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Der Ausdruck Kapitularien Einzahl das Kapitular e oder Kapitularium lateinisch Capitularia bezeichnet in der Rechtsgeschichte hoheitliche Anordnungen im Sinne von Gesetzen vor allem in der Zeit der Karolinger insbesondere unter Karl dem Grossen Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte 2 Probleme der Forschung 3 Literatur 4 Weblinks 5 AnmerkungenGeschichte BearbeitenDie Kapitularien wurden von der Hofkapelle ausgefertigt und enthielten gesetzliche Bestimmungen zu Verwaltung und Rechtsprechung sowie in militarischen kirchlichen und kulturellen Angelegenheiten Sie waren schriftlich niedergelegt und immer in Mittellatein gehalten Ihre Einteilung in verschiedene Kapitel lateinisch capitula gab ihnen den Namen Sie hatten massgeblichen Einfluss auf die Entwicklung der west europaischen Wirtschafts und Sozialgeschichte und regelten u a auch die Anbautechnik von Nutzpflanzen Zu den bekanntesten Kapitularien gehoren die Admonitio generalis von 789 die das Reformprogramm Karls des Grossen zusammenfasst und das Capitulare de villis Die Kapitularien sind oft nach dem Ort ihrer Verkundung benannt so zum Beispiel das Kapitular von Herstal 779 oder das Diedenhofener Kapitular 805 Ausgangspunkt dieser Form der Rechtsprechung war die Autoritat des Konigs speziell seiner Banngewalt die es ihm erlaubte an seine Untertanen Befehle zu erteilen bzw Verbote auszusprechen und die Nichtbefolgung zu bestrafen Die Grossen des Reiches hatten jedoch dem Erlass zuzustimmen dies geschah in Form des consensus beispielsweise auf einer Reichsversammlung Doch war dieser Consensus ein pro forma mit dem Verabschieden der Kapitularie erreichter Vorgang welcher erst spater mit dem Machtverfall der Konige einer Zustimmung der Fursten bedurfte Die schriftliche Niederlegung des Beschlossenen in Form eines Kapitulars war nur ein Teil des Prozesses der Rechtsprechung Konstituierende Wirkung erlangte das Kapitular erst bei seiner mundlichen Verkundung in den verschiedenen Teilen des Reiches Diese Aufgabe kam vor allem den Grafen Bischofen und Konigsboten zu die sich zumindest in Einzelfallen auch um die Verbreitung besonders wichtiger Kapitularien in Form von Abschriften zu kummern hatten Besonders in der Zeit Karls des Grossen nahm die Kapitulariengesetzgebung stark zu und sein Nachfolger Ludwig der Fromme bediente sich ihrer in etwa gleichem Masse Bereits unter Karls Enkeln kam es jedoch wieder zu einem raschen Niedergang Probleme der Forschung BearbeitenAls Quellen sind die Kapitularien lediglich in Form von Abschriften erhalten Originale existieren nicht mehr Die Texte sind bis auf wenige Ausnahmen durch Sammlungen die von Bischofen Abten oder Grafen des Frankenreiches zu praktischen Zwecken zusammengestellt wurden uberliefert worden Diese Sammlungen werfen jedoch oft das Problem auf dass die Kapitularien nicht als eigenstandige Form von Rechtsquellen behandelt sondern im Zusammenhang mit anderen Texten beispielsweise mit den leges den Stammesrechten im Frankenreich uberliefert werden Bedeutsam ist dies vor allem fur die Frage nach dem Zweck und der Rezeption der Kapitularien Auch ergeben sich daraus Unsicherheiten welche der Texte uberhaupt als Kapitularien zu bezeichnen sind bzw welche nicht Verschiedene Kapitularien wurden lediglich aufgrund ihrer Uberlieferung datiert diese Angaben sind jedoch manchmal zweifelhaft Weiterhin besteht Uneinigkeit in der Einteilung der Kapitularien nach ihrem Inhalt Fur die Zeit Ludwigs des Frommen ist eine Einteilung in kirchliche und weltliche Kapitularien uberliefert jedoch lasst sich diese Unterscheidung nicht durchhalten da gerade die Vermischung von weltlichen und kirchlichen Themen ein Grundcharakteristikum der Kapitularien darstellt Fur die Kapitularien mit ausschliesslich weltlichem Inhalt existiert eine Gliederung in drei Gruppen capitularia legibus addenda als Erganzungen zu den Volksrechten capitularia per se scribenda als Verfugungen mit eigenem Daseinszweck und capitularia missorum als Anweisungen fur die Konigsboten Auch sie entstammt der Zeit Ludwigs des Frommen und wurde von der Forschung ubernommen Jedoch ist auch diese Klassifizierung problematisch da neben den in diese Kategorien passenden Kapitularien wiederum gemischte Bestimmungen existieren so dass eine vierte Gruppe der capitularia mixta eingefuhrt werden musste Ein anderes Problem ist das Verhaltnis zwischen schriftlicher Niederlegung des Kapitulars einerseits und seiner mundlichen Verkundung andererseits in ihrer Bedeutung fur das Inkrafttreten der jeweiligen Bestimmungen Francois Louis Ganshof siehe Literaturtipps unten sah in seinem grundlegenden Werk zu den Kapitularien die Verkundung der vom Herrscher erlassenen Rechtsverordnung als einzig konstituierenden Akt an den eigentlichen Text dagegen als reines Hilfsmittel zur Bekanntmachung und Verbreitung des Beschlossenen Dieser Auffassung wurde widersprochen mit der These die Kapitularientexte hatten in der Originalfassung eher Urkundencharakter und damit bereits konstitutive Eigenschaften innegehabt Das generelle Vorhandensein der koniglichen oder kaiserlichen Beglaubigung unter originalen Kapitularien der subscriptio regis bzw imperatoris ist jedoch auch nach einer Untersuchung der handschriftlichen Uberlieferung nicht nachzuweisen und daher wenn bezeugt als Ausnahme anzusehen Auch die Entstehung eines Kapitulars liegt weitgehend im Dunkeln Ganshofs Ansicht nach beruhte die Autoritat der Kapitularien allein auf dem koniglichen Bann dem Recht des Konigs zu gebieten oder zu verbieten In der Karolingerzeit sei die Macht des Konigs noch unbegrenzt gewesen erst spater habe sich dies zugunsten des Adels verschoben Die Zustimmung des Adels zu den beschlossenen Massnahmen der consensus war gemass seiner Deutung keinesfalls eine freiwillige Entscheidung sondern vielmehr eine obligatorische Anerkennung Fur den Konig sei der consensus eine zusatzliche Versicherung gewesen die den Adel zur Befolgung der Vorschriften verpflichtete Dieser Meinung ist von verschiedenen Seiten widersprochen worden Karl Ferdinand Werner hob die Beteiligung des frankischen Hochadels an grundsatzlichen Entscheidungen des Konigs hervor dies habe auch fur die Gesetzgebung gegolten 1 Dieter Hagermann lehnte ebenfalls die Vorstellung Ganshofs von einem schrankenlos waltenden Konigtum ab und fand Belege in den Quellen die fur verschiedene Epochen des Frankenreiches eine freiwillige Zusammenarbeit zwischen Adel und Konig bzw Kaiser auf dem Gebiet der Kapitularien bezeugen 2 Arnold Buhler betonte in seiner Untersuchung den ubergrossen Anteil der geistlichen Elite an der Abfassung der Kapitularien Schliesslich gibt der Bestand an Abschriften der Forschung einige Fragen auf Die Kapitularien sollten zwar im ganzen Reich mit Hilfe von Abschriften zum Zweck der Verkundung verbreitet werden die uberlieferten Kopien bilden jedoch insgesamt eine eher sparliche Anzahl und sind in unterschiedlicher Quantitat in den Reichsteilen vorhanden gewesen Dieser Umstand lasst auf eine unzureichende Herstellung von Kopien schliessen birgt aber auch einen Anhaltspunkt auf die Geltungskraft der Kapitularien und ihren jeweiligen Geltungsbereich beides war wohl je nach Inhalt und Wichtigkeit des Kapitulars unterschiedlich Die Nordrhein Westfalische Akademie der Wissenschaften und Kunste fordert ab 2013 bis zum Jahr 2029 mit insgesamt 5 28 Millionen Euro Forschungen des Kolner Historikers Karl Ubl zu den Kapitularien der Karolinger im Rahmen der Monumenta Germaniae Historica Die Edition frankischer Herrschererlasse wird diese systematisch ordnen digitalisieren und auch in mehreren Banden neu herausgeben 3 Literatur BearbeitenArnold Buhler Capitularia Relecta Studien zur Uberlieferung der Kapitularien Karls des Grossen und Ludwigs des Frommen In Archiv fur Diplomatik Bd 32 1986 S 305 501 Peter Classen Hrsg Recht und Schrift im Mittelalter Konstanzer Arbeitskreis fur Mittelalterliche Geschichte Vortrage und Forschungen Bd 23 Thorbecke Sigmaringen 1977 ISBN 3 7995 6623 6 Francois Louis Ganshof Was waren die Kapitularien Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 1961 Mathias Geiselhart Die Kapitulariengesetzgebung Lothars I in Italien Freiburger Beitrage zur mittelalterlichen Geschichte Bd 15 Lang Frankfurt am Main u a 2002 ISBN 3 631 38943 4 Dieter Hagermann Zur Entstehung der Kapitularien In Waldemar Schlogl Peter Herde Hrsg Grundwissenschaften und Geschichte Festschrift fur Peter Acht Munchener Universitatsschriften Philosophische Fakultat Munchener historische Studien Abteilung Geschichtliche Hilfswissenschaften Bd 15 Lassleben Kallmunz 1976 ISBN 3 7847 4415 X S 13 27 Valeska Koal Studien zur Nachwirkung der Kapitularien in den Kanonessammlungen des Fruhmittelalters Freiburger Beitrage zur mittelalterlichen Geschichte Bd 13 Lang Frankfurt am Main u a 2001 ISBN 978 3631370018 Zugleich Freiburg Breisgau Universitat Dissertation 1999 Hubert Mordek Frankische Kapitularien und Kapitulariensammlungen In Ders Studien zur frankischen Herrschergesetzgebung Aufsatze uber Kapitularien und Kapitulariensammlungen ausgewahlt zum 60 Geburtstag Lang Frankfurt am Main u a 2000 ISBN 3 63137 660 X S 1 53 Steffen Patzold Normen im Buch Uberlegungen zu Geltungsanspruchen so genannter Kapitularien In Fruhmittelalterliche Studien 41 2007 S 331 350 online Reinhard Schneider Schriftlichkeit und Mundlichkeit im Bereich der Kapitularien In Peter Classen Hrsg Recht und Schrift im Mittelalter Konstanzer Arbeitskreis fur Mittelalterliche Geschichte Vortrage und Forschungen Bd 23 Thorbecke Sigmaringen 1977 ISBN 3 7995 6623 6 S 257 279 Annette de Sousa Costa Studien zu volkssprachigen Wortern in karolingischen Kapitularien Studien zum Althochdeutschen Bd 21 Vandenhoeck amp Ruprecht Gottingen 1997 ISBN 3 52520 336 5 Zugleich Munster Universitat Dissertation Harald Witthoft Munze Mass und Gewicht im Frankfurter Kapitular In Johannes Fried u a Hrsg 794 Karl der Grosse in Frankfurt am Main Ein Konig bei der Arbeit Ausstellung zum 1200 Jahre Jubilaum der Stadt Frankfurt am Main Ausstellung im Historischen Museum Frankfurt vom 18 Mai 1994 bis 28 August 1994 Thorbecke Sigmaringen 1994 ISBN 3 7995 1204 7 S 124 131 Ingrid Woll Untersuchungen zu Uberlieferung und Eigenart der Merowingischen Kapitularien Freiburger Beitrage zur mittelalterlichen Geschichte Bd 6 Lang Frankfurt am Main u a 1995 ISBN 3 63148 743 6 Zugleich Freiburg Breisgau Universitat Dissertation 1994 Weblinks Bearbeiten nbsp Wiktionary Kapitular Bedeutungserklarungen Wortherkunft Synonyme Ubersetzungen Capitularia Edition der frankischen Herrschererlasse Projektwebseite des Kapitularienprojekts von Karl Ubl und Mitarbeitern Koln 2014 ff Joachim Feldmann Alles was Recht ist Sonderteil Wie das deutsche Recht entstand Ein Blick in unsere Rechtsgeschichte Bayerische Landeszentrale fur politische Bildungsarbeit Anmerkungen Bearbeiten Karl Ferdinand Werner Bedeutende Adelsfamilien im Reich Karls des Grossen In Wolfgang Braunfels Hrsg Karl der Grosse Lebenswerk und Nachleben Band 1 Helmut Beumann Hrsg Personlichkeit und Geschichte Dusseldorf 1965 S 83 142 Dieter Hagermann Zur Entstehung der Kapitularien In Waldemar Schlogl Peter Herde Hrsg Grundwissenschaften und Geschichte Festschrift fur Peter Acht Kallmunz 1976 S 13 27 Dirk Risse Auf den Spuren der Franken In Kolner Stadt Anzeiger 25 Februar 2014 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Kapitularien amp oldid 217233790