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Der Staatsstreich von Kaiserswerth war 1062 ein bis dahin beispielloses Vorgehen einer Gruppe von Reichsfursten unter der Fuhrung des Erzbischofs Anno II von Koln gegen die fur ihren minderjahrigen Sohn Konig Heinrich IV die Regentschaft fuhrende Kaiserin Agnes und den von ihr eingesetzten Subregenten Bischof Heinrich von Augsburg Durch eine Entfuhrung des jungen Konigs und die erfullte Forderung nach der Herausgabe der Reichsinsignien erlangte die Gruppe die Kontrolle uber die Regierungsgewalt Ruine der Kaiserpfalz in Kaiserswerth Inhaltsverzeichnis 1 Die Entfuhrung des Konigs 2 Die Motive der Entfuhrer 3 Die Folgen des Staatsstreichs 4 Quellen 5 Literatur 6 AnmerkungenDie Entfuhrung des Konigs Bearbeiten nbsp Der Sprung des Kaisers Heinrich vom Boot seiner Entfuhrer Acquaforte Bernhard Rode 1781 Anfang April 1062 hielt sich Heinrich IV mit seiner Mutter in der Pfalz Kaiserswerth heute ein Stadtteil von Dusseldorf auf Dort trafen sich beide mit Erzbischof Anno II von Koln Nach einem gemeinsamen Festmahl lud Anno den elfjahrigen Knaben ein ein prachtvolles Schiff das er auf dem Rhein hatte anlegen lassen zu besichtigen Was Heinrich erlebte als er das Schiff betrat schildert der Chronist Lampert von Hersfeld folgendermassen Kaum aber hatte er das Schiff betreten da umringten ihn die vom Erzbischof angestellten Helfershelfer rasch stemmen sich die Ruderer hoch werfen sich mit aller Kraft in die Riemen und treiben das Schiff blitzschnell in die Mitte des Stroms Der Konig fassungslos uber diese unerwarteten Vorgange und unentschlossen dachte nichts anderes als dass man ihm Gewalt antun und ihn ermorden wolle und sturzte sich kopfuber in den Fluss und er ware in den reissenden Fluten ertrunken ware dem Gefahrdeten nicht Graf Ekbert trotz der grossen Gefahr in die er sich begab nachgesprungen und hatte er ihn nicht mit Muhe und Not vor dem Untergang gerettet und aufs Schiff zuruckgebracht 1 Anno fuhrte den Konig anschliessend nach Koln und erpresste von Kaiserin Agnes die Herausgabe der Reichsinsignien Damit lag die Staatsgewalt in den Handen der Aufruhrer zu denen neben Anno und dem von Lampert erwahnten Grafen Ekbert von Braunschweig u a auch noch Otto von Northeim und die Erzbischofe Adalbert von Bremen und Siegfried I von Mainz gehorten Die Motive der Entfuhrer BearbeitenDie Motive fur die Tat sind nach wie vor nicht hinreichend erschlossen insbesondere da die Quellenlage zu diesem Ereignis ausserst widerspruchlich ist Die Meinung der zeitgenossischen Berichterstatter ist gespalten So scheint Lamperts Bericht noch verhaltnismassig objektiv wenn er schreibt dass die Entfuhrer und vor allem Anno danach trachteten den Sohn dem Einfluss seiner Mutter zu entziehen und die Verwaltung des Reiches in die Hande zu bekommen Lampert wagt keine Spekulationen uber die Beweggrunde der Verschworer Er fuhrt zwar die Moglichkeit an Anno habe aus politischem Ehrgeiz gehandelt raumt aber ein dass er auch zum Wohl des Reichs agiert haben konnte 2 Das Urteil der Vita Heinrici ist jedoch eindeutig subjektiv und wird verstandlicher wenn man davon ausgeht dass der Autor dem Konigshaus sehr nahegestanden haben muss Hier wird als Motiv fur die Tat u a die Angst vor Reife Weisheit und strengen Sitten Agnes genannt Der offizielle Grund sei gewesen dass es sich nicht gehore dass das Reich von einer Frau regiert wurde dem der Autor Adalbold von Utrecht aber entschieden widerspricht Es wird hier sogar behauptet man habe den jungen Konig nur entfuhrt um ungestort die eigene Macht ausbauen zu konnen 3 Bruno gibt mehr oder weniger sogar Heinrich selbst die Schuld an seiner eigenen Entfuhrung Der junge Heinrich habe aufgeblaht von koniglichem Hochmut kaum mehr auf die mutterlichen Ermahnungen gehort Anno habe ihn nach der Entfuhrung mit aller Sorgfalt erziehen lassen Bruno spricht damit Agnes nicht nur ganzlich Durchsetzungsvermogen ab d h dass Bruno sie fur zu schwach erachtet ob nur um fur die richtige Erziehung des jungen Konigs Sorge zu tragen oder auch fur die Regentschaft sei dahingestellt sondern lobt auch Anno fur sein Vorgehen 4 Die Kritik an Heinrich IV selbst ist wohl damit zu erklaren dass Bruno mit Heinrichs spaterer Politik nicht konform ging und negative Charakterzuge Heinrichs schon in fruher Jugend gegeben sieht Dass er politisch wohl auch nicht auf Seiten Agnes stand ist offensichtlich Obwohl die Quellen augenscheinlich nichts Verlassliches uber die Motivlage der Entfuhrer berichten geht die Forschung heute davon aus dass sowohl das Streben nach Machtgewinn insbesondere bei Anno von Koln aber auch Sorge um die Verwahrlosung und um die Erziehung Heinrichs IV ausschlaggebend fur die Tat waren Ebenso richtete sich der Aufstand gegen den von Kaiserin Agnes eingesetzten Subregenten Heinrich von Augsburg dem eine ungeschickte und anmassende Art die Regierungsgeschafte wahrzunehmen 5 vorgeworfen wurde Die Kaiserin und der Bischof konnten zudem bald dem Verdacht unzuchtiger Liebe nicht entgehen denn allgemein ging das Gerucht ein so vertrauliches Verhaltnis sei nicht ohne unsittlichen Verkehr erwachsen so der Chronist Lampert von Hersfeld 6 Die Folgen des Staatsstreichs BearbeitenAnno von Koln musste sich zwar im Sommer 1062 auf einem Hoftag fur seine Tat rechtfertigen behielt aber zunachst weiterhin die Regierungsgewalt in seinen Handen Auch wenn der junge Konig auf dem Thron sass lenkte Anno von diesem Zeitpunkt an die Geschicke des Reiches Er fuhlte sich hauptsachlich der kirchlichen Reformpartei politisch verbunden und erreichte als wohl wichtigste politische Leistung eine Auflosung des Papstschismas zwischen Alexander II und Honorius II zugunsten des Erstgenannten Anno fand allerdings keinen Zugang zu Heinrich anders als Erzbischof Adalbert von Bremen Die beiden Erzbischofe wurden bald zu erbitterten Gegnern hatte doch der Bremer Erzbischof sehr schnell ein vertrautes Verhaltnis zu dem jungen Konig aufgebaut und Annos Position zunehmend untergraben Auch Adalbert hatte letztlich aber in erster Linie personliche Interessen im Sinn und verfolgte strikt eine Politik des Zugewinns zu seinem Erzbistum Heinrich von Augsburg war nach dem Staatsstreich der Regierungsgewalt beraubt ebenso Kaiserin Agnes Dennoch war ihr Verbleib im Reich weiterhin erforderlich galt sie doch bis zur Volljahrigkeit Heinrichs IV als Leiterin des salischen Hauses Nur durch ihren Verbleib im Reich konnte sie fur ihren Sohn die Herrschaftsanspruche im Reich erhalten Vor diesem Hintergrund erhalt Lamperts Bericht Agnes hatte auf Drangen ihrer Ratgeber ihren Entschluss ins Kloster zu gehen wieder aufgegeben einen konkreten rechtlichen Hintergrund und gewinnt somit an Authentizitat Erst als Heinrich IV durch die zeremonielle Schwertleite am 29 Marz des Jahres 1065 mundig wurde konnte Agnes ihrem lange gehegten Wunsch nach einem Leben im Kloster nachgeben Zuvor konnte sie aber ihren Sohn noch davon abhalten gegen den verhassten Anno zu Felde zu ziehen wie dieser es sofort nach seiner Schwertleite vorhatte Mit der Schwertleite ging die Regierungsgewalt wieder in die Hande des rechtmassigen Herrschers uber Die fast drei Jahre wahrende Dauer der Ubergangsregierung war zu Ende wenn auch Adalbert von Bremen so lange der wichtigste Ratgeber Heinrichs blieb bis dieser ihn im Januar 1066 nach einem Hoftag in Trebur auf Furstengeheiss als Berater entlassen musste Quellen BearbeitenBruno von Merseburg Brunonis Saxonicum bellum Brunos Sachsenkrieg Neu ubersetzt von Franz Josef Schmale In Quellen zur Geschichte Kaiser Heinrichs IV Die Briefe Heinrichs IV das Lied vom Sachsenkrieg Brunos Sachsenkrieg Ausgewahlte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters Freiherr vom Stein Gedachtnisausgabe 12 ISSN 0067 0650 2 unveranderte Auflage Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 1968 S 191 405 Das Leben Kaiser Heinrichs IV Neu ubersetzt von Irene Schmale Ott Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 1963 Ausgewahlte Quellen zur Deutschen Geschichte des Mittelalters Freiherr vom Stein Gedachtnisausgabe 12 Lampert von Hersfeld Annalen Ausgewahlte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters Freiherr vom Stein Gedachtnisausgabe 13 Neu ubersetzt von Adolf Schmidt Erlautert von Wolfgang Dietrich Fritz Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 1957 Literatur BearbeitenEgon Boshof Die Salier Kohlhammer Urban Taschenbucher 387 5 aktualisierte Auflage Kohlhammer Stuttgart 2008 ISBN 978 3 17 020183 5 Mechthild Black Veldtrup Kaiserin Agnes 1043 1077 Quellenkritische Studien Munstersche historische Forschungen Bd 7 Bohlau Koln u a 1995 ISBN 3 412 02695 6 Zugleich Munster Universitat Dissertation 1993 Hans K Schulze Hegemoniales Kaisertum Ottonen und Salier Siedler Berlin 1991 ISBN 3 88680 307 4 Tilman Struve Lampert von Hersfeld der Konigsraub von Kaiserswerth im Jahre 1062 und die Erinnerungskultur des 19 Jahrhunderts In Archiv fur Kulturgeschichte Bd 88 Nr 2 2006 S 251 278 Anmerkungen Bearbeiten Lampert von Hersfeld Annalen S 75 Lampert von Hersfeld Annalen S 75 Das Leben Kaiser Heinrichs IV S 415 ff Bruno Sachsenkrieg S 195 ff Mechthild Black Veldtrup Kaiserin Agnes 1995 S 360 Lampert von Hersfeld Annalen S 73Normdaten Sachbegriff GND 4429401 3 lobid OGND AKS Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Staatsstreich von Kaiserswerth amp oldid 235780928