann korrekt angewendet werde wenn Menschen ein Vertrauen in das Recht hatten ganz gleich in welcher Form es in ihrem jeweiligen sozialen Kontext gefunden werde und dies konne auch ohne jegliche Gottesvorstellung geschehen Geschichte BearbeitenDie Geschichte der Gottesurteile reicht weit in die Anfangsphase der menschlichen Zivilisation zuruck Erste schriftlich uberlieferte Beschreibungen von Gottesurteilen bzw Ordalen stammen aus Mesopotamien 4 So findet sich im 10 Paragraphen des Codex Ur Nammu der um 2100 v Chr vom sumerischen Konig Urnammu von Ur aufgestellt wurde ist die Rede von einem Flussordal einer Art Wasserprobe Ebenso finden sich im Codex Hammurapi aus dem 18 Jahrhundert v Chr in den Paragraphen 2 Zauberei und 132 Verleumdung der Ehefrau Gottesurteile mit Hilfe des Wassers aufgefuhrt Auch das Alte Testament 5 liefert Belege fur die fruhe Anwendung von Gottesurteilen wie in Numeri 5 11 31 EU oder 1 Samuel 10 17 27 EU Daneben gab es Gottesurteile auch in zahlreichen weiteren alten Kulturen So im alten China in Japan Indien 6 und Agypten Etwas weniger gebrauchlich waren sie in der griechischen und romischen Kultur In manchen Kulturen haben sich Gottesurteile bis heute gehalten Grossere Bedeutung erlangten Ordale im Fruhmittelalter Unter den germanischen Stammen die ab dem 4 und 5 Jahrhundert in romisches Territorium einfielen waren Gottesurteile nur wenig verbreitet Bei den Franken allerdings scheint die Probe mit heissem Wasser jedoch spatestens seit dem 6 Jahrhundert verbreitet gewesen zu sein Erwahnenswert ist hierbei dass das Verfahren ursprunglich lediglich bei Freigelassenen und Sklaven in Fallen von Diebstahl falschen Zeugenaussagen und im Falle einer Missachtung des Gerichts angewandt wurde 7 Mit dem Erstarken der Franken im 7 und 8 Jahrhundert ubernahmen auch benachbarte Volker wie die Angelsachsen die Westgoten und die Langobarden den Gebrauch von Gottesurteilen in Form der Heisswasserprobe Unter Karl dem Grossen wurden zahlreiche weitere Formen des Gottesurteils eingefuhrt die Feuerprobe bei der der Delinquent ein gluhendes Eisen mehrere Schritte weit tragen musste Entzundete sich nach einigen Tagen die Wunde statt zu heilen galt dies als Schuldbeweis Bei der Kaltwasserprobe wurde der Angeklagte in zuvor gesegnetes Wasser geworfen Bei der letzteren Probe ging man davon aus dass das durch die Taufe Christi im Jordan geheiligte Wasser den Schuldigen abstosse sodass er schwimmt Gott wurde damals als verrechtlicht gedacht Er schutze das Recht weil er selbst das Recht sei wie noch der Sachsenspiegel von 1225 ausfuhrt Diese Handlungen sollten das Bose mit Hilfe Gottes herausfordern und damit offensichtlich machen 8 Ab dem 10 Jahrhundert nahm die Anwendung von Gottesurteilen spurbar zu Die Ursache hierfur liegt gemass Jan Dhont in dem teilweisen Zusammenbruch der staatlichen Ordnung verursacht durch den Einfall zahlloser Fremdvolker im 10 Jahrhundert An die Stelle ubergeordneter staatlicher Institutionen traten in der Folge vielfach religiose Elemente Ordale dienten demnach in der zerruttelten Welt des ausgehenden Fruhmittelalters als Versuch die gesellschaftliche Ordnung durch das Anrufen des Hochsten zu wahren War das Ordal zunachst noch etwas mehr oder minder Volkstumliches so begann es sich im ausgehenden 10 Jahrhundert auch unter den Eliten als Mittel zur Wahrheitsfindung durchzusetzen Im 11 Jahrhundert wurden Ordale dann sogar zunehmend auf solche Falle angewandt fur die man ein Gottesurteil kaum erwarten wurde So diente ein Ordal dazu die Frage nach der Vaterschaft eines Herzogs der Normandie zu klaren oder als Richtspruch bei der Frage ob der Leiter bei der Domschule von Tours Berengar von Tours in seiner Lehre vom symbolischen Charakter des Abendmahls nicht die Grenzen der wahren Lehre uberschritten hat 9 Trotz ihrer weiten Verbreitung dienten Ordale dennoch stets nur als letzter Ausweg um die Wahrheit zu ermitteln Das gangige Verfahren sah im Vorfeld die Benennung von Zeugen vor die fur oder gegen den Angeklagten aussagten Konnten keine geeigneten Zeugen gefunden werden verliess man sich im nachsten Schritt auf Eideshelfer eine Gruppe von ein oder zwei Dutzend Personen die mit ihrem Eid den Klager oder Beklagten unterstutzten Erst wenn aufgrund dieser Massnahmen kein eindeutiges Urteil gefallt werden konnte griff man auf Gottesurteile zuruck Diese wurden im Frankenreich in der Regel von Priestern begleitet Sei es dass es um das Verbinden und spatere Begutachten der Wunden nach der Heisswasserprobe ging sei es dass es um das Weihen des Gewassers bei der Kaltwasserprobe ging Bereits in karolingischer Zeit waren Gottesurteile umstritten So lehnte der einflussreiche Erzbischof Agobard von Lyon 840 Gottesurteile ab da sich fur diesen Brauch keine Prazedenzfalle in der Bibel finden liessen Daruber hinaus kritisierte er dass es den Menschen nicht zustunde im Rahmen eines Gottesurteils ein gottliches Wunder zu erzwingen Neben religiosen Bedenken brachte der Lyoner Erzbischof auch logische Grunde vor Wenn Gottesurteile wirklich funktionierten warum greife man dann auf sie als letztes und nicht als erstes Mittel der Wahrheitsfindung zuruck Zudem sei Gottes Handeln bei unterschiedlichen Formen von Gottesurteilen inkonsequent Wahrend bei der Probe mit dem gluhenden Eisen die Hande des Unschuldigen geschutzt wurden wurde bei der Kaltwasserprobe der Schuldige vor dem Ertrinken geschutzt Auf der anderen Seite unterstutzte die Kirche aber auch unter anderem durch Erzbischof Hinkmar von Reims die karolingischen Herrscher bei der Durchfuhrung von Gottesurteilen Mit dem Beschluss der Synode von Tribur im Jahr 895 der fur Vorbestrafte die Feuerprobe mit Eisen oder die Wasserprobe vorsah wurden Gottesurteile auch offiziell in die kirchliche Praxis aufgenommen Sie wurden zunehmend mit kirchlichen Riten umgeben und soweit die Art der Probe es erlaubte zumeist auch in den Kirchen durchgefuhrt Durch Fasten und Beten bereiteten sich die Priester und der Angeklagte vor gefolgt von Messe und Kommunion Darauf folgte eine gegen die teuflische Verhartung gerichtete Beschworung des Angeklagten die Schuld zu gestehen sowie eine Segnung des reinigenden Elementes Darauf folgte die eigentliche Probe Die Papste hielten sich bezuglich der Gottesurteile weitgehend zuruck und bekampften sie ab dem 10 Jahrhundert gemeinsam mit gelehrten Theologen als Aberglauben nachdem vorausgegangene Versuche von Bischofen und Abten die Praxis der Gottesurteile im Frankenreich zu verbieten wenig Wirkung gezeigt hatten So hatte bereits 855 eine gemeinsame Synode der Kirchenprovinzen Lyon Vienne und Arles die auf Anordnung Kaiser Lothars I einberufen worden war versucht Gottesurteile zu verbieten Gesamtkirchlich wurden die Gottesurteile nie gebilligt und vielfach als verabscheuungswurdige dem gesunden Menschenverstand widersprechende Versuchung Gottes verurteilt Wahrend im Heidentum in erster Linie Zweikampf Feuerprobe und Wasserprobe ublich waren wurden durch die Kirche mildere Varianten wie das Kreuzordal beide Parteien standen mit erhobenen Armen wahrend der Messe vor einem Kreuz wessen Arme zuerst nachgaben hatte seinen Fall verloren 10 Hostienordal oder der uber Reliquien gesprochene Reinigungseid eingefuhrt Im Jahr 1215 wurde die Beteiligung von christlichen Geistlichen an solchen Gottesurteilen durch die Bestimmungen des IV Laterankonzils unter Innozenz III untersagt 11 Dies trug allmahlich zum Verschwinden der Gottesurteile aus dem Rechtsleben bei zumal auch von weltlicher Seite immer ofter ein Verbot der Gottesurteile erging So lehnte beispielsweise der deutsche Kaiser Friedrich II in seinen Konstitutionen von Melfi die Durchfuhrung von Gottesurteilen als fehlerhaft ab Aus dem offiziellen Rechtsleben in Europa verschwanden die Gottesurteile im 12 und 13 Jahrhundert und wurden durch weltliche Gesetzgebung und Justiz ersetzt dennoch gab es auch weiterhin Beispiele fur die Anwendung von Gottesurteilen So wurde z B gelegentlich im Zusammenhang mit der Ketzerverfolgung die Feuerprobe angewandt Im Zuge der Hexenverfolgung in der Fruhen Neuzeit erlebten einige Gottesurteile noch einmal einen Aufschwung und tauchten als sogenannte Hexenproben wieder auf Hier ist in erster Linie die Wasserprobe zu nennen aber auch die Feuerprobe fand manchmal noch Anwendung Hierbei ist jedoch hervorzuheben dass den neuzeitlichen Hexenproben in aller Regel eine andere Auffassung zugrunde lag als den mittelalterlichen Gottesurteilen Das Obentreiben einer Hexe auf dem Wasser war nach fruhneuzeitlicher Auffassung namlich das Ergebnis der Eigenschaften einer Hexe und nicht das Ergebnis einer gottlichen Wunderwirkung Daneben gibt es bis ins 20 Jahrhundert Beispiele dafur dass die Vorstellung Gott greife im Zusammenhang einer Urteilsfindung ein auch weiterhin eine gewisse Faszination beibehalten hat und z T auch die tatsachliche Justizpraxis beeinflusst Einteilung BearbeitenEs gibt einmal die Einteilung in einseitige und zweiseitige Gottesurteile und andererseits die Einteilung in Ermittlungsordal Versuch des Klagers die Wahrheit seiner Anschuldigung zu beweisen und Abwehrordal Versuch des Angeklagten seine Unschuld zu beweisen Einseitiges Ordal Bearbeiten Unter den einseitigen Ordalen fasst man all jene zusammen bei denen der vermeintliche Rechtsbrecher oder Anklager sich alleine einem Gottesurteil unterziehen muss und lediglich mit den Elementen vor allem mit Wasser Feuer und Erde oder mit heiligen Gegenstanden in Kontakt tritt Je nach Ordal wurde das Wunder entweder im Fall der Unschuld beispielsweise bei der Feuerprobe oder im Fall der Schuld Bahrprobe Wasserprobe mit kaltem Wasser Hostienordal erwartet Zu den einseitigen Ordalen gehoren etwa Wasserprobe mit heissem oder kaltem Wasser Feuerprobe Trankordal so z B in der Bibel 4 Mose 5 11 EU Rasengang das Liegen im Grab unter der Erde Bahrprobe Losordal ein uber Reliquien gesprochener Reinigungseid und die Abendmahlsprobe Bei einem einseitigen Ordal kann erneut zwischen zwei Ordalsformen unterschieden werden Wahrend sich bei einem Ermittlungsordal der Anklager selbst einem Gottesurteil aussetzt um die Richtigkeit seiner Anschuldigung zu beweisen geht es bei sogenannten Abwehrordalen darum eine Anschuldigung abzuwehren Der Angeklagte setzt sich hier also einem Ordal aus um seine Unschuld zu beweisen Zweiseitiges Ordal Bearbeiten Bei den zweiseitigen Gottesurteilen steht dem Beklagten ein Klager gegenuber oder ein Unfriedensstifter einem anerkannten Friedliebenden Hierzu gehoren etwa Zweikampf Kreuzordal und Kerzenordal Vielfach sind in unserem modernen Sprachgebrauch noch Reste der ehemaligen Anwendung und auch der Popularitat der Gottesurteile nachvollziehbar geblieben So erinnert beispielsweise das Sprichwort Dafur halte lege ich meine Hand ins Feuer an das alte Gottesurteil der Feuerprobe Ordalformen Bearbeiten nbsp Die Bahrprobe Der Soldner Hans Spiess wird durch eine Bahrprobe des Mordes uberfuhrt Miniatur der Luzerner Chronik des Diebold Schilling Burgerbibliothek 1513 nbsp Die Giftprobe in Ephesus Altarflugel der Dominikanerkirche Friesach Karnten 1500 1512 nbsp Die Feuerprobe Rituale Romanum der Stiftsbibliothek Lambach 12 Jahrhundert nbsp Die Wasserprobe aus dem Titelblatt eines Hexentraktates von Hermann Neuwalt Helmstedt 1584 nbsp Duell als Gerichtskampf um 1544 Im Laufe der Jahrhunderte bildeten sich nach Siegbert A Warwitz im europaischen Kulturkreis bis heute folgende acht Hauptarten von Ordalien heraus wobei mit der zunehmenden Sakularisierung des gesellschaftlichen Denkens unter Ordal auch allgemeiner der Schiedsspruch einer uber das Leben und Sterben entscheidenden Schicksalsmacht verstanden wird 12 Die BlutprobeDie Blutprobe oder das Bahrgericht lateinisch ius cruentationis basiert auf dem alten Volksglauben dass die Wunde eines Ermordeten wieder zu bluten beginnt wenn sich der Morder der Bahre nahert und der Tater dem Gottesurteil entsprechend auf diese Weise zweifelsfrei uberfuhrt werden kann Die GiftprobeBei der Giftprobe wurde dem Angeschuldigten ein todliches Fluchwasser verabreicht das bei Schuld die Eingeweide anschwellen liess und zum Tode fuhrte bei einem Unschuldigen aber unwirksam blieb Der ProbebissenDer Probebissen oder das iudicium offae sollte die Schuldfrage uber ein unbekommliches Nahrungsmittel klaren das dem Angeklagten in den Mund gestopft wurde Musste dieser es wieder erbrechen galt das als Schuldbeweis Die FeuerprobeDie Feuerprobe wurde haufig in Hexenprozessen als Rechtsmittel eingesetzt Dabei musste ein gluhendes Eisen in der ungeschutzten Hand getragen oder barfuss uber eine Reihe gluhender Pflugscharen gegangen werden Die anschliessende korperliche Versehrtheit oder Unversehrtheit bzw die schnelle Heilung waren massgeblich fur das Urteil Die WasserprobeBei der Wasserprobe oder dem iudicium aquae frigidae musste der gefesselt ins Wasser geworfene Angeklagte naturlicherweise absinken Blieb er an der Wasseroberflache bedeutete dies ein Abweisen durch das reine Wasser und damit einen Schuldspruch Der KesselfangDer Kesselfang oder das iudicium aquae ferventis stellte den Beschuldigten vor die Aufgabe einen Gegenstand mit ungeschutzten Handen und Armen aus einem Kessel mit siedendem Wasser zu holen Blieb er dabei unverletzt sprach dies fur seine Unschuld und fuhrte zum Freispruch von allen Vorwurfen 13 Der ZweikampfDer Zweikampf diente der Beweisfuhrung wer in einer Streitsache das Recht auf seiner Seite hatte Bei weiblichen Personen konnte ein Ehrengericht auch durch mannliche Stellvertreter ausgetragen werden wie sie etwa Heinrich von Kleist in einer Novelle nach einer mittelalterlichen Chronik in seinem Ablauf dargestellt hat 14 15 Das RouletteAnfragen an das Schicksal uber die eigene Lebensberechtigung in Form des sogenannten Russischen Rouletts wie sie etwa noch der Schriftsteller Graham Greene als mehrfach getatigte eigene Praxis in seiner Autobiografie bekennt und beschreibt wurden in fruheren Zeiten haufig mit einem nur mit einer oder zwei Kugeln geladenen Trommelrevolver praktiziert Noch heute fordern an ihrem Lebenssinn zweifelnde Menschen bisweilen in ahnlicher Weise mit einer Waffe oder bei einer lebensgefahrlichen Mutprobe ihr Schicksal ultimativ zu einer Antwort zu ihrer Daseinsberechtigung auf Die erhoffte positive Antwort wird dann oft euphorisch mit Satzen begrusst wie der Tod hat mich noch nicht gewollt oder das Schicksal gibt mir noch eine Chance 16 Sakulares Ordal BearbeitenDas religios motivierte Ordal dem im Mittelalter noch eine letztinstanzliche Bedeutung zukam wenn die weltlichen Mittel der Wahrheitsfindung erschopft waren oder versagten erfuhr in der historischen Betrachtung ein Weiterleben im profanen Bereich Die Gottheit wurde dabei im Laufe des zunehmend sakularisierten gesellschaftlichen Denkens durch die Schicksalsmacht ersetzt der als unbestrittener hochster Instanz eine richterliche Entscheidung in einer Sinnkrise des eigenen Lebens zuerkannt wird Das sakularisierte Ordal fungierte und fungiert bis heute vor allem als Schicksalsanfrage depressiv veranlagter Menschen die ihren Lebenssinn verloren haben und fur ihre weitere Daseinsberechtigung eine uberirdische Bestatigung anstreben Dazu dient ihnen die Methode ihre Existenz bei einem lebensgefahrlichen Versuch dem Roulette zur Disposition zu stellen Das Russische Roulette ist eine Extremvariante des Ordals bei welcher der Ordalist auf jede Moglichkeit verzichtet die Schicksalsentscheidung selbst zu beeinflussen Er riskiert ein Glucksspiel bei dem er sein Leben aufs Spiel zu setzen bereit ist Es geht um Sein oder Nichtsein Leben oder Sterben Die Entscheidung liegt allein beim Schicksal dessen Urteilsspruch der Ordalist sich blind und untatig anvertraut 17 Der britische Schriftsteller Graham Greene hat die Gefuhlslage des Ordalisten der er sich selbst in seinen Depressionsphasen mehrfach ausgesetzt sah in seinen Tiefen und Hohen eingehend beschrieben Ich setzte den Lauf an mein rechtes Ohr und zog durch Es klickte leise und als ich die Trommel betrachtete sah ich dass der Revolver jetzt schussbereit war Bei der nachsten Kammer hatte es mich erwischt Ich erinnere mich an ein uberwaltigendes Glucksgefuhl als flammte plotzlich Karnevalsbeleuchtung in einer finsteren trostlosen Strasse auf Mein Herz hammerte gegen die Rippen und das Leben hielt eine Unzahl von Moglichkeiten fur mich bereit 18 Der franzosische Wagnisforscher David Le Breton meint zu dieser Form der aus einer Sinnkrise erwachsenden Schicksalsanfrage Das Ordal ist die letzte Chance desjenigen der sonst alle Chancen verloren sieht Das Ordal ist die soziale Antwort auf eine ausweglose Situation 19 und der Experimentalpsychologe Siegbert A Warwitz der selbst mit der Aufarbeitung mehrerer todlich verlaufener jugendlicher Ordalien betraut war aussert zu der Sinnbasis der von ihm untersuchten Ordalien Dieses Lebensgefuhl wird nicht von einer Todessehnsucht bestimmt sondern von einer Lebenssehnsucht die einen Sinngrund braucht und sucht 20 Gottesurteil als Motiv in der Literatur BearbeitenDas Gottesurteil ist ein beliebtes Motiv in Romanen und Erzahlungen aus dem Mittelalter so beispielsweise beim Ekkehard von Viktor von Scheffel bei der Richterin von C F Meyer im Ivanhoe von Sir Walter Scott und in Die Kinder der Finsternis von Wolf von Niebelschutz Ein Zweikampf als Gottesurteil spielt eine wichtige Rolle unter anderem in der gleichnamigen Erzahlung Heinrich von Kleists Der Zweikampf oder in der Oper Lohengrin von Richard Wagner Sogar noch 1862 bemuht Wilhelm Raabe in der Novelle Das letzte Recht ein Gottesurteil Um 1704 fallt ein Haus ein und begrabt den Bosewicht unter sich Literatur BearbeitenJan Dhont Weltbild Weltgeschichte Das fruhe Mittelalter Augsburg 2000 Graham Greene Eine Art Leben Wien 1971 Peter Dinzelbacher Das fremde Mittelalter Gottesurteil und Tierprozess Essen 2006 ISBN 978 3 88400 504 0 Marco Frenschkowski Ordal Gottesurteil In Reallexikon fur Antike und Christentum Band 26 Hiersemann Stuttgart 2015 ISBN 978 3 7772 1509 9 Sp 365 398 David Le Breton Lust am Risiko Dipa Verlag Frankfurt 1995 ISBN 3 7638 0336 X Heinrich von Kleist Der Zweikampf In Samtliche Erzahlungen und andere Prosa Universal Bibliothek 8232 Reclam Stuttgart 1992 1995 ff ISBN 978 3 15 008232 4 S 249 287 Ernst Schubert Der Zweikampf Ein mittelalterliches Ordal und seine Vergegenwartigung bei Heinrich von Kleist In Kleist Jahrbuch 1988 ISBN 3 503 02273 2 S 82 90 Siegbert A Warwitz Die Ordaltheorie In Ders Sinnsuche im Wagnis Leben in wachsenden Ringen Erklarungsmodelle fur grenzuberschreitendes Verhalten 3 Auflage Schneider Baltmannsweiler 2021 ISBN 978 3 8340 1620 1 Seite 113 141 Weblinks Bearbeiten nbsp Wiktionary Gottesurteil Bedeutungserklarungen Wortherkunft Synonyme Ubersetzungen nbsp Wiktionary Ordal Bedeutungserklarungen Wortherkunft Synonyme Ubersetzungen Walter Dietrich Ordal In Michaela Bauks Klaus Koenen Stefan Alkier Hrsg Das wissenschaftliche Bibellexikon im Internet WiBiLex Stuttgart 2006 ff abgerufen am 2 Oktober 2023 Einzelnachweise Bearbeiten Gottesgericht im Duden Ordal duden de Deutsches Worterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm Ordal 16 Bande in 32 Teilbanden Leipzig 1854 1961 Band 13 Spalte 1316 bis 1319 Ordal Archives Royales de Mari Bd 26 Nr 249 mesopotamien de Richard Press Das Ordal im alten Israel Zeitschrift fur die Alttestamentliche Wissenschaft Band 51 Heft 1 1933 S 121 140 Georg Buddruss Ein Ordal der Waigal Kafiren des Hindukusch Cahiers Ferdinand de Saussure No 41 Cahier Dedie a Georges Redard 1987 S 31 43 Robert Bartlett Trial by Fire and Water Oxford 1986 S 4 9 Peter Dinzelbacher Hrsg Europaische Mentalitatsgeschichte Alfred Kroner Verlag Stuttgart 2008 ISBN 978 3520469021 S 600f Jan Dhont Weltgeschichte Das Fruhe Mittelalter Augsburg 2000 S 248 Peter Dinzelbacher Ordal Gottesurteil historicum net 5 Februar 2011 Gottesurteil Ordal Losurteil lexexakt de Siegbert A Warwitz Die Ordaltheorie In Ders Sinnsuche im Wagnis Leben in wachsenden Ringen Erklarungsmodelle fur grenzuberschreitendes Verhalten 3 Auflage Schneider Baltmannsweiler 2021 Seiten 114 116 A Erler Kesselfang In Handbuch der Deutschen Rechtsgeschichte Band 2 Berlin 1978 Spalte 707 08 Heinrich von Kleist Der Zweikampf In Ders Samtliche Erzahlungen Reclam Stuttgart 1992 S 249 87 Ernst Schubert Der Zweikampf Ein mittelalterliches Ordal und seine Vergegenwartigung bei Heinrich von Kleist In Kleist Jahrbuch 1988 S 82 90 Siegbert Warwitz Russisches Roulette In Ders Sinnsuche im Wagnis Leben in wachsenden Ringen Erklarungsmodelle fur grenzuberschreitendes Verhalten 2021 ISBN 9783834016201 S 125 126 Siegbert A Warwitz Die Ordaltheorie In Ders Sinnsuche im Wagnis Leben in wachsenden Ringen Erklarungsmodelle fur grenzuberschreitendes Verhalten 3 Auflage Schneider Baltmannsweiler 2021 S 126 Graham Greene Eine Art Leben Wien 1971 S 147 David Le Breton Lust am Risiko Frankfurt 1995 S 136 137 Siegbert A Warwitz Die Ordaltheorie In Ders Sinnsuche im Wagnis Leben in wachsenden Ringen Erklarungsmodelle fur grenzuberschreitendes Verhalten 3 Auflage Schneider Baltmannsweiler 2021 S 136 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Gottesurteil amp oldid 238472239