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Das Ruckpositiv oder Positiv ist ein Werk einer Orgel Es befindet sich in der Regel im Rucken des Organisten in einem eigenen Gehause und ist in der Emporenbrustung angebracht Vorne das Ruckpositiv als Brustungswerk 1984 in der Erzabtei Beuron Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte 2 Technik und aussere Gestaltung 3 Klang 4 Literatur 5 EinzelnachweiseGeschichte Bearbeiten nbsp Doppeltes Ruckpositiv 1609 in der Flensburger NikolaikircheIm 14 Jahrhundert entstanden die ersten mehrmanualigen Orgeln im 15 Jahrhundert die ersten Ruckpositive Im niederlandischen Orgelbau wird 1447 in Zwolle erstmals ein Ruckpositiv erwahnt 1458 eines in Delft mit einer Manualkoppel Da man diese Orgel mit der in Utrecht verglich wird die Domorgel in Utrecht von 1434 ebenfalls ein Ruckpositiv besessen haben 1 Das Hauptwerk war traditionell als Blockwerk mit dem Prinzipalwerk konzipiert Demgegenuber hatte das Ruckpositiv im niederlandischen Orgelbau zunachst Doppelladen oder haufig drei Register Prinzipal Mixtur Scharff spater auch Schleifladen mit anderen Registern wie Floten 1505 stellte Daniel van der Distelen in Antwerpen Pedalpfeifen ins Stuhlpositiv und ins Brustwerk 2 Wahrend das Hauptwerk in der Spatgotik als das grosse Werk das Prinzipalwerk oder le grant ouvraige bezeichnet wird heisst das Ruckpositiv Positiv Stuhl oder la chaire 3 In Frankreich wird 1433 eine Ruckpositivklaviatur fur St Etienne in Troyes geliefert Henri Arnaut de Zwolle beschreibt ein Ruckpositiv in seinem um 1440 geschriebenen Traktat uber Musikinstrumente 4 Die 1440 von Heinrich Traxdorf in der Sebaldkirche Nurnberg erbaute Orgel besass ein Ruckpositiv wie eine 1861 angefertigte Skizze ihres gotischen Gehauses belegt 5 Weitere Ruckpositive sind im 15 Jahrhundert bezeugt fur Dijon 1447 Koblenz 1467 und Zurich 1479 6 Leonhard Mertz erhielt 1459 den Auftrag zum Bau eines Instruments in Barcelona das vor und hinter dem Hauptwerk a parte anteriori und posteriori magni operis uber zwei separat anspielbare Werke verfugte offensichtlich ein Ruckpositiv und ein Hinterwerk 7 Bei den spatgotischen dreimanualigen Orgeln in Nurnberg Frauenkirche Langensalza 1500 und im Freiberger Dom 1506 verteilten sich die Register auf Hauptwerk Oberwerk Ruckpositiv und Brustwerk 8 Der Bau des Ruckpositivs erfuhr in der Renaissance und im Barock seinen Hohepunkt besonders im norddeutsch niederlandischen Orgelbau Gottfried Silbermann in Sachsen baute im Gegensatz zu seinem Bruder Andreas Silbermann im Elsass keine Orgeln mit Ruckpositiv Uberhaupt ging der Bau ab der zweiten Halfte des 18 Jahrhunderts stark zuruck und wurde im 19 Jahrhundert nicht mehr ausgefuhrt 9 Erst durch die Orgelbewegung und die Ruckbesinnung auf den klassischen Orgelbau erfuhr das Ruckpositiv durch die Wiederentdeckung des Werkprinzips eine Wiederbelebung Technik und aussere Gestaltung Bearbeiten nbsp Bei der Orgel der Marienkirche Marienhafe entsprechen sich Hauptwerk und Ruckpositiv im AusserenEin Ruckpositiv setzt mindestens eine zweimanualige Anlage voraus um beide Manualwerke separat bedienen zu konnen Die Traktur von Orgeln mit mechanischer Schleiflade verlauft von der Taste zu den hoher liegenden Kanzellen uber Abstrakten die auf Zug beansprucht werden Dies ist beim Ruckpositiv nicht ohne Weiteres moglich da die Mechanik nach unten gefuhrt wird und auf Druck reagieren muss Aus technischen Grunden ist das Ruckpositiv deshalb ublicherweise dem untersten Manual zugewiesen um eine Uberkreuzung der Mechanik zu vermeiden Erst der moderne Orgelbau ermoglichte eine andere Zuweisung der Manuale So kann bei zweiarmigen Tasten der Drehpunkt auf die Mitte verlagert werden wodurch statt der Druck eine Zugbeanspruchung erzielt wird Im klassischen Orgelbau sind unterhalb der untersten Klaviatur Stecher angebracht die uber Winkel und Wellen den Druckimpuls auf Abstrakten vermitteln die zu den Pfeifenventilen fuhren 10 Im spanischen Orgelbau wird teils ausschliesslich eine Stechermechanik eingesetzt bei der bis zu sieben Meter lange Kanzellen direkt bis unter die Manualklaviatur gefuhrt werden 11 In der Prospektgestaltung korrespondiert das Ruckpositiv gerne mit dem Hauptwerk Vielfach entspricht es dem Gehause des Hauptwerks in verkleinerter Form Eine Besonderheit stellt die Anlage eines doppelten Ruckpositivs dar In der Regel sind die Register dann auf die beiden Teilgehause verteilt In seltenen Fallen bilden beide Ruckpositive eigenstandige Werke denen ein eigenes Manual zugeordnet ist Ein fruhes Beispiel fur Anlage mit zwei Ruckpositiven ist die Renaissance Orgel von Nikolaus Mass die er von 1604 bis 1609 fur die Flensburger Nikolaikirche schuf Bei der beruhmten Gabler Orgel in Weingarten 1737 1750 ist im rechten Positiv das Brustungspedalwerk untergebracht Beispiele fur moderne Orgeln mit doppeltem Ruckpositiv finden sich in der Lutherkirche in Hamburg Wellingsbuttel Emanuel Kemper 1938 der Grossen Kirche Leer Paul Ott 1955 der Almudena Kathedrale Gerhard Grenzing 1999 im Konigsberger Dom Alexander Schuke 2008 Klang Bearbeiten nbsp Blick ins Ruckpositiv der Orgel in Norden im Vordergrund das Register Dulcian 8 mit holzernen StiefelnVon Anfang an bildete das Ruckpositiv mit seinem andersartigen Plenum und durch seine anderen Stimmen wie Floten und Zungenregister einen klanglichen Kontrast zum Hauptwerk In der Spatgotik wurde es wegen seiner Sussigkeit geschatzt 12 Durch die Platzierung in der Brustung erklingt es frei in den Kirchenraum Dadurch ergibt sich fur den Zuhorer ein unmittelbarerer Klang als bei den anderen Werken der Orgel Die Klangintensitat kann dem dahinter liegenden Hauptwerk gleichen wie bei der Kleinen Orgel der Lubecker Jakobikirche wo beide Werke gleich stark besetzt sind Der Klangcharakter ist in jedem Fall schlanker und brillanter Dies hangt damit zusammen dass das Ruckpositiv uber deutlich kleinere Pfeifen als das Hauptwerk verfugt und die Prospektprinzipale des Ruckpositivs meistens eine Oktave hoher als die des Hauptwerks liegen Neben den erforderlichen Grundstimmen werden haufig verschiedene kurzbechrige Zungen Solostimmen und Aliquotregister disponiert Damit ist es fur das Cantus firmus Spiel gut geeignet 13 Anders als das Oberwerk enthielt das Ruckpositiv bereits in der Spatrenaissance schon einen voll ausgebauten Prinzipalchor Die norddeutsche Barockorgel hat im Ruckpositiv in der Regel einen voll ausgebauten Flotenchor und kennt keine Koppeln zwischen dem Ruckpositiv und den ubrigen Teilwerken Im suddeutschen Raum und in Osterreich wo die Nebenwerke und auch das Brustungswerk als Positiv bezeichnet werden sind die Ruckpositive deutlich schwacher ausgestattet Literatur BearbeitenWolfgang Adelung Einfuhrung in den Orgelbau 2 Auflage Breitkopf amp Hartel Wiesbaden 1992 ISBN 3 7651 0279 2 Roland Eberlein Die Geschichte der Orgel 1 Auflage Siebenquart Koln 2011 ISBN 978 3 941224 01 8 Hans Klotz Das Buch von der Orgel 9 Auflage Barenreiter Kassel 1979 ISBN 3 7618 0080 0 Hans Klotz Uber die Orgelkunst der Gotik der Renaissance und des Barock Musik Disposition Mixturen Mensuren Registrierung Gebrauch der Klaviere 3 Auflage Barenreiter Kassel 1986 ISBN 3 7618 0775 9 Maarten Albert Vente Die Brabanter Orgel Zur Geschichte der Orgelkunst in Belgien und Holland im Zeitalter der Gotik und der Renaissance H J Paris Amsterdam 1963 Harald Vogel Kleine Orgelkunde Dargestellt am Modell der Fuhrer Orgel in der altreformierten Kirche in Bunde 2 Auflage Noetzel Wilhelmshaven 2008 ISBN 978 3 7959 0899 7 Beitrage zur Orgelkultur in Nordeuropa Band 2 Einzelnachweise Bearbeiten Vente Die Brabanter Orgel 1963 S 12 Klotz Uber die Orgelkunst der Gotik 1986 S 83 85 Vente Die Brabanter Orgel 1963 S 12 Karl Bormann Die gotische Orgel zu Halberstadt Merseburger Berlin 1966 S 169 Balthasar Probstl Haus Chronik Hrsg Alfred Reichling Merseburger Kassel 1998 S 49 Klotz Uber die Orgelkunst der Gotik 1986 S 29 Franz Bosken Quellen und Forschungen zur Orgelgeschichte des Mittelrheins Bd 1 Mainz und Vororte Rheinhessen Worms und Vororte Beitrage zur Mittelrheinischen Musikgeschichte 6 Schott Mainz 1967 ISBN 3 7957 1306 4 S 14 Klotz Uber die Orgelkunst der Gotik 1986 S 38 81 Klotz Das Buch von der Orgel 1979 S 142 Vogel Kleine Orgelkunde 2008 S 16 Geschichte des spanischen Orgelbaus Greifensteiner Institut fur Musikinstrumente abgerufen am 11 Marz 2019 Klotz Uber die Orgelkunst der Gotik 1986 S 81 vgl S 28 60 Adelung Einfuhrung in den Orgelbau 1992 S 183 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Ruckpositiv amp oldid 232019457