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Agnes von Poitou oder Kaiserin Agnes um 1025 14 Dezember 1077 in Rom war nach dem Tod ihres Mannes Kaiser Heinrich III wahrend der Minderjahrigkeit ihres Sohnes Heinrich IV von 1056 bis 1061 Regentin des romisch deutschen Reiches 1061 zog sie sich nach einem von ihr mitverschuldeten Papstschisma aus der Regierungsverantwortung zuruck sicherte aber weiterhin die Thronanspruche ihres Sohnes Heinrich III ubergibt das Goldene Buch Codex Aureus ein prachtvoll ausgeschmucktes Evangeliar an die heilige Maria die Kirchenpatronin von Speyer Maria legt segnend der Kaiserin Agnes die Hand auf Im Hintergrund der Dom zu Speyer Echternacher Buchmalerei um 1045 Inhaltsverzeichnis 1 Leben 1 1 Agnes Ehe mit Heinrich III 1 2 Regentschaftsubernahme nach dem Tod Heinrichs III 1 3 Der Papstwahlkonflikt 1 4 Die Schleiernahme 1 5 Der Staatsstreich von Kaiserswerth 1 6 Agnes Vorgehen nach Kaiserswerth 1 7 Die letzten Jahre in Italien 2 Forschungsgeschichte 3 Quellen 4 Literatur 5 Weblinks 6 AnmerkungenLeben BearbeitenAgnes Ehe mit Heinrich III Bearbeiten Agnes von Poitou Tochter Herzog Wilhelms von Aquitanien und Poitou und seiner Frau Agnes von Burgund wurde am 21 November 1043 in Ingelheim mit Heinrich III vermahlt und noch im selben Jahre in Mainz zur deutschen Konigin gekront Die Kaiserkronung beider fand am 25 Dezember 1046 in Rom statt Heinrich hatte Agnes zu seiner Gemahlin erwahlt nachdem seine erste Frau Gunhild der Malaria zum Opfer gefallen war Die Vermahlung mit Agnes hatte fur ihn hauptsachlich machtpolitische Vorteile So verstarkte die Verbindung mit einem der machtigsten franzosischen Furstenhauser den Druck auf das franzosische Konigshaus und war geeignet Heinrichs Position in Burgund zu verbessern da Agnes Familie dort reich begutert war Agnes war eine gebildete und von tiefer Frommigkeit erfullte junge Frau Die Abtei Cluny war eine Grundung ihrer Familie und deren Abt Hugo wurde spater Taufpate Heinrichs IV und enger Vertrauter der kaiserlichen Familie Hofische Lebensfreude und Uberfluss widerstrebten dem jungen Konigspaar aufgrund seines religiosen Pflichtbewusstseins So durften Spielleute und Gaukler ihre Kunste bei der Hochzeitsfeier des Konigspaares nicht wie sonst ublich zeigen Heinrich der sich fur den in Frankreich entstandenen Friedensgedanken der treuga dei Waffenruhe Gottes begeisterte versuchte Faustrecht und Privatrache zu unterbinden Agnes bestarkte ihn in der sakralen Herrschaftsauffassung seines Konigsamtes und unterstutzte und inspirierte ihn in Bezug auf seine kirchenreformatorischen Ideen Dennoch hatte Agnes zu Lebzeiten Heinrichs keine Gelegenheit selbst politisch aktiv zu werden Ihre Aufgaben waren eher reprasentativer Natur sie war vorrangig Gattin und Mutter Unter ihren sechs Kindern war neben dem spateren Kaiser Heinrich IV auch die Konigin Judith von Ungarn nbsp Agnes Sohn Heinrich IV Detail aus einem Evangeliar aus St Emmeram nach 1106 Adelheid 1045 1096 Abtissin von Gandersheim und Quedlinburg begraben in der Stiftskirche in Quedlinburg Gisela 1047 1053 Mathilde 1048 1060 heiratete 1059 Rudolf von Rheinfelden Herzog von Schwaben 1077 deutscher Gegenkonig Heinrich IV 1050 1106 ab 1056 Konig 1084 1106 Kaiser des romisch deutschen Reiches Konrad 1052 1055 Herzog von Bayern Judith 1054 1092 1096 verheiratet zuerst mit Salomon 1087 Konig von Ungarn Arpaden seit 1063 danach ab 1089 mit Wladyslaw I Herman 1102 Herzog von Polen Regentschaftsubernahme nach dem Tod Heinrichs III Bearbeiten Nach dem Tod Heinrichs III am 5 Oktober 1056 ubernahm Agnes die Regentschaft fur den unmundigen jedoch bereits zum Konig gekronten Heinrich IV Am Anfang ihrer Regentschaft fuhrte Agnes die Politik ihres Mannes mit Hilfe von Hugo von Cluny dem Taufpaten ihres Sohnes und vor allem Papst Viktor II fort Letzterer als Bischof von Eichstatt auch Reichsverwalter tat alles in seiner Macht stehende um das salische Imperium zu stutzen Die Kaiserin stand wie Heinrich III auf der Seite der cluniazensischen Kirchenreformer und ubte eine Politik des Ausgleichs und der Friedenserhaltung aus Viktor II von Heinrich III zum Papst bestimmt vermittelte zwischen Krone weltlichem Adel und Episkopat Die Regentschaft der Kaiserin einer politisch unerfahrenen Frau wurde akzeptiert Agnes ging bald daran Adlige an sich zu binden indem sie diese mit Herzogtumern belehnte Dies fuhrte allerdings zum Verzicht auf direkte Herrschaftsrechte Schon Weihnachten 1056 verlieh sie das Herzogtum Karnten das ein Jahr ohne Herzog geblieben war an den Ezzonen Konrad III von Karnten Im Jahre 1057 wurde Rudolf von Rheinfelden mit Schwaben belehnt und sollte auch Burgund verwalten Frutolf von Michelsberg ein zeitgenossischer Chronist berichtet in seiner Weltchronik dass Rudolf von Rheinfelden die Belehnung mit Schwaben moglicherweise durch die Entfuhrung der erst neunjahrigen Kaisertochter Mathilde die er zwei Jahre spater heiratete erpresste 1 Berthold von Zahringen der Anspruch auf das freigewordene Herzogtum erhoben hatte fuhlte sich zuruckgesetzt und wurde daraufhin nach dem baldigen Tod des Herzogs Konrad im Jahre 1061 mit Karnten belehnt Mathilde als Unterpfand wog mehr als die noch von Heinrich III verliehene Anwartschaft auf Schwaben die Berthold von Zahringen durch einen Ring des Kaisers untermauern konnte Aussenpolitische Schwierigkeiten wie die Auseinandersetzung mit den Ungarn zwangen die Kaiserin 1061 das letzte dem Konigshaus direkt unterstellte und wichtige Herzogtum Bayern aus der Hand zu geben Sie setzte den kriegserfahrenen sachsischen Grafen Otto von Northeim als Herzog ein Er war nun fur die Verteidigung des sudostlichen Teils des Reiches verantwortlich Die ostlichen Nachbarn vor allem die Ungarn stellten eine nicht zu unterschatzende Gefahr fur das Reich dar Agnes war zwar Regentin konnte jedoch als Frau keine Feldzuge selbst fuhren Daher brauchte sie starke Herzoge an ihrer Seite wie etwa Otto von Northeim und Rudolf von Rheinfelden Agnes wird von der alteren Forschung Meier Knonau Giesebrecht und Buhlst Thiele immer wieder vorgehalten durch die Vergabe der genannten Herzogtumer den Niedergang der salischen Zentralgewalt beschleunigt und die Machtbasis des Konigtums gemindert zu haben Dass gerade diese von Agnes belehnten Herzoge spater zu den argsten Gegenspielern ihres Sohnes Heinrich IV werden sollten kann ihr jedoch nicht vorgeworfen werden Sicher hatte Agnes verhindern konnen den Zahringern Rheinfeldern und Northeimern eine starke Machtbasis zu schaffen dennoch war die Erhebung dreier Manner aus jungen Dynastien zu diesem Zeitpunkt ein geringes kalkulierbares Ubel Otto von Northeim agierte zu diesem Zeitpunkt durchaus im Sinne des salischen Hauses Er schutzte das Reich wie von Agnes angestrebt wirksam gegen Bedrohungen von aussen und erreichte einen Ausgleich mit den Ungarn indem er den Arpaden Salomon als deren Konig durchsetzte was selbst Heinrich III zu Lebzeiten nicht gelungen war Diese Beziehung wurde 1063 durch die Heirat des Salomon mit der Kaisertochter Judith gefestigt Das Reich war vorerst nach innen und aussen gesichert Agnes wurde respektiert Die Zugestandnisse die ihr gemacht wurden waren recht gross So wurde ihr per Eid zugesichert im Falle einer Thronvakanz also dem vorzeitigen Tod Heinrichs IV sein jungerer Bruder Konrad war bereits im Jahr 1055 verstorben eine Designation vornehmen zu konnen Demnach hatte sie die Moglichkeit gehabt einen bindenden Wahlvorschlag zu tatigen Diese Eidesverpflichtung zeigt dass Agnes von allen Parteien im Reich als legitime Herrscherin angesehen wurde Ohne ihre Zustimmung ware von Seiten der Fursten kein neuer Konig erhoben worden Die Ernsthaftigkeit eines solchen Eides wird durch die Skrupel der Fursten bei der Wahl des Gegenkonigs zu Heinrich IV im Jahre 1076 noch einmal deutlich Der Papstwahlkonflikt Bearbeiten Einen Wendepunkt fur die Regentin stellte der Tod Papst Viktors II ihres Beraters und Freundes im Jahre 1057 dar Die Ara der kaisertreuen Papste ging zu Ende das deutsche Kaiserhaus geriet zunehmend zwischen die Fronten der an der Papstwahl interessierten Parteien In Kirchenkreisen standen sich Reformgegner und befurworter gegenuber der romische Stadtadel sah eine erneute Chance auf Einflussnahme und die Normannen starkten ihre Position indem sie sich zu Tributzahlungen an den Papst zur Verteidigung des romischen Bischofssitzes sowie zur Gewahrleistung freier Papstwahlen verpflichteten Papst Nikolaus II legte schliesslich auf einer Lateransynode an Ostern 1059 per Dekret zukunftige Papstwahlen in die Hande der Kardinale Dieses Dekret richtete sich sowohl gegen das Kaisertum als auch gegen die romische Aristokratie Das Verhaltnis zum deutschen Hof war durch diese Ereignisse stark getrubt worden Hauptartikel Papstwahldekret Nach Nikolaus II Tod am 19 Juli 1061 wahlten die Kardinale aus ihrem neuen Selbstverstandnis heraus am 30 September 1061 den der Reformpartei angehorenden Bischof Anselm von Lucca als Alexander II zum Papst Agnes verweigerte ihm die Anerkennung und stellte ihm ihren eigenen Kandidaten Bischof Cadalus von Parma entgegen der als Honorius II ebenfalls zum Papst ernannt und am 28 Oktober 1061 in Basel inthronisiert wurde So eskalierte die Situation und mundete in ein Schisma das erst am 31 Mai 1064 auf der Synode von Mantua mit der dortigen Entthronisation von Honorius beseitigt werden sollte Nach den Vorgangen in Basel ist ein Bruch in der Regentschaft der Kaiserin zu erkennen Der deutsche Hof hatte sich zum Gegner des Reformpapsttums entwickelt und die Kaiserin trug eine Mitschuld daran dass die Kirche sich gespalten hatte Die Tatsache dass Honorius II sich in Rom nicht zu behaupten vermochte und schliesslich in sein Bistum Parma zuruckkehren musste versetzte Agnes einen politischen Schlag Erstmals hatte sich ein vom deutschen Hof ernannter Papst nicht durchsetzen konnen Das Reformpapsttum hatte sich vom Reich emanzipiert und agierte gegen dessen Interessen Die Schleiernahme Bearbeiten Die ungewollte Unterstutzung der Reformgegner versah die Kaiserin zeitlebens mit Schuldgefuhlen und personlichem Unbehagen Agnes scheint keine andere Moglichkeit gesehen zu haben als sich selbst aus der Politik zuruckzuziehen um anderen die Moglichkeit zu geben eine von ihren Entscheidungen unbelastete Neuordnung der Papstfrage vorzunehmen In unmittelbarem Anschluss an den Papstwahlkonflikt soll daher laut Mechthild Black Veldtrup die Schleiernahme Agnes in Speyer durch Bischof Einhard II stattgefunden haben wahrscheinlich am 21 November 1061 Der Chronist Berthold von Reichenau beschreibt dies folgendermassen Um diese Zeit weihte die Kaiserin Agnes im heiligen Schleier Christus ihr Leben nachdem sie die koniglichen Gewander abgelegt hatte 2 Dies brachte einen Ruckzug aus der aktiven Politik mit sich Als Konsequenz setzte Agnes ihren Vertrauten Bischof Heinrich von Augsburg als Subregenten 3 ein Der Ruckzug Agnes darf demnach nicht als Regierungsmudigkeit oder Schwache gesehen sondern muss im Kontext als Konsequenz ihrer Fehleinschatzungen in Bezug auf ihre Rompolitik verstanden werden und als Ausdruck der Ubernahme der personlichen Verantwortung fur die Papstwahlkrise gesehen werden Der Staatsstreich von Kaiserswerth Bearbeiten nbsp Ruine der Kaiserpfalz in KaiserswerthDer von Agnes eingesetzte Subregent Heinrich von Augsburg wurde von einer Mehrheit der Fursten nicht akzeptiert Ihm wurde eine ungeschickte und anmassende Art die Regierungsgeschafte wahrzunehmen 4 vorgeworfen Die Kaiserin selbst konnte zudem bald dem Verdacht unzuchtiger Liebe mit Heinrich von Augsburg nicht entgehen denn allgemein ging das Gerucht ein so vertrauliches Verhaltnis sei nicht ohne unsittlichen Verkehr erwachsen so Lampert von Hersfeld in seinen Annalen 5 Des Weiteren vertraute sie immer mehr den unfreien koniglichen Dienstleuten den Ministerialen So beauftragte sie den Ministerialen Kuno mit der Erziehung ihres Sohnes Dass der junge Heinrich IV von Unfreien von Menschen ohne Herkunft erzogen wurde erschien Adel und Klerus in hochstem Masse bedenklich Einige Fursten begannen daraufhin ihre eigenen Interessen zu verfolgen So fand sich Anfang April 1062 eine Gruppe geistlicher und weltlicher Fursten unter der Fuhrung des Erzbischofs Anno von Koln zusammen und entfuhrte den jungen Konig Heinrich IV in Kaiserswerth Dieses Ereignis ging als Staatsstreich von Kaiserswerth in die Geschichtsbucher ein Die Motive fur die Tat sind nach wie vor nicht hinreichend erschlossen insbesondere da die Quellenlage zu diesem Ereignis ausserst widerspruchlich ist Die Meinung der zeitgenossischen Berichterstatter ist gespalten So scheint Lamperts Berichterstattung noch verhaltnismassig objektiv wenn er schreibt dass die Entfuhrer und vor allem Anno danach trachteten den Sohn dem Einfluss seiner Mutter zu entziehen und die Verwaltung des Reiches in die Hande zu bekommen Lampert wagt keine Spekulationen uber die Beweggrunde der Verschworer Er fuhrt zwar die Moglichkeit an Anno habe aus politischem Ehrgeiz gehandelt raumt aber ein dass er auch zum Wohl des Reichs gehandelt haben konnte 6 Das Urteil der Vita Heinrici ist jedoch eindeutig subjektiv und wird verstandlicher wenn man davon ausgeht dass der unbekannte Autor dem Konigshaus sehr nahegestanden haben muss Hier wird als Motiv fur die Tat vor allem die Angst vor Agnes Reife Weisheit und strengen Sitten 7 genannt Der offizielle Grund sei gewesen dass es sich nicht gehore dass das Reich von einer Frau regiert wurde Dem widerspricht der Autor aber entschieden Es wird hier sogar behauptet man habe den jungen Konig nur entfuhrt um ungestort die eigene Macht ausbauen zu konnen Bruno gibt mehr oder weniger Heinrich selbst die Schuld an seiner eigenen Entfuhrung Der junge Heinrich habe aufgeblaht von koniglichem Hochmut kaum mehr auf die mutterlichen Ermahnungen gehort Der ehrwurdige Anno habe ihn nach der Entfuhrung mit aller Sorgfalt erziehen lassen 8 Bruno spricht damit Agnes nicht nur jegliches Durchsetzungsvermogen ab ob nur um fur die richtige Erziehung des jungen Konigs Sorge zu tragen oder auch fur die Regentschaft sei dahingestellt sondern lobt vor allem Anno fur seine Politik Die Kritik an Heinrich IV selbst ist dadurch zu erklaren dass Bruno mit Heinrichs spaterer eigener Politik nicht konform ging und hier schon negative Charakterzuge Heinrichs in fruher Jugend formlich herbeischreibt Dass er politisch nicht auf Seiten Agnes stand ist offensichtlich Obwohl die Quellen augenscheinlich nichts Verlassliches uber die Motivlage der Entfuhrer berichten geht die Forschung heute davon aus dass sowohl das Streben nach Machtgewinn insbesondere bei Anno von Koln als auch die Sorge um die Verwahrlosung und um die Erziehung Heinrichs IV ausschlaggebend fur die Tat waren Erzbischof Anno von Koln Erzbischof Siegfried I von Mainz und etwas spater auch Erzbischof Adalbert von Bremen teilten sich nun die Regierungsverantwortung Auch wenn der junge Konig auf dem Thron sass lenkten von diesem Zeitpunkt an die Erzbischofe die Geschicke des Reiches Agnes hielt sich jedoch weiter im Umfeld des Hofes auf Tilman Struve wies nach dass sie erst knapp drei Jahre nach Kaiserswerth ihre Romreise 9 und somit ihren Ruckzug aus dem weltlichen Leben antrat Diese Verzogerung sei aus politischen Motiven geschehen um die Thronanspruche ihres minderjahrigen Sohnes aufrechtzuerhalten So konnte Struve die Darstellung der sich angstlich zuruckziehenden Kaiserin widerlegen Agnes Vorgehen nach Kaiserswerth Bearbeiten Dass die Forschung lange Zeit angenommen hat Kaiserin Agnes habe sich unmittelbar nach Kaiserswerth in ein religioses Leben zuruckgezogen ist nicht verwunderlich ist dies doch von vielen zeitgenossischen Berichterstattern nicht anders uberliefert So berichtet Frutolf von Michelsberg in seiner Chronik schon zu 1056 in einem die Ereignisse zusammenfassenden Uberblick dass sich die Kaiserin direkt nach dem Raub in das Kloster Fruttuaria begeben habe und spater in Rom gestorben sei 10 Diese Meinung scheint inzwischen revidiert Tillmann Struve hat belegt dass Agnes ihre Romreise gleichbedeutend mit ihrem Ruckzug aus dem weltlichen Leben nicht im Jahre 1062 63 antrat sondern erst im Jahre 1065 also drei Jahre nach dem Staatsstreich von Kaiserswerth Struve bedient sich fur seine Datierung vor allem der Berichte des Petrus Damiani eines spaten Vertrauten Agnes der uber ihre Ankunft in Rom schreibt Da Damiani keine genaue Datierung anfuhrt vergleicht Struve alle bekannten Quellen und kann so feststellen zu welchem Zeitpunkt sich sowohl Petrus Damiani als auch Kaiserin Agnes in Rom aufhielten Weiterhin vergleicht Struve Mondfinsternisse die in Damianis Bericht in Zusammenhang mit Kaiser Heinrichs III und Papst Viktors II Tod gebracht werden und eine totale Finsternis die laut Damiani in Zusammenhang mit dem Cadalus Schisma stehen soll mit wissenschaftlichen Mondfinsternisdatierungen fur die damalige Zeit Struve kommt so zu seinem Schluss dass die Romreise der Kaiserin erst im Mai oder November des Jahres 1065 erfolgt sein kann Zwar hat Agnes unmittelbar nach Kaiserswerth einen Brief an den Abt des Klosters Fruttuaria verfasst worin sie um Aufnahme in die Klostergemeinschaft bittet doch berichtet Lampert von Hersfeld deckungsgleich dass Agnes von ihren Beratern uberzeugt worden ist vorerst im Reich zu verweilen Und nicht lange danach entschloss sie sich der Welt zu entsagen und sie ware sogleich Hals uber Kopf zur Ausfuhrung ihres Vorhabens geschritten hatten nicht ihre Freunde den ungestumen Drang ihres Herzens durch uberlegtere Plane gedampft 11 Politisch gesehen war Agnes Verbleib im Reich trotz des Verlustes der Regentschaft weiterhin erforderlich galt sie doch bis zur Volljahrigkeit Heinrichs IV als Leiterin des salischen Hauses Nur durch ihren Verbleib im Reich konnte sie fur ihren Sohn die Herrschaftsanspruche auf das Reich erhalten Vor diesem Hintergrund erhalt Lamperts Bericht Agnes hatte auf Drangen ihrer Ratgeber ihren Entschluss ins Kloster zu gehen wieder aufgegeben einen konkreten rechtlichen Hintergrund und gewinnt somit an Glaubwurdigkeit Erst als Heinrich IV am 29 Marz des Jahres 1065 durch die zeremonielle Schwertleite mundig wurde konnte Agnes ihren lange gehegten Wunsch nach einem geistlichen Lebensabend nachgeben Nachdem sie ihren politischen Pflichten noch bis zur Volljahrigkeit ihres Sohnes nachgekommen war und sie seine Nachfolge letztlich gesichert hatte setzte sie ihren Entschluss dem Reformpapsttum zu dienen dem sie durch Honorius Papstwahl und gegen ihre eigene religiose Uberzeugung geschadet hatte in die Tat um eine bewusste Entscheidung fur die Kirchenreformer Die letzten Jahre in Italien Bearbeiten Die Kaiserin Agnes verzichtete aus Busse und um Christi willen auf die Lenkung des Reiches sie begab sich nach Rom wo sie in bewundernswerter Demut der Busse angemessenen Werken oblag 12 so beschreibt der Chronist Frutolf von Michelsberg Agnes Fortgang aus dem Reich als bewusste selbst gewahlte Entscheidung Agnes hielt sich nach 1065 uberwiegend in Italien auf wo sie derart konsequent die kirchliche Reformbewegung unterstutzte dass sie als Beraterin Papst Alexanders II und vor allem Papst Gregors VII nun wiederum zumindest teilweise den Interessen ihres Sohnes Heinrich IV entgegenwirkte Auch die Forderung der Reformbewegung in den Klostern lag ihr am Herzen Gesichert ist ein langerer Aufenthalt im Kloster Fruttuaria der allerdings nicht genau datiert werden kann Ebenso wurden die Kloster Monte Cassino und Subiaco von ihr unterstutzt Auf diese Weise setzte sie sich mit all ihren Mitteln fur die Reformbewegung ein um so den durch das Schisma von 1061 verursachten Schaden wiedergutzumachen und fur sich selbst Vergebung zu bekommen Am 14 Dezember 1077 verstarb Agnes in Rom Am 6 Januar 1078 wurde sie in der Petronella Rotunde des Petersdoms bestattet so dicht an der Statte die als Petrusgrab verehrt wird wie fur einen Laien irgend moglich 13 Laut ihrer Grabinschrift sollen in ihrem Leben allein gute Werke und die Liebe zu Petrus und seinen Nachfolgern im Vordergrund gestanden haben 14 Forschungsgeschichte BearbeitenDie Person der Agnes von Poitou wird in der historischen Forschung kontrovers gesehen Nicht nur die Tatsache dass sie als Frau eines der grossten Reiche der damaligen Zeit mehrere Jahre lang regierte vor allem der Zeitpunkt ihrer Regentschaft eine Zeit kirchlicher Reformen und der Emanzipation des Papsttums vom deutschen Konigtum spielen hierbei eine Rolle Die altere Forschung zeichnete lange Zeit das Bild der versagenden Regentin deren Schwachen nicht zuletzt ihre religiosen Uberzeugungen seien die es ihr nicht moglich machten die Regierungsgeschafte zu fuhren und das Reformpapsttum in die Schranken zu weisen Nach Karl Ludwig Hampe sah sich Agnes als Regentin vor eine ihre Kraft weit ubersteigende Aufgabe gestellt Angstlich und unsicher ohne politisches Urteil personlichen Antrieben folgend voll kirchlicher Ergebenheit ein schwaches Weib 15 Marie Luise Bulst Thiele schlussfolgerte dass sich die Verwurzelung der Kaiserin im Religiosen letztlich als Schwache dargestellt 16 hat Wilhelm von Giesebrecht beschreibt Agnes gar als unentschlossene Natur und ihren Charakter als angstlich In seiner Geschichte des deutschen Kaisertums sieht er sie nur als schwache Regentin und Gemahlin des starken Kaisers Heinrich III Seit den 1980er Jahren hat sich die Forschungsmeinung in Bezug auf Agnes von Poitou stark verandert Tilman Struve und Mechthild Black Veldtrup gelang es anhand neuer Datierungsmethoden und quellenkritischer Arbeit lange vorhaltende Forschungsmeinungen zu hinterfragen und zu einem nicht unwesentlichen Teil zu berichtigen Struve verdeutlichte dass die Schleiernahme der Kaiserin nicht als direkte Reaktion auf den Staatsstreich von Kaiserswerth zu sehen ist und datierte den Ruckzug Agnes nach Rom erst auf Ende 1065 also nach der Schwertleite und endgultigen Regierungsubernahme durch ihren Sohn Heinrich IV 17 Dies legt die Vermutung nahe dass sich die Kaiserin nicht resigniert und verschuchtert aus der Verantwortung stahl sondern noch so lange wie es notig war fur die Thronanspruche ihres Sohnes eintrat Mechthild Black Veldtrup 1995 verfasste eine quellenkritische Studie uber Agnes von Poitou in der ebenfalls viele neue Erkenntnisse zu einem gewandelten Bild der Kaiserin zusammengefasst werden Auch wenn das Ende Agnes Regentschaft jahrhundertelang als Scheitern gesehen wurde und zum Teil noch gesehen wird kann dies keineswegs als gesichert gelten Vielmehr ist davon auszugehen dass Agnes Ruckzug aus der Reichspolitik den Umstanden entsprechend bewusst gewahlt worden war So erkennen selbst ihre Zeitgenossen an dass sie politisch stets um einen Ausgleich bemuht war Ihr gelang es sowohl stabile Verhaltnisse im Reich zu schaffen als auch und vor allem die Machtbasis fur Heinrich IV zu erhalten Zunachst hat Agnes anfangs mit Hilfe Papst Viktors II nahezu unangefochten regieren konnen Heinrichs III Konfrontationskurs gegen die Sachsen hat Agnes nicht fortgesetzt Sie hat es vielmehr verstanden sich mit den Sachsen zu arrangieren was dadurch untermauert wird dass ab dem Jahre 1057 bis zum Ende von Agnes Regierungszeit keine weiteren Unruhen in Sachsen bekannt sind Innenpolitisch hat Agnes Stabilitat durch die Vergabe konigseigener Herzogtumer erzielt wodurch als Nebeneffekt das Reich nach aussen gestarkt wurde So konnte eine Auseinandersetzung mit den Ungarn wahrend der Regentschaft der Kaiserin zu einem Ende gefuhrt werden Konkrete Beispiele fur Unzufriedenheit mit Agnes Regierung sind erst ab den 60er Jahren des 11 Jahrhunderts bekannt Als Kritikpunkte werden hier ein langjahriger personlicher Streit mit Bischof Gunther von Bamberg ihre Bevorzugung Bischof Heinrichs von Augsburg mangelnde Fortschritte in der Erziehung Heinrichs IV das Vertrauen in die Ministerialitat und Agnes Zuruckhaltung in der Regierungsfuhrung genannt Letzteres ist als Resultat auf das Eingestandnis ihrer Schuld an dem durch die Papstwahl des Cadalus herbeigefuhrten Schisma als bewusste Entscheidung zu sehen In Verantwortung fur ihre Fehleinschatzung der politischen Lage und den Zwist zwischen Kirchenreformern und dem Reich hat Agnes den Schleier genommen Kurz darauf folgte der Staatsstreich von Kaiserswerth Der Anschlag an sich hatte Agnes Position nach Erhebung Heinrichs von Augsburg zum Subregenten wenig beruhrt Anno von Koln hatte sich letzten Endes nur an die Stelle des Augsburgers als eigentlicher Regent und Erzieher des jungen Konigs gesetzt Dass Agnes Deutschland im Mai oder November 1065 verliess ist nicht auf Kaiserswerth sondern letztlich nur auf den Papstwahlkonflikt von 1061 zuruckzufuhren auf den alle anderen Ereignisse folgten Quellen BearbeitenEine Lebensbeschreibung Libellus Agnetis des Anonymus von Herrieden um 1075 78 verfasst ist verloren gegangen Bruno Sachsenkriege ubers v Franz Josef Schmale Ausgewahlte Quellen zur Deutschen Geschichte des Mittelalters FSGA 12 Darmstadt 1963 Das Leben Kaiser Heinrichs IV ubers v Irene Schmale Ott Ausgewahlte Quellen zur Deutschen Geschichte des Mittelalters FSGA 12 Darmstadt 1963 Lampert von Hersfeld Annalen ubers v Adolf Schmidt erl v Wolfgang Dietrich Fritz Ausgewahlte Quellen zur Deutschen Geschichte des Mittelalters FSGA 13 Darmstadt 1973 Berthold von Reichenau Chronik ubers v Ian S Robinson Ausgewahlte Quellen zur Deutschen Geschichte des Mittelalters FSGA 14 Darmstadt 2002 Frutolf von Michelsberg Chronik ubers v Franz Josef Schmale Ausgewahlte Quellen zur Deutschen Geschichte des Mittelalters FSGA 15 Darmstadt 1972 Literatur BearbeitenMechthild Black Veldtrup Kaiserin Agnes 1043 1077 Quellenkritische Studien Bohlau Verlag Koln 1995 ISBN 3 412 02695 6 Egon Boshof Die Salier Kohlhammer Stuttgart 2000 ISBN 3 17 016475 9 Marie Luise Bulst Thiele Kaiserin Agnes Gerstenberg Hildesheim 1972 Repr d Ausg Leipzig 1933 ISBN 3 8067 0149 0 Amalie Fossel Die Konigin im mittelalterlichen Reich Herrschaftsausubung Herrschaftsrechte Handlungsspielraume Thorbecke Stuttgart 2000 bes S 332 338 Wilhelm von Giesebrecht Geschichte des Deutschen Kaiserzeit Band 2 Hobbing Berlin 1923 Repr d Ausg Leipzig 1890 Wilfried Hartmann Der Investiturstreit Oldenbourg Munchen 1996 ISBN 3 486 56275 4 Hermann Jakobs Kirchenreform und Hochmittelalter 1046 1215 Oldenbourg Munchen 1999 ISBN 3 486 48822 8 Theodor Lindner Agnes In Allgemeine Deutsche Biographie ADB Band 1 Duncker amp Humblot Leipzig 1875 S 138 140 Meta von Salis Agnes von Poitou Kaiserin von Deutschland Eine historisch kritisch psychologische Abhandlung Zurich 1887 Walter Schlesinger Agnes In Neue Deutsche Biographie NDB Band 1 Duncker amp Humblot Berlin 1953 ISBN 3 428 00182 6 S 95 f Digitalisat Hans K Schulze Hegemoniales Kaisertum Ottonen und Salier Goldmann Munchen 1998 ISBN 3 442 75520 4 Tilman Struve Salierzeit im Wandel Bohlau Vlg Koln 2006 ISBN 3 412 08206 6 enth u a Die Briefe der Kaiserin Agnes als Zeitdokument S 57 66 sowie Der planvolle Ruckzug der Kaiserin aus der Reichsregierung Die Romreise des Jahres 1065 S 67 83 Peter Thone Agnes von Poitou In Biographisch Bibliographisches Kirchenlexikon BBKL Band 24 Bautz Nordhausen 2005 ISBN 3 88309 247 9 Sp 53 56 Artikel Artikelanfang im Internet Archive Stefan Weinfurter Herrschaft und Reich der Salier Grundlinien einer Umbruchszeit Thorbecke Sigmaringen 1992 ISBN 3 7995 4131 4 Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Agnes von Poitou Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Literatur von und uber Agnes von Poitou im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek Heiner Wember 14 Dezember 1077 Todestag der romisch deutschen Kaiserin Agnes von Poitou WDR ZeitZeichen vom 14 Dezember 2022 mit Mechthild Black Veldtrup Podcast Anmerkungen Bearbeiten Frutolf von Michelsberg Chronik S 75f Berthold von Reichenau Chronik S 53 Begriffseinfuhrung durch Mechthild Black Veldtrup Kaiserin Agnes 1043 1077 Quellenkritische Studien Koln 1995 S 357 Mechthild Black Veldtrup Kaiserin Agnes 1043 1077 Quellenkritische Studien Koln 1995 S 360 Lampert von Hersfeld Annalen S 73 Lampert von Hersfeld Annalen S 75 Vita Heinrici cap 2 Bruno De bello Saxonico cap 1 Tilman Struve Die Romreise der Kaiserin Agnes In Historisches Jahrbuch 105 1985 S 1 29 wieder unter dem Titel Der planvolle Ruckzug der Kaisern Agnes aus der Reichsregierung In Tilman Struve Salierzeit im Wandel Zur Geschichte Heinrichs IV und des Investiturstreites Koln 2006 S 67 83 mit S 282 296 Frutolf von Michelsberg Chronik S 73 Lampert von Hersfeld Annalen S 75 Frutolf von Michelsberg Chronik S 79 Zitiert nach Mechthild Black Veldtrup Kaiserin Agnes 1043 1077 Quellenkritische Studien Koln 1995 S 342 Zitiert nach Mechthild Black Veldtrup Kaiserin Agnes 1043 1077 Quellenkritische Studien Koln 1995 S 345 Karl Hampe Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer 10 Auflage Heidelberg 1949 S 35 Zitiert nach Mechthild Black Veldtrup Kaiserin Agnes 1043 1077 Quellenkritische Studien Koln 1995 S 4 Tilman Struve Die Romreise der Kaiserin Agnes In Historisches Jahrbuch Bd 105 1985 S 1 29 VorgangerAmtNachfolgerGunhild von DanemarkRomisch deutsche Konigin 15 Februar 1043 bis 1056Bertha von SavoyenGunhild von DanemarkRomisch deutsche Kaiserin 1046 bis 1056Bertha von SavoyenKonrad II Herzogin von Bayern 1055 1061Otto von Northeim nbsp Dieser Artikel wurde am 13 Juli 2007 in dieser Version in die Liste der lesenswerten Artikel aufgenommen Normdaten Person GND 118647318 lobid OGND AKS LCCN no95056595 VIAF 265419873 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Agnes von PoitouALTERNATIVNAMEN Kaiserin AgnesKURZBESCHREIBUNG Regentin des romisch deutschen ReichesGEBURTSDATUM um 1025STERBEDATUM 14 Dezember 1077STERBEORT Rom Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Agnes von Poitou amp oldid 237205067