www.wikidata.de-de.nina.az
Der Begriff Germanisierung bezeichnet die weitere Verbreitung eines germanischen Volkes sowie seiner Kultur und Sprache Das kann gewaltsam oder friedlich geschehen Gemeint ist auch die damit oft verbundene Uberformung oder Verdrangung anderer Kulturen und Sprachen bzw der entsprechenden Menschen Mit Blick auf die deutsche Sprache bedeutet Germanisierung von Wortern eine Angleichung der Worter an die deutsche Sprache Inhaltsverzeichnis 1 Variierende Bedeutung des Begriffes 2 Antike 2 1 Romisches Heer 2 2 Westromisches Reich 3 Volkerwanderungszeit 4 Mittelalter und Neuzeit 5 Preussen im 19 Jahrhundert 6 Zeit des Nationalsozialismus 7 Siehe auch 8 Literatur 9 Weblinks 10 EinzelnachweiseVariierende Bedeutung des Begriffes BearbeitenDer Begriff Germanisierung wird fur die Antike die Volkerwanderungszeit und das Fruhmittelalter vor der deutschen Reichsbildung bezogen auf alle germanischen Volker gebraucht Fur Teile des Mittelalters in Mittel und Osteuropa sowie in der Neuzeit wird der Begriff vorwiegend fur die entsprechende Ausbreitung des deutschen Volks und seiner Vorlaufervolker verwendet Die genaue Bedeutung dieses Begriffs kann auch in weiterer Hinsicht variieren So kann Germanisierung die Ausbreitung einer germanischen Kultur ohne erhebliche Migration von Menschen bezeichnen Germanisierung bezeichnet aber auch die Verdrangung anderer Volker aus ihrem Siedlungsraum oder deren Uberformung via Majorisierung durch hinzukommende Bevolkerung mit germanischen Sprachen und Kulturen Antike BearbeitenRomisches Heer Bearbeiten Die allmahliche Verdrangung romischer Soldaten durch Soldner aus Germanien im Romischen Reich wird gelegentlich als Germanisierung des Heeres bezeichnet Westromisches Reich Bearbeiten Ab dem dritten Jahrhundert uberschritten germanische Stamme zunehmend den Limes und drangen in romisch beherrschtes Gebiet ein Sowohl kriegerische Auseinandersetzungen als auch friedliche Einwanderung germanischer Volker fuhrten zu einer allmahlichen Germanisierung von Teilen des romischen Reiches noch vor seinem Untergang Haufig akzeptierten die Romer die germanischen Volker als Foderaten und wiesen ihnen Siedlungsgebiete innerhalb der romischen Reichsgrenzen zu Volkerwanderungszeit BearbeitenNach Abzug der romischen Truppen aus Britannien blieb die teilweise romanisierte keltische Bevolkerung schutzlos zuruck Die germanischen Volker der Angeln Sachsen und Juten eroberten daraufhin in einem viele Jahrzehnte dauernden Prozess und extrem blutigen Auseinandersetzungen England Die Erinnerung an die Abwehrschlachten der Kelten hat sich in der Artus legende erhalten Teile von Wales des Cornwalls und der heute schottischen Gebiete mit ihren skotischen und piktischen Einwohnern dagegen widerstanden dem Ansturm In der Folgezeit kam es in der Wende der Spatantike zum Fruhmittelalter zu einer allmahlichen Germanisierung der ehemals keltischen Bevolkerung Die Eroberung Englands 1066 durch die romanisierten germanischen Normannen fugte der Germanisierung Englands eine teilweise Romanisierung hinzu Mittelalter und Neuzeit BearbeitenVon den Historikern des 19 und fruhen 20 Jahrhunderts wurde der Begriff Germanisierung vorwiegend fur die Besiedlung autochthon slawischer Gebiete wie Mecklenburg Brandenburg Pommern Sachsen Schlesien Grosspolen und Westpreussen baltischer Gebiete wie z B der Pruzzen in Ostpreussen sowie magyarischer und rumanischer Gebiete in Ungarn verwendet Teilweise ging der Germanisierung die Christianisierung voran oder nebenher Es handelte sich jedoch nicht um eine einseitige Germanisierung weil der hochmittelalterliche Landesausbau in der Germania Slavica Ostkolonisation unter Einbeziehung der slawischen Bevolkerung geschah wobei gemeinsam vollig neue Siedlungsformen gefunden wurden z B Rundlinge und Angerdorfer die es in dieser Form im Altsiedelland noch nicht gegeben hatte Jedoch verlief die Einbeziehung der slawischen Bevolkerung nicht durchgehend friedlich wie die Slawenfeldzuge Heinrichs I der Slawenaufstand von 983 oder der Abodritenaufstand von 1066 zeigen Grosstenteils wurden die deutschsprachigen Zuwanderer von den dortigen Landesfursten welche aufgrund von Treueiden an das Kaiserreich die Territorien als Lehen zum Regieren erhalten hatten ins Land gerufen um siedlungsarme oder ganzlich siedlungsfreie Flachen zu kolonisieren Eine Verdrangung der bereits ansassigen Bevolkerung hatte aus Sicht der lokalen Herrscher keinen Sinn ergeben zumal ihnen an einer moglichst hohen Anzahl von Untertanen gelegen war die ihre Macht mehrten Dabei gab es oft an einem Siedlungsplatz deutsche und slawische Ortsteile nebeneinander Die Assimilierung und sprachliche Germanisierung der Slawen vollzog sich schleichend uber Jahrhunderte und wurde durch gerichtliche Verbote des Sorbischen unterstutzt In der Lausitz konnte sich ein Teil der Sorben trotz ihrer insularen Lage im deutschen Sprachgebiet der vollstandigen Germanisierung entziehen wenngleich besonders die niedersorbische Sprache heute als stark gefahrdet angesehen werden muss Preussen im 19 Jahrhundert BearbeitenInnerhalb des deutschen Kaiserreichs betrieb das Konigreich Preussen gegenuber seinen Burgern polnischer Herkunft in den ostlichen Provinzen Westpreussen und Posen durch die Teilungen Polens erworben eine Politik der Zuruckdrangung der polnischen Sprache und Kultur Die Auseinandersetzung war in erster Linie gekennzeichnet durch Verdrangung der polnischen Sprache im offentlichen Gebrauch Der polnische Schulunterricht wurde systematisch zuruckgedrangt 1873 wurde in der Provinz Posen und in Westpreussen Deutsch als alleinige Unterrichtssprache in Volksschulen eingefuhrt die Zehntausende von Schulern nicht verstanden Ausnahme blieben die Facher Religion und der Kirchengesang Im gleichen Zeitraum wurde auch gegenuber den Danen in dem seit dem Deutsch Danischen Krieg 1864 deutschen Schleswig auch Suderjutland eine repressive Sprachenpolitik ausgeubt In Nordschleswig wurden die Schulen 1878 zur Halfte deutschsprachig und 1888 wurde Deutsch schliesslich einzige Schulsprache mit Ausnahme von vier Wochenstunden Religion Im gleichen Jahr schlossen die Behorden die letzte danische Privatschule 1 Ein Antezedens der antidanischen Sprachpolitik Preussens gab es zuvor am Niederrhein wo die niederlandische Sprache vom preussischen Staat ebenfalls bekampft wurde Die relative Toleranz in Sprachfragen die Preussen noch im 18 Jahrhundert gegenuber der Verwendung des Niederlandischen in seinen niederrheinischen Provinzen hatte walten lassen wich im 19 Jahrhundert einer rigiden aktiven Sprachpolitik deren Ziel die vollstandige Verdrangung des Niederlandischen und die Etablierung des Deutschen als alleiniger Standard und Schriftsprache war 2 So wurde 1827 in Kleve und Preussisch Geldern der Gebrauch der niederlandischen Sprache in Elementarschule und Kirche verboten 3 Mit dem Verlust der letzten offentlichen Domanen ist das Niederlandische auch aus der privaten Schriftlichkeit Anschreibebucher Tagebucher Briefe weitestgehend verschwunden 4 Dennoch wurde im Klevischen bis in die letzten Jahrzehnten des 19 Jahrhunderts hinein in den Kirchen niederlandisch heimlich gesprochen und gelehrt so dass es um 1900 noch 80 361 niederlandischsprachige Einwohner des deutschen Kaiserreiches gab 5 6 In den ostlichen Gebieten wurde 1876 und 1877 bei Behorden und an den Gerichten statt der vorherigen Zweisprachigkeit nur noch das Deutsche erlaubt Ein Dauerkonflikt war garantiert Im Gegensatz zu den Danen stellten die Polen eine grossere geschlossene Gruppe dar waren zahlenmassig starker und wussten sich wirtschaftlich zu organisieren So stellten sie der Preussischen Ansiedlungskommission erfolgreich eigene Organisationen zum Landerwerb gegenuber Je mehr Massnahmen der Staat ergriff desto starker wurden die polnischen Verteidigungsbemuhungen Als Hohepunkt wurde 1908 das Reichsvereinsgesetz erlassen das fremdsprachige Versammlungen nur noch an Orten mit mehr als 60 fremdsprachiger Bevolkerung erlaubte Das sollte das danische und vor allem das polnische Vereinswesen treffen Parallel dazu sollten die polnischen Grundbesitzer vertrieben werden teils mit gezieltem Landaufkauf teils mit Repressalien Hausbauverbot Diese wurden jedoch nicht umgesetzt und konnten durch die Ergebnisse des Ersten Weltkrieges auch nicht mehr realisiert werden Zeit des Nationalsozialismus BearbeitenIm Zuge der Volkstumspolitik ein sogenanntes Grossdeutsches Reich zu schaffen gingen die Nationalsozialisten insbesondere in den besetzten Ostgebieten gegen andere Kulturen vor und versuchten sie zu vertreiben oder zum Teil z B Juden auszurotten Hauptziel war es ein kulturell sprachlich und rassisch einheitliches deutsches Siedlungsgebiet zu schaffen Dieses Ziel wurde mit unterschiedlichen Massnahmen verfolgt Ortsumbenennungen Die Verdeutschung fremdlandischer Ortsnamen stand im nationalsozialistischen Deutschland unter der Federfuhrung des Reichsministeriums fur Wissenschaft Erziehung und Volksbildung Davon betroffen waren zunachst vor allem slawische Ortsnamen wie in Schlesien Ost und Westpreussen und der Lausitz oder franzosische im Saarland Saarlouis in Saarlautern Die von den Regierungsprasidien fur die Umbenennung vorgeschlagenen Ortschaften erhielten von einer Expertenkommission bestehend aus Sprachwissenschaftlern Lektoren und Archivaren ihren neuen germanisierten Namen In Schlesien geschah dies bereits ab 1934 und in Ostpreussen wo von dieser Massnahme in manchen Landkreisen bis zu 70 der Dorfer betroffen waren zwischen August 1937 und Juli 1938 In den spater besetzten Gebieten wie beispielsweise im Wartheland Lodz in Litzmannstadt entschieden in der Regel untere Dienststellen uber die neuen Namen Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden in den nun zu Polen und der Sowjetunion Oblast Kaliningrad gehorenden Gebieten die Umbenennungen der slawischen Ortsnamen revidiert und nach und nach auch die ursprunglich deutschen Namen vollstandig den Landessprachen angepasst In der Sowjetischen Besatzungszone bzw in der DDR blieb insbesondere in Brandenburg ein grosserer Teil der germanisierten Ortsnamen erhalten wahrend in Sachsen die meisten umbenannten Orte ihre ursprunglichen Namen zwischen 1945 und 1947 zuruckerhielten 7 Verbot anderer Sprachen als der deutschen in Publikationen in Presseerzeugnissen Schulen und teilweise auch in Kirchen Besonders in Polen wurden hohere Bildungseinrichtungen geschlossen und die polnischsprachige Bildungselite verfolgt und teilweise etwa in Konzentrationslagern ermordet Besonders bekannt wurde auch die Verhaftung Internierung und teilweise Ermordung der Professoren der Universitat Krakau in der Sonderaktion Krakau Weiterhin wurden Schulen und Universitaten auch in den besetzten Gebieten der Sowjetunion Reichskommissariat Ostland Reichskommissariat Ukraine geschlossen In der Lausitz wurden v a sorbische Lehrer und Pfarrer die als Multiplikatoren sorbischer Sprache und Identitat galten in deutschsprachige Gegenden versetzt und durch Deutsche ersetzt die Tatigkeit sorbischer Organisationen und die Herausgabe sorbischsprachiger Veroffentlichungen wurden schrittweise verboten Polen die sich am Erhalt der polnischen Kultur beteiligten wurden in Vernichtungslager deportiert In den besetzten Gebieten der Sowjetunion geschah Ahnliches Polnische russische weissrussische und ukrainische Kinder wurden ihren Familien entrissen und gezielt in deutsche Familien gegeben um sie kulturell zu Deutschen zu machen siehe auch Hauptamt Volksdeutsche Mittelstelle und Lebensborn 8 Nach der Rassenideologie sollten im Rahmen der Gewinnung von Lebensraum im Osten die meisten Polen Russen Weissrussen und Ukrainer umgesiedelt werden z T als Landarbeiter in die eroberten Ostprovinzen z T nach hinter dem Ural wahrend eine Minderheit der Westslawen und Balten die nach dem nationalsozialistischen Verstandnis als rassisch wertvoll bezeichnet wurden germanisiert werden sollte Dazu erhielten sie eingedeutschte Vor und Nachnamen und erlangten durch Eintragung in die Deutsche Volksliste die deutsche Staatsangehorigkeit In Mein Kampf machte Adolf Hitler deutlich Da das Volkstum besser die Rasse eben nicht in der Sprache liegt sondern im Blute wurde man von einer Germanisation erst dann sprechen durfen wenn es gelange durch einen solchen Prozess das Blut der Unterlegenen umzuwandeln Das aber ist unmoglich Aus diesem Grund zielte die nationalsozialistische Politik nicht nur auf die sprachliche Germanisierung sondern auch auf die Verdrangung nichtdeutscher Volker Polen Russen etc bzw auf deren Eindeutschung bzw Aufnordung siehe auch Generalplan Ost Hungerplan Siehe auch BearbeitenEuropaische Expansion Slowinzen Sprache des Nationalsozialismus PolonisierungLiteratur BearbeitenStichwort eindeutschen Eindeutschung In Cornelia Schmitz Berning Vokabular des Nationalsozialismus De Gruyter Berlin 1998 S 165f K Schaferdiek Germanisierung des Christentums In Der Evangelische Erzieher Band 48 S 333 342 Gottfried Maron Luther und die Germanisierung des Christentums Notizen zu einer fast vergessenen These In ZKG 94 1983 S 313 Wilhelm Wichard Waldemar von Sommerfeld Geschichte der Germanisierung des Herzogtums Pommern oder Slavien bis zum Ablauf des 13 Jahrhunderts Duncker amp Humblot Leipzig 1896 eingeschrankte Vorschau Theodor Pisling Germanisirung oder Czechisirung Ein Beitrag zur Nationalitatenfrage in Bohmen Winter Heidelberg 1861 Online Anonym Das Konkordat und die K K Germanisierung in Ungarn Zwei Briefe aus und uber Ungarn Hamburg 1860 Online Detlef Brandes Umvolkung Umsiedlung rassische Bestandsaufnahme NS Volkstumspolitik in den bohmischen Landern Oldenbourg Munchen 2012 ISBN 978 3 486 71242 1 Weblinks Bearbeiten Wiktionary Germanisierung Bedeutungserklarungen Wortherkunft Synonyme UbersetzungenEinzelnachweise Bearbeiten Gesellschaft fur Geschichte Schleswig Holsteins Memento vom 15 Juli 2013 im Internet Archive Werner Besch Sprachgeschichte ein Handbuch zur Geschichte der deutschen Sprache 3 Teilband De Gruyter 2003 S 2636 Wilhelm Bottger Land zwischen Rhein und Maas der Linke Niederrhein In Monographien deutscher Wirtschaftsgebiete Nr 7 1958 S 22 Georg Cornelissen Das Niederlandische im preussischen Gelderland und seine Ablosung durch das Deutsche Rohrscheid 1986 S 93 Gesellschaft fur Deutsche Sprache In Der Sprachdienst Nr 18 Die Gesellschaft 1974 S 132 Michael Rademacher Fremdsprachige Minderheiten im Deutschen Reich Online Material zur Dissertation Osnabruck 2006 In eirenicon com Abgerufen am 3 Januar 2020 Vgl fur die durchgefuhrten Massnahmen in Ostpreussen Andreas Kossert Grenzlandpolitik und Ostforschung an der Peripherie des Reiches In Viertelsjahreshefte fur Zeitgeschichte Nr 51 2003 S 117 146 hier 138 ff Hitler s Plans for Eastern Europe Memento vom 9 August 2011 im Internet Archive In dac neu edu Northeastern University Holocaust Awareness Committee englisch Selections from Janusz Gumkowkski and Kazimierz Leszczynski Poland under Nazi Occupation Normdaten Sachbegriff GND 4272020 5 lobid OGND AKS Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Germanisierung amp oldid 234197154