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Dieser Artikel beschreibt das Bauteil eines Kirchengebaudes Zum Kunstquartier in Leipzig siehe Westwerk Leipzig Das Westwerk ist ein Bauteil eines Kirchengebaudes Westwerke wurden zunachst im Mittelalter als der Basilika westlich vorgesetzte gesonderte Kirchenraume errichtet ihr Bau begann in karolingischer Zeit Bereits in der nachfolgenden ottonischen Zeit wurde der Typus des Westwerks mit anderen Fassadenformen vermischt es entstanden keine reinen Westwerke mehr Eine Sonder bzw Ubergangsform ist der Sachsische Westriegel Das Westwerk besitzt funktionale und architektonische Merkmale Es ist nicht bloss eine das Langhaus abschliessende Westfassade sondern ein eigener Baukorper mit Innenraumen die bestimmten Nutzungen dienen Westwerke treten daher grundsatzlich nur an Stifts und Klosterkirchen auf und lediglich in Ausnahmefallen an Domen z B Minden nicht jedoch an Pfarrkirchen Bauten die diese Kriterien nicht erfullen bezeichnet man nicht als Westwerke sondern allgemein als Westbauten St Pantaleon zu Koln Westbau 2 Halfte des 10 JahrhundertsDas Westwerk ist dem Kirchenraum vorgelagert und bildet einen selbststandigen Gebaudeteil mit gewohnlich drei Turmen einem zentralen Turm uber der Mitte des Westwerks und zwei flankierenden Treppenturmen an den Seiten der Fassade Im Erdgeschoss befindet sich eine Durchgangshalle im Obergeschoss ein zum Kirchenraum geoffneter meist von Emporen umgebener Raum Spatere Entwicklungsformen verzichten oft auf die mehrstockige Raumeinteilung hierbei wird von einem westwerkartigen Westbau gesprochen Inhaltsverzeichnis 1 Begriff 2 Geschichte und Funktionen 3 Beispiele 4 Literatur 5 Weblinks 6 EinzelnachweiseBegriff BearbeitenDer Begriff Westwerk wurde zuerst fur die Beschreibung von Glockenhausern Reichenau Hildesheimer Dom von Franz Falk 1869 1 und spater in der baugeschichtlichen Literatur von Johann Bernhard Nordhoff 1873 zur Beschreibung des Westbaus in Minden und 1888 des vorromanischen Kerns des Westbaus in Corvey verwendet Eine erste Definition des Begriffs so wie er heute in der Forschung verwendet wird gab Alois Fuchs 1929 2 Geschichte und Funktionen BearbeitenDas Westwerk war vor allem bei Reichsklostern anzutreffen in denen reisende Konige oder Kaiser residierten siehe auch Reisekonigtum Ihnen und ihrem Gefolge vorbehalten wurde das Westwerk bis zur cluniazensischen Reform zumeist fur weltliche Zwecke genutzt beispielsweise als Kanzlei oder Gerichtsort Von einer sich zum Kirchenraum offnenden Empore war dem Herrscher die Teilnahme am Gottesdienst von erhohter Position moglich Die vermuteten Kaiserthron Anlagen werden manchmal von der karolingischen Pfalzkapelle des Aachener Doms hergeleitet wo allerdings erst in ottonischer Zeit nachweislich ein Thron stand Der traditionelle Kirchenbau unterscheidet zwei Bedeutungsraume die eigentliche den Heiligen vorbehaltene Kirche im Osten die ecclesia triumphans und das bollwerkartige Westwerk Symbol der ecclesia militans der Ort des Herrschers als Beschutzer der Kirche Auffallig ist die grosse Zahl von Westwerken aus der Zeit Karls des Grossen Nur in seltenen Fallen hatte das Westwerk eine echte militarische Funktion Wehrkirche Seine symbolische Bedeutung war die eines castellum im Sinne einer Festung in der Abwehr von Teufel und Damonen Wahrend die Ostseite Sonnenaufgang als Christusrichtung galt und in der die Apsis den Altar beherbergte Ostung waren dem Westen Sonnenuntergang die Machte des Bosen und der Tod zugeordnet denen zur Kirche dem Neuen Jerusalem kein Zutritt gewahrt werden sollte Fast immer steht im Westwerk der Altar des Erzengels Michael des Anfuhrers der Engel im Kampf gegen die vom Westen andrangenden Damonen Andere Forscher stellen die Behauptung es habe in den Westwerken Thronsitze fur den Kaiser gegeben in Frage und bestreiten dass der Bautypus als Zeichen des Kaisertums zu verstehen sei Sie sehen die Funktion eher in der klosterlichen Liturgie besonders in der Osterzeit Eines der fruhesten und grossten bekannten Westwerke hatte die bedeutende karolingische Reichsabtei Saint Riquier nahe Amiens in Frankreich 3 Sie ist jedoch lediglich aus zeichnerischen Uberlieferungen bekannt so dass die genaue Gestalt des Westwerks nur hypothetisch zu rekonstruieren ist Das einzige erhaltene reine Westwerk karolingischer Zeit befindet sich in Corvey obwohl dort der Mittelturm entfernt und die Seitenturme erhoht wurden so dass sich heute das Bild einer Zweiturmfassade ergibt Seit dem 12 Jahrhundert weicht das karolingische und ottonische Westwerk mit hoch aufsteigendem Innenraum einem emporengefullten Westbau der Romanik oder einem Westchor der oft den Erzengeln Michael oder Gabriel geweiht war bzw wurde entsprechend umgeformt Hermann Rothert vertrat die These dass diese oft ubergrossen Bauteile wie der um 1200 errichtete Westbau von St Patrokli in Soest auf Veranlassung des Rats der Stadt errichtet wurde der dort tagte und Waffen aufbewahrte Der Vorbau das Soester Doms war fruher vom Domplatz aus zuganglich und ersetzte vielleicht das damals noch nicht vorhandene Rathaus eine Variante der Kaiserkirchen These Eine Verwendung fur liturgische Zwecke ist hier wie bei den meisten Westbauten nicht nachweisbar 4 Die Tatsache dass Form und Funktion des Westwerks im strikten Sinne nur in Corvey nachweisbar sind und dass sich die Deutung als Kaiserkirche auf keine Quellen stutzen kann fuhrt zur Kritik an diesem Begriff und den mit ihm verbundenen Vorstellungen Die Konsequenzen konnen unterschiedlich sein entweder den Begriff Westwerk als Bezeichnung fur einen vermeintlichen Bautypus als Erfindung der Kunstgeschichte zu erkennen und ihn aufzugeben Schonfeld de Reyes oder den Begriff in der Praxis grosszugiger zu handhaben wie dies Uwe Lobbedey tut Beispiele Bearbeiten nbsp Aachener Dom mit karolingischem Westwerk unterer Abschnitt um 800 altestes erhaltenes Westwerk nbsp Corvey 9 Jahrhundert Untergeschosse karolingisch Glockenhaus und Turmerhohung 12 Jahrhundert Zeltdacher 1553 nbsp Stiftskirche in Bad Munstereifel um 1100 nbsp St Pantaleon in Koln Emporenoffnung des Westbaus zum Kircheninneren nbsp Essener Munster Westbau 997 1002 nbsp Stiftskirche Freckenhorst nbsp Mindener Dom 1152 zum Westriegel umgestaltet nbsp Kloster Mollenbeck ottonische Flankenturme der Mittelturm ist 1248 durch Brand zerstort worden nbsp Servatiuskirche in Maastricht nbsp St Bartholomaus Kirche in Luttich nbsp Stiftskirche St Gertrud in Nivelles mit Westapsis 12 Jahrhundert nbsp Kirche von Husaby Schweden Westwerk 11 Jahrhundert durch sachsisch westfalische Vorbilder beeinflusst nbsp Aakirke BornholmLiteratur BearbeitenWilhelm Effmann Centula St Riquier Eine Untersuchung zur Geschichte der kirchlichen Baukunst in der Karolingerzeit Forschungen und Funde Bd 2 Aschendorff Munster in Westf 1912 Alois Fuchs Die karolingischen Westwerke und andere Fragen der karolingischen Baukunst Paderborn 1929 Felix Kreusch Beobachtungen an der Westanlage der Klosterkirche zu Corvey Bohlau Koln 1963 Friedrich Mobius Westwerkstudien Friedrich Schiller Universitat Jena 1968 Dagmar von Schonfeld de Reyes Westwerkprobleme Zur Bedeutung der Westwerke in der kunsthistorischen Forschung VDG Verlag und Datenbank fur Geisteswissenschaften Weimar 1999 ISBN 3 89739 026 4 Uwe Lobbedey Romanik in Westfalen Echter Verlag Wurzburg 1999 Uwe Lobbedey Westwerke des 12 Jahrhunderts in Westfalen in M Kozok Hrsg Architektur Struktur Symbol Streifzuge durch die Architekturgeschichte von der Antike bis zur Gegenwart Festschrift fur Cord Meckseper zum 65 Geburtstag Petersberg 1999 S 85 100 Clemens Kosch Vorromanische Westwerke und ihre Veranderungen in der Stauferzeit Das Beispiel St Pantaleon in Colonia Romanica Jahrbuch des Fordervereins Romanische Kirchen Koln e V 14 1999 S 79 102 Uwe Lobbedey Westwerke und Westchore im Kirchenbau der Karolingerzeit in Am Vorabend der Kaiserkronung das Epos Karolus Magnus et Leo papa und der Papstbesuch in Paderborn 799 hrsg von Peter Godman u a Akademie Verlag Berlin 2002 S 163 191 ISBN 3 05 003497 1 Heiko Seidel Untersuchung zur Entwicklungsgeschichte sakraler Westbaulosungen des kernsachsischen Siedlungsraumes in romanischer Zeit dargestellt vornehmlich an den Beispielen der Klosterkirche Marienmunster und der Pfarrkirche St Kilian zu Hoxter Dissertation Hannover 2003 Digitalisat Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Westwerke Sammlung von Bildern Videos und AudiodateienEinzelnachweise Bearbeiten Franz Falk Zur alteren Glockenkunde In Der Katholik 49 NF 22 1869 S 589 602 701 710 hier S 602 Uwe Lobbedey Westwerke des 12 Jahrhunderts in Westfalen In Maike Kozok Architektur Struktur Symbol Petersberg 1999 S 85 Werner Muller Gunther Vogel dtv Atlas zur Baukunst Band 2 5 Auflage 1987 Seite 371 Uwe Lobbedey Westwerke des 12 Jahrhunderts in Westfalen In Maike Kozok Architektur Struktur Symbol Petersberg 1999 S 87 Normdaten Sachbegriff GND 4189752 3 lobid OGND AKS Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Westwerk amp oldid 225607703