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Die Abteikirche Saint Philibert in Tournus in direkter Nahe zur Saone gelegen und Zentrum der Benediktinerabtei und Stadt Tournus gehort zu den bedeutendsten fruhromanischen Sakralbauten Mitteleuropas Die mehrphasige Geschichte des heute bestehenden Baus zog sich durch das 11 und 12 Jahrhundert hin Schutzpatron der Kirche ist der heilige Philibert dessen Reliquien in der Zeit der Uberfalle der Normannen von der Abtei Noirmoutier wo er gestorben war hierher in Sicherheit gebracht wurden Die DoppelturmfassadeSiehe den Hauptartikel Benediktinerabtei TournusDie Basilika besteht aus drei Schiffen von je funf Jochen hat ein Querschiff einen Umgangschor mit Kapellenkranz und im Westbau eine ebenfalls dreischiffige Vorhalle und daruber eine Oberkirche Der Bau ist von grosser kunsthistorischer Bedeutung und in mehrerer Hinsicht ein Vorreiter entscheidender architektonischer Entwicklungen Zum ersten Mal in der burgundischen Baukunst erscheint hier moglicherweise die Doppelturmfassade die Quertonnen uber dem Mittelschiff gelten als alteste selbsttragende Gewolbe der Nachantike und in der Krypta findet man zum ersten Mal in Burgund den Grundriss eines Chorumgangs mit Radialkapellen der fur die kommende Entwicklung bis weit in die Gotik hinein bestimmend bleiben sollte 1 Inhaltsverzeichnis 1 Baugeschichte 2 Fassade 3 Vorkirche Narthex 4 Langhaus 5 Chor 6 Krypta 7 Ausstattung 7 1 Orgel 8 Einzelnachweise 9 Literatur 10 WeblinksBaugeschichte BearbeitenMan rechnet mit mindestens zwei Vorgangerbauten einer Kirche des spaten 9 Jahrhunderts die 937 bei Ungarneinfallen zerstort wurde und einem nach 949 vorgenommenen Neubau von letzterem sind heute noch die Aussenmauern des ehemals ungewolbten Langhauses mit seinen flachen Lisenen zu erkennen 2 Auch das Schema der Krypta mit ihrem Umgang und den drei radial gestellten Kapellen ein Grundriss der im Chor daruber seine Fortsetzung findet gehort dieser Phase an Eine Reparatur vielleicht auch ein weitgehender Neubau in den alten Strukturen wurde nach einem Brand 1007 notig sodass schon 1019 eine Weihe stattfinden konnte Es folgte um 1020 30 eine im Westen angefangene Langhauserweiterung mit Errichtung des heutigen Narthex Er hat die Breite des Chors woraus geschlossen wurde dass auch das ganze Langhausmittelschiff zunachst in diesen schmaleren Dimensionen geplant war um mit einer Langstonne uberwolbt werden zu konnen Um 1040 50 scheint man sich entschlossen zu haben auf die wegen der seitlichen Schubkrafte statisch heikle Langstonne sowohl im Narthex als auch im Langhausmittelschiff zu verzichten und auf die ursprungliche Breite und die alten Aussenmauern zuruckzukommen Weiter nach aussen gestellte Rundpfeiler und verkurzte Joche erlaubten hier aber um 1070 80 die Wolbung mit Quertonnen eine extreme Ausnahme nicht nur in der burgundischen Architekturgeschichte Zugleich errichtete man die Michaelskapelle das hohe Obergeschoss der jetzt als Narthex zu definierenden westlichen Joche sie erhielten im Mittelschiff eine Langstonne und seitlich Vierteltonnen Beobachtungen am uneinheitlichen Schichtwechsel der Gurtbogen sprechen fur einen Einsturz des Vierungsturms der mit den Nachbarjochen und dem Chor wohl um 1100 erneuert wurde Ein Weihedatum 1120 bezieht sich vielleicht auf die Vollendung des Chors doch werden sich die Arbeiten an der Kirche noch uber die Mitte des 12 Jahrhunderts hinweg hingezogen haben Fassade BearbeitenWie bei vielen anderen Kirchen aus der Zeit vor 1100 hat die Fassade einen wehrhaften Charakter Die einzigen Verzierungen Bogenfriese und Lisenen folgen erkennbar lombardischen Vorbildern Wie auch in anderen Kunstlandschaften nordlich der Alpen waren hier Bauleute aus Norditalien beteiligt Die Westfassade ist 28 m hoch Portal und Zinnenbalkon wurden bei der Restaurierung im 19 Jahrhundert nachtraglich hinzugefugt Ob die westwerkartige Fassade mit der um 1020 30 der Neubau begonnen wurde insgesamt aus diesen Jahren stammt ist eher unsicher In den Gliederungselementen des Fassadenuntergeschosses werden die Turme noch nicht vorbereitet Teilweise wird daher eine spatere Entstehung um 1070 80 im Zusammenhang mit der inneren Umgestaltung siehe weiter unten angenommen 3 Wenn allerdings die Obergeschosse doch schon um 1030 datiert werden mussen hatten sie als das fruheste erhaltene Beispiel einer Doppelturmfassade zu gelten 4 denn das mogliche Vorbild aus noch fruheren Jahren am zweiten Bau von Cluny ist nicht erhalten Noch waren die Freigeschosse erst als kleine Stumpfe ausgebildet wie es der Sudturm bis heute zeigt Die Erhohung des Nordturms erfolgte erst im 12 Jahrhundert Vorkirche Narthex Bearbeiten nbsp Michaelskapelle nbsp Gewolbe des NarthexDie westlichen Joche der Narthex der heutigen Kirche wurden um 1020 als Erweiterung eines bestehenden Langhauses begonnen 5 Diese dreischiffige Vorkirche ist heute eine zweigeschossige Anlage die mit der Hauptkirche durch Bogenstellungen verbunden ist nbsp GerlannusSie ist im Erdgeschoss des Mittelschiffs kreuzgratgewolbt die Seitenschiffe sind mit Quertonnen zur Mitte geoffnet An den wuchtigen Rundpfeilern und anderen Indizien 6 kann geschlossen werden dass hier wie auch im gesamten Langhausneubau zunachst eine Tonnenwolbung nach dem Vorbild des zweiten Baus von Cluny geplant war Fur 1040 50 wird eine Umplanung angenommen die sich aus der ungewohnten statischen Problematik weitgespannter Wolbungen ergab Auf die Langstonne wurde jetzt ganz verzichtet Die westlichen Joche wurden durch Geschossteilung zum Narthex umgestaltet dessen unteres Mittelschiff mit Kreuzgratgewolben die Seiten aber mit Quertonnen gedeckt wurden Uber dieser Vorkirche befindet sich die dem Patronat Erzengel Michael anvertraute in ihrem Mittelschiff 12 m hohe und zur Hauptkirche hin offene Kapelle ihre Rundpfeiler tragen rechteckige Wandvorlagen die zum leicht angespitzten Tonnengewolbe des Mittelschiffs hinaufreichen das von den viertelkreisformigen Seitenschiffsgewolben gestutzt wird vielleicht erst um 1070 An der Arkade zum Langhaus befindet sich die Relieffigur eines bartigen Mannes mit einem Hammer daneben eine Inschriftplatte mit dem Namen Gerlannus der als Abt oder Baumeister der Kirche gedeutet wird Der ehemalige Text der Inschrift Gerlannus Abate Isto Moneteium e ile ist offenbar verdorben Zusammen mit einer weiteren Reliefplatte des Bogens mit einem groben Gesicht gehort die Figur zu den altesten aber nicht sicher datierbaren erhaltenen Werken romanischer Bauplastik Langhaus Bearbeiten nbsp Kirchenschiff von Saint PhilibertDas Langhaus ist ebenfalls ungewohnlich Besondere Beachtung verdient das ungewohnliche Quertonnengewolbe Es wird von hohen massiv gemauerten Rundpfeilern getragen Fur das Mauerwerk der Gurtbogen wurden weisse und rote Quadersteine im Wechsel verwendet Als die Wolbung des Vorbaus gelungen war uberwolbte man mutig geworden um 1050 das noch breitere Hauptschiff Dabei nutzte man die Erfahrungen vom Bau der nahegelegenen Prioratskirche St Martin in Chapaize Trotzdem misslang der Versuch denn schon bald drohte das Gewolbe wegen der auftretenden Schubkrafte einzusturzen Deshalb riss man es schon um 1070 wieder ab errichtete als Notlosung in jedem der kurzen Joche des Mittelschiffs ein eigenes quer zur Langsrichtung errichtetes Tonnengewolbe und konnte so die alten Pfeiler und Aussenmauern beibehalten Auf Schwibbogen ruhen seitdem funf quer zur Mittelschiffsachse stehende Tonnengewolbe mit geringem Radius Ihre Schubkrafte hoben sich gegenseitig auf und druckten die seitlichen Mauern nicht mehr nach aussen Auch war es dadurch moglich grosse Fenster in die Aussenmauer einzulassen 7 Durch diese fruhe und seltene Gewolbelosung auch wenn sie eine Notlosung war erscheint der Kirchenraum in Tournus wie eine hohe Halle Schwibbogen uber Konsolen spannen sich uber das Mittelschiff Der Blick in die verschiedenen Gewolbeteile demonstriert in welchem Ausmass hier im 11 Jahrhundert mit ganz verschiedenen Konstruktionsmitteln experimentiert wurde Die Seitenschiffe des Langhauses sind mit Kreuzgratgewolben bedeckt Obwohl die Quertonnen die Kirche sehr hell machen ist diese Idee bei anderen Grosskirchen nicht nachgeahmt worden Ein Grund konnte sein dass die Gestalt der Querstrukturen der Idee einer nach Osten auf das Sanktuarium orientierten Bewegungsrichtung der Pilger und anderen Glaubigen storend entgegenstand 8 Chor BearbeitenAuch bei der Entwicklung der Chorbauweise steht Saint Philibert ganz am Anfang Hier beruht der Umgangschor mit drei flach geschlossenen Radialkapellen also mit Kapellen die als einzelne Bauteile strahlenformig an den Chorumgang angebaut sind auf dem Kryptengrundriss des 10 Jahrhunderts Aus solchen fruhen Formen hat sich spater der Kapellenkranz entwickelt und die zahlreichen Varianten die den Chor zu einem dominierenden Element der Kirchenanlage gemacht haben wie zum Beispiel in der dritten Kirche der Abtei Cluny Das aufgehende Mauerwerk des Chors wurde allerdings im 12 Jahrhundert nach Einsturz des Vierungsturms weitgehend erneuert Die Anlage dieser Radialkapellen hatte einen liturgischen Sinn In den Klosterkirchen musste jeder Monch der auch Priester war die Verpflichtung jeden Tag eine Messe lesen Gleichzeitig erlebte die mittelalterliche Heiligenverehrung und vor allem das Pilgerwesen einen gewaltigen Aufschwung So wurden zusatzliche Altare und Orte der Reliquienverehrung in der Kirche erforderlich die in Prozessionen abgeschritten werden konnten Da die Kapellen uber Fenster verfugten wurde so im ausgehenden 11 Jahrhundert der Grundstein fur eine sichtbare Veranderung gelegt Am Anfang stehen die dunklen Chore der Romanik am Ende der Lichtschrein den Abt Suger seit 1140 mit der Kathedrale von Saint Denis als erstes gotisches Gebaude errichtete Krypta Bearbeiten nbsp KryptaDie Krypta von St Philibert ist der alteste erhaltene Teil der Kirche und eine der altesten Umgangschoranlagen mit Kapellen der europaischen Baukunst Die altesten bekannten Krypten zum Beispiel in Auxerre stammen aus der Zeit um 850 Sie hatten rechtwinklige Umgange Die Krypta von Tournus stammt ursprunglich aus dem Jahr 875 Ungefahr hundert Jahre spater passten die Monche den Umgang der runden Chorform daruber an und erganzten die rechteckigen Kapellen Der von zwei Reihen schlanker Saulen geteilte Hauptraum ist aber auch heute noch rechteckig Der Mittelbereich ist durch zehn schlanke Saulen mit antikisierenden Kapitellen unterteilt An der Krypta Westwand befindet sich ein alter Brunnen der im Verteidigungsfall die Wasserversorgung gewahrleistete Ein Fresko aus dem 12 Jahrhundert ist besonders gut erhalten es stellt Maria mit dem Kind und den thronenden Christus dar nbsp Seitenaltar der braunen Madonna Ausstattung BearbeitenZu der ansonsten eher sparlichen Ausstattung gehoren der moderne Reliquienschrein des heiligen Philibert im Chor Eine Seltenheit sind die im 20 Jahrhundert entdeckten mittelalterlichen Fussbodenmosaike im Chorumgang sie zeigen Monatsarbeiten und Tierkreiszeichen 9 Im sudlichen Seitenschiff befindet sich die Zedernholz Madonna Notre Dame la Brune braune Madonna aus dem fruhen 12 Jahrhundert in einer spitzbogigen gotischen Wandnische vor Wandmalereien des 14 Jahrhunderts sie war im Mittelalter ein bedeutendes Wallfahrtsziel Im Obergeschoss des Narthex finden sich vier handbetriebene Blasebalge die in fruheren Zeiten die Luft zum Spielen der Orgel lieferten Orgel Bearbeiten nbsp Blick durch das Langhaus auf die OrgelDie Orgel der Abteikirche hat eine wechselvolle Geschichte hinter sich Sie geht zuruck auf ein Instrument das im 17 Jahrhundert von dem Orgelbauer Jehan d Herville Troyes Champagne erbaut wurde das Gehause stammt von dem Kunstler Gaspard Symon Tournus Im Laufe der Zeit wurde die Orgel immer wieder restauriert und uberarbeitet 1929 bis 1932 wurde sie von dem Orgelbauer Edouard Ruche Lyon umfassend restauriert und dabei grundlegend verandert Die bislang mechanischen Trakturen wurden durch pneumatische ersetzt und die Orgel wurde insgesamt mit einer elektrischen Balganlage ausgestattet Ausserdem kam es zu nachhaltigen Veranderungen in der Disposition 1978 wurde das Instrument mit Blick auf eine umfassende Restaurierung und Ruckfuhrung auf den Ursprungszustand abgebaut Seit 1990 ist die Orgel wieder in Betrieb Das Instrument hat 32 Register auf vier Manualwerken und Pedal Vier Register des Pedals sind aus der Grand Orgue abgeleitet Die Orgel hat eine elektrische Windanlage und zusatzlich eine mechanische Balganlage die in der Kapelle Saint Michel untergebracht ist Die Trakturen sind mechanisch 10 I Positif de dos C f31 Bourdon 8 2 Montre 4 3 Nazard 2 2 3 4 Doublette 2 5 Tierce 1 3 5 6 Larigot 1 1 3 7 Cymbale IV V8 Cromorne 8 II Grand Orgue C f39 Montre 8 10 Bourdon 8 11 Prestant 4 12 Flute 4 13 Nazard 2 2 3 14 Doublette 2 15 Tierce 1 3 5 16 Fourniture III17 Cornet V ab c1 18 Cymbale III19 Trompette 8 20 Voix Humaine 8 21 Clairon 4 III Recit g0 f322 Flute 8 23 Flute 4 24 Cornet III IV Echo c1 g325 Cornet V26 Trompette 8 Pedale C f127 Soubasse 16 28 Flute Nr 9 8 29 Flute Nr 11 4 30 Bombarde 16 31 Trompette Nr 19 8 32 Clairon Nr 21 4 Koppeln I II III II IV III II PEinzelnachweise Bearbeiten Droste 2009 S 117 Helm Laule Wischermann 1988 S 48 49 und Abb 10 Laule Wischermann 1991 S 465 Helm Laule Wischermann 1988 S 26 28 39 48 Laule Wischermann 1991 S 467 Raymond Oursel Henri Stierlin Hrsg Romanik Architektur der Welt Bd 15 S 17 Thosten Droste Burgund 1993 S 24 So die baugeschichtliche Analyse in der Monographie von Helm Laule Wischermann 1988 S 25 31 39 48 Unter anderem die in der Narthexwestwand vermauerten also einer voraufgehenden Planung angehorenden Pfeiler vgl Bernhard und Ulrike Laule Romanische Architektur in Frankreich In Rolf Toman Hrsg Die Kunst der Romanik Koln 1996 S 124 Droste 2009 S 119 Jacques Mossot Bild Nr 74959 Mosaik hinter dem Hochaltar In structurae de 24 Juli 2014 abgerufen am 11 Februar 2020 Tournus eglise abbatiale romane St Philibert architecture orgues In orgues et vitraux ch Abgerufen am 11 Februar 2020 franzosisch Literatur BearbeitenBernhard und Ulrike Laule Romanische Architektur in Frankreich In Rolf Toman Hrsg Die Kunst der Romanik Koln 1996 S 124 Bernard und Ulrike Laule Heinfried Wischermann Burgund Kunstdenkmaler in Frankreich Ein Bildhandbuch Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 1991 S 465 467 Sebastian Helm Ulrike und Bernhard Laule und Heinfried Wischermann Saint Philibert in Tournus Baugeschichte und architekturgeschichtliche Stellung Freiburg 1988 Thorsten Droste Burgund DuMont Kunstreisefuhrer Ostfildern 5 Auflage 2009 S 115 121 Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Saint Philibert Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien St Philibert Tournus In Structurae Saint Philibert de Tournus In Le site sur l Art Roman en Bourgogne 13 Oktober 2019 abgerufen am 11 Februar 2020 franzosisch Lucien Martinot St Philibert de Tournus In Art Roman net Abgerufen am 11 Februar 2020 franzosisch Alexander Bruggemann Tournus eine der wichtigsten romanischen Kirchen Frankreichs In katholisch de 11 Februar 2020 abgerufen am 11 Februar 2020 Zwei baugeschichtliche Beschreibungen zu St Philibert in Tournus in archinform46 563836111111 4 9106027777778 Koordinaten 46 33 49 8 N 4 54 38 2 O Abgerufen von https de wikipedia org w index php title St Philibert Tournus amp oldid 237934366