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Der Gerichtskampf oder gerichtliche Zweikampf lateinisch duellum war ein Rechtsinstitut im Mittelalter und diente zur Klarung von in anderer Form nicht losbaren Streitigkeiten vorrangig unter Rittern und freien Burgern Die Entscheidung wurde vom Grundsatz her uber lange Zeit als Gottesurteil angesehen Der Gerichtskampf war der Vorlaufer der Duelle zwischen dem 17 und 19 Jahrhundert Darstellung eines Gerichtskampfes um 1544 Inhaltsverzeichnis 1 Ursprunge und Allgemeines 2 Der hochmittelalterliche Gerichtskampf im Sachsenspiegel 2 1 Die Klage 2 2 Vorbereitung auf den Kampf 2 3 Der Kampf 3 Spatzeit und Niedergang 4 Literatur 5 Einzelnachweise 6 Siehe auchUrsprunge und Allgemeines BearbeitenDer Ursprung des ritterlichen Gerichtskampfes liegt im Holmgang dem gerichtlichen Zweikampf unter Freien der bei verschiedenen germanischen Stammen als Mittel der Streitbeilegung ublich war Dieser rechtliche Brauch verbreitete sich in der Volkerwanderungszeit in ganz Europa Der Kampf stellte kein blosses Faustrecht dar es handelte sich vielmehr um ein prozessuales Mittel im Rahmen eines mehr oder minder geregelten gerichtlichen Verfahrens Die Gegner oder der Anklager suchten den Gerichtsherrn auf und baten ihn den Gerichtskampf austragen zu lassen Insbesondere konnte ein solcher Zweikampf auch als Zwischenverfahren zur Klarung der Wahrheitsfrage bei sich widersprechenden Zeugnissen dienen Nachdem auf diese Weise der Sachverhalt geklart worden war konnte der eigentliche Prozess weitergehen In dieser Form wird die Funktion des Zweikampfes in einem Kapitulare Kaiser Ludwigs des Frommen aus dem Jahre 816 geschildert dem fruhesten erhaltenen schriftlichen Zeugnis uber eine gerichtliche Kampfregelung Darin heisst es Wenn sich vor Gericht die beiden Zeugenparteien derart widersprechen dass eine Partei der anderen in keiner Weise nachgeben will sollen zwei aus ihrer Mitte d h einer aus jeder Partei ausgewahlt werden damit sie mit Schilden und Stocken auf dem Kampfplatz kampfen Und dem Kampfer der des Meineides den er vor dem Kampf begangen hat uberfuhrt wird soll die rechte Hand amputiert werden Die ubrigen Zeugen aber derselben Partei die sich als falsch erwiesen mogen ihre Hand freikaufen 1 An dem Kampf konnten zwei oder auch mehr Kampfer die sich dann zu gegnerischen Parteien zusammenfanden beteiligt sein Es gab auch Berufskampfer so genannte Champione oder Kampen die bei gerichtlichen Zweikampfen fur eine bestimmte Entlohnung einen der Beteiligten vertraten Insbesondere Frauen Kinder alte Menschen und Behinderte hatten das Recht Kampfesstellvertreter aufzubieten 2 Der als schicksalhaft aufgefasste Ausgang des Kampfes hatte lange Zeit den Charakter eines zweiseitigen d h von zwei Parteien gegeneinander erstrittenen Gottesurteils da die Rechtsuchenden und die Offentlichkeit zumindest vom Grundsatz her davon ausgingen Gott stehe demjenigen Kampfer bei auf dessen Seite sich das Recht befindet Der hochmittelalterliche Gerichtskampf im Sachsenspiegel Bearbeiten nbsp Eid auf die Reliquien Wolfenbutteler Bilderhandschrift des Sachsenspiegels aus dem 3 Viertel des 14 Jhs nbsp Die Sonne soll man ihnen gleich zuteilen Wolfenbutteler Bilderhandschrift des Sachsenspiegels aus dem 3 Viertel des 14 Jahrhunderts Ausfuhrlicher wird der gerichtliche Zweikampf im Sachsenspiegel aus der Zeit um 1230 dargestellt Die Grundkonstellation bildet wiederum der Fall dass sich der Leugnungseid des Beklagten und der Gegeneid des Klagers widersprechen 3 also Aussage gegen Aussage steht und durch Kampf geklart werden soll wer die Wahrheit sagt und wer lugt Vom Grundsatz her konnte der Kampf folglich in jeder Art eines kontradiktorischen Rechtsstreites als Entscheidungsmittel dienen wenn beide Parteien auf ihrer Aussage beharrten und sich der Anspruch nicht anderweitig ausgleichen liess Als Waffe hatte mittlerweile das Schwert die Stelle der fruher verwendeten Stocke eingenommen Ziel des Kampfes war dennoch nicht der Tod sondern die Kampfunfahigkeit des Gegners 4 Wahrend der Sachsenspiegel sich in der Regel durch eine knappe und geschliffene Sprache auszeichnet wird er bei der seitenlangen Beschreibung des Zweikampfes ungewohnlich weitschweifig der Zweikampf wird gleichsam als ein ehrwurdiges Ritual gefeiert Wie beim spateren privaten Duell spielt auch schon beim gerichtlichen Zweikampf die Frage der Ebenburtigkeit eine gewisse Rolle Es heisst Jeder Mann kann Zweikampf weigern dem der niedriger geboren ist als er wer aber besser geboren ist den kann der niedriger Geborene nicht wegen seiner besseren Geburt zuruckweisen wenn jener ihn herausfordert Ldr I 63 3 Die Klage Bearbeiten Der Sachsenspiegel setzt den Fall voraus dass ein Mann Gewalt erlitten hat und den Tater spater auf einer regularen Gerichtsversammlung wiedersieht In diesem Fall soll er sich folgendermassen verhalten Wenn jemand einen seiner Standesgenossen kampflich herausrufen will der muss den Richter bitten dass er sich seines Friedebrechers zu Recht bemachtigen durfe den er da sehe So muss er ihn deswegen beschuldigen dass er den Frieden an ihm gebrochen habe entweder auf des Konigs Strasse oder in einem Dorfe So beschuldige er ihn zweitens dass er ihn verwundet habe und ihm Gewalt angetan habe die er durch Vorweisung von Wunden oder Narben beweisen konne So klage er aber weiter dass er ihn seines Gutes beraubt habe Wegen dieser drei Verbrechen soll er auf einmal klagen So spreche er weiter Dort sah ich ihn selber und beschrie ihn mit dem Notruf So erbitte jener Beklagte eine Gewahrschaft d h eine Burgschaft des Klagers die an den Beklagten fallt wenn die Klage scheitern sollte Wenn die Gewahrschaft geleistet ist so biete jener Beklagte seinen Unschuldsbeweis das ist ein Eid und ein rechtmassiger Zweikampf Ldr I 63 2 Vorbereitung auf den Kampf Bearbeiten Der Richter soll auch einen Schild und ein Schwert dem stellen den man da beschuldigt wenn er dessen bedarf Er soll zwei Boten geben jedem von denen die da fechten sollen die darauf sehen dass man sie ruste nach der rechten Gewohnheit Leder und Leinzeug durfen sie anziehen soviel sie wollen Haupt und Fusse sind ihnen vorne bloss und an den Handen sollen sie nichts als dunne Handschuhe haben ein blosses Schwert in der Hand und eins umgegurtet oder zwei das steht in ihrer Wahl einen runden Schild in der anderen Hand daran nichts als Holz und Leder sei ausser dem Buckel der kann eisern sein Vor den Richter sollen sie beide gerustet gehen und schworen der eine dass die Schuld wahr sei deswegen er ihn verklagt hat und der andere soll schworen dass er unschuldig sei auf dass ihnen Gott so zu ihrem Kampf helfe Der Kampf Bearbeiten Frieden soll man dem Kampfring bei dem Hals gebieten dass sie niemand an ihrem Kampf hindere Jedem von ihnen soll der Richter einen Mann geben der seine Stange trage Der soll sie in nichts hindern ausser dass er die Stange dazwischen stecke wenn einer von ihnen fallt oder wenn er verwundet wird oder die Stange erbittet dieses darf er nicht tun er habe denn Erlaubnis von dem Richter Wird der uberwunden gegen den man klagt man richtet uber ihn obsiegt er jener Klager lasst ihn fahren mit Strafgeld ans Gericht und mit Busse an den Beklagten personlich Ldr I 63 4 Es war also durchaus denkbar dass ein Mann im Zweikampf nur leicht verwundet unterliegt und danach vom Gericht als Friedensbrecher zum Tode verurteilt wird Spatzeit und Niedergang BearbeitenNach Hermann Nottarp beschrankte sich der gerichtliche Zweikampf in den spateren Jahrhunderten in Deutschland Frankreich England Spanien Italien Bohmen und Ungarn auf das konigliche Hofgericht und einige bevorrechtete landesherrliche Hofgerichte Die Kampfordnungen regelten mit reichlich viel Umstandlichkeiten den Kampf sodass er schliesslich in lauter Formlichkeiten zerflatterte 5 Einen Sonderfall des Gerichtskampfes stellte der vor dem Reichstag ausgetragene Kampf von Sieben gegen Sieben wegen Urteilsschelte dar Das Aussterben des bereits im 13 Jahrhundert von der Kirche verbotenen gerichtlichen Zweikampfes auf der Ebene der gewohnlichen Gerichte meist durch die Sitte und weniger infolge gesetzlicher Verbote 6 fiel mit der allmahlichen Ausbreitung der Folter als gerichtliche Methode der Wahrheitsfindung seit dem 14 Jahrhundert zusammen Spater entwickelte sich aus dem Gerichtskampf das neuzeitliche Duell in dem eine Reihe von Vorstellungen aus dem Mittelalter weiterlebten Indem der Zweikampf aus dem Rechtsleben in den privaten Bereich verlagert wurde ging die schicksalhaft religiose Dimension der Entscheidungsfindung zunehmend verloren und wurde durch den standischen Ehrbegriff ersetzt Verschiedene Arten und Techniken des spatmittelalterlichen Gerichtskampfes so der Gerichtskampf zwischen Mann und Frau wurden von Hans Talhoffer beschrieben 7 Literatur BearbeitenAlexander Coulin Der gerichtliche Zweikampf im altfranzosischen Prozess Inauguraldissertation Georg Reimer Berlin 1907 De Gruyter Berlin 2020 1 Reprint ISBN 978 3 11 108791 7 doi 10 1515 9783111455334 Hermann Nottarp Gottesurteilstudien Bamberger Abhandlungen und Forschungen Band 2 Kosel Munchen 1956 Jan Schlurmann Entwicklungslinien der deutschen Fechtschule im Kontext der spatmittelalterlichen und fruhneuzeitlichen europaischen Fechtkunst In Jahrbuch 2011 der Deutschen Gesellschaft fur Geschichte der Sportwissenschaft e V Studien zur Geschichte des Sports Bd 14 LIT Berlin 2012 S 9 28 ISBN 978 3 643 11922 3 Einzelnachweise Bearbeiten Capitularia regium Franconum 134 Capitula legi addita In Alfred Boretius Hrsg Monumenta Germaniae Historica Leges Band 1 Hannover 1883 ISBN 978 3 447 17026 0 S 268 Latein dmgh de Hermann Nottarp Gottesurteilstudien Munchen 1956 S 298 Karl von Amira Grundriss des germanischen Rechts Karl J Trubner Strassburg 1913 S 276 Hermann Nottarp der den gerichtlichen Zweikampf in Europa untersucht hat bestatigt dass die Waffen nach karolingischen Reichsrecht Schild und Kampfstock waren fugt aber hinzu Als neue Form erscheint seit 820 unter Ludwig dem Frommen der Zweikampf zu Pferde Von daher kampften spater in Frankreich und Spanien die Ritter allgemein zu Pferde und Schwert und Lanze sind beim Zweikampf nun die Waffe der Vornehmen Burger und Bauern und besonders die Kampen haben nur Schild und Kampfstock Gottesurteilstudien Munchen 1956 S 284 Hermann Nottarp Gottesurteilstudien Munchen 1956 S 306 Hans Fehr Der Zweikampf Karl Curtius Berlin 1908 S 16 archive org Thott 290 2º Meister Hans Talhoffers alte Armatur und Ringkunst Memento vom 11 September 2007 im Internet Archive Siehe auch BearbeitenHandgemahl Urteilsschelte Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Gerichtskampf amp oldid 236406975