www.wikidata.de-de.nina.az
Dieser Artikel behandelt den Schriftsteller Zum Dokumentarfilm siehe Giovanni Boccaccio 1973 Giovanni Boccaccio d ʒoˈvanːi boˈkːat ʃːo 16 Juni 1313 in Certaldo oder Florenz 1 21 Dezember 1375 in Certaldo war ein italienischer Schriftsteller Dichter und bedeutender Vertreter des fruhen Renaissance Humanismus Sein Hauptwerk das einhundert Novellen umfassende Decamerone portratiert die facettenreiche Gesellschaft des 14 Jahrhunderts und erhebt ihn zum Begrunder der prosaischen Erzahltradition in Europa Inhaltsverzeichnis 1 Leben 2 Rezeption und Ehrungen 3 Werke 4 Textausgaben und Ubersetzungen 5 Literatur 6 Dokumentarfilm 7 Weblinks 8 EinzelnachweiseLeben Bearbeiten nbsp Andrea del Castagno Giovanni Boccaccio auf der italienischen 2 Euro Munze von 2013 nbsp Andrea del Castagno Giovanni Boccaccio um 1450Die genauen Umstande seiner Geburt sind nicht gesichert Boccaccio wurde 1313 geboren vermutlich in Florenz oder im nahe gelegenen Bergdorf Certaldo als unehelicher Sohn des Kaufmanns Boccaccio di Chellino Seine Mutter starb kurz nach der Niederkunft 2 Spater kam die in vielen Quellen zitierte und auch von ihm selbst geforderte bis heute unbewiesene Legende auf er sei in Paris geboren worden hervorgegangen aus einer Beziehung zwischen seinem Vater und einer franzosischen Adligen namens Giovanna Als Kind lebte er in Florenz im Haus des Vaters der fur die Compagnia dei Bardi eine Bankgesellschaft arbeitete Noch als Jugendlicher ungefahr vierzehn Jahre alt wurde er nach Neapel zur Arbeit in eine Filiale der Compagnia dei Bardi geschickt um sich im Beruf des Kaufmanns zu uben Die in Neapel verbrachten Jahre bis 1340 hatten grossen Einfluss auf die personliche und intellektuelle Entwicklung Boccaccios Anstatt sich vollkommen dem Studium der Handelstatigkeit oder des kanonischen Rechts zu verschreiben wie es der Vater gewollt hatte widmete er sich seiner Leidenschaft fur die Literatur Er erhielt Zugang zum neapolitanischen Hof des Robert von Anjou wo er den eleganten hofischen Lebensstil kennenlernte mit Intellektuellen verkehrte und sich eine breitgefacherte Bildung aneignete In dieser Zeit entstanden auch seine ersten Werke in Versform und Prosa in denen Boccaccio mit verschiedenen Genres und Stilen experimentierte unter anderem gilt der zwischen 1336 und 1338 entstandene Filocolo als einer der ersten volkssprachlichen Prosaromane und gibt Zeugnis uber seine weitreichenden Kenntnisse Dem Geschmack der Zeit entsprechend entwarf er das wiederkehrende Bild einer idealen Geliebten die er Fiammetta nannte und deren reales Vorbild vermutlich eine neapolitanische Adlige namens Maria d Aquino ist 1340 kehrte er nach Florenz zuruck Wegen finanzieller Schwierigkeiten trat er in den Staatsdienst ein und bekleidete mehrere Amter Zwischen 1345 und 1346 begab er sich an den Hof des Ostasio da Polenta in Ravenna wahrend er im nachsten Jahr im Dienst des Francesco Ordelaffi in Forli stand Das burgerliche stadtische Umfeld sehr verschieden vom hofischen Leben war eine bedeutende Inspirationsquelle fur seine fruchtbare literarische Tatigkeit in jenem Jahrzehnt die ihren Hohepunkt im Decamerone fand geschrieben in den Jahren nach der Pestepidemie die Italien 1348 heimsuchte nbsp Standbild in den Uffizien Florenz nbsp Boccacchio Stich von Raffaello Morghen 1822Sein Meisterwerk war indes sicher schon abgeschlossen als er im Herbst 1350 erstmals Francesco Petrarca traf Boccaccio schloss mit ihm eine tiefe Freundschaft Beiden war die Verehrung fur die klassischen Autoren gemein wie ihr Briefwechsel bezeugt in dem sie sich uber literarische Erfahrungen austauschten Jetzt wo sein Ruhm gewachsen war vertraute ihm die florentinische Stadtverwaltung verschiedene diplomatische Auftrage an die ihn auf viele Reisen fuhrten In diesen Jahren widmete sich Boccaccio auch beeinflusst von seinem Freund Petrarca verstarkt seinem Studium der klassischen Texte Um 1355 erhielt er freien Zugang zur Bibliothek von Montecassino in der viele Meisterwerke aus der Antike die Zeiten uberdauert hatten Einige der kostbaren Kodizes schrieb Boccaccio sogar eigenhandig ab wie es sich in seinen uberlieferten Notizbuchern den sogenannten Zibaldoni nachlesen lasst Nachdem Boccaccio um 1360 mit dem Studium des Griechischen begonnen hatte erwirkte er dass in Florenz dafur der erste Lehrstuhl eingerichtet wurde Dieser wurde an Leontius Pilatus vergeben dem Boccaccio daruber hinaus die Ubersetzung der Ilias und der Odyssee des Homer ins Lateinische anvertraute Diese Werke konnten somit von einem weitaus breiteren Publikum gelesen werden Sein Interesse fur die Antike beeinflusste auch die Literaturproduktion gegen Ende seines Lebens In seinen spateren Lebensjahren schrieb er namlich weniger in Volgare gehaltene erzahlerische Texte sondern mehr Werke die sich in lateinischer Sprache mit enzyklopadischen oder philologischen Themen befassten Moglicherweise ist diese Veranderung auch auf eine religiose Krise im Leben Boccaccios zuruckzufuhren Diese soll so tiefgreifend gewesen sein dass Boccaccio sogar einige seiner Werke zerstoren wollte die er nun fur unmoralisch hielt Er konnte jedoch von Petrarca zuruckgehalten werden Diese Darstellung wird durch die Tatsache in Frage gestellt dass er noch um 1370 eigenhandig Abschriften seines Decamerone verfertigte Er war bereits 1360 in den minderen Geistlichenstand eingetreten wenn auch wahrscheinlich aufgrund finanzieller Note Schliesslich begegnete er im Jahr 1362 dem Kartausermonch Gioachino Cianni aus Siena der Boccaccio zu frommem Leben bekehrte 2 1373 wurde ihm der bereits zwanzig Jahre zuvor mit seiner Dante Biographie den Kult um Dante Alighieri angefacht hatte von der Stadt Florenz aufgetragen offentlich die Divina Commedia zu lesen zu erklaren und zu kommentieren 1374 verschlechterte sich allerdings sein gesundheitlicher Zustand wegen einer wahrscheinlichen Hydropsie und so musste er diese Tatigkeit abbrechen Er kam nur bis zum Beginn des 17 Gesang des Inferno Er liess sich schliesslich in Certaldo nieder und arbeitete an einigen Werken bis zu seinem Tod am 21 Dezember 1375 Rezeption und Ehrungen BearbeitenGiovanni Boccaccio wurde von der Nachwelt unterschiedlich bewertet wobei positive Rezeptionen durch relevante Betrachter uberwiegen So lobten ihn Francesco de Sanctis Friedrich Theodor Vischer und Vladimiro Macchi dafur das Mittelalter in der Literatur uberwunden zu haben Letzterer sah in Boccaccio den bedeutendsten italienischen Novellisten und sein Schaffen als Beginn der Blutezeit der italienischen Novelle 3 De Sanctis verglich den Dichter in seiner Geschichte der italienischen Literatur 1870 mit Voltaire Coluccio Salutati verfasste bereits kurz nach Boccaccios Tod einen ehrenden Nachruf Niccolo Machiavelli lobte im zweiten Buch seiner Geschichte von Florenz dessen Beredsamkeit bei der Beschreibung der Pest Paolo Giovio betrachtete Boccaccios lateinische Schriften 1556 in seinen Elogia doctorum virorum als inzwischen belanglos zeigte sich aber vom Decamerone begeistert Papst Pius II ubernahm Kapitel aus Boccaccios Buchern in seine Sammlung De pravis mulieribus Der Autor und Biograf Werner Pleister betrachtete die insbesondere im 17 Jahrhundert entstandenen Geruchte um Boccaccios Biografie als eine noch grossere Schadigung von dessen Ansehen als die vorangegangene Zensur seiner Werke Dichter und Wissenschaftler des 19 und 20 Jahrhundert verbesserten aber nach Pleisters Ansicht das Bild Boccaccios wieder Tatsachlich hob Paul Heyse hervor dass Boccaccio die Novelle zur Kunstform erhoben habe Hermann Hesse gestand nicht den zehnten Teil von Boccaccios Konnen zu besitzen August Wilhelm Schlegel betonte dass Boccaccios haufig kritisierte Novellen im Spiegel ihrer Zeit zu analysieren sind Hermann Hettner betrachtete hingegen zwar Elegia di Madonna Fiammetta als Vorlaufer von Die Leiden des jungen Werther sah den innerste n Kern von Boccaccios Schrift aber als wurmstichig an und schatzte Goethes Roman demnach ungleich hoher ein Er zeigte auch Verstandnis fur die Indizierung des Decamerone Georg Voigt kritisierte die Genealogia deorum gentilium als wustes und geschmackloses Nachrichtenmagazin 4 2013 erschien anlasslich seines 700 Geburtstages eine 2 Euro Gedenkmunze mit seinem Portrat im Dreiviertelprofil Dieses ist dem Fresko von Andrea del Castagno entnommen 5 Werke Bearbeiten nbsp Boccaccio Il Filostrato Handschrift 14 Jahrhundert Codex Christianei Hamburg nbsp Deutsche Erstausgabe 1473 74 von Boccaccios De mulieribus claris deutsche Ubersetzung von Heinrich Steinhowel Die italienischen WerkeDie neapolitanische PhaseLa caccia di Diana 1334 Kurzepos in 18 Gesangen Il Filostrato 1335 Epos in Stanzen ottava rima Il Filocolo 1336 1339 Roman in Prosa Teseida 1340 1341 vollendet in Florenz Epos in Stanzen ottava rima Rime Sammlung von Gedichten die Boccaccio im Verlauf seines Lebens verfasste von ihm selbst nie zu einem Werk zusammengefasstDie Jahre 1340 1350Ninfale d Ameto 1341 1342 Hirtenroman in Versform und Prosa L amorosa visione 1342 1344 Epos in Terzinen imitiert Dantes Divina Commedia Elegia di Madonna Fiammetta 1343 1344 Roman in Prosa Ninfale fiesolano 1344 1346 Epos in Stanzen ottava rima Das HauptwerkIl Decamerone 1348 1353 NovellensammlungDas SpatwerkIl Corbaccio Vermutlich 1366 6 Misogyner Traktat in Form einer Traumvision Trattatello in laude di Dante 1351 1373 Biographie Dante Alighieris Esposizione sopra la Commedia di Dante 1373 1374 Uberlieferung seiner offentlichen Vorlesungen und Kommentare zur Divina CommediaDie lateinischen WerkeBucolicum carmen 1349 1367 sechzehn Eklogen Genealogia deorum gentilium 1350 1367 Sammlung mythologischer Erzahlungen aus der Antike in 15 Buchern De montibus silvis fontibus lacubus fluminibus stagnis seu paludibus et de nominibus maris liber 1355 1375 umfangreicher Katalog geographischer Objekte die in der klassischen Literatur vorkommen De casibus virorum illustrium 1356 1373 Sammlung von Episoden aus dem Leben beruhmter Personlichkeiten die ein ubles Schicksal ereilte De mulieribus claris 1361 1362 Sammlung moralisierender Biographien beruhmter Frauen der Antike und des MittelaltersTextausgaben und Ubersetzungen BearbeitenBrigitte Hege Hrsg Boccaccios Apologie der heidnischen Dichtung in den Genealogie deorum gentilium Buch XIV Text Ubersetzung Kommentar und Abhandlung Stauffenburg Tubingen 1997 ISBN 3 86057 183 4 Virginia Brown Hrsg Giovanni Boccaccio Famous Women Harvard University Press Cambridge Massachusetts 2001 ISBN 0 674 00347 0 lateinischer Text und englische Ubersetzung Jon Solomon Hrsg Giovanni Boccaccio Genealogy of the Pagan Gods Harvard University Press Cambridge Massachusetts 2011 ff lateinischer Text und englische Ubersetzung Band 1 Books I V 2011 ISBN 978 0 674 05710 4 Giovanni Boccaccio Novellen aus dem Decameron Artemis amp Winkler Dusseldorf Zurich 1991 Mit 10 Miniaturen aus der Biblioteca Apostolica Vaticana Codex Palatinus latinus 1989 Ubertragung Karl Witte Helmut Bode ISBN 3 538 06649 3 Giovanni Boccaccio Buchlein zum Lob Dantes Ubersetzt und eingefuhrt von Moritz Rauchhaus Verlag das kulturelle Gedachtnis Berlin 2021 ISBN 978 3 946990 55 0 Literatur Bearbeiten nbsp Genealogia deorum gentilium 1532Hans Jorg Neuschafer Boccaccio und der Beginn der Novelle Strukturen der Kurzerzahlung auf der Schwelle zwischen Mittelalter und Neuzeit Munchen 1969 Joachim Heinzle Boccaccio und die Tradition der Novelle Zur Strukturanalyse und Gattungsbestimmung kleinepischer Formen zwischen Mittelalter und Neuzeit In Wolfram Studien 5 1979 S 41 62 Hans Joachim Ziegeler Boccaccio Chaucer Maren Novellen The Tale of the Cradle In Klaus Grubmuller u a Hrsg Kleinere Erzahlformen im Mittelalter Paderborner Colloquium 1987 Paderborn Munchen Wien Zurich 1988 S 9 32 Winfried Wehle Der Tod das Leben und die Kunst Boccaccios Decameron oder der Triumph der Sprache In Arno Borst Hrsg Tod im Mittelalter Konstanz 1993 S 221 260 Online PDF 250 kB Winfried Wehle Im Purgatorium des Lebens Boccaccios Projekt einer narrativen Anthropologie In Achim Aurnhammer Rainer Stillers Hrsg Giovanni Boccaccio in Europa Studien zu seiner Rezeption in Spatmittelalter und Fruher Neuzeit Wiesbaden 2014 S 19 45 Online PDF 3 MB Dokumentarfilm Bearbeiten1972 Giovanni Boccaccio DEFA Dokumentarfilm Regie Uwe Belz 7 Weblinks Bearbeiten nbsp Wikisource Giovanni Boccaccio Quellen und Volltexte italienisch nbsp Wikisource Giovanni Boccaccio Quellen und Volltexte nbsp Commons Giovanni Boccaccio Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien nbsp Wikiquote Giovanni Boccaccio Zitate Literatur von und uber Giovanni Boccaccio im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek Werke von und uber Giovanni Boccaccio in der Deutschen Digitalen Bibliothek Werke von Giovanni Boccaccio bei Zeno org Werke von Giovanni Boccaccio im Projekt Gutenberg DE Werke von Giovanni Boccaccio Text Konkordanzen Wortlisten und Statistik Abschrift in humanistischer Kursive von Giovanni Cardello da Imola Giovanni Boccaccio Elegie von Madonna Fiammetta Italien 1467 im digitalen Angebot von Cologny Fondation Martin Bodmer Cod Bodmer 39 Le livre de Jehan Bocace des cas des nobles hommes et femmes Digitalisat einer franzosischen Handschrift 15 Jh BSB Cod gall 6Einzelnachweise Bearbeiten Natalino Sapegno Giovanni Boccaccio in Dizionario biografico degli italiani vol 10 Roma Istituto dell Enciclopedia Italiana a b Zeittafel und bibliographische Hinweise in Giovanni Boccaccio Das Dekameron Munchen 1981 ISBN 3 442 07599 8 S 860 f Nachwort zu Das Dekameron Band 2 Ubersetzung Ruth Macchi Aufbau Verlag Berlin Weimar 1980 S 362 Werner Pleister Giovanni Boccaccio In Die Grossen Leben und Leistung der sechshundert bedeutendsten Personlichkeiten unserer Welt Band IV 1 Kindler Verlag AG Zurich 1995 S 38 ff Website der EZB Das Portrat ist in Florenz in der Galerie der Uffizien ausgestellt Luigi Surdich Boccaccio Il mulino Bologna 2008 ISBN 978 88 15 12551 4 S 125 Giovanni Boccaccio in der Filmdatenbank der DEFA Stiftung DEFA Stiftung abgerufen am 30 Oktober 2022 Normdaten Person GND 11851217X lobid OGND AKS LCCN n78087605 NDL 00433647 VIAF 64002165 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Boccaccio GiovanniKURZBESCHREIBUNG italienischer SchriftstellerGEBURTSDATUM 16 Juni 1313GEBURTSORT Certaldo oder FlorenzSTERBEDATUM 21 Dezember 1375STERBEORT Certaldo Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Giovanni Boccaccio amp oldid 237702914