www.wikidata.de-de.nina.az
Mass fur Mass engl Measure for Measure ist eine Komodie von William Shakespeare Sie zahlt zu den so genannten Problemstucken aus Shakespeares Werk und wurde vermutlich 1603 04 verfasst Als Vorlage nutzte Shakespeare verschiedene Elemente aus einer Erzahlung in der Novellensammlung Hecatommithi 1565 von Giovanni Battista Giraldo Cint h io oder einer Dramatisierung dieser Geschichte durch Cintio selbst Epitia gedruckt 1583 sowie aus der auf Cintios Werk aufbauenden zweiteiligen Komodie Promos and Cassandra 1578 von George Whetstone 1 Inhaltsverzeichnis 1 Handlung 2 Literarische Vorlagen und kulturelle Bezuge 3 Deutungsaspekte 4 Datierung und Text 5 Rezeptionsgeschichte und Werkkritik 6 Textausgaben 7 Literatur 8 Weblinks 9 EinzelnachweiseHandlung Bearbeiten nbsp Isabela bittet Angelo um Gnade fur ihren Bruder Olgemalde von William Hamilton nach Akt II Szene 2 1793 nbsp Mariana in Measure for Measure Olgemalde von Dante Gabriel Rossetti 1870 Dem Herzog Vincentio sind die Gesetze in Wien zu oft ubertreten worden Um dem allgemeinen Sittenverfall Einhalt zu gebieten den er durch seine eigene Milde in der Rechtsprechung mitverschuldet zu haben glaubt setzt er Angelo als Statthalter ein der die bis dahin allzu liberal angewandten Gesetze durchsetzen soll Vincentio verlasst scheinbar die Stadt tatsachlich aber verkleidet er sich als Monch um Angelo bei seiner Amtsfuhrung zu beobachten Der vermeintlich gewissenhafte Angelo erweist sich rasch als zu schwach um den Verlockungen der Macht zu widerstehen Dies wird deutlich als er an Claudio einem jungen Adeligen ein Exempel statuieren will weil dieser trotz eines Ehegelobnisses noch vor der Trauung seine Verlobte Juliet geschwangert hat Claudio soll vor neun Uhr des nachsten Morgens hingerichtet werden Als dessen Schwester Isabella vom Ungluck ihres Bruders durch einen Bekannten erfahrt macht sie sich zu Angelo auf kniet vor ihm nieder und fleht ihn um Gnade fur ihren Bruder an Doch Angelo zeigt zunachst kein Mitgefuhl Er sagt ihr lediglich sie solle wiederkommen Sein anschliessendes Selbstgesprach offenbart jedoch dass er sich zu Isabella sexuell hingezogen fuhlt und sie begehrt Als Isabella wieder vor ihm erscheint macht er ihr das Angebot ihren Bruder nicht toten zu lassen falls Isabella sich ihm eine Nacht lang hingebe Isabella lehnt dieses Angebot emport ab und lasst dem Gesetz den Vorrang Unterdessen verfolgt der als Monch verkleidete Vincentio das Geschehen und eroffnet Isabella seinen Plan Angelo war einst mit Mariana verlobt liess sie jedoch sitzen da sie ihre Mitgift durch einen Schiffbruch verloren hatte Isabella soll nun zum Schein auf Angelos Forderung eingehen ihr Platz soll dann jedoch von Mariana eingenommen werden Zum Schein vereinbart Isabella daraufhin eine Zusammenkunft mit Angelo und erhalt von diesem zwei Schlussel um sich mit ihm nachts in seinem Garten zu treffen Nach dem nachtlichen Platztausch mit Mariana erliegt Angelo der Tauschung und glaubt dass Isabella sich ihm hingegeben habe Trotzdem begnadigt er Claudio nicht und will ihn jetzt sogar schon um vier Uhr hinrichten lassen um funf Uhr soll ihm nach der Vollstreckung des Todesurteils Claudios Kopf geschickt werden Doch Claudio wird auf Betreiben Vincentios nicht hingerichtet und Angelo erhalt den Kopf eines Zigeuners der in der Nacht zuvor im Gefangnis gestorben ist Als Vincentio wieder als Herzog seinen Platz einnimmt klart sich alles auf Angelo gesteht in einem Gerichtsverfahren in dem er selbst vom Herzog als Richter eingesetzt worden ist sein Verbrechen und erbittet die Todesstrafe Stattdessen aber begnadigt ihn der Herzog und verurteilt ihn dazu Mariana zu heiraten Claudio kommt aus dem Gefangnis frei und heiratet seine Verlobte Juliet Am Schluss bietet der Herzog Isabella die Heirat an diese lasst es jedoch offen ob sie tatsachlich mit ihm die Ehe eingehen wird Literarische Vorlagen und kulturelle Bezuge BearbeitenDas Motiv des monstrous ranson des Losegelds der eigenen Keuschheit das eine Frau fur das Leben ihres Mannes oder Bruders entrichten muss oder aber die Geschichte des erpressten Handels und der Begnadigung gegen Beischlaf mit anschliessendem Bruch der Vereinbarung ist ein in der Weltliteratur weit verbreitetes altes Erzahlgut Allein im 16 Jahrhundert existierten sieben dramatische und acht nicht dramatische Fassungen die Shakespeare gekannt haben konnte Als Shakespeares Hauptquellen lassen sich direkt oder indirekt drei Versionen des Stoffes ausmachen erstens die in Innsbruck spielende Erzahlung des wegen Totschlags verurteilten Vico seiner Schwester Epitia und des kaiserlichen Gouverneurs Juriste die sich als funfte Novelle der achten Dekade in der Sammlung Hecatommithi von Giovanni Battista Giraldo Cint h io aus dem Jahre 1565 findet zweitens eine Dramatisierung dieser Geschichte durch Cintio selbst mit dem Titel Epitia die 1583 gedruckt wurde und drittens eine zweiteilige Komodie von Shakespeares Zeitgenossen George Whetstone mit dem Titel The Right Excellent and Famous Historye of Promus and Cassandra von 1578 Eine in allen wesentlichen Einzelheiten gleiche Novellenversion dieses Autors liegt auch im Heptameron of Civil Discourse 1582 vor Als unmittelbare Vorlage hat Shakespeare vermutlich George Whetstones Promus and Cassandra genutzt verschiedene Elemente der Handlung wie beispielsweise den osterreichischen Schauplatz die Figur des Escalus oder des hartgesottenen Verbrechers als Ersatz fur den verurteilten Bruder scheint er zusatzlich Cintios Novellensammlung Hecatommithi entnommen zu haben auf die bereits Whetstone selbst in seiner Komodie als Quelle zuruckgegriffen hatte Die dramatische Figur des Herrschers in Verkleidung war eine beliebte Gestalt im fruhen jakobaischen Theater und findet sich etwa in Thomas Middletons The Phoenix um 1603 04 Thomas Dekkers The Honest Whore Part II oder John Marstons The Malcontent 1604 ihren Ursprung hat sie hochstwahrscheinlich im elisabethanischen Historien Drama history plays so zum Beispiel in Thomas Heywoods The First and Second Parts of King Edward the Fourth um 1600 Dieses so genannte Harun al Raschid Motiv der Verstellung des Herrschers als eines einfachen Mannes aus dem Volke tauchte in der Weltliteratur bereits in der Sammlung morgenlandischer Erzahlungen Tausendundeine Nacht auf die in der englischen Ubersetzung als Arabian Nights erstmals 1706 gedruckt wurde und war werkhistorisch in Shakespeares Measure for Measure offensichtlich ausgerichtet auf das Interesse des zeitgenossischen Publikums an dem neuen Konig James I und dessen Wahrnehmung seiner Verantwortung als Herrscher Shakespeares wichtigste Anderung gegenuber seinen Quellen und Vorlagen besteht darin dass Isabella die als Bittstellerin den Pakt mit dem korrupten Statthalter Angelo schliesst sich diesem durch den bed trick den nachtlichen Platztausch nicht wirklich hingeben muss und daher durchgehend aus einer Position der absoluten Unschuld argumentieren oder agieren kann Das Motiv des bed trick das Shakespeare auch in All s Well That Ends Well verwendet war seinerseits nicht nur in der damaligen mundlichen Erzahltradition und der italienischen Novellenliteratur verbreitet etwa in Giovanni Boccaccios Novellensammlung Decamerone 3 Tag 9 Geschichte sondern hatte seine Vorlaufer bereits im Alten Testament Genesis 38 sowie im Amphitruo des romischen Dichters Plautus 2 Deutungsaspekte BearbeitenDer im Mittelpunkt des Stuckes stehende Herzog Vincentio von Vienna ist eine von Shakespeare erfundene fiktive Dramenfigur die er mit verschiedenen Zugen des elisabethanischen Englands versehen hat Durch Vincentios Entscheidung die Herrschaftsgewalt an seinen Stellvertreter Angelo zu ubertragen wird die eigentliche dramatische Handlung ausgelost deren aktive Kontrolle Vincentio erst in der Mitte des Geschehens in seiner Verkleidung als Monch wieder in die Hande nimmt Die Delegation der Verantwortung an Angelo mit dem Ziel der Korruption und dem Sittenverfall in Vienna Einhalt zu gebieten die Vincentio aufgrund seiner eigenen Milde in der Rechtsprechung mitverschuldet zu haben glaubt stellt dabei nicht unbedingt einen machiavellistischen Schachzug des Herzogs dar wie einige Interpreten annehmen Vielmehr schutzt diese Machtubergabe Vincentio als Herrscher vor dem Vorwurf tyrannischer Willkur dem er moglicherweise ausgesetzt ware sollte er seine bisherige neunzehnjahrige liberale Regierungs und Rechtspraxis in ihr Gegenteil verkehren Die zwingende Notwendigkeit eines harteren Durchgreifens in der Rechtspraxis wird am Anfang des Dramas durch die verschiedenen Szenen im Bordellmilieu von Mistress Overdone mit ihren Komplizen und Kunden verdeutlicht allerdings stellt Shakespeare im weiteren Verlauf der Handlung die juristische Scharfe als ein angemessenes Mittel zur Disziplinierung der Sexualitat mehrfach in Frage Das zweite Motiv Vincentios fur die Delegation der Macht besteht neben der Durchsetzung der Gesetze mit der gebotenen Harte in einer Prufung seines Stellvertreters Angelo der als tuchtiger und anscheinend leidenschaftsfreier Mann angesehen wird Dieses Anliegen des Herzogs wird jedoch erst an spaterer Stelle im Stuck als Handlungsmotiv eingefuhrt Schon die Namensgebung Angelos enthalt eine gleichsam symbolhafte ambivalente Bedeutung Einerseits verweist der Name auf eine nahezu ubermenschliche Tugendhaftigkeit und Reinheit des Namenstragers andererseits bezeichnete der Begriff angel im fruhneuenglischen Sprachgebrauch jedoch nicht nur einen Engel sondern ebenso ein wahrend der Regierungszeit von Eward IV bis Charles I gebrauchliches Geldstuck was Shakespeare im weiteren Verlauf des Stuckes fur Wortspiele uber Falschmunzerei nutzt 3 In seinem Feldzug gegen die vorherrschende Korruption und Unmoral erweist sich Angelos Vorgehen als wenig geeignet Wahrend seiner Ermittlungen gegen den Zuhalter Pompey bringt er in seiner Funktion als Richter wenig Geduld auf die Nachforschungen uberlasst er Escalus um sodann vorschnell den jungen Adeligen Claudio aus Grunden einer allgemeinen Abschreckung und Generalpravention zum Tode zu verurteilen da dessen Verlobte Juliet ein Kind von ihm erwartet Er zeigt dabei keinerlei Verstandnis dafur dass das junge Paar nach einer Verschiebung der Zeremonie ihrer Eheschliessung wegen einer noch nicht geklarten Mitgiftfrage den Vollzug der ehelichen Gemeinschaft dennoch vorweggenommen hatte bevor ihre Ehe kirchlich abgesegnet und damit in der Offentlichkeit als rechtsgultig anerkannt war Auf Grundlage der Textangaben ist indes nur schwer auszumachen inwieweit das heimliche Ehegelobnis des Paares in einem juristischen Sinne in der damaligen Zeit bereits Rechtsgultigkeit hatte da Shakespeare hier den Kontext einer langen politischen und theologischen Debatte uber die offentliche Moral in England abruft Zwischen 1576 und 1638 gab es insgesamt 95 Gesetzesantrage zu dieser Problematik die vor allem von den Puritanern mit grosser Regsamkeit gestellt wurden wahrend der Herrschaft Oliver Cromwells wurden anschliessend 1650 Unzucht Ehebruch und Inzest zu Kapitalverbrechen erklart Zum Zeitpunkt der Entstehung von Measure for Measure ist Angelos Entscheidung aus der damaligen Einschatzung heraus jedoch offensichtlich als ausserst rigoros einzustufen zumal sowohl Lucio als auch Provost ihr Mitleid fur die Verurteilten bekunden Angelo dagegen betont auf einen Einwand von Escalus hin er wurde sich selbst in einem vergleichbaren Fall zum Tode verurteilen wie der weitere Verlauf der Handlung den Zuschauern vor Augen fuhrt setzt Shakespeare damit unverkennbar in massiver Form das Mittel der dramatischen Ironie ein 4 Die korperfeindliche Rationalitat und Buchstabentreue Angelos gegenuber dem Gesetz zu dessen milder Auslegung er von dem Herzog zuvor ausdrucklich autorisiert worden war brechen in dem Augenblick zusammen als die Novizin Isabella um Gnade fur ihren Bruder bittet Angelo muss nun selbst erleben dass er sexuelle Begierden hat die Isabella gerade dadurch in ihm auslost dass sie in ihrer Keuschheit sowie Tugendhaftigkeit und Sittenstrenge eine weibliche Entsprechung oder ein weibliches alter ego fur ihn verkorpert Ausserdem muss er feststellen dass er sie nicht als Ehepartnerin begehrt sondern eindeutig den Wunsch hegt sie zu beschmutzen oder zu vergewaltigen Obwohl er uber diese teuflische Seite in sich erschrocken ist hindert ihn dies nicht daran die bedingungslose Hingabe Isabellas als Preis fur das Leben ihres Bruders zu fordern Im Gegensatz zu Shakespeares literarischen Vorlagen bei Cintio und Whetstone ist Isabella in Measure for Measure keine ausgeglichene oder lebenskundige reife Frau sondern jung und unerfahren sie wunscht sich sogar noch strengere Ordensregeln fur den Konvent in den sie eintreten will Daher lehnt sie Angelos Ansinnen voller Entrustung ab und hofft auf Claudios Zustimmung oder zumindest auf sein Verstandnis fur ihren Entschluss den Wert ihrer eigenen Keuschheit uber den seines Lebens zu stellen Zugleich erklart sie in diesem Zusammenhang durchaus glaubhaft dass sie jederzeit bereit ware den Martyrertod zu sterben um das Leben ihres Bruders zu retten wenngleich ihre leicht erotisch masochistisch uberzeichnete Versicherung Zweifel an ihrer Asexualitat weckt Zudem ubersieht sie dass Angelo ihr nicht nach dem Leben trachtet sondern einzig ihren Korper begehrt Als Claudio trotz seiner fruheren Entschlossenheit einen mannhaften Tod zu sterben angesichts der sich nunmehr bietenden Moglichkeit der Rettung seines Lebens eine kreaturliche Todesangst zeigt reagiert Isabella uberzogen kuhl und ausserst gefuhllos Ein tragischer Ausgang des Geschehens scheint daher zunachst unvermeidbar erst durch die Prasenz des als Monch verkleideten Herzogs wird eine unwiderruflich tragische Entwicklung verhindert Da der Zuschauer im Gegensatz zu den handelnden Figuren im Drama von Anfang an Kenntnis von der heimlichen Anwesenheit des als Monch inkognito auftretenden Vincentio hat gibt es das gesamte Stuck hindurch fur das Publikum von vornherein die Garantie eines glucklichen Ausgangs des Geschehens in dem das Schlimmste vermieden wird Das Motiv des verkleideten Herrschers in der Weltliteratur auch als Harun al Raschid Motiv bekannt war im englischen Drama zu Beginn des 17 Jahrhunderts sehr beliebt wie in den verschiedenen disguised ruler plays etwa von John Marston oder Thomas Dekker spricht auch Shakespeare damit ein Interesse seines zeitgenossischen Publikums an dem sich die Frage stellte wie der neue Herrscher James I seine Regierungsverantwortung zukunftig ausuben wurde Um sein Inkognito zur Rettung von Claudios Leben nicht aufgeben zu mussen ist der Herzog gezwungen zu dem Mittel des bed trick zu greifen So nimmt Angelos fruhere Verlobte Mariana den Platz Isabellas bei dem nachtlichen Beisammensein ein Vincentio bringt auf diese Weise Angelo in die gleiche Situation fur die dieser Claudio zum Tode verurteilt hat da auch Angelo nun mit einer Frau schlaft der er zuvor die Ehe versprochen hatte Um Angelo mit seinen eigenen Waffen zu schlagen nimmt Shakespeare bewusst verschiedene Unwahrscheinlichkeiten im Handlungsverlauf und der Charakterentwicklung in Kauf Ahnlich wie in All s Well That Ends Well wird Angelo in einem raffiniert inszenierten Gerichtsverfahren zu der Erkenntnis seiner Schuld gebracht Noch in Verkleidung setzt der Herzog ausgerechnet seinen Statthalter zum Richter in eigener Sache ein der sich dadurch selbst uberfuhrt Schon der Titel des Stuckes spielt auf die biblische Warnung im Matthaus Evangelium 7 1 5 an nicht zu richten um nicht selbst gerichtet zu werden Angelo muss jetzt erleben dass er diese Warnung missachtet hat Ihm droht nun der Tod als das Mass das er selbst im Falle von Claudio zugrunde gelegt hat Wahrend Claudio zudem seine Verlobte tatsachlich liebte suchte Angelo allein die sexuelle Befriedigung in seiner Beziehung zu Isabella die er sogar zu vergewaltigen wunschte Daruber hinaus gab er die Anweisung Claudio zu toten obwohl er sich in dem Glauben befand mit Isabella geschlafen zu haben und war danach nicht einmal willens den zuvor getroffenen Pakt einzuhalten Nachdem er sich selbst in dem Gerichtsverfahren uberfuhrt hat zeigt Angelo jedoch letztlich Einsicht genug um fur sich zweimal die Todesstrafe zu verlangen Vincentio begnadigt ihn daraufhin zur Ehe mit Mariana unter der Voraussetzung dass sowohl Mariana als auch Isabella Furbitte fur ihn leisten Obwohl Isabella zu diesem Zeitpunkt noch davon ausgehen muss dass Angelo ihren Bruder toten liess ringt sie sich dazu durch sich fur Angelo einzusetzen Damit deutet sich ein Wandel in der Charakterzeichnung von Shakespeares Protagonistin an der auch in ihrem offentlichen Bekenntnis zu der Schande zum Ausdruck kommt die sie zwar nicht tatsachlich auf sich geladen hat die ihr in Zukunft aber angehangt werden konnte Am Ende des Stuckes bietet ihr der Herzog schliesslich zur Versohnung und Wiederherstellung einer gerechten Ordnung die Ehe an da Isabella darauf jedoch nicht explizit antwortet bleibt offen ob sie dieses Angebot Vincentios annehmen wird Measure for Measure endet mit einer Vielzahl von Eheschliessungen Angelo heiratet Mariana und Vincento moglicherweise Isabella Claudio geht die Ehe mit Juliet ein und der Hofling Lucio wird mit der Prostituierten Kate Keepdown verheiratet Diese Vervielfachung von Eheschliessungen am Schluss ist von zahlreichen Interpreten des Werks immer wieder als eine Parodie Shakespeares auf das konventionelle Ende der Komodie als Gattung gedeutet worden Vor allem die letzte Verheiratung wird in einer solchen Deutung als gattungssprengende Bestrafung verstanden da der betroffene Lucio diese Eheschliessung ausdrucklich fur schlimmer als eine Auspeitschung oder Hinrichtung halt Einer derartigen Interpretation zufolge racht sich der Herzog Vincentio durch die aufgezwungene Ehe kleinmutig fur Lucios fantasievolle Verleumdung seiner Person gegen die er sich in seiner Verkleidung als Monch nicht zur Wehr setzen konnte Aus damaliger Sicht ware dies allerdings eine ausserst milde Bestrafung fur das Vergehen der Majestatsbeleidigung Wahrend fur Claudio und Juliet die Trauung eine offizielle Bestatigung ihrer Liebe zueinander auch in der Offentlichkeit bedeutet stellt die Eheschliessung von Angelo und Mariana allenfalls die Moglichkeit eines Neubeginns dar und erinnert damit an das Ende von All s Well That Ends Well das gleichermassen mit dem Versuch einer Versohnung und eines Neuanfangs schliesst 5 In seinem dramatischen Aufbau wird Measure for Measure durch einen Komplex von Themen strukturiert in dem Fragen nach Sexualitat Recht und Gnade sowie Autoritat und Macht miteinander verknupft werden In dieser Hinsicht zeigt sich eine thematische Verwandtschaft des Stuckes mit The Merchant of Venice Da in der damaligen Zeit die Gattungsgrenzen zwischen Drama und anderen offentlichen Diskursen noch vergleichsweise offen waren kann davon ausgegangen werden dass sowohl das zeitgenossische Publikum als auch der konigliche Hof entsprechende Aussagen des Stuckes in ihrem Bezug auf die offentlichen Diskussionen uber diese Fragen gesehen haben In seiner Rolle als Herrscher inkognito verhindert Vincentio zwar potenziell desastrose Folgen der Trennung von Krone und Staat ist jedoch gezwungen im Rahmen des absolutistischen Herrschaftsmodells zu dem sich auch James I mit zunehmender Deutlichkeit bekannte seine eigene Mitschuld am unheilvollen Verhalten des Volkes anzuerkennen Die Gefahren die das Staatswesen und die Gesellschaft in Vienna bedrohen gehen dabei in erster Linie weniger von den Untertanen sondern vielmehr von den Amts und Machttragern aus Die Deutung der Herrscherfigur in Measure for Measure fallt in der Shakespeare Forschung teilweise auch auf diesem Hintergrund sehr unterschiedlich aus So wird Vincentio in seiner Rolle als Herrscher nicht nur positiv interpretiert sondern oftmals auch als Machtmensch im machiavellistischen Sinne verstanden dem Machtmissbrauch Intrigantentum Sadismus und im Hinblick auf Isabella patriarchalischer Sexismus vorgeworfen werden 6 Datierung und Text Bearbeiten nbsp Measure for Measure erste Folio Ausgabe von 1623Laut Eintragung im Rechnungsbuch des Master of the Revels ist die erste Auffuhrung eines Stuckes mit dem Titel Mesur for Mesur von einem Dichter namens Shaxberd am Zweiten Weihnachtstag 1604 am Hofe Jakob I in Whitehall durch His Majesty s Players belegt mithin durch eine Truppe in der Shakespeare Teilhaber und Schauspieler war Wie andere Schauspiele von denen eine Hofauffuhrung uberliefert ist wurde das Stuck jedoch aller Wahrscheinlichkeit nach nicht speziell fur diesen Zweck verfasst sodass in der Shakespeare Forschung allgemein angenommen wird dass das Werk bereits 1603 04 entstanden ist 7 Erhalten ist als fruheste Textfassung von Measure for Measure nur ein Druck in der ersten Folio Ausgabe von 1623 Lange Zeit war die Zuverlassigkeit dieser Druckausgabe umstritten einige Stellen sind offensichtlich korrumpiert und die Frage nach eventuellen Kurzungen oder Umarbeitungen durch andere Autoren oder Bearbeiter lasst sich nur sehr schwer klaren Einmutigkeit besteht weitgehend darin dass die unmittelbare Vorlage fur den Druck eine Abschrift des professionellen Schreibers Ralph Crane war dessen Arbeit an Besonderheiten der Orthographie und Interpunktion zu erkennen ist Es ist jedoch unklar ob Crane die unkorrigierte Entwurfsfassung Shakespeares sogenanntes foul paper oder rough copy kopierte oder ob seiner Abschrift eine revidierte und durch Eingriffe von fremder Hand veranderte Fassung des ursprunglichen Manuskriptes zugrunde lag Der uberwiegende Teil der neueren Herausgeber geht davon aus dass eine rough copy Shakespeares die Vorlage fur die Abschrift Cranes lieferte Der grosste Teil der Fehler und Unstimmigkeiten im uberlieferten Text wie widerspruchliche Zeitangaben unvollstandige Buhnenanweisungen oder nicht korrigierte Doppelfassungen wird demnach auf typische Eigenarten von Shakespeares Entwurfsfassungen zuruckgefuhrt 8 Rezeptionsgeschichte und Werkkritik BearbeitenMeasure for Measure das in der viktorianischen Literaturkritik zunachst als dark comedy abgewertet wurde ist seit dem Beginn des 20 Jahrhunderts unter dem Eindruck der sogenannten Problemstucke Ibsens oder Shaws von der jungeren Shakespeare Kritik zwar in einen neuen das Verstandnis fordernden Blickwinkel gestellt worden ohne dass dabei jedoch die Differenzen in der Ausdeutung des Werkes verringert oder gar ein Konsens uber den Sinngehalt des Stuckes erzielt werden konnte Als herausragendes Paradigma fur ein problem play gilt das Werk schon allein deshalb weil sich bereits die Zuordnung zu einer spezifischen Gattung oder Werkgruppe als problematisch erweist Einerseits wirkt das gluckliche Ende in vielfacher Hinsicht zu gezwungen oder zu sehr den blossen Konventionen des klassischen Komodienschlusses geschuldet um das Stuck tatsachlich zur Komodie zu machen Vor allem die tragischen Wertekonflikte oder Ambivalenzen der Hauptcharaktere werden mit zu grosser Eindringlichkeit dargeboten als dass die spielerische Auflosung mit Hilfe des listigen deus ex machina Eingreifens des verkleideten Herzogs letztlich zu uberzeugen vermag Andererseits ist das Stuck jedoch ebenso wenig als reine Tragodie zu begreifen aufgrund des breiten Spektrums unterschiedlicher Stilmomente die im schnellen Wechsel neben sakralen Debatten uber Sunde und Suhne oder Gerechtigkeit und Gnade gleichermassen eine Fulle grotesker Bordell und Gefangnisszenen einschliessen 9 Strittig ist dementsprechend in der Deutungsgeschichte insbesondere die Einschatzung ob das Verhalten der Hauptcharaktere so vor allem des Herzogs und der Protagonistin Isabella positiv zu verstehen oder aber zu verurteilen ist Ebenso gehen in der Werkanalyse die Ansichten daruber auseinander ob die verschiedenen Elemente des Stuckes insgesamt uberhaupt eine dramatische Einheit bilden So gehen eine verschiedene Interpreten nach wie vor davon aus dass dieses Werk als Ganzes in eine erste Halfte mit Debatten und Reflexionen und eine zweite handlungsdominierte Halfte zerfallt Ebenso wenig konnte bislang Einigkeit daruber erzielt werden ob das Stuck in seiner Gesamtaussage eine Allegorie christlicher Glaubensgrundsatze uber Schuld und Gnade oder jedoch eine pessimistische Ablehnung der christlichen Heilslehre darstellt 10 Weitgehende Einhelligkeit besteht in der gegenwartigen Kritik einzig in der Einschatzung dass dieses Stuck ein zugleich relevantes wie auch faszinierendes Werk sei das seine Rezipienten immer wieder zu einer erneuten Auseinandersetzung herausfordere Bis zum Ende des 19 Jahrhunderts wurde das Werk demgegenuber in der Shakespeare Forschung uberwiegend ignoriert oder zumindest stark vernachlassigt da es auf einen Grossteil der Kritiker in der Ausgestaltung seiner Charaktere und thematischen Aspekte befremdlich wirkte Spatestens ab Mitte des 20 Jahrhunderts begann jedoch eine ahnlich intensive Auseinandersetzung mit dem Werk wie sie zuvor nur bei den Grossen Tragodien Shakespeares etwa bei Hamlet Othello Konig Lear und Macbeth zu beobachten war Wahrend die Wertung des renommierten englischen Literaturwissenschaftlers F R Leavis aus dem Jahre 1942 das Stuck gehore zu den allergrossten Werken im Shakespeare Kanon lange Zeit als krasse Aussenseitermeinung galt wird dieses Urteil inzwischen von nahezu allen heutigen Shakespeare Interpreten geteilt So wird in der jungeren Rezeptionsgeschichte des Werkes nunmehr eine radikale Neubewertung oder Wiederentdeckung der ursprunglichen Stellenwertes gefordert wobei die Fulle von Interpretationsbeitragen standig anwachst und mittlerweile kaum mehr zu uberblicken ist Dieses verstarkte neuerliche Interesse an Measure for Measure in der aktuellen Diskussion hat dennoch nach Einschatzung des bekannten deutschen Shakespeare Forschers Ulrich Suerbaum bislang nur in vergleichsweise geringem Umfang zu einem tieferen Verstandnis des Werkes gefuhrt 11 Ruckblickend betrachtet stand die zu Beginn des 20 Jahrhunderts in der Shakespeare Interpretation vorherrschende Methode der Charakteranalyse bei diesem Stuck von Anfang an vor grossen Problemen da Measure for Measure falls uberhaupt nur sehr eingeschrankt uber eine psychologische Ausdeutung der handelnden Charaktere zu erschliessen ist Alle drei Hauptfiguren bleiben als Charaktere letztlich ratselhaft da Shakespeare in seinem Werk nur sehr luckenhafte charakterbezogene Informationen liefert Der Herzog tritt trotz der langen Rolle die er innehat zumeist nur verkleidet nicht jedoch in seiner eigentlichen Rolle auf Daruber hinaus gibt auch Isabella in dem Stuck nur wenig uber sich selbst preis Die in anderen Werken ubliche Selbstdarstellung der Hauptfiguren in Form eines dramatischen Monolog fehlt hier ganzlich Auch die Aussagen uber die Motive oder Intentionen der anderen Charaktere sind entweder recht durftig oder sogar unzuverlassig wie etwa Lucios abstruse Anschuldigungen dem Herzog gegenuber Zudem zeigen sich tatsachliche oder scheinbare Widerspruche zwischen der allgemeinen Charakterzeichnung und dem jeweiligen spezifischen Auftreten der Figuren in bestimmten Situationen Beispielsweise ist kaum nachvollziehbar warum der Herzog der als edle Gestalt angelegt ist die Wiederherstellung der korrupten oder desolaten Ordnung in seinem Staatswesen auf eine andere Figur ubertragt und zudem den Anstoss fur die anstossige Intrige des bed tricks gibt Ebenso wenig plausibel ist Isabellas hartes oder rucksichtsloses Verhalten in der Gefangnisszene ihrem Bruder gegenuber Auch die unvermittelte Wandlung des anfangs als tugendhaft und prinzipientreu dargestellten Angelo ist aus psychologischer Sicht kaum schlussig Die in dieser Hinsicht vorliegenden Versuche einer erlauternden Deutung oder Rechtfertigung des Verhaltens der Hauptfiguren beziehen sich zumeist auf eine sehr schmale Textbasis und sind demgemass als Ganze nur wenig uberzeugend 12 In den mittleren Jahrzehnten des 20 Jahrhunderts wurde daher in der Werkinterpretation als Alternative zum charakteranalytischen Ansatz verstarkt der Weg einer thematischen Ausdeutung gewahlt Als erster massgeblicher Vertreter einer solchen Erschliessung des Werkes forderte George Wison Knight bereits 1930 in seinem beruhmten Interpretationsband uber Shakespeares dunkle Tragodien The Wheel of Fire eine Verlagerung der Deutung von der Verhaltensweise der Figuren auf die zentrale Thematik des Werkes die er in Measure for Measure im Wesentlichen in dem Verhaltnis zwischen der moralischen Natur des Menschen und der Ungeschliffenheit der menschlichen Gerechtigkeit sah 13 In den rezeptionsgeschichtlich nachfolgenden Interpretationen wurden bei der Bestimmung der zentralen Thematik des Stuckes verstarkt Konzepte wie das der Vergebung oder der Sexualitat und Herrschaft in den Vordergrund geruckt In der weiteren Deutungsgeschichte wurde anschliessend dieses Spektrum der relevanten Themen weiter aufgefachert Obwohl der Ansatz einer thematischen Erschliessung sich fur Measure for Measure grundsatzlich als durchaus ertragreich erwiesen hat und dazu beigetragen konnte bislang unverstandliche Momente nunmehr erlauterbar zu machen steht dennoch eine schlussige Gesamtdeutung des Werkes aus Nach Einschatzung von Ulrich Suerbaum hat die bisherige Entwicklung in der Deutungsgeschichte sogar eher dazu gefuhrt dass dieses Shakespeare Drama zunehmend von einem fur die Rezeption problematischen Stuck zu einem Stuck uber Probleme umgedeutet worden ist 14 In der neueren Diskussion wird dementsprechend trotz der Fortschritte in der thematischen Ausdeutung die eingeschrankte Eignung dieses Ansatzes fur eine stimmige Gesamtanalyse des Werkes hervorgehoben Einerseits haben zahlreiche Interpreten in dieser Ausrichtung vornehmlich ihre eigenen Themen oder ihre eigene Terminologie an das Stuck herangetragen ohne sich auf die dort vorhandenen Begriffe oder Konzepte zu stutzen Andererseits berucksichtigt eine solcher themenbezogener Deutungsansatz die spezifische dramatische Gestaltungsform des Werkes nur bedingt oder uberhaupt nicht Die Figuren des Stuckes werden hier weniger als eigenstandige Akteure und Handlungstrager begriffen sondern vielmehr als blosse Vertreter bestimmter Auffassungen oder Sichtweisen gesehen So geht es Suerbaum zufolge in Measure for Measure beispielsweise nicht einfach nur um Gerechtigkeit und Gnade sondern um grundsatzliche Handlungsmoglichkeiten des Menschen dessen individuelle Freiheit zu handeln durch Gesetze eingeschrankt wird Ein freier Handlungsspielraum aufgrund des selbstbestimmten Willens und selbstgesetzter Ziele besteht allein dort wo gesetzliche Regelungen nicht existieren oder aber inaktiv sind So tendiert der Mensch wie Measure for Measure zeigt dazu von Natur aus die zugestandenen Freiraume in Richtung auf Zugellosigkeit license oder Laster vice auszuschopfen insbesondere im Bereich der Sexualitat die in Shakespeares Werk als Paradigma sowohl fur die Problematik des freien Handelns als auch der gesetzlichen Reglementierung angesehen werden kann Die Fragen die sich im Verlauf des Stuckes stellen zielen darauf inwieweit der Staat oder der Herrscher in die Handlungsfreiheit seiner Burger oder Untertanen eingreifen muss damit diese nicht in Zugellosigkeit oder Willkur ausartet Dies impliziert die Problematik des Verhaltnisses von staatlicher Eingrenzung der Freiheit restraint und eigener Selbstdisziplinierung des Individuums Ebenso verbunden ist damit die Frage inwiefern der Herrscher dem die Aufgabe der gesetzlichen Reglementierung und Bestrafung zufallt selbst in seinem Handeln frei ist oder aber gleichermassen genau jener Einschrankung unterliegt Ebendiese Fragestellungen werden in dem Stuck dramatisch problematisiert indem alle Hauptfiguren mit alternativen Herausforderungen oder Aufgaben konfrontiert werden die im Gegensatz zu ihrer bisherigen Lebensrolle stehen In dieser Hinsicht lassen sich die ersten Szenen des Stuckes als Lernspiele verstehen in denen sich die Protagonisten diskutierend reflektierend oder ubend mit ihren neuen Handlungsrollen befassen die sie in ihren jeweiligen Aktionen teils tatsachlich ausfuhren teils nur in der Imagination realisieren 15 Zudem sind die umfangreichen Debatten oder Diskussionen die von den Themeninterpretationen zumeist als Belege fur ihre jeweiligen Deutungen herangezogen werden dramatische Handlungen zum einen Teil in der Form realer zum anderen Teil auch imaginare Aktionen Dementsprechend lassen sich beispielsweise in der Bittstellungsszene II 2 in der Isabella sich fur ihren Bruder einsetzt drei unterschiedliche Handlungsebenen unterscheiden Zunachst geht es in dem rationalen anfangs kuhlen Diskurs um das Fur und Wider einer Begnadigung auf einer zweiten Ebene bedrangen Isabella und Angelo einander indem sie dem Kontrahenten jeweils vorspielen auf welche Weise sie sich in der Rolle oder Position des anderen verhalten wurden Auf einer dritten Ebene figurieren abstrakte Konzepte wie faults mercy the law authority und modesty die in dem Dialog als handelnde Personen prasentiert oder symbolisiert werden Nach der Phase der Themeninterpretationen des Werkes hat es in der literaturwissenschaftlich Auseinandersetzung mit dem Stuck keine weitere Entwicklung eines dominierenden oder geschlossenen Ansatzes einer Gesamtdeutung gegeben Uberwiegend wird in den unterschiedlichen Deutungen und Analysen in der Kritik der letzten Jahrzehnte die Ansicht vertreten Shakespeare habe Measure for Measure bewusst in einer komplexen keinesfalls eindeutigen Struktur gestaltet sodass dieses Stuck weder ein Ratsel mit einer darin verborgenen Losung enthalte noch ein Experiment mit einem klaren Ergebnis oder eine Parabel zur Veranschaulichung oder dramatischen Prasentation einer bestimmten Sichtweise oder Auffassung darstelle Stattdessen wird die Offenheit und Komplexitat des Werkes herausgestellt das Fragen aufwerfe die mehrdeutig beantwortet wurden und Positionen gegenuberstelle so etwa die Angelos und Isabellas die sich als inkompatibel und unvertretbar erweisen wurden Gleichermassen bringe Shakespeare Figuren auf die Buhne denen die Rezipienten weder mit ungeschmalerter Sympathie noch mit voller Ablehnung oder Distanzierung begegnen konnten Trotz dieser jungeren literaturkritischen Versuche die Offenheit und Komplexitat der verschiedenartigen Teilaussagen des Stuckes in den Vordergrund zu rucken hat die gegenwartige Shakespeare Kritik dessen ungeachtet nach wie vor ihre Probleme ein angemessenes Werkverstandnis zu entwickeln und mehr als nur Teilstrukturen zu erfassen 16 Buhnengeschichtlich ist Measure for Measure im Gegensatz zu der kontroversen Rezeption in der Literaturwissenschaft und Kritik kaum als schwer spielbar oder anpassungsbedurftig angesehen worden allerdings ist das Stuck erst im 20 Jahrhundert erneut auf grosseres Interesse beim Theaterpublikum gestossen Vor der Restaurationszeit sind ausser der oben erwahnten Hofauffuhrung keine weiteren Auffuhrungen nachweisbar 1662 wurde dann eine Adaption von William Davenant als The Law against Lovers mit unverkennbar komischen Zugen gespielt In Davenants Umarbeitung wird Isabella von Angelo nur auf die Probe gestellt und am Ende von ihm geheiratet Zusatzlich wird das Liebespaar Beatrice und Benedikt aus Much Ado About Nothing in seine Fassung eingebaut um die Gattungsmerkmale der Komodie zu verstarken Um 1700 gestaltete Charles Gildon mit Measure for Measure Beauty the Best Advocate eine Version die dem Original wieder naher kam Ab 1720 setzte sich theatergeschichtlich dann eine Ruckkehr zu Shakespeares Originalfassung durch in den Auffuhrungen 1930 und 1933 von Thomas Guthrie und der vielgepriesenen Inszenierung von Peter Brook 1950 wurden vor allem die aktuellen Bezuge des Werkes hervorgehoben Wahrend in den Auffuhrungen bis uber den Zweiten Weltkrieg hinaus Vincentio und Isabella als Idealfiguren prasentiert wurden sind in spateren Inszenierungen beispielsweise von Jonathan Miller oder Charles Marowitz zugleich die politischen und sozialen Implikationen der Handlung betont worden In einer Auffuhrung durch die Royal Shakespeare Company 1991 inszenierte Trevor Nunn Measure for Measure im Stile Ibsens und deutete Angelo als eine Studie sexueller Repression Das mannliche Selbstverstandnis wurde ebenso bereits in einer Auffuhrung durch die Royal Shakespeare Company 1983 84 hinterfragt Ins Deutsche wurde der Text erstmals von Christoph Martin Wieland 1762 66 ubersetzt weitere Ubersetzungen folgten 1777 von Friedrich Ludwig Schroder sowie im Rahmen der Schlegel Tieck Ausgabe 1839 40 1836 entstand als erste musikalische Adaption die komische Oper Das Liebesverbot von Richard Wagner auf Grundlage von Shakespeares Measure for Measure Bertolt Brecht verwendete 1936 den Handlungskern des Shakespeareschen Stuckes in Die Rundkopfe und die Spitzkopfe einem Drama uber den Konflikt von Arm und Reich Seit der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg zahlt Mass fur Mass zu den meistgespielten Shakespeare Dramen in Deutschland wobei das Spiel zunachst als ein Mysterienspiel der Gnade inszeniert wurde wahrend in spateren Auffuhrungen der Erfahrungsprozess der Hauptfiguren und die Gefahren der Macht im Vordergrund standen Peter Zadeks bildsturmerische Inszenierung in Bremen 1967 steigerte diese Kritik an der Macht zu einer Provokation Die Attraktivitat und der Reiz von Measure for Measure fur die moderne Buhne liegen insbesondere in der theatralischen Vieldeutigkeit und den verschiedenartigsten Darstellungsmoglichkeiten die das Werk fur eine Inszenierung bietet ohne den Text gegen den Strich bursten zu mussen In dieser Hinsicht war beispielsweise der Herzog Vincentio in Brooks erster Inszenierung eine weise gutige gleichsam gottahnliche Figur wohingegen Zadek den Herzog als bosen seine Macht missbrauchenden Charakter auf die Buhne brachte der mit den Menschen spielt Adrian Noble dagegen zeigte Vincentio in seiner Inszenierung als autokratischen aber aufgeklarten Herrscher der im 18 Jahrhundert in Wien regiert 17 Textausgaben BearbeitenEnglischJ W Lever Hrsg William Shakespeare Measure for Measure The Arden Shakespeare Methuen London 1965 ISBN 978 1 9034 3644 8 N W Bawcutt Hrsg William Shakespeare Measure for Measure Oxford Shakespeare Oxford University Press Oxford 1991 ISBN 978 0199535842 Brian Gibbons Hrsg William Shakespeare Measure for Measure The New Cambridge Shakespeare Cambridge University Press Cambridge 2006 ISBN 978 0 521 67078 4DeutschWalter Naef und Peter Halter Hrsg William Shakespeare Measure for Measure Englisch Deutsche Studienausgabe Stauffenburg Tubingen 1977 ISBN 3 86057 546 5 Frank Gunther Hrsg William Shakespeare Mass fur Mass Deutscher Taschenbuch Verlag Munchen 2000 ISBN 978 3423127523Literatur BearbeitenHans Dieter Gelfert William Shakespeare in seiner Zeit C H Beck Verlag Munchen 2014 ISBN 978 3 406 65919 5 S 337 343 Michael Dobson Stanley Wells Hrsg The Oxford Companion to Shakespeare Oxford University Press 2 Ausgabe Oxford 2015 ISBN 978 0 19 870873 5 S 294 296 Ina Schabert Hrsg Shakespeare Handbuch Die Zeit der Mensch das Werk die Nachwelt 5 durchgesehene und erganzte Auflage Kroner Stuttgart 2009 ISBN 978 3 520 38605 2 S 448 454 Ulrich Suerbaum Der Shakespeare Fuhrer Reclam Ditzingen 2006 ISBN 3 15 017663 8 3 rev Auflage 2015 ISBN 978 3 15 020395 8 S 178 188 Stanley Wells Gary Taylor William Shakespeare A Textual Companion Oxford University Press Oxford 1987 ISBN 0 393 31667 X Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Measure for Measure Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Maass fur Maass im Projekt Gutenberg DE Measure for Measure englische Textausgabe in der Folger Shakespeare LibraryEinzelnachweise Bearbeiten Vgl Ina Schabert Shakespeare Handbuch Kroner Stuttgart 2009 ISBN 978 3 520 38605 2 S 448 Siehe auch Ulrich Suerbaum Der Shakespeare Fuhrer 3 rev Auflage Reclam Ditzingen 2015 ISBN 978 3 15 020395 8 S 180 f Vgl ebenso Michael Dobson Stanley Wells The Oxford Companion to Shakespeare Oxford University Press 2001 2 rev Auflage 2015 ISBN 978 0 19 870873 5 S 294 Vgl Ina Schabert Shakespeare Handbuch Kroner Stuttgart 2009 ISBN 978 3 520 38605 2 S 448 und 450 Siehe auch Ulrich Suerbaum Der Shakespeare Fuhrer 3 rev Auflage Reclam Ditzingen 2015 ISBN 978 3 15 020395 8 S 180 f Vgl ebenso Michael Dobson Stanley Wells The Oxford Companion to Shakespeare Oxford University Press 2001 2 rev Auflage 2015 ISBN 978 0 19 870873 5 S 294 Vgl ferner Brian Gibbons Hrsg William Shakespeare Measure for Measure The New Cambridge Shakespeare Cambridge University Press Cambridge 2006 ISBN 978 0 521 67078 4 Introduction S 6 ff Siehe auch J W Lever Hrsg William Shakespeare Measure for Measure The Arden Shakespeare Methuen London 1965 ISBN 978 1 9034 3644 8 Introduction S XXXV ff Vgl Ina Schabert Shakespeare Handbuch Kroner Stuttgart 2009 ISBN 978 3 520 38605 2 S 449 Siehe zu der weiteren Bedeutung des Begriffes angel im Fruhneuenglischen als Geldmunze auch die Angaben im Oxford English Dictionary online unter Archivierte Kopie Memento des Originals vom 8 Juli 2017 im Internet Archive nbsp Info Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht gepruft Bitte prufe Original und Archivlink gemass Anleitung und entferne dann diesen Hinweis 1 2 Vorlage Webachiv IABot en oxforddictionaries com Abgerufen am 1 August 2017 Vgl soweit Ina Schabert Shakespeare Handbuch Kroner Stuttgart 2009 ISBN 978 3 520 38605 2 S 448 f Vgl auch ausfuhrlicher Brian Gibbons Hrsg William Shakespeare Measure for Measure The New Cambridge Shakespeare Cambridge University Press Cambridge 2006 ISBN 978 0 521 67078 4 Introduction S 1 ff Siehe ebenfalls J W Lever Hrsg William Shakespeare Measure for Measure The Arden Shakespeare Methuen London 1965 ISBN 978 1 9034 3644 8 Introduction S xLVii ff und Lxxxiii ff Vgl soweit Ina Schabert Shakespeare Handbuch Kroner Stuttgart 2009 ISBN 978 3 520 38605 2 S 449 452 Siehe auch J W Lever Hrsg William Shakespeare Measure for Measure The Arden Shakespeare Methuen London 1965 ISBN 978 1 9034 3644 8 Introduction S xLVii ff und Lii ff sowie Lxxviii ff Vgl dazu Ina Schabert Shakespeare Handbuch Kroner Stuttgart 2009 ISBN 978 3 520 38605 2 S 452 Siehe auch Michael Dobson Stanley Wells The Oxford Companion to Shakespeare Oxford University Press 2001 2 rev Auflage 2015 ISBN 978 0 19 870873 5 S 295 f Vgl auch J W Lever Hrsg William Shakespeare Measure for Measure The Arden Shakespeare Methuen London 1965 ISBN 978 1 9034 3644 8 Introduction S xLix ff und Lxiii ff sowie xci ff Vgl Ina Schabert Shakespeare Handbuch Kroner Stuttgart 2009 ISBN 978 3 520 38605 2 S 448 Siehe auch Ulrich Suerbaum Der Shakespeare Fuhrer 3 rev Auflage Reclam Ditzingen 2015 ISBN 978 3 15 020395 8 S 180 f Vgl ebenso Michael Dobson Stanley Wells The Oxford Companion to Shakespeare Oxford University Press 2001 2 rev Auflage 2015 ISBN 978 0 19 870873 5 S 294 Siehe auch Stanley Wells Gary Taylor William Shakespeare A Textual Companion korrigierte Neuauflage Oxford 1997 ISBN 0 393 31667 X S 468 Vgl ferner Brian Gibbons Hrsg William Shakespeare Measure for Measure The New Cambridge Shakespeare Cambridge University Press Cambridge 2006 ISBN 978 0 521 67078 4 Introduction S 1 Siehe auch N W Bawcutt Hrsg William Shakespeare Measure for Measure Oxford Shakespeare Oxford University Press Oxford 1991 ISBN 978 0199535842 Introduction S 1 ff Ebenso J W Lever Hrsg William Shakespeare Measure for Measure The Arden Shakespeare Methuen London 1965 ISBN 978 1 9034 3644 8 Introduction S XXXI ff Vgl Ina Schabert Shakespeare Handbuch Kroner Stuttgart 2009 ISBN 978 3 520 38605 2 S 448 Siehe auch Ulrich Suerbaum Der Shakespeare Fuhrer 3 rev Auflage Reclam Ditzingen 2015 ISBN 978 3 15 020395 8 S 180 f Vgl ebenso Michael Dobson Stanley Wells The Oxford Companion to Shakespeare Oxford University Press 2001 2 rev Auflage 2015 ISBN 978 0 19 870873 5 S 294 Siehe auch Stanley Wells Gary Taylor William Shakespeare A Textual Companion korrigierte Neuauflage Oxford 1997 ISBN 0 393 31667 X S 468 Vgl ferner Brian Gibbons Hrsg William Shakespeare Measure for Measure The New Cambridge Shakespeare Cambridge University Press Cambridge 2006 ISBN 978 0 521 67078 4 Introduction S 202 Ebenso J W Lever Hrsg William Shakespeare Measure for Measure The Arden Shakespeare Methuen London 1965 ISBN 978 1 9034 3644 8 Introduction S XXXI ff und Lxii ff Vgl soweit Ulrich Suerbaum Der Shakespeare Fuhrer 3 rev Auflage Reclam Ditzingen 2015 ISBN 978 3 15 020395 8 S 181 und Manfred Pfister Inszenierte Wirklichkeit Weltenbuhnen und Buhnenwelten In Hans Ulrich Seeber Hrsg Englische Literaturgeschichte 4 erw Aufl J B Metzler Stuttgart 2004 ISBN 3 476 02035 5 S 129 154 hier S 153 Vgl Ulrich Suerbaum Der Shakespeare Fuhrer 3 rev Auflage Reclam Ditzingen 2015 ISBN 978 3 15 020395 8 S 181 f Vgl dazu Ulrich Suerbaum Der Shakespeare Fuhrer 3 rev Auflage Reclam Ditzingen 2015 ISBN 978 3 15 020395 8 S 182 Vgl soweit Ulrich Suerbaum Der Shakespeare Fuhrer 3 rev Auflage Reclam Ditzingen 2015 ISBN 978 3 15 020395 8 S 183f Vgl G Wilson Knight The Wheel of Fire Interpretation of Shakespeare s Tragedy Meridian Books Cleveland und New York 5 revidierte und erweiterte Ausgabe 1957 Neuauflage 1964 Erstausgabe Oxford University Press 1930 S 73ff online im Internet Archive zuganglich unter 1 Abgerufen am 26 Juli 2017 G Wilson Knight betrachtet das Werk an dieser Stelle als a studied explication of a central theme Vgl ebenda S 73 Siehe dazu auch eingehend Ulrich Suerbaum Der Shakespeare Fuhrer 3 rev Auflage Reclam Ditzingen 2015 ISBN 978 3 15 020395 8 S 184 f Eine detaillierte Darstellung der fruhen Deutungsgeschichte des Werkes findet sich ebenso in dem Beitrag von Ulrich Suerbaum Shakespeare Wissenschaft aktuell In Shakespeare Jahrbuch West 1978 79 S 276 289 Vgl Ulrich Suerbaum Der Shakespeare Fuhrer 3 rev Auflage Reclam Ditzingen 2015 ISBN 978 3 15 020395 8 S 185 Vgl dazu eingehend Ulrich Suerbaum Der Shakespeare Fuhrer 3 rev Auflage Reclam Ditzingen 2015 ISBN 978 3 15 020395 8 S 185 f Vgl Ulrich Suerbaum Der Shakespeare Fuhrer 3 rev Auflage Reclam Ditzingen 2015 ISBN 978 3 15 020395 8 S 186 f Vgl soweit Ina Schabert Shakespeare Handbuch Kroner Stuttgart 2009 ISBN 978 3 520 38605 2 S 452 f Siehe ebenso detailliert Ulrich Suerbaum Der Shakespeare Fuhrer 3 rev Auflage Reclam Ditzingen 2015 ISBN 978 3 15 020395 8 S 186 189 Vgl auch Michael Dobson Stanley Wells The Oxford Companion to Shakespeare Oxford University Press 2001 2 rev Auflage 2015 ISBN 978 0 19 870873 5 S 296 Werke von William ShakespeareTragodien Titus Andronicus Romeo und Julia Hamlet Othello Konig Lear Macbeth Julius Caesar Antonius und Cleopatra Coriolanus Troilus und Cressida Timon von AthenKomodien Zwei Herren aus Verona Der Widerspenstigen Zahmung Die Komodie der Irrungen Verlorene Liebesmuh Ein Sommernachtstraum Der Kaufmann von Venedig Die lustigen Weiber von Windsor Viel Larm um nichts Wie es euch gefallt Was ihr wollt Mass fur Mass Ende gut alles gut Perikles Furst von Tyrus Das Wintermarchen Cymbeline Der Sturm Die beiden edlen VetternHistoriendramen Konig Johann Richard II Heinrich IV Teil 1 Heinrich IV Teil 2 Heinrich V Heinrich VI Richard III Heinrich VIII Andere Werke Sonette Venus und Adonis Lucretia Der verliebte Pilger Der Phoenix und die Turteltaube Der Liebenden Klage Sir Thomas More Normdaten Werk GND 4099362 0 lobid OGND AKS LCCN no2008022435 VIAF 181321659 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Mass fur Mass amp oldid 236030405