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Dieser Artikel beschreibt das Geblase einer Orgel Zum Antrieb einer Seilwinde siehe Seilbagger Windwerk Das Windwerk auch Balgwerk Windanlage oder bei modernen Orgeln vereinfachend Geblase genannt ist eine Baugruppe der Orgel die zustandig ist fur die gleichmassige Erzeugung Regulierung Verteilung und Modellierung von Druckluft welche im Orgelbau und Drehorgelbau als Wind bezeichnet wird Kalkant an Schopfbalgen Person links Inhaltsverzeichnis 1 Konstruktionsprinzip 2 Aufgaben 2 1 Erzeugung 2 1 1 Geschichtlicher Abriss mit technischer und auffuhrungspraktischer Bedeutung 2 2 Regulierung 2 2 1 Windstossigkeit 2 2 2 Tremulant 2 2 3 Winddrossel 2 3 Verteilung 2 4 Arbeitswind 3 Kleinstorgeln 4 Literatur 5 Weblinks 6 EinzelnachweiseKonstruktionsprinzip BearbeitenDas Windwerk besteht heute in der Regel aus einem Schleudergeblase Winderzeugung einem Magazinbalg Regulierung und Windkanalen Verteilung welche den Wind zu den Windladen leiten auf denen die Orgelpfeifen stehen Haufig befindet sich auch ein Tremulant als Windmodulierung im Windwerk Der Winddruck hangt von der Bauart und Charakteristik der verbauten Register von den akustischen Eigenschaften des Raumes sowie von dem gewunschten Gesamtklang der Orgel ab Der Druck des Orgelwindes wird mit Hilfe einer so genannten Windwaage in Millimeter Wassersaule 1 mmWS 9 807 Pa gemessen welche fruher aus einem mit Wasser gefullten gebogenen Glasrohr auch Schlangenrohr genannt bestand Beginnend mit einem Winddruck von etwa 50 mmWS bei fruhbarocken italienischen und suddeutschen Orgeln stieg dieser bis auf 100 mmWS zur Zeit der Hochromantik Auch wurden in dieser Zeit besonders scharf klingende so genannte Hochdruckregister mit bis zu in der Regel 300 mmWS Winddruck gebaut Bei Freiluftorgeln wie bei der Heldenorgel in Kufstein wird ein Winddruck von 470 mmWS benotigt Bei der Vox Maris 1 laut Guinness Buch der Rekorde lauteste Orgel der Welt wird als extreme Ausnahme ein Winddruck von 100 000 mmWS etwa 10 bar benotigt Dieser hohe Druck wird aber nicht mehr mit einem Schleudergeblase sondern durch eine Druckluftanlage erzeugt Aufgaben BearbeitenErzeugung Bearbeiten nbsp Schleudergeblase Radialventilator In den meisten modernen Orgeln wird der Wind durch speziell fur den Orgelbau hergestellten Schleudergeblasen Radialventilatoren erzeugt welche mit drehenden Schaufelradern in einem Gehause die Luft komprimieren und kontinuierlich abgeben 2 Dieser Wind ist zwar aufgrund von Verwirbelungen leicht unruhig trotzdem aber so konstant dass lediglich kleinere Schwimmerbalge notig sind um auch beim Spielen den gewunschten gleichmassigen Windstrom zu erzielen Die meisten Schleudergeblase arbeiten in einem Drehzahlbereich von 1500 bis 2500 min Je langsamer das Geblase lauft desto verwirbelungs und stromungsgerauschfreier ist der von ihm erzeugte Wind Andererseits sind schnelllaufende Geblase in ihrer Bauart kompakter und somit platzsparender und kostengunstiger Der Aufstellungsort von Schleudergeblasen soll so beschaffen sein dass moglichst keine direkten und indirekten Motorengerausche zu horen sind Grundsatzlich sollen Schleudergeblase daher schwingungsfrei aufgestellt werden um die Ubertragung von Korperschall auf die Standflache des Motors und auf die weitere Windanlage zu verhindern Die Ubertragung von direkten Motorgerauschen durch Luftschall wird bei grossen Schleudergeblasen durch die Aufstellung in einem separaten Raum bei kleineren Geblasen durch die Aufstellung in einer schallisolierten Kiste innerhalb bei Positiven und Kleinorgeln teilweise auch ausserhalb des Orgelgehauses unterbunden Geschichtlicher Abriss mit technischer und auffuhrungspraktischer Bedeutung Bearbeiten nbsp Drei Schopfbalge gebaut als Keilbalge mit dazugehorigen Fusstritten nbsp Kastenbalg Fig 942 b und Treteinrichtung J und H Vor der Zeit der Elektrifizierung bis gegen Ende des 19 Jahrhunderts mussten Kalkanten oder Balgtreter genannte Helfer zur Erzeugung des Spielwinds sogenannte Schopfbalge betatigen Diese waren meist als Keilbalg oder auch als Falten oder Kastenbalg realisiert und waren mit den Handen oder Fussen zu betatigen Je nach Orgelgrosse benotigte man bis zu zwolf Kalkanten die sich standig in Bereitschaft halten mussten und bei Bedarf ihre Arbeit begannen Als Signal betatigte der Organist einen Registerzug der mit einem Glockchen verbunden war Ein mit Muskelkraft erzeugter Spielwind wird in der heutigen Praxis nur noch sehr selten eingesetzt Auch bei historischen Orgeln wird der Kalkant durch elektrische Geblase ersetzt oder zumindest erganzt Dennoch wird ein naturlich erzeugter Wind bei Konzerten und Tontragereinspielungen von alten Orgeln und im Bereich der historischen Auffuhrungspraxis geschatzt Der Spielwind der in der Regel von mehreren Keilbalgen erzeugt wird wird uberaus ruhig und gleichmassig an das Instrument abgegeben Je nach Geschick des Kalkanten sind nur gelegentlich winzige Schwankungen beim Wechsel der Balge horbar Vom Kalkanten muss nach einem raschen Aufziehen des Balges durch einseitiges Heben der auf der Oberseite befindlichen mit Gewichten belasteten Balgplatte von Hand oder bei grossen Balgen uber einen mechanisch umgelenkten Fusstritt diese daraufhin vorsichtig losgelassen werden um keine horbaren Windstosse zu verursachen Kleine aus diesem Vorgang resultierende Ungleichmassigkeiten werden vom Spieler und Horer als lebendiger Wind vernommen Ein solcher Orgelwind ist grundsatzlich frei von jeglicher Art von Storungen durch Vibrationen oder Verwirbelungsgerausche von einem rotierenden Schaufelrad dessen erzeugte Frequenzen im Horbereich liegen Auch indirekte Motorgerausche die uber das Gehause der Orgel ubertragen werden sind nicht vorhanden Bei Neubauten in einem vormodernen Orgelstil finden zunehmend auch die dem jeweiligen Instrumententypus historisch entsprechenden Balganlagen Verwendung Bei Restaurierungen vormoderner Instrumente steht die Erhaltung der originalen Windanlage im Mittelpunkt so dass auch bei besonderen Anlassen noch ein manuell durch Kalkanten erzeugter Wind verwendet werden kann Oft wird versucht die Vorteile der Schopfbalge durch den Anbau von mechanischen pneumatischen oder auch elektrischen Aufblas oder Aufzuganlagen nutzbar zu machen Jedoch waren fruher Fehleranfalligkeit die Betriebskosten durch Wartung sowie der Verschleiss sehr hoch Gelungene technische Umsetzungen neueren Datums sind die Balgaufzugsmaschinen mit Getriebemotoren wie bei der 2007 restaurierten Dummel Orgel in St Leonhard ob Tamsweg 3 oder auch durch die sogenannte Pumpende Balganlage bei der 2009 restaurierten Ignaz Egedacher Orgel in Vornbach 4 nbsp Schopfbalg unten mit daruber liegendem Parallelbalg Magazinbalg nbsp Tretanlage mit Anzeiger Fur altere Musik wird die so erzielte Lebendigkeit und Ruhe des Orgelwindes oft als Atmen der Orgel beschrieben geschatzt fur Musik seit dem fortgeschrittenen 19 Jahrhundert forderte man hingegen absolute Windstabilitat Um dieses Ziel zu erreichen wurde auch die Balgkonstruktion vollig verandert Ein oder mehrere Schopfbalge fordern Luft in einen Magazinbalg der als Reservoir dient Der Rhythmus der zu schopfenden Luft wurde nicht mehr vom Absinken der jeweiligen Balge bestimmt Das Ziel der Kalkanten war es nun moglichst das Maximum der Magazinbalgausdehnung zu erreichen und diese dann wahrend des Spiels zu halten was uber eine Zeigervorrichtung nahe der Tretanlage ablesbar war Kleine Stossbalge die in mehreren Bereichen der Orgel eingebaut waren federten selbst die kleinsten Unebenheiten des Spielwindes ab Damit anderten sich die Anforderungen an den Kalkanten Jeder Beliebige konnte nach einer kurzen Einweisung Wind schopfen was auch zu einer Menge an Anekdoten rund um die Blasbalgtreterei fuhrte Viele Menschen hatten auf diese Weise einen unmittelbaren Kontakt zu Orgeln Versuche die Menschenkraft mit Wasser und Dampfenergie uberflussig zu machen scheiterten oft Erste Erfolge brachten Gasmotoren aus dem spaten 19 Jahrhundert Erst mit dem Siegeszug der Elektrizitat konnte der Organist jederzeit Orgelklange zu Gehor bringen Regulierung Bearbeiten nbsp SchwimmerbalgEin gleichmassiger Orgelwind ist fur die Funktion einer Orgel unerlasslich Der Orgelwind hat grossen Einfluss auf Tonhohe und Charakter des Klanges einer Orgel Mit Schleudergeblasen ausgestattete Orgeln benotigen zur Regulierung des Orgelwindes kaum noch grosse Balganlagen Schwimmerbalge sind heute in der Regel erheblich kleiner ausgefuhrt und befinden sich entweder direkt an der Windlade oder sogar an der Unterseite der Windlade selbst als Ladenbalge Sie dienen fast ausschliesslich der Kompensation von Luftdruckschwankungen die durch die leichten Verwirbelungen des Motors entstehen und die durch den Spielbetrieb an der Kanzelle erzeugt werden nbsp Vorhang oder RollventilDa zur Regulierung des Winddurchflusses zum Balg eine einfache Abriegelung Drosselung ausreicht werden neben anderen Ventiltypen wie einfachen Scheibenventilen oder Schiebern auch so genannte Vorhang oder Rollventile eingesetzt Windstossigkeit Bearbeiten Als Windstossigkeit bezeichnet man den Effekt von unbeabsichtigten Winddruckschwankungen beim Orgelspiel Nebeneffekte der Windstossigkeit sind horbare Tonhohenschwankungen bis hin zum Versagen einzelner auf eine stabile Windversorgung angewiesener Pfeifen wie etwa Zungenpfeifen Dieses Phanomen tritt uberwiegend bei historischen Orgeln des Barock und deren Nachbauten auf Bei romantischen Orgeln ist Windstossigkeit weitestgehend unbekannt Die Windstossigkeit fuhrte unter anderem dazu dass in den 1960er und 1970er Jahren das sogenannte Aqualverbot gelehrt wurde beim Registrieren von Literatur des Barock sollten keine zwei Register einer Fusstonzahl gleichzeitig benutzt werden Aus heutiger Sicht und bei Berucksichtigung historischer Quellen ist diese Ansicht allerdings als uberholt zu betrachten Tremulant Bearbeiten Hauptartikel Tremulant Ziel aller bisher aufgefuhrten Konstruktionen ist es den Orgelwind moglichst schwankungs und stossfrei zu den Orgelpfeifen zu fuhren Mit Hilfe eines Tremulanten konnen periodische Druckschwankungen erzeugt werden So entsteht ein Vibrieren der Tone des gesamten Teilwerkes oder je nach Konstruktion haufig bei kleinen Orgeln des ganzen Instruments Bei einigen modernen Tremulanten ist auch eine Einstellmoglichkeit der Geschwindigkeit der zu erzeugenden Vibrationen moglich Die Einstellung kann man an einem Regler vornehmen der sich am Spieltisch befindet Es gibt auch Tremulanten fur ein einziges Register Winddrossel Bearbeiten Die Winddrossel ist eine orgelbautechnische Einrichtung des 20 Jahrhunderts Der Orgelwind wird unter das Niveau des festgelegten Solldrucks gebracht Der Organist kann durch eine stufenlose Regelung mehr oder wenig zufallig vollkommen unterschiedliche Klangeffekte erzielen Technisch wird diese Einrichtung meist durch eine elektronische Modulation der Drehgeschwindigkeit des Orgelmotors realisiert Diese spezielle Klangvariante wird beispielsweise bei einigen Orgelwerken von Gyorgy Ligeti benotigt 5 nbsp Windwerk der Orgel in St Nicolai Steckby mit rohrenformigen WindkanalenVerteilung Bearbeiten Der Wind gelangt uber meist holzerne Windkanale vom Geblase uber verschiedene Balgsysteme zu den Windladen Die Windkanale mussen so gebaut sein dass sie den Wind moglichst ohne Druckverlust und ohne grossere Stromungsverwirbelungen zum Bestimmungsort fuhren Es muss auch darauf geachtet werden dass in ihnen keine nach aussen dringenden Stromungsgerausche entstehen Das Gleiche gilt auch fur die Ventilkasten und Kanzellen an der Windlade selbst Eine ausreichende Dimensionierung der Windkanale hat einen nicht zu unterschatzenden Einfluss auf die Qualitat des Orgelklanges Arbeitswind Bearbeiten Bei Orgeln mit pneumatischer Spiel oder Registertraktur ist das Windwerk auch fur die Erzeugung des sogenannten Arbeitswindes verantwortlich der bei pneumatischen Trakturen fur die Ventilsteuerung zustandig ist Gegenpart ist der Spielwind der fur die Klangerzeugung in den Pfeifen bestimmt ist Sinnvoll ist es den Arbeitswind mit einem hoheren Druck auszulegen als den Spielwind da die Steuerung dadurch schneller und praziser funktioniert Dies bedeutet aber eine wesentlich kompliziertere und aufwandigere Konstruktion der Geblase oder Balganlage Daher ist in der Praxis meist der Druck des Arbeitswindes identisch mit dem des Spielwindes Neben der Versorgung von Pfeifen diente der Orgelwind vor allem in der Renaissance und wahrend der Barockzeit zum Antrieb weiterer Effektregister wie zum Beispiel Zimbelsternen die sich heute auch elektrisch antreiben lassen Kleinstorgeln Bearbeiten nbsp Ein Mesner betatigt den Blasebalg einer Orgel italienisch 18 Jahrhundert Bei Portativen ist ein weit aufziehbarer Mehrfaltenbalg ohne Gewichte auf der Ruckseite des Instruments angebracht Der Spieler ist neben der Bedienung der Tastatur mit der rechten Hand auch fur eine sinnvolle und gleichmassige Luftfuhrung verantwortlich die die linke Hand vornimmt Dafur erlaubt der handgefuhrte Balg durch direkten Einfluss auf den Winddruck Stimmung Klang und Lautstarke der Pfeifen zu variieren Bei Regalen und Orgelpositiven werden in der Regel zwei Schopfbalge vom Kalkanten von Hand oder vom Spieler selbst mit den Fussen betatigt Werden bei Neubauten von Orgelpositiven Schleudergeblase eingesetzt kann man dagegen Regale nur sinnvoll mit handgezogenem Spielwind versorgen Zum einen reagieren Zungenpfeifen wesentlich deutlicher auf maschinellen Wind als Lippenpfeifen zum anderen sorgt in manchen Fallen eine dunn gebaute Balgplatte fur ein zusatzlich gewolltes leichtes Resonanzverhalten was beim Balgwechsel noch als zusatzliche Lebendigkeit vernommen wird Literatur BearbeitenWolfgang Adelung Einfuhrung in den Orgelbau Breitkopf amp Hartel Wiesbaden 1991 ISBN 3 7651 0279 2 2 uberarbeitete und erweiterte Ausgabe ebenda 2003 Roland Eberlein Die Geschichte der Orgel Siebenquart Koln 2011 ISBN 978 3 941224 01 8 Hans Klotz Das Buch von der Orgel Uber Wesen und Aufbau des Orgelwerkes Orgelpflege und Orgelspiel 14 Auflage Barenreiter Kassel u a 2012 ISBN 3 7618 0826 7 Johann Gottlob Topfer Lehrbuch der Orgelbaukunst 3 Auflage Rheingold Mainz 1939 Weblinks Bearbeiten nbsp Wiktionary Windwerk Bedeutungserklarungen Wortherkunft Synonyme Ubersetzungen Roland Eberlein Technik der Orgel III Winderzeugung Walcker Stiftung fur orgelwissenschaftliche Forschung Musikalische Akustik Fraunhofer Institut fur Bauphysik IBP Winderzeugung Memento vom 15 Februar 2011 im Internet Archive Einzelnachweise Bearbeiten Vox Maris die Stimme des Meeres Memento vom 24 August 2015 im Internet Archive auf der Website von Hey Orgelbau s a Patent DE151743C Schleudergeblase fur Orgeln und dgl Angemeldet am 21 April 1903 veroffentlicht am 3 Juni 1904 Anmelder Danneberg amp Quandt Walter Vonbank Restaurierbericht Triebendorf 2007 S 25 Informationen auf der Website von Orgelbau Kuhn abgerufen am 2 August 2014 Beschreibung der Winddrossel bei der Orgel in Denstedt abgerufen am 28 Januar 2017Baugruppen der Orgel Windwerk Spieltisch Traktur Windlade Register Orgelpfeife Prospekt Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Windwerk amp oldid 235704381