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Der in der historischen Forschung umstrittene Begriff des ottonisch salischen Reichskirchensystems bezeichnet eine Entwicklungsphase der Reichskirche zur Zeit der Ottonen und Salier um die enge institutionelle und personelle Verbindung der weltlichen Macht des Konigtums lateinisch regnum der Ottonen und Salier und der Bistumer und Reichskloster sacerdotium im Heiligen Romischen Reich auf der Grundlage des Eigenkirchenwesens zu beleuchten Inhaltsverzeichnis 1 Begriffskontroverse in der Forschung 2 Historische Praxis 3 Ende im Investiturstreit 4 Literatur 5 AnmerkungenBegriffskontroverse in der Forschung BearbeitenIn der neueren Mediavistik wird vor allem diskutiert ob sich der Begriff des Systems rechtfertigen lasst da zum einen kein exakter Zeitpunkt angesetzt werden kann ab dem das Reichskirchensystem als Konzept neu praktiziert worden ware Es entwickelte sich vielmehr langsam und schrittweise aus Vorlaufern wie der frankischen Reichskirche um die Aufenthaltszentren der Konige da dort ihre Durchsetzungskraft am starksten war zu dem System das die altere Forschung als Idee Ottos I erkannte Zudem kann die Saule des sakral begrundeten Kaisertums bis ins Romische Reich unter Konstantin I zuruckverfolgt werden Der Monarch nimmt hierbei zwar keine Position direkt innerhalb der kirchlichen Organisation ein erhalt jedoch eine besondere Legitimation uber welche der gewohnliche weltliche Adel nicht verfugt Otto der Grosse stellte sich als Konig des Ostfrankischen Deutschen Reiches in diese Tradition und liess sich bei seinem Herrschaftsantritt 936 durch einen der Erzbischofe salben Mit dem Gewinn der Kaiserkrone 962 nahm er zudem eine im westlichen Europa einzigartige Position unter den christlichen Herrschern ein Eine scharfe Kritik an dem Begriff Reichskirchensystem ausserte beispielsweise Timothy Reuter im Jahr 1982 1 Er bestritt dass im ostfrankischen Reich von koniglicher Seite eine regelrecht planmassige und systematische Ubertragung von Herrschaftsrechten an die Kirche stattgefunden habe Vielmehr stehe die Ausstattung der Hochkirchen mit Herrschaftsrechten im Zusammenhang mit einer koniglichen Patronagepolitik Reuter wies ausserdem darauf hin dass in den westeuropaischen Reichen die Monarchen sich ebenfalls auf die kirchliche Organisation stutzten wobei kirchliche Wurdentrager dort sogar eher eine grossere Rolle gespielt haben Historische Praxis BearbeitenAls Ausgleich fur ihre Unterstutzung des Konigs erlangten die Bischofe jedenfalls vermehrt weltliche Macht Genossen Bischofe und Abte seit Jahrhunderten das traditionelle Vorrecht der Immunitat so wurden ihnen seit Otto I Regalien ubertragen und die Grafenrechte in ihrer Residenz und in dem von dieser abhangigen Gebiet zugestanden 2 Im Gegenzug mussten die Bischofe und Reichsabte die seit dem 11 Jahrhundert zunehmend dem Reichsfurstenstand angehoren das servitium regis den Reichsdienst leisten dessen Umfang nicht genau festgelegt werden kann Er umfasst auf jeden Fall und vorrangig die zeitweilige Beherbergung des reisenden Konigshofes Gastung das Stellen von Kontingenten fur das Reichsheer und Dienste auf diplomatischem und administrativem Gebiet Der Kaiser hatte deshalb grosses Interesse daran einen entscheidenden Einfluss auf die Kandidatenkur zu gewinnen die er mit der Investitur mit Ring und Stab abschloss Vor dem Hintergrund des Lehnswesens hatte diese Praxis einen entscheidenden Vorteil Waren die weltlichen Vasallen stets bemuht ihr Lehen in erbliches Eigengut umzuwandeln so stellte sich bei Bischofen und Abten infolge des Zolibats die Frage der Erbschaft nicht nach ihrem Tod fiel das Lehen wieder an den Lehnsherrn zuruck der es erneut an einen treuen Vasallen vergeben konnte Die Bedingung dafur war allerdings dass der Kaiser tatsachlich uber die Kirchenhoheit verfugte Dies war keineswegs selbstverstandlich wie sich am Beispiel des Westfrankischen Reiches zeigte Hier konnte der Konig im 10 und 11 Jahrhundert lediglich uber ein Drittel der Bistumer verfugen Die Kontrolle uber die ubrigen war zusammen mit zahlreichen anderen Hoheitsrechten in die Hande seiner Vasallen geraten Zunachst verlief dieser Prozess im Ostfrankenreich ahnlich Beim Herrschaftsantritt 919 von Konig Heinrich I dem Vater Ottos des Grossen hatten die Stammesherzoge von Bayern Schwaben und Lothringen unter anderem auch das Recht zur Vergabe der Bischofsamter erlangt Gerade fur die Person Heinrichs selber gilt dies im Besonderen hatte er zuvor als Herzog von Sachsen die Bistumer seines Herrschaftsbereichs in eine Art Herzogskirche verwandelt In den Folgejahren nutzte er seine erstarkende Position um gerade das Recht auf Investitur wieder an das Konigtum zu ziehen Dies ist besonders vor dem Hintergrund auffallig dass er ansonsten den Herzogen eine gewisse Autonomie zubilligte Er durfte sich also uber die Bedeutung der Kontrolle der Bistumer im Klaren gewesen sein Allerdings hatten die Ottonen erst seit dem Tod Herzog Arnulfs von Bayern 937 und der Absetzung seines Sohnes die volle Gewalt uber alle Bistumer im Reich Um moglichst geeignete und vertraute Geistliche auf die freiwerdenden Amter zu setzen griffen die Kaiser haufig auf Angehorige ihrer eigenen Hofkapelle zuruck Diese Praxis geht auf die karolingischen Herrscher seit Karl dem Grossen zuruck so wie im Heiligen Romischen Reich wurde auch in anderen europaischen Konigreichen praktiziert Ende im Investiturstreit BearbeitenDurch das Reichskirchensystem gerieten die Geistlichen in zwei Einflussbereiche den des Kaisers und den des Papstes In der von der Abtei Cluny ausgehenden Kirchenreformbewegung wuchs der Widerstand gegen die Verweltlichung der geistlichen Amter Der daraus erwachsende Investiturstreit in dem es nur vordergrundig darum ging ob nun weltliche oder geistliche Gewalt das Recht habe die Bischofe zu investieren konnte das Reichskirchensystem zwar nicht ganzlich abschaffen aber doch die koniglichen Einflussmoglichkeiten erheblich einschranken Das Wormser Konkordat von 1122 bildet dabei insofern eine Zasur als der geistlichen Gewalt im Reich die Emanzipation von der weltlichen gelang die Bischofe konnten die unmittelbare Verfugungsgewalt des Konigs uber sie zuruckdrangen und sich nach und nach eigene Herrschaftsrechte sichern Damit war auch den Bischofen der Weg zu eigenen Territorialstaaten innerhalb des Reiches geebnet und das ottonisch salische Reichskirchensystem faktisch am Ende Literatur BearbeitenTina Bode Konig und Bischof in ottonischer Zeit Herrschaftspraxis Handlungsspielraume Interaktionen Historische Studien Nr 506 Matthiesen Husum 2015 ISBN 978 3 7868 1506 8 Josef Fleckenstein Die Hofkapelle der Deutschen Konige Band 1 Grundlegung Die Karolingische Hofkapelle Hiersemann Stuttgart 1959 Band 2 Die Hofkapelle im Rahmen der Ottonisch Salischen Reichskirche Hiersemann Stuttgart 1966 Monumenta Germaniae Historica Schriften Bande XVI 1 und XVI 2 Josef Fleckenstein Problematik und Gestalt der ottonisch salischen Reichskirche In Karl Schmid Hrsg Reich und Kirche vor dem Investiturstreit Thorbecke Sigmaringen 1985 S 83 98 Oskar Kohler Die Ottonische Reichskirche Ein Forschungsbericht In Josef Fleckenstein u a Hrsg Adel und Kirche Gerd Tellenbach zum 65 Geburtstag dargebracht von Freunden und Schulern Herder Freiburg u a 1968 S 141 204 Timothy Reuter The Imperial Church System of the Ottonian and Salian Rulers A Reconsideration In Journal of Ecclesiastical History 33 1982 S 347 374 Leo Santifaller Zur Geschichte des Ottonisch Salischen Reichskirchensystems Hermann Bohlaus Nachf Wien 1964 S 27 49 Rudolf Schieffer Der Ottonische Reichsepiskopat zwischen Konigtum und Adel In Fruhmittelalterliche Studien 23 1989 S 291 301 Rudolf Schieffer Ottonisch salische Reichskirche In Lexikon des Mittelalters LexMA Band 7 LexMA Verlag Munchen 1995 ISBN 3 7608 8907 7 Sp 627 f Anmerkungen Bearbeiten Timothy Reuter The Imperial Church System of the Ottonian and Salian Rulers A Reconsideration In Journal of Ecclastiastical History 33 1982 S 347 374 Dagegen Josef Fleckenstein Problematik und Gestalt der Reichskirche In Karl Schmid Hrsg Reich und Kirche vor dem Investiturstreit Festschrift Gerd Tellenbach Sigmaringen 1985 S 83 98 Jan Dhondt Das fruhe Mittelalter Fischer Weltgeschichte Band 10 Fischer Taschenbuch Frankfurt am Main 1968 S 200 f Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Ottonisch salisches Reichskirchensystem amp oldid 233946779