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Doppelturmfassade auch Zweiturmfassade bezeichnet ein pragendes Gestaltungsmotiv grosser Kirchengebaude deren Hauptportal das sich ublicherweise an der westlichen Schmalseite befindet von den Giebel uberragenden Eckturmen flankiert wird Die Doppelturmfassade entstand in der romanischen Baukunst Westeuropas ab dem 11 Jahrhundert aus dem Typus des Westbaus an Basiliken In der Gotik gehorte die Doppelturmfassade zur charakteristischen Ansicht vor allem der franzosischen Kathedralen Ihre Vorlaufer finden sich moglicherweise im fruhchristlichen syrischen Kirchenbau Nach der architektonischen Anbindung an das Kirchenschiff werden Westwerke mit Zwillingsturmen als eigenstandige Baukorper von Doppelturmfassaden unterschieden deren Turme mit dem Kirchenschiff eine harmonische Einheit bilden franzosisch facade harmonique Als alteste dieser stilistisch definierten Doppelturmfassaden gilt die Westfront der Klosterkirche St Etienne de Caen St Etienne de Caen 1077 eingeweiht Inhaltsverzeichnis 1 Form und Funktion 2 Entwicklung seit der Romanik 3 Vorlaufer 3 1 Syrische Tradition 3 2 Westwerk 4 Siehe auch 5 Literatur 6 EinzelnachweiseForm und Funktion Bearbeiten nbsp Idealisierter Stadtplan von Jerusalem nach antikem Muster mit Stadtmauer und Hauptstrassenkreuz 12 Jahrhundert Zeit der Kreuzzuge Gegen Anfang des 5 Jahrhunderts erhielt die Bauform der spatromischen christlichen Basilika eine religios symbolische Bedeutung Das gesamte Gebaude wurde als Modell einer antiken Stadt gedeutet deren Strukturelemente sich in den einzelnen Bauteilen des Kirchengebaudes wiederfinden sollten Hierbei entspricht das Portal in der Westfassade dem Tor der ummauerten romischen Stadt das Langhaus dem von Arkadenhallen gesaumten Cardo im Zentrum der Stadt und das Querhaus dem rechtwinklig zum Cardo verlaufenden Decumanus Der Triumphbogen vor der Apsis wird zur Miniatur des spatantiken die Prachtstrasse uberspannenden Triumphbogens und der Altarraum ist wie der Thronsaal des Kaisers gestaltet Die Stutzen des Kirchenschiffs verkorpern die Apostel die mit dem Dach des Gebaudes den Gottesstaat tragen Die Kirche als Symbol der Stadt hatte dennoch in fruhchristlicher Zeit nicht die Schutzfunktion einer ummauerten Stadt auszuuben da sie gewohnlich in deren Zentrum lag Wie das von zwei Turmen flankierte Tor die Kirche symbolisch zur Stadt werden lasst taucht dieses Motiv auf romischen Munzen auf wo es allgemein fur das romische Reich und im Besonderen fur Rom steht 1 In der Offenbarung des Johannes erscheint am Ende aller Tage ein Himmlisches Jerusalem Vorgestellt und bildhaft umgesetzt wird diese Vision nach dem Plan einer realen romischen Stadt Das kreisrunde Idealbild der himmlischen Stadt findet seine mikrokosmische Entsprechung im Radleuchter der in mittelalterlichen Kirchen von der Decke hing Der Radleuchter der Stiftskirche von Comburg mit einem Durchmesser von funf Metern liess von weitem die zwolf Tore des himmlischen Jerusalem erkennen und war bestuckt mit 48 Kerzen in der romanischen Kirche vermutlich die einzige Lichtquelle 2 Indem das Gesamtkunstwerk Kirchengebaude als ein Abbild des ewigen Jerusalem gedacht wird nimmt es einen enthobenen uberzeitlichen Seinszustand an und geht uber den Zweck eines Versammlungsraums fur die Gemeinschaft der Glaubigen hinaus 3 Seit dem 6 Jahrhundert pragen im Abendland Turme das Erscheinungsbild der Kirchengebaude sodass im fruhen Mittelalter Kirchturme allmahlich eine ahnliche Bedeutung erlangten wie die Kuppeldacher uber den Zentralbauten der byzantinischen Kirchen Zwei Kirchturme uberragen entweder den Ostteil der Kirchen wo sie die Stellung der Kuppel uber der fruhchristlichen Kuppelbasilika einnehmen oder sie flankieren wie bei einem Stadttor das Portal der Westseite So entstand eine symbolische Himmelsburg die einen Schutz vor den vom heidnischen Westen eindringenden bosen Machte bildete Fur die romanischen Kirchen des 11 und 12 Jahrhunderts ist der Beiname Himmelsburg vielfach literarisch belegt 4 Dies bedeutet nicht dass die irdischen Westbauten tatsachlich zu Verteidigungszwecken gedacht waren ob sie symbolisch zur Abwehr von Damonen dienen sollten wie die gelegentlich festgestellte Widmung an den Erzengel Michael suggeriert wurde zwar vielfach angenommen ist aber ebenfalls nicht eindeutig nachweisbar 5 Ab der zweiten Halfte des 11 Jahrhunderts kommen Doppelturmfassaden schwerpunktmassig in der Normandie und in der Oberrheinregion vor Als alteste erhaltene Kirchengebaude der Romanik bei denen die Doppelturme in typischer Weise in die Westfassade und in das Gesamtgebaude integriert sind gelten die ehemalige Benediktiner Klosterkirche St Etienne de Caen und das benachbarte Frauenkloster Ste Trinite in der nordfranzosischen Stadt Caen mit deren Bau in den 1060er Jahren begonnen wurde Bei St Etienne begrenzen die Turme bereits eine gerade Westfassade und ragen auch nicht uber die Seitenwande hinaus wahrend die Turme der Ste Trinite separate nach Westen und aus den Seiten hervortretende Baukorper bilden Die wenige Jahre zuvor ab 1050 an die Klosterkirche St Mexme in Chinon angefugte Westfassade besitzt noch weitgehend eigenstandige weit uber die Nord und Sudseite hinausragende Turme Nach dem Vorbild von St Etienne deren Westfassade als die alteste harmonische Doppelturmfassade facade harmonique bezeichnet wird entstanden in der Normandie die charakteristischen romanischen und ab der zweiten Halfte des 12 Jahrhunderts die ersten gotischen Doppelturmfassaden in Nordfrankreich Diese Feststellung geht auf Marcel Anfray 1939 zuruck 6 und ist bis heute weitgehend akzeptiert 7 Eine facade harmonique wird durch eine vertikal durchlaufende dreigeteilte Fassadengliederung charakterisiert die den Bereich der seitlichen Turme von der Giebelseite des Kirchenschiffs in der Mitte trennt Damit unterscheidet sie sich vom Westbau und der besonderen Form des Sachsischen Westriegels einem geschlossenen Querbau mit erkennbar abgetrennten Glockenturmaufsatzen oder einem aufgesetzten Mittelhaus Eine solche Doppelturmfassade wurde in der Gotik zum architektonischen Standard St Etienne de Caen war als direktes Vorbild jedoch weniger geeignet weil die Turme sich nicht schlank und gerade direkt vom Boden erheben sondern erst oberhalb einer blockigen Unterkonstruktion beginnen die eine horizontale Dreiteilung des Turms in Unterbau Schaft und Dachspitze erzeugt Uber die Anlage und Funktion der Raume hinter der Westfassade ist mit der Beschreibung der Fassade nichts ausgesagt Es kann sich um ein Westwerk mit Emporen fur den Herrscher oder um eine Verlangerung des basilikalen Kirchenschiffs handeln Letzteres ist bei St Etienne de Caen der Fall die ohne Empore im Westen auskommt und in dieser Hinsicht der gotischen Kathedrale von Reims aus der zweiten Halfte des 13 Jahrhunderts vorausgeht die weder seitliche Galerien noch eine Empore im Westen besitzt In Reims sind innen die Turme uber dem hinteren Ende der Seitenschiffe nur dadurch zu erahnen dass die beiden westlichen Pfeiler des Mittelschiffs machtiger sind und der Arkadenabstand zur Westwand etwas grosser ist 8 Entwicklung seit der Romanik Bearbeiten nbsp Abteikirche St Philibert in Tournus 1019 eingeweiht Auf dem Weg zur harmonischen Doppelturmfassade liegt ein zwischen 1015 und 1028 errichteter Vorgangerbau des heutigen Strassburger Munsters der dieselbe Grosse wie die spatere Kathedrale besass zeitlich vor St Etienne de Caen Wahrend sich Ernst Gall 1932 fur eine Doppelturmfassade dieser Bauphase des Strassburger Munsters aussprach wollte Hans Reinhard ebenfalls 1932 einen einzelnen zentralen Turm uber dem Portal rekonstruieren welcher der Thomaskirche von Strassburg entsprochen haben sollte Reinhard beruft sich fur seine Ansicht besonders auf eine Strassburger Munze von 1249 die eine Kirchenfassade mit einem Turm zeigt Sie bildet jedoch laut Herwin Schaefer kaum das Munster ab und stellt die altere Rekonstruktionstheorie dieses Gebaudes mit Doppelturmfassade nicht in Frage Eine weitere Kathedrale mit Doppelturmfassade von der heute nur der untere Teil des Nordturms erhalten ist war der zweite Bau des Basler Munsters Heinrichsmunster der 1019 eingeweiht wurde Nach einem Brand 1185 entstand uber der Ruine ein spatromanischer Neubau Vom erhaltenen Nordturm Georgsturm lasst sich mit grosser Wahrscheinlichkeit auf die Existenz einer Doppelturmfassade schliessen 9 1019 eingeweiht wurde auch die Abteikirche St Philibert in Tournus deren strenger Westbau mit zwei Turmen einen fur die fruhromanische Zeit typischen wehrhaften Charakter besitzt Eine weitere Doppelturmfassade aus der ersten Halfte des 11 Jahrhunderts konnte die Ruine des Klosters Limburg im Pfalzerwald besessen haben Die dortige Basilika wurde von 1025 bis 1042 errichtet 1376 beschadigt und schliesslich bei einem Brand 1504 zerstort Die damals verbliebenen Mauerreste stehen in teilrestauriertem Zustand aufrecht Der Grundplan weist in einem etwas kleineren Massstab besonders im Westen Ubereinstimmungen in der Form mit dem Strassburger Munster auf sodass Herwin Schaefer sich dem Ergebnis des Architekten Wilhelm Manchot in dessen Monografie Kloster Limburg an Der Haardt 1892 anschliesst und eine Doppelturmfassade fur moglich halt 10 Der andere mogliche Rekonstruktionsversuch ist ein Westquerbau mit breitem Mittelturm Dagegen besass der um dieselbe Zeit 1030 1066 erbaute Speyerer Dom zweifellos einen solchen Mittelturm Dessen heute sichtbare Westfassade entspricht weitgehend in der Form dem ursprunglichen Bau nbsp Basilika St Kastor in Koblenz Doppelturmfassade um 1100 erbaut Am heutigen barocken Erscheinungsbild des Klosters Einsiedeln das aus dem 17 und 18 Jahrhundert stammt ist die fruhere romanische Doppelturmfassade nicht mehr erkennbar Die romanische Basilika wurde zwischen 1031 und 1039 errichtet Dies geht aus einem Plan und aus Zeichnungen von 1633 hervor die offensichtlich die bis dahin unverandert erhaltene romanische Architektur zeigen Die Ruine der Stiftskirche der Abtei Hersfeld besitzt noch den vollstandigen sudlichen Turm der Westfassade Mit dem romanischen Neubau wurde 1038 nach einem Brand begonnen 1071 wurde das Kirchenschiff fur Gottesdienste genutzt Die ursprungliche Gestalt der Doppelturmfassade im Westen veranderte sich durch einen Umbau im 12 Jahrhundert und ist nicht mehr eindeutig zu rekonstruieren Bei Ausgrabungen kamen wenige Meter entfernt die Fundamente des karolingischen Vorgangerbaus von 831 bis 850 zum Vorschein der bereits zwei Turme an der Westseite besessen haben muss Der erste Bau der Basilika St Kastor in Koblenz wurde 817 bis 836 als karolingische Saalkirche errichtet Die um 1100 hinzugekommenen quadratischen Turme im Westen stehen sehr eng beieinander die Westfassade ist schmaler als das im 12 Jahrhundert zur Basilika erweiterte Kirchenschiff Die Westfassade der ebenfalls um 1100 errichteten Florinskirche gilt als Nachahmung der Doppelturme von St Kastor was deren Existenz um diese Zeit bestatigt Beim Wurzburger Dom wird die in der ersten Halfte des 11 Jahrhunderts begonnene schmale Doppelturmfassade auf vergleichbare Weise von einem spateren Kirchenschiff in der Breite uberragt 11 Zu den Doppelturmfassaden der zweiten Halfte des 11 Jahrhunderts am Oberrhein gehort diejenige des Allerheiligenklosters in Schaffhausen dessen Munster 1064 eingeweiht wurde Das Aussehen der ursprunglichen Westfassade ist umstritten weil der gesamte Bau Ende des 11 Jahrhunderts zugunsten eines grosseren Neubaus abgerissen wurde Eine mogliche Rekonstruktion ist nur anhand des Plans und der untersuchten Fundamente moglich Diskutiert wurden ein Westwerk mit einem breiten Mittelturm oder eine Doppelturmfassade Die erstgenannte Moglichkeit befurwortete Hans Reinhard 1935 nachdem er 1926 noch eine Ubergangsstufe zwischen Westwerk und Doppelturm ins Gesprach gebracht hatte 12 Die Mehrheit der Forscher hatte sich zuvor bereits wegen der massiven seitlichen Fundamente im Westen fur Doppelturme ausgesprochen Vom Baubeginn 1054 bis zur Einweihung 1089 entstand der romanische Neubau Rumoldbau des Konstanzer Munsters zunachst ohne Turme Um 1100 begann man im Westen zwei Turme seitlich der Eingangshalle zu errichten Nur der Nordturm stammt aus romanischer Zeit der Sudturm wurde nach zweimaligem Einsturz erst 1378 vollendet nbsp Cluny III von NordostenIm Kloster Hirsau im Nordschwarzwald wurde der romanische Bau St Aurelius II in den Jahren 1059 bis 1071 mit zwei massivem Turmen an seiner Westseite errichtet Hans Reinhardt wollte auch diese Turme nicht erkennen 13 obwohl die Westseite bis zur Hohe der Arkadenbogen und einschliesslich der Turmstumpfe erhalten geblieben ist Ab 1082 wurde das Kirchengebaude in der zu klein gewordenen Klosteranlage durch den Neubau eines Klosters auf der gegenuberliegenden Seite der Nagold mit der neuen Basilika St Peter und Paul ersetzt Nach ihrer Einweihung 1091 besass St Peter und Paul einen offenen Hof vor dem Kirchenschiff und davor standen im Westen zwei quadratische Turme Bis 1120 war eine Zweiturmfassade errichtet die jedoch unvollendet blieb 14 Spater wurden diese durch einen Vorbau mit dem Kirchenschiff verbunden Von St Peter und Paul steht heute lediglich der Nordturm Eulenturm aufrecht die Lage des Sudturms ist an den unteren Steinreihen erkennbar Das Modell fur diese in Deutschland erstmals verwirklichte Architektur stellte die Abteikirche von Cluny in der unter Abt Maiolus vor 963 begonnenen und 981 eingeweihten Bauphase Cluny II dar Cluny II wurde vom Ende des 11 Jahrhunderts bis Anfang des 12 Jahrhunderts durch den 187 Meter langen Nachfolgebau Cluny III ersetzt dessen Doppelturmfassade ein Gegengewicht zur breiten Choranlage bildet Bei der alteren Kirche St Aurelius waren die Turme entsprechend der klassischen Doppelturmfassade in den Baukorper integriert unter dem Einfluss von Cluny II wurden eigenstandige Turmbauten verwirklicht was eine in dieser Zeit parallele Konzeption darstellt 15 Wenig bekannt ist die ehemalige Benediktinerabtei Sant Urbano all Esinante die in der mittelitalienischen Region Marken in der Nahe der Stadt Jesi auf dem Gebiet des Dorfes Apiro liegt Der Baubeginn erfolgte um 1070 die Fertigstellung um 1100 Der Altar wurde inschriftlich 1086 eingeweiht Die Basilika besitzt drei halbkreisformig uber die Ostwand hervortretende Apsiden und einen kompakten das Kirchenschiff uberragenden Westbau der mit den Langswanden fluchtet Das Gebaude ist restauriert die mutmasslich vorhandenen Turme uber dem Westbau fehlen Eine Doppelturmfassade gilt als wahrscheinlich weil die Arkaden im Westen durch massive Zwischenwande ausgemauert und dadurch drei quadratische Raume im Westen entstanden sind 16 nbsp Tveje Merlose Kirke in Danemark um 1150Die alteste erhaltene Doppelturmfassade Nordeuropas besitzt die um 1150 erbaute Tveje Merlose Kirke bei Holbaek in Danemark nbsp Westminster Abbey in London Die heutigen Turme wurden 1722 1745 erbaut In England ist das alteste erhaltene Kirchengebaude mit Doppelturmfassade die Westminster Abbey die ab 1045 errichtet wurde und 1065 zumindest im Ostteil soweit fertiggestellt war dass eine Einweihungsfeier stattfinden konnte Das gesamte Gebaude durfte erst in der ersten Halfte des 12 Jahrhunderts vollendet gewesen sein Die Westfassade dieser Bauphase war nur noch aus Abbildungen und Bodenuntersuchungen zu erschliessen Demnach ragten die Turme uber die Langswande hinaus und ruhten mit den Innenecken auf machtigen Pfeilern deren Wandabstand breiter als die ubrigen Arkaden war 1093 wurde mit dem romanischen Bau der Durham Cathedral begonnen Auch bei ihr ragten die quadratischen Turme uber den Grundplan hinaus Fur diese und die in den folgenden Jahrzehnten in England erbauten Kathedralen des Norman Style diente Westminster Abbey deren Vorbilder wiederum aus der Normandie stammten als Ausgangspunkt Beispiele hierfur sind neben Durham der Anfang des 12 Jahrhunderts begonnene Bau des Southwell Minster und Worksop Priory in Worksop Distrikt Bassetlaw aus derselben Zeit 17 Die romanischen Vorlaufer der gotischen Kathedrale von Canterbury und der Abtei St Augustinus in Canterbury sind nahezu vollstandig verschwunden Nach einem Brand 1067 bei dem die angelsachsische Kirche zerstort wurde begann 1070 unter Bischof Lanfrank der Wiederaufbau der Canterbury Cathedral der Ende der 1070er Jahre weitgehend abgeschlossen war Zahlreiche Erweiterungen und Umbauten folgten in den nachsten Jahrhunderten Aus der romanischen Bauphase blieb lediglich der Nordturm bis zum Jahr 1832 erhalten als er in der Form des Sudturms erneuert wurde Vor seiner Zerstorung fertigte der Architekt J C Buckler genaue Plane und Ansichtszeichnungen an wodurch sich die romanische Westfassade rekonstruieren lasst Der Turm war durch Eckpilaster in ganzer Lange seitlich begrenzt und durch schmale Gesimse in sieben Stockwerke gegliedert Die beiden oberen Stockwerke sprangen leicht zuruck Die untere Turmhalfte besass nur im zweiten und vierten Stockwerk ein Rundbogenfenster daruber folgten zwei Reihen Fensteroffnungen in Doppelarkaden Das oberste Stockwerk wich mit zwei von Spitzbogen umrahmten Fenstern formal ab Die Kathedrale und die ebenfalls um 1070 begonnene Abtei St Augustinus gehoren zu den ersten Kirchenbauten nach der normannischen Eroberung Englands 1066 Weil Lanfrank zuvor von 1063 bis zu seiner Ankunft in England Abt im Kloster St Etienne in Caen gewesen war wurde uber die engen Verbindungen und ungefahr parallelen Bauzeiten beider Kirchen spekuliert In der Fassadengestaltung bestanden jedoch zwischen beiden Kirchen so gut wie keine Gemeinsamkeiten Die Kenntnisse uber die romanische Doppelturmfassade der Abtei St Augustinus beruhen ebenfalls auf Darstellungen aus dem 19 Jahrhundert Bis zu seinem vollstandigen Einsturz 1822 stand der Nordturm Ethelbert Turm als Ruine aufrecht Skizzen aus der Zeit vor dem Einsturz zeigen einen horizontal in sechs Stockwerke gegliederten Turm der Stilanalysen zufolge in den 1120er Jahren erbaut worden sein durfte Die Bauzeit des Kirchenschiffs dauerte von 1070 bis in die 1090er Jahre Jedes Stockwerk war aufwendiger als bei der Kathedrale von Canterbury mit einem Dreifachfenster in einem grossen Rundbogenfeld ausgefullt Die Besonderheit dieser Turme bestand in ihrer Angleichung an den Innenraum Die Innenecken ruhten auf Pfeilern die machtiger waren als die Arkadenpfeiler des Mittelschiffs aber den gleichen Abstand wie jene besassen St Augustinus war vermutlich das erste Kirchengebaude dessen Turme sich vollstandig in den basilikalen Grundplan integrierten 18 nbsp Grundriss der Durham CathedralBei der Durham Cathedral sind die als machtige Bollwerke in Erscheinung tretenden Turme im Innern in den Grundplan des Kirchenschiffs integriert Die Bundelpfeiler auf denen die inneren Turmecken ruhen durchbrechen den steten Wechsel von Saulen und Bundelpfeilern der Arkadenreihen weil am Westende zwei massive Bundelpfeiler aufeinanderfolgen Aussen ubernehmen die aus den Langswanden hervortretenden Turme die horizontale Gliederung des Kirchenschiffs mit der Fensterreihe des Betsaals Galeriefenster und Obergaden Kirchenschiff und Westwerk scheinen wegen der identischen Fassadengestaltung zur selben Zeit ab etwa 1104 aufgebaut worden zu sein Damit durfte die Durham Cathedral als Vorbild fur die Westminster Abbey gedient haben deren alternierende Arkadenstutzen noch ausgereifter gestaltet sind Ihre Westseite ist die erste erhaltene Doppelturmfassade in England die alle charakteristischen Merkmale besitzt Um Unterschied zur gut erhaltenen Durham Cathedral stammt bei der um 1093 begonnenen und bis ins 16 Jahrhundert veranderten Chester Cathedral nur der untere Bereich des Nordturms aus romanischer Zeit Mit seinem Bau wurde um 1130 begonnen als die Durham Cathedral bereits fertiggestellt war 19 Die beiden Kirchengebaude von Canterbury haben bereits die wesentlichen Elemente der gotischen facade harmonique ausgebildet und gehen der Kathedrale von Saint Denis zeitlich voraus Diese wird wegen ihres 1140 bis 1144 erbauten Chors entweder als Vorstufe der gotischen Kathedralen oder als erster echter gotischer Bau betrachtet Die stilistische Einschatzung bezieht sich jedoch nicht auf die Westseite Dort schliesst Saint Denis mit einem vom Kirchenschiff optisch separierten Westwerk ab Als Vorstufe der gotischen Doppelturmfassade kommen die Westfassaden der Kathedralen von Canterbury und Durham in England und in der Normandie am ehesten die Fassade der Ste Trinite von Caen in Betracht 20 Die grossen gotischen Kathedralen ubernahmen allgemein die Doppelturmfassade und pragten mit ihrem universellen Einfluss die gesamte Kirchenbaukunst der folgenden Epochen bis ins 20 Jahrhundert Kathedralen grosse Kloster und Stiftskirchen bevorzugten die Doppelturmfassade wahrend auch manche bedeutendere burgerliche Pfarrkirchen es bei einem mittleren Einzelturm beliessen wie das Freiburger Munster mit dessen Errichtung um 1200 begonnen wurde oder das ab 1377 erbaute Ulmer Munster Vorlaufer BearbeitenSyrische Tradition Bearbeiten nbsp Deir Turmanin Doppelturmfassade des Westgiebels erstveroffentlicht von Melchior de Vogue 1877 21 Seit den Untersuchungen von Melchior de Vogue in den 1860er Jahren im Gebiet der Toten Stadte in Syrien wird uber Einflusse fruhchristlicher syrischer Kirchen auf die romanische Architektur spekuliert Die am haufigsten als mogliches Vorbild fur Doppelturmfassaden erwahnte syrische Kirche ist Deir Turmanin aus dem Ende des 5 Jahrhunderts 22 Das Gebaude war bereits um 1900 fast vollig verschwunden und ist nur aus Abbildungen bekannt die Melchior Comte de Vogue veroffentlichte Eine ahnliche von zwei Turmen gebildete Reprasentationsfassade besassen die Basilika von Qalb Loze aus den 460er Jahren und die Weitarkadenbasilika von Ruweiha aus der zweiten Halfte des 5 Jahrhunderts Deren stilbildender Einfluss strahlte bis nach Armenien wo sich die Doppelturmfassade an der einzigartigen Basilika von Jereruk aus dem 5 oder 6 Jahrhundert wiederfindet 23 Hermann Wolfgang Beyer fuhrt die syrische Zweiturmfassade auf ihre mutmasslich ferne Urform den Pylon Torbau agyptischer Totentempel und die Eingangsfassade des altorientalischen Haustyps Hilani zuruck Zu den schopferischen Neugestaltungen der antiken Turmfassaden zahlt Beyer noch weitere syrische Kirchenruinen die so schlecht erhalten sind dass sich nicht mit Bestimmtheit sagen lasst ob sie Doppelturmfassaden besassen etwa die Basilika in as Suwaida aus dem 5 Jahrhundert und die Kirche von al Anderin in der Antike Androna bei Chalkis die eventuell vier Turme besass zwei uber den Apsisnebenraumen im Osten 24 Durch seine Nahe zum Pilgerziel Jerusalem konnte Syrien bereits in fruhchristlicher Zeit in Kontakt mit dem Westen gestanden haben Richard Krautheimer erkennt einen grundlegenden Einfluss aus Kleinasien dem Nahen Osten und Nordafrika auf den fruhmittelalterlichen zentraleuropaischen Kirchenbau 25 Nicht die romische Basilika des 4 Jahrhunderts sondern beispielsweise die kleinen fruhbyzantinischen Kirchen von Binbirkilise in Anatolien waren demnach Vorbilder fur die franzosischen Kirchen des 6 und 7 Jahrhunderts 26 Der zeitliche Abstand zwischen den nahostlichen Kirchen des 6 Jahrhunderts und den fruhesten erhaltenen zentraleuropaischen Kirchen mit Doppelturmfassaden des 11 Jahrhunderts muss durch die Suche nach Belegen fur verlorengegangene Bauten in der Zwischenzeit uberbruckt werden Eine Kirche der Abtei Saint Martin d Autun die in das Ende des 6 Jahrhunderts datiert wird soll nach der Interpretation von Planen und Beschreibungen aus dem 17 und 18 Jahrhundert zwei Turme gehabt haben Der unter dem Abt Fulrad ausgefuhrte karolingische Vorlauferbau der Kathedrale von Saint Denis wurde 775 eingeweiht Er besass bis in die erste Halfte des 12 Jahrhunderts zwei niedrige Turme an der Eingangsseite zuletzt in ruinosem Zustand wie Abt Suger beklagte der den Abriss und Neubau leitete Auch der Neubau der Basilika von Saint Germain d Auxerre die 865 eingeweiht wurde besass zwei Turme Der nordliche Turm und der dazugehorende Narthex existierten bis 1820 Der sudliche Turm musste im 12 Jahrhundert einem grosseren Turm weichen der bis heute frei stehend erhalten geblieben ist Die karolingische Salvatorkirche Bauphase 3 des Kaiserdoms in Frankfurt M war 874 vollendet Den Westbau bildeten zwei quadratische Glockenturme und dazwischen zwei runde Treppenturme Die Portale befanden sich nicht im Westen sondern an der Nord und der Sudseite der quadratischen Turme 27 Westwerk Bearbeiten nbsp Karolingisches Westwerk von Corvey aus dem 9 Jahrhundert Im 12 Jahrhundert zur Doppelturmfassade umgebautDas Westwerk als ein so definierter eigenstandig im Westen des Kirchenschiffs errichteter querrechteckiger Baukorper stellt nach einer gelaufigen Auffassung die entscheidende Vorstufe zur Herausbildung der harmonischen Doppelturmfassade dar Seine Blute erlebte es in karolingischer und ottonischer Zeit Der Begriff Westwerk wurde 1889 von Josef Bernhard Nordhoff gepragt der mit dem Wortbestandteil Werk entsprechend Vorwerk den Verteidigungscharakter dieses Gebaudetrakts zum Ausdruck bringen wollte Nordhoff definierte Westwerk als ein hohes Glocken und Mittelhaus mit eigener Bedachung begrenzt von den Flankenthurmen 28 und fuhrte die Theorie von der Entwicklung der Doppelturmfassade aus dem Westwerk ein Wilhelm Effmann ubertrug den Begriff des Westwerks auf den karolingischen Bau der Abtei Saint Riquier Centula 29 Die vermutete nur auf schriftlicher Uberlieferung besonders der Chronik des Monchs Hariulf von 1088 basierende Rekonstruktion von Saint Riquier wie sie Effmann geleistet hatte 30 wurde zum Ausgangspunkt einer ganzen Reihe von Westbauten erklart Seither wird uber die Bedeutung und die konstruktive Grundidee des Westwerks kontrovers diskutiert 31 Weitere karolingische Westwerke pragen die Westansicht der Abteikirche Corvey und des Aachener Doms In der Folge wurden Westwerke als machtige Eingangsbauten mit in der Regel drei Turmen von Westchoren abgegrenzt die keine Eingange besassen 32 Der karolingische Typ des Westwerks kann sich in der romanischen Baukunst zu Doppelturmfassaden Dreiturmanlagen oder Vorbauten mit einem Einzelturm entwickelt haben Allgemein wird als seine ursprungliche Funktion eine separate Kapelle uber dem Haupteingang angenommen die gewohnlich dem Damonen abwehrenden Erzengel Michael als dem Huter des Tores gewidmet gewesen sein sollte Des Weiteren waren mogliche Funktionen der Obergeschosse in den Westwerken ein eigener Raum fur den Herrscher beim Gottesdienstbesuch eine Taufkapelle Gemeindekirche oder ein Saal fur Gerichtsverhandlungen unter dem Vorsitz des Bischofs Ein Sonderfall stellt die Herkunft der Doppelturmfassade aus dem Ende des 10 Jahrhunderts an der Stiftskirche St Peter in Bad Wimpfen dar Sie gehorte ursprunglich zu einem zwolfseitigen Zentralbau der in fruhgotischer Zeit zu einer Basilika umgebaut wurde 33 Siehe auch BearbeitenZwillingsturmLiteratur BearbeitenJ Philip McAleer Romanesque England and the Development of the Facade Harmonique In Gesta Bd 23 Nr 2 1984 S 87 105 Herwin Schaefer The Origin of the Two Tower Facade in Romanesque Architecture In The Art Bulletin Bd 27 Nr 2 1945 S 85 108 Heiko Seidel Untersuchung zur Entwicklungsgeschichte sakraler Westbaulosungen des kernsachsischen Siedlungsraumes in romanischer Zeit dargestellt vornehmlich an den Beispielen der Klosterkirche Marienmunster und der Pfarrkirche St Kilian zu Hoxter Dissertation Universitat Hannover 2003 Stichwort Fassade In Reallexikon zur Deutschen Kunstgeschichte Bd 7 Munchen 1978 Sp 566 572 Stichwort Westbau In Ludger Alscher Hrsg Lexikon der Kunst Bd 5 Verlag Das europaische Buch Berlin 1981 S 579Einzelnachweise Bearbeiten Gunter Bandmann Mittelalterliche Architektur als Bedeutungstrager Gebr Mann Verlag Berlin 1951 S 65 92f Claus Bernet Das Himmlische Jerusalem im Mittelalter Mikrohistorische Idealvorstellung und utopischer Umsetzungsversuch In Mediaevistik Vol 20 2007 S 9 35 hier S 16f Hans Sedlmayr Die Entstehung der Kathedrale Atlantis Zurich 1950 S 112f 115 Hans Sedlmayr S 121 Heiko Seidel 2003 S 105 Marcel Anfray L architecture Normande son influence dans le nord de la France aux Xl et XIIC siecles Paris 1939 S 235f J Philip McAleer 1984 S 87 J Philip McAleer 1984 S 88f Herwin Schaefer 1945 S 87 91 Herwin Schaefer 1945 S 92f Herwin Schaefer 1945 S 93f Hans Reinhardt Das erste Munster zu Schaffhausen und die Frage der Doppelturmfassade am Oberrhein In Anzeiger fur Schweizerische Altertumskunde Band 37 Heft 4 1935 doi 10 5169 seals 161819 S 241 257 Hans Reinhardt 1935 S 249 Hans Erich Kubach Die vorromanische und romanische Baukunst in Mitteleuropa In Zeitschrift fur Kunstgeschichte 18 Band Heft 2 1955 S 157 198 hier S 191 Herwin Schaefer 1945 S 95f 104f Hildegard Sahler Die Abteikirche Sant Urbano all Esinante in den Marken In Mitteilungen des Kunsthistorischen Institutes in Florenz 47 Band Heft 1 2003 S 5 56 hier S 25 J Philip McAleer 1984 S 91f J Philip McAleer 1984 S 93 95 J Philip McAleer 1984 S 98f J Philip McAleer 1984 S 100 Melchior de Vogue Syrie centrale Architecture civile et religieuse du Ier au VIIe siecle J Baudry Paris 1865 1877 Bd 2 Tafeln 130 132 136 Louis Grodecki Einleitung In Harald Busch Bernd Lohse Hrsg Vorromanische Kunst und ihre Wurzeln Monumente des Abendlandes Umschau Frankfurt M 1965 S XVII Christina Maranci Medieval Armenian Architecture Construction of Race and Nation Hebrew University Armenian Studies 2 Peeters Leuven u a 2001 S 199 Hermann Wolfgang Beyer Der syrische Kirchenbau De Gruyter Berlin 1925 S 149 Herwin Schaefer 1945 S 102 Richard Krautheimer The Carolingian Revival of Early Christian Architecture In The Art Bulletin Bd 24 1942 S 4 Herwin Schaefer 1945 S 102f Josef Bernhard Nordhoff Corvei und die westfalische Fruharchitektur In Repertorium fur Kunstwissenschaft 12 1889 S 380 zitiert nach Herwin Schaefer 1945 S 105 Wilhelm Effmann Centula St Riquier Eine Untersuchung zur Geschichte der kirchlichen Baukunst in der Karolingerzeit Munchen 1912 Zusammenfassend Irmingard Achter Zur Rekonstruktion der karolingischen Klosterkirche Centula In Zeitschrift fur Kunstgeschichte 19 Band Heft 2 1956 S 133 154 Rudolf Koch Die Entwicklung der romanischen Westturmanlage in Osterreich Dissertation Universitat Wien 1986 S 40 Kapitel Das karolingische Westwerk Heiko Seidel 2003 S 17 Herwin Schaefer 1945 S 105f Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Doppelturmfassade amp oldid 238886871