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Der Begriff Werk wird im Orgelbau in zwei leicht missverstandlichen Bedeutungen verwendet Zum einen im Zusammenhang mit dem Werkprinzip und zum anderen als Bezeichnung einzelner technischer Baugruppen der Orgel Inhaltsverzeichnis 1 Werkprinzip 1 1 Norddeutscher Barock 1 1 1 Hauptwerk 1 1 2 Pedalwerk 1 1 3 Brustwerk 1 1 4 Oberwerk 1 1 5 Ruckpositiv 1 1 6 Positiv 1 2 Romantik 1 2 1 Echowerk 1 2 2 Fernwerk 1 3 Auxiliarwerk 1 4 Sonstige Werkbezeichnungen 2 Technische Baugruppen 3 Literatur 4 EinzelnachweiseWerkprinzip Bearbeiten nbsp Schematischer Werkaufbau einer Orgel Hamburger Prospekt nbsp An dieser Orgel ist der Werkaufbau leicht zu erkennen St Wolfgangs Kirche Schneeberg Eine grossere Orgel besteht aus der Zusammenfassung mehrerer ursprunglich getrennt aufgestellter Orgelwerke Teilwerke Diese Unterteilung erfolgt nach dem Klangcharakter und speziellen spieltechnischen Aufgaben zum Beispiel dem Plenum Cantus firmus oder triomassigen Orgelspiel unter anderem als Hauptwerk HW Pedalwerk PW oder Schwellwerk SW Echowerk der Funktion nach benannt oder Oberwerk OW Brustwerk BW Ruckpositiv RP und Fernwerk den Standort bezeichnend Daneben gibt es noch weitere seltenere Teilwerke Allerdings existieren auch kleinere Orgeln mit teilweise nur einem Manual und ohne Pedalwerk Werk ist die Zusammenfassung von Gehause Pfeifen und Windlade eines solchen selbststandigen Teils einer Orgel Es wird zunachst von genau einer Klaviatur aus gespielt Der Werkaufbau des Pfeifenwerks einer Orgel spiegelt sich oft auch im Aufbau des Prospekts wider Norddeutscher Barock Bearbeiten In der klassischen Barock Orgel kommen folgende Werkbezeichnungen vor Hauptwerk Bearbeiten Hauptartikel Hauptwerk Orgel Das Hauptwerk HW manchmal auch nur Werk genannt ist das zentrale Teilwerk der Orgel mit den wichtigsten Pfeifen fur das gewohnliche Spiel Es verfugt in aller Regel uber einen vollstandigen Prinzipalchor mit Mixturen sowie Zungenstimmen der Trompetenfamilie Flotenregister Streicher und Aliquotregister konnen hinzutreten wobei Streicher erst gegen Anfang des 18 Jahrhunderts aufkamen und also in der typischen norddeutschen Barockorgel noch nicht vorhanden sind Aliquotregister im Hauptwerk waren im norddeutschen Raum eher in kleineren Orgeln verbreitet dann vor allem in Gestalt der Sesquialtera zur Bildung eines Terzplenums Im niederlandischen Orgelbau der dem norddeutschen stark verwandt ist findet sich im Hauptwerk auch grosserer Orgeln oft ein Tertian Ublicherweise werden Terzstimmen fur ein Hauptwerksplenum bei grossen Barockorgeln aber mittels der Koppeln aus dem Ober oder Brustwerk entliehen Ursachlich fur diese Reinheit des Hauptwerkes ist seine Entwicklung aus dem gotischen Blockwerk das nur aus einem grossen Labialplenum bestand In dieser Form hat es sich wenn auch in Einzelregister aufgeteilt in grossen Orgeln als Hauptwerk bis zum fruhen 17 Jahrhundert erhalten in dessen Verlauf ein das Plenum erganzender oder auch solistisch zu verwendender Zungenchor langsam zum Standard wurde Pedalwerk Bearbeiten Hauptartikel Pedal Orgel Das Pedal werk PW enthalt die tiefsten Register der Orgel fast immer sind Stimmen in 16 Tonlage enthalten Oft ist es in sogenannten Pedalturmen untergebracht die mit ihren langen Prospektpfeifen die Seiten der Orgel begrenzen Im norddeutschen Orgelbau der Spatrenaissance und des Barock war ein eigenstandiges Pedalwerk meistens komplett ausgebaut das heisst Es enthielt sowohl ein Labialplenum bis zur Mixtur als auch einen Zungenchor von der 16 Fuss bis zur 4 Fuss oder manchmal auch 2 Fuss Lage was sogar fur ein Pedalplenum verschiedene Kombinationsmoglichkeiten zuliess Pedalkoppeln waren dabei unnotig Brustwerk Bearbeiten Das Brustwerk BW liegt direkt vor dem Spieler oberhalb des Spieltisches Der Ursprung des Brustwerkes ist ein zusatzlich in die Orgel eingebautes Regal das wegen der einfachen Erreichbarkeit zur haufigen Stimmung dort Platz fand Dieses wurde spater durch einige aus raumlichen Grunden uberwiegend kleine Labialregister erweitert Bis heute finden sich in den meisten Brustwerken noch kurzbechrige Zungenstimmen Die Labialpfeifen sind meist klein Prinzipale haufig erst ab 2 Dadurch ergibt sich insgesamt ein eher dunner spitzer Klangcharakter Oberwerk Bearbeiten Das Oberwerk OW befindet sich uber dem Hauptwerk und bildet meist nach dem Pedalwerk den hochsten Punkt der Orgel Bei grossen Orgeln aus der Hochzeit des norddeutschen Orgelbaus spiegelt das Oberwerk oftmals den Klangaufbau des Hauptwerks wider hat dialogische Funktion und kann ebenso als Verstarkung des Hauptwerksplenums verwendet werden So findet sich oftmals in norddeutschen Grossorgeln ausschliesslich eine Trompete 16 im Hauptwerk wahrend im Oberwerk eine Trompete 8 disponiert ist In der Spatrenaissance wurde das Oberwerk meist noch ausschliesslich von Zungen und dezenten Solostimmen dominiert oftmals ohne vollwertigen Prinzipalchor wahrend das Hauptwerk einzig ein grosses Labialplenum enthielt Die Entwicklung vom gotischen Blockwerk zum barocken Hauptwerk lasst sich auch an dieser Verschiebungslinie gut nachvollziehen Teilweise werden die Hauptwerke kleiner oder mittelgrosser Orgeln dieser Epoche ebenfalls ob ihrer Lage als Oberwerk bezeichnet Ruckpositiv Bearbeiten Das Ruckpositiv RP oder Positiv selten Ruckwerk befindet sich oft im Rucken des Organisten in einem eigenen Gehause meistens in der Emporenbrustung In nicht zu grossen Raumen ergibt sich durch die grossere Nahe zum Zuhorer oft ein etwas direkterer und frischerer Klangeindruck als bei den ubrigen Werken der Orgel Hier finden sich neben verschiedenen Zungenregistern haufig kraftige Soloregister und Aliquoten In norddeutschen Barockorgeln findet sich auch meist im Ruckpositiv ein voll ausgebauter Flotenchor Aus optischen und akustischen Grunden kann das Ruckpositiv nur deutlich kleinere Pfeifen aufweisen als das dahinter liegende Hauptwerk die Prospektprinzipale des Ruckpositivs liegen daher meistens eine Oktave hoher als die des Hauptwerks Koppeln vom Ruckpositiv zu ubrigen Teilwerken waren bei norddeutschen Barockorgeln unublich Anders als das Oberwerk enthielt das Ruckpositiv auch in der Spatrenaissance schon einen voll ausgebauten Prinzipalchor Positiv Bearbeiten Manchmal wurde auch bei kleineren Orgeln ein schwaches zusatzliches Werk auf einem zweiten Manual in Erganzung zum Hauptwerk als Positiv bezeichnet Dies fand in Anlehnung an das gleichnamige Musikinstrument statt Bei einer Anordnung in oberster Lage handelt es sich um ein Kronpositiv Romantik Bearbeiten Im Verlauf der Romantik verlor das Werkprinzip an Bedeutung An Stelle der differenzierten Klangfarben und raumlichen Staffelung tritt nun eine dynamische Abstufung Das erste unterste Manual erhalt dabei die starkeren Register die weiteren Manuale immer leisere So lassen sich verschiedene Typen von Klangfarben auf allen Manualen darstellen und uber die verschiedenen Manuale dynamische Stufen wahlen An beispielhaften Registern der Orgel der Lutherkirche Apolda Neubau durch Sauer 1893 94 lasst sich das Prinzip recht gut erkennen I ManualPrinzipal 16 Prinzipal 8 Gedackt 8 Viola di Gamba 8 Oktave 4 Flute harmonique 4 Mixtur V 5 1 3 Trompete 8 II SchwellwerkLieblich Gedackt 16 Geigenprinzipal 8 Lieblich Gedackt 8 Salicional 8 Oktave 4 Rohrflote 4 Progressio IV VOboe 8 III Schwellwerk Prinzipal amabile 8 Zartgedackt 8 Harmonika 8 Zartflote 4 Vor allem hohe Register finden im dritten Manual teilweise auch schon im zweiten Manual oft keine Entsprechung mehr so dass in der Regel die Registerzahl nach oben hin abnimmt Auch die in der romantischen Orgelmusik schnellen Wechsel von Dynamik und Klangfarbe erforderten mehr Werke als die barocke Orgel So haben sich in Deutschland noch folgende Werkbezeichnungen herausgebildet die bis auf das Schwellwerk das eine besondere Aufgabe hat allesamt auf den Aufstellungsort der Pfeifen Bezug nehmen Unterwerk Es ist normalerweise zu beiden Seiten des Spieltisches auf gleicher Ebene zu finden Hinterwerk Es ist hinter dem Hauptwerk aufgestellt Damit es in den Raum klingen kann hat das Hauptwerk dann kein geschlossenes Gehause Schwellwerk Es ist in einen Schwellkasten gebaut siehe Schwellwerk Fernwerk siehe unten Echowerk Bearbeiten Des Weiteren kam in der Romantik das schon besonders im suddeutschen Barock ohne Schwellkasten gebaute Echowerk besonders zur Geltung Unter dieser Bezeichnung versteht man ein schwach besetztes Teilwerk der Orgel zum Erzeugen eines Echoeffektes gegenuber den anderen Werken dessen Stimmen im Schwellkasten oder Untergehause der Orgel stehen Fernwerk Bearbeiten nbsp Schalloffnung Dom Passau Heiliggeistloch Das Fernwerk befindet sich fern von den ubrigen Werken einer Orgel d h an einer anderen Stelle in einem Kirchenraum bzw Konzertsaal Ublicherweise sind Fernwerke versteckt d h nicht sichtbar Sie finden sich etwa hinter einer Wand bzw Deckenverkleidung insbesondere in einer Schallkammer auf dem Dachboden eines Kirchenbaus der Klang des Fernwerks wird dann durch eine Schalloffnung im Gewolbe in den Kirchenraum geleitet 1 Fernwerke wurden in der Zeit des fruhen romantischen Orgelbaus erfunden Sie dienen dem Effektspiel d h der Erzeugung besonderer Klangeffekte Mit Fernwerken konnen Hall und Echo nachgeahmt werden Ihr Klang soll wie ein ferner Silberstrom herabrieseln d h es entstehen mystische Klangerlebnisse so als ob die Orgel aus anderen Spharen erklingt Fernwerke befinden sich in Deutschland zum Beispiel in der Passauer Domorgel in der Glaubenskirche Berlin Tempelhof in der Nikolaikirche Flensburg in der Hauptkirche St Michaelis Hamburg in der Marienbasilika Kevelaer in der Stadtkirche in Esslingen am Neckar in der Christuskirche Mannheim in der Kirche St Michael in Saarbrucken in der Stiftskirche Kaiserslautern in der Erloserkirche Bad Homburg in der Dankeskirche Bad Nauheim in der Stadthalle Gorlitz und in der Bartholomaikirche Altenburg In der Schweiz verfugen unter anderem die Orgeln von St Anton in Zurich Hottingen St Maria in St Gallen Neudorf St Maria Namen in Melchtal in der Franzosischen Kirche Bern in der Hofkirche Luzern sowie in der Kathedrale Notre Dame in Lausanne uber ein Fernwerk In Osterreich sind die Instrumente in der Basilika Mariatrost in Graz sowie in der Stadtpfarrkirche Bad Ischl zu nennen Unter der Bezeichnung Celestial Organ wurden Fernwerke auch in den USA realisiert Beispiele sind die St Bartholomew s Church in New York City Manhattan oder die St Philip s Episcopal Cathedral in Atlanta Von Fernwerken sind sonstige Werke zu unterscheiden die fern von der Hauptorgel in einem Kirchenraum bzw Konzertsaal positioniert sind und ebenfalls vom Hauptspieltisch aus angespielt werden Teilweise handelt es sich dabei um kleinere eigenstandige Orgelwerke etwa Chororgeln die zum Beispiel per WLAN von der Hauptorgel aus angespielt werden konnen Auxiliarwerk Bearbeiten Ein Auxiliarwerk auch Hilfswerk lat auxiliari helfen ist ein unselbstandiges Orgelwerk das in der Regel in raumlicher Distanz zur Hauptorgel positioniert ist und keinen eigenen Spieltisch hat und anders als ein romantisches Fernwerk oft auch sichtbar ist Es dient nicht zwingend dem Effektspiel sondern unterstutzt die Hauptorgel um einen von dieser weiter entfernten Bereich des Raums zu beschallen der von der Hauptorgel nur schlecht erreicht werden kann Daher entspricht die Disposition eines Auxiliarwerks in der Regel der eines Hauptwerkes um sich mit diesem akustisch gut zu mischen Beispielsweise wurde im Westwerk des Paulusdoms in Munster ein Auxiliarwerk errichtet da die Hauptorgel die sich im ostlichen Querschiff befindet in den hinteren Bereich des Domes nicht durchdringt sondern eher wie ein Fernwerk klingt Auch die Orgel im Essener Munster besitzt ein Auxiliarwerk Sonstige Werkbezeichnungen Bearbeiten Insbesondere in Grossorgeln finden sich auch folgende Werkbezeichnungen Bombard en werk Teilwerk der Orgel mit Zungenregistern vorzugsweise Bombarden Chamad en werk Eine Chamade war in der Militargeschichte ein mit einer Trompete gegebenes Signal von besonderer Lautstarke das in dem feindlichen Camp gehort werden sollte Ein Chamad en werk besteht massgeblich aus Chamaden Registern d h starktonende Zungenregister die einen trompeten bzw fanfarenahnlichen Klang erzeugen und in der Regel horizontal in den Kirchenraum reichen Oft handelt es sich dabei um Hochdruckregister Hochdruckwerk Ein in sich geschlossenes Orgelwerk bestehend aus Hochdruckregistern oft in Kathedralkirchen Kronwerk Ein kleines Positiv uber dem Hauptwerk ahnlich dem Oberwerk mit eigenen Prospektpfeifen Technische Baugruppen BearbeitenNeben dem Werkprinzip wird der Begriff Werk auch zur Bezeichnung der einzelnen Baugruppen einer Orgel verwendet Neben dem Pfeifenwerk besteht eine Orgel noch aus dem Windwerk welches den Wind erzeugt und zu den Windladen fuhrt und dem Regierwerk Dies ist der zentrale und wohl komplexeste Teil einer Orgel Das Regierwerk besteht aus dem Spieltisch und der Traktur und verbindet die Bedienelemente Klaviaturen und Registerzuge mit den Funktionselementen dem Pfeifenwerk Literatur BearbeitenWolfgang Adelung Einfuhrung in den Orgelbau 2 Auflage Breitkopf amp Hartel Wiesbaden 1992 ISBN 3 7651 0279 2 Roland Eberlein Die Geschichte der Orgel 1 Auflage Siebenquart Koln 2011 ISBN 978 3 941224 01 8 Hans Klotz Das Buch von der Orgel 9 Auflage Barenreiter Kassel 1979 ISBN 3 7618 0080 0 Hans Klotz Uber die Orgelkunst der Gotik der Renaissance und des Barock Musik Disposition Mixturen Mensuren Registrierung Gebrauch der Klaviere 3 Auflage Barenreiter Kassel 1986 ISBN 3 7618 0775 9 Harald Vogel Kleine Orgelkunde Dargestellt am Modell der Fuhrer Orgel in der altreformierten Kirche in Bunde 2 Auflage Noetzel Wilhelmshaven 2008 ISBN 978 3 7959 0899 7 Beitrage zur Orgelkultur in Nordeuropa Band 2 Einzelnachweise Bearbeiten Michele Del Prete Sound Thresholds Visual and Acoustic Values of theFernwerkin Post Romantic Organ Building and Architecture In Music in Art International Journal for Music Iconography XLII 1 2 2017 233 251 Baugruppen der Orgel Windwerk Spieltisch Traktur Windlade Register Orgelpfeife Prospekt Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Werk Orgel amp oldid 233640876