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Die Wallonerkirche auch Sankt Augustini Kirche ist eine evangelische Kirche im Magdeburger Stadtteil Altstadt Die Kirche und das angebaute Gemeindezentrum werden sowohl von der evangelisch lutherischen Altstadtgemeinde als auch von der evangelisch reformierten Gemeinde Magdeburgs genutzt Seit 2004 nutzt auch die Evangelische Studierendengemeinde Raumlichkeiten der Kirche Die Wallonerkirche gehort neben dem Dom der St Sebastian und der St Petri zu den wenigen noch erhaltenen und kirchlich genutzten historischen Kirchen der Magdeburger Altstadt Wallonerkirche im Luftbild von Sudwesten Inhaltsverzeichnis 1 Architektur 2 Geschichte 2 1 Augustinerkloster 2 2 Auflosung und weitere Nutzung 2 3 Dreissigjahriger Krieg 2 4 Kirche der wallonischen Gemeinde 2 5 Zerstorung im Zweiten Weltkrieg und Wiederaufbau in der DDR 2 6 Nachwendezeit 2 7 Neubau des Gemeindezentrums in der Kirche 3 Ausstattung 4 Ausstellung zu verlorenen Kirchen in Magdeburg 5 Literatur 6 Weblinks 7 EinzelnachweiseArchitektur Bearbeiten nbsp Luftbild der Kirche von Sudosten nbsp Ostseite 1902 oder fruher nbsp Westseite 1902 oder fruherBei der Kirche handelt es sich um eine hochgotische dreischiffige mit sieben Jochen versehene aus Bruchsteinen errichtete Hallenkirche Sie ist 65 m lang und 20 m hoch Als ehemalige Klosterkirche eines Bettelordens ist ihr Erscheinungsbild schlicht Sudlich der Kirche befanden sich ursprunglich Klostergebaude Daher sind auf dieser Seite nur vier schmale Fenster vorhanden An der Sudseite sind noch Reste des alten Kreuzgangs zu finden Der Langchor war ursprunglich gewolbt und wird heute von einer Holzbalkendecke uberspannt An der sudlichen Seite des Chores befindet sich eine mit Kreuzrippengewolbe versehene Kapelle aus dem 14 Jahrhundert Die Kirche verfugt zwischen Langhaus und Chor uber einen kleinen achteckigen Turm aus dem 15 Jahrhundert Geschichte BearbeitenAugustinerkloster Bearbeiten 1285 oder kurz davor wurde ein Kloster mit dem Patrozinium Sancti Augustini des Ordens der Augustiner Eremiten an dieser Stelle gegrundet 1 Dafur soll der heilige Martin von Tours einem Bruder Heinrich genannt Pfau dreimal im Traum erschienen sein mit der Aufforderung ein Kloster zu grunden Papst Martin IV setzte sich gegenuber der Stadt fur die Aufnahme der Bruder ein Noch in jenem Jahr wurde eine Martinskapelle eingeweiht Ein wichtiger Forderer des Klosters war in seiner Anfangszeit der Ritter Werner Feuerhake der 1311 im Chor der damaligen Kirche beigesetzt wurde Im Jahr 1355 erwarb das Augustinerkloster Teile der Bibliothek des Klosters Berge Darunter befanden sich kommentierte Ausgaben der Paulusbriefe und Werke von Augustin und Origenes Fur diese wurde westlich der Martinskapelle an der sudlichen Wand des Chores ein zweigeschossiges Bibliotheksgebaude errichtet in dessen unterer Etage sich eine Kapelle mit einem Kreuzrippengewolbe befand Auf deren Schlussstein war eine Jesus Christus auf dem Lowenthron abgebildet nbsp Westseite der Wallonerkirche 20051366 wurde die jetzige Kirche als Hallenkirche fertiggestellt Die Weihe erfolgte durch Erzbischof Dietrich Die Kirche hatte anfangs keinen Turm da die Ordensregeln den Bau eines bei anderen Kirchen ublichen Westturms verboten Vom 1 September 1395 bis zum 31 August 1396 fand ein sogenanntes Jubilaums Ablassjahr statt bewilligt durch Papst Bonifatius IX Magdeburg war fur den Umkreis von 50 Meilen zur Gnadenstatte ernannt worden Zahlreiche Pilger erschienen in Magdeburg und im Kloster Sankt Augustini um einen vollstandigen Ablass zu erhalten Die daraus entstehenden erheblichen Einnahmen fur das Kloster wurden um 1400 zum Teil zur Errichtung eines kleinen achteckigen Turms gekront mit acht Wetterfahnen verwendet Auch wurde an der Westseite der Kirche eine Vorhalle erbaut Auflosung und weitere Nutzung Bearbeiten 1516 besuchte Martin Luther in seiner Funktion als Distriktsvikar des Ordens das Kloster zwecks einer Visitation Wahrend eines weiteren Besuchs in der Stadt im Jahre 1524 wohnte er in einer der Zellen des Klosters Seine Predigten fuhrten zur Einfuhrung der Reformation in Magdeburg am 17 Juli 1524 Noch im selben Jahr ubergab der letzte Prior die Klosteranlage der Stadt Magdeburg Das Kloster war damit aufgelost Die Anlage dient nun verschiedensten weltlichen Zwecken So waren hier zeitweise ein Gymnasium ein Armenhospital ein Zucht und Spinnhaus die Stadtbibliothek und eine Kanonen und Glockengiesserei untergebracht Dreissigjahriger Krieg Bearbeiten Bei der weitgehenden Zerstorung Magdeburgs durch kaiserliche Truppen unter Tilly am 10 Mai 1631 wurde die Klosteranlage nur verhaltnismassig geringfugig beschadigt Die Kirche verlor zwar durch ein Feuer das Dach das Kirchengewolbe und auch das sonstige Innere der Kirche blieben jedoch unbeschadigt Die Kirche wurde daher ab dem 1 Adventssonntag 1632 wieder fur Gottesdienste genutzt Die notwendigen Instandsetzungsarbeiten an der Kirche unterblieben jedoch aus Geldmangel Eindringende Nasse und Frostschaden fuhrten 1639 zum teilweisen Einsturz des Gewolbes Wegen Baufalligkeit musste daher die Nutzung der Kirche eingestellt werden Kirche der wallonischen Gemeinde Bearbeiten Auf den Befehl des Kurfursten Friedrich III wurde die Ruine 1690 an wallonische protestantische Glaubensfluchtlinge ubergeben Es erfolgte eine am 2 Dezember 1694 abgeschlossene Restaurierung Die Kirche wurde nun von der wallonisch reformierten Gemeinde genutzt und wird seit dieser Zeit als Wallonerkirche bezeichnet An Pfingsten 1699 erfolgte die Weihung einer neuen 500 Pfund schweren Glocke Der Kurfurst hatte sich mit einer Stiftung von 200 Talern an der Glocke beteiligt Im Jahr 1754 wurde eine von Philipp Wilhelm Gruneberg geschaffene Orgel eingeweiht die fast hundert Jahre bis 1850 genutzt wurde In der Zeit des siebenjahrigen Kriegs und der franzosischen Besatzung diente die Klosteranlage als Mehlspeicher und Proviantlager 1851 begannen Reparaturarbeiten um die Kirche wieder fur religiose Zwecke herzurichten Am 13 Marz 1853 erfolgte die Ubergabe an die Kirchengemeinde Anlasslich der 200 Jahr Feier der wallonisch reformierten Gemeinde wurde 1894 eine Heizung installiert und ein Lettner errichtet Wahrend der Amtszeit des Organisten Ludwig Hermann Otto Finzenhagen erfolgte 1904 der Einbau einer neuen Orgel der Orgelbaufirma Wilhelm Sauer 2 3 Gleichzeitig erhielten die nordlichen Kirchenfenster eine farbliche Gestaltung Zerstorung im Zweiten Weltkrieg und Wiederaufbau in der DDR Bearbeiten Bei dem schwersten Bombenangriff auf Magdeburg im Zweiten Weltkrieg am 16 Januar 1945 wurde auch die Wallonerkirche stark beschadigt Um einen Einsturz des Turmes zu verhindern wurde 1951 der Triumphbogen zwischen Chor und Kirchenschiff zugemauert Im Jahr 1961 begann mit finanzieller Unterstutzung der westdeutschen Evangelischen Kirche der Wiederaufbau der Kirche wobei die gewolbte westliche Eingangshalle nicht wiedererrichtet wurde Der erste Gottesdienst konnte am 20 Oktober 1968 gefeiert werden Zugleich fand die Grundsteinlegung fur das benachbarte evangelische Gemeindezentrum statt 4 Die Wallonerkirche ist heute das letzte reformierte Kirchengebaude Magdeburgs Die im Zweiten Weltkrieg beschadigte Deutsch Reformierte St Pauli Kirche wurde bereits 1955 abgerissen wahrend die 1705 erbaute Franzosisch Reformierte Kirche 1960 gesprengt wurde Die 1681 gegrundete Deutsch Reformierte Gemeinde und die 1687 gegrundete Franzosisch Reformierte Gemeinde hatte sich bereits 1950 mit der wallonisch reformierten Gemeinde zu vereinigten Evangelisch reformierte Gemeinde zusammengeschlossen Diese nutzt seit dem 3 August 1975 die sudliche Kapelle als Raum fur ihre Gottesdienste Am 25 Oktober desselben Jahres 1975 begann die Nutzung des Chors durch die evangelisch lutherische Altstadtgemeinde zu der auch die Gemeinde der 1945 ausgebrannten und 1959 gesprengten Martinskirche gehort Wichtige Teile der Kirchenausstattung wurden aus der seit 1971 nicht mehr kirchlich genutzten St Ulrich Kirche in Halle ubernommen darunter ein gotisches Altarretabel das 1978 im Chor aufgestellt wurde und ein Bronzetaufbecken das bereits 1976 in die Kirche kam Die aus der Renaissance stammende Kanzel der Ulrichskirche wurde zwar auch der Wallonerkirche uberlassen jedoch nicht aufgestellt 5 Der Kirchturm wurde 1978 vom Blitz getroffen und musste von 1980 bis 1991 saniert werden Nachwendezeit Bearbeiten Am 19 Juni 1994 wurde eine neue an der Westwand des Chorraumes aufgestellte Orgel eingeweiht Das Schleifladeninstrument wurde von der Orgelbaufirma A Schuster amp Sohn Zittau erbaut und hat 17 klingende Register auf zwei Manualen und Pedal Die Spiel und Registertrakturen sind mechanisch 6 Disposition I Hauptwerk C f31 Prinzipal 8 2 Rohrflote 8 3 Oktave 4 4 Spitzflote 4 5 Mixtur IV 2 6 Oktave aus Nr 5 2 7 Quinte aus Nr 5 1 1 3 II Brustwerk C f38 Gedackt 8 9 Spillpfeife 4 10 Prinzipal 2 11 Nasat 2 2 3 12 Terz 1 3 5 13 Cymbel II 1 3 Tremulant Pedal C f114 Subbass 16 15 Spitzprinzipal 8 16 Choralbass 4 17 Fagott 8 Koppeln II I I P II P 1998 begann eine Restaurierung des Schnitzaltars Seit 2004 befindet sich in den renovierten Nebenraumen die Evangelische Studierendengemeinde 7 Neubau des Gemeindezentrums in der Kirche Bearbeiten nbsp Gemeindezentrum2015 wurde das neue Gemeindezentrum fertiggestellt Dabei handelt es sich um einen zweigeschossigen weitgehend mit Glas abgegrenzten fast kubischen Einbau im Mittelschiff Im oberen Geschoss befinden sich Pfarrburo Teekuche Abstellraume und ein Salon Das Erdgeschoss wird durch den Gemeindesaal ausgefullt Die sieben Meter Hohe des Einbaus entspricht etwa einem Drittel der Gesamthohe 8 9 Ausstattung BearbeitenDer kunstlerisch bedeutende spatgotische Flugelaltar zeigt im Mittelschrein die Marienkronung gerahmt von zwei Bischofen In den Seitenflugelns stehen vier Schnitzfiguren zwei heilige Jungfrauen Katharina und Ursula und zwei Ritterheilige Die erste Wandlung zeigt gemalte Szenen aus der Kindheit Jesu Im geschlossenen Zustand sind Gemalde der vier lateinischen Kirchenvater zu sehen In der Predella sind neben Maria mit Kind funf weitere heilige Frauen als Halbfiguren dargestellt Im filigranen Gesprenge befinden sich Schnitzfiguren einer Mondsichelmadonna neben zwei weiblichen Heiligen 10 Gekront wird das insgesamt 9 31 m hohe Werk von einem Schmerzensmann und einem nachreformatorisch erganzten triumphierenden Christus 11 Das 1430 in Magdeburg gegossene Taufbecken stammt ebenfalls aus der Ulrichskirche in Halle Das laut Inschrift von Ludolf und Heinrich von Braunschweig 1430 in Magdeburg gegossene Taufbecken ist fast identisch mit dem Taufbecken der Hallenser Marktkirche 12 Ausstellung zu verlorenen Kirchen in Magdeburg BearbeitenIm nicht gottesdienstlich genutzten Kirchenschiff der Wallonerkirche ist die Ausstellung zu den in der DDR Zeit gesprengten Kirchen in Magdeburg zu sehen Auf Initiative der Magdeburgischen Gesellschaft von 1990 e V gemeinsam mit dem Kuratorium 1200 Jahre Magdeburg entstanden Bronze Nachbildungen dieser einstigen Gotteshauser im Stadtzentrum geschaffen von der Bildhauerin Martina Seffers Sie hatte die Gipsformen fur die Bronzemodelle nach alten Unterlagen und Zeichnungen angefertigt Diese Gipsmodelle sind im Kirchenschiff aufgestellt und bilden den Meditationsweg Verlorene Kirchen 13 14 Literatur BearbeitenWolf Hobohm Gisela Opitz Werner Przyborowski Das Augustiner Kloster in Magdeburg dr ziethen verlag Oschersleben 2020 ISBN 978 3 86289 152 8 Hans Joachim Krenzke Kirchen und Kloster zu Magdeburg Stadtplanungsamt Magdeburg 2000 S 77 82 PDF Johannes Maresch Die Wallonisch Reformierte Kirche zu Magdeburg Die Geschichte eines Gotteshauses 12 Seiten Magdeburg 1938 Monika Soffner Magdeburg Wallonerkirche Peda Kunstfuhrer Nr 88 2005 ISBN 3 927296 95 3 Sabine Ullrich Magdeburg Architektur und Stadtebau 2001 ISBN 3 929330 33 4 Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Wallonerkirche Magdeburg Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Altstadtgemeinde Evangelischer Kirchenkreis Magdeburg abgerufen am 14 Juli 2022 Luther war hier Magdeburg Klosterkirche St Augustini Abgerufen am 14 Juli 2022 Portrat Wallonerkirche St Augustini Magdeburg In mdr de 19 August 2016 abgerufen am 14 Juli 2022 Evangelischer Gottesdienst aus der Wallonerkirche Magdeburg In mdr de 29 Mai 2022 abgerufen am 14 Juli 2022 100 Fotos aus der Wallonerkirche St Augustin 1285 Abgerufen am 15 Juli 2022 Einzelnachweise Bearbeiten Augustinereremitenkloster St Augustinus Magdeburg In Klosterdatenbank Abgerufen am 14 Juli 2022 Beschreibung und Disposition in Zeitschrift fur Instrumentenbau 29 1908 09 S 1228 f Hans Joachim Falkenberg Der Orgelbauer Wilhelm Sauer 1831 1916 Leben und Werk Rensch 1990 ISBN 978 3 921848 17 3 S 234 Harald Schulze Hrsg Berichte der Magdeburger Kirchenleitung zu den Tagungen der Provinzialsynode 1946 1989 Vandenhoeck amp Ruprecht 2005 S 206 207 google de abgerufen am 15 Juli 2022 Gunter Kowa Die verlorenen Schatze der Ulrichskirche In Mitteldeutsche Zeitung 10 November 2006 abgerufen am 14 Juli 2022 Informationen zur Orgel der Wallonerkirche ESG Magdeburg Abgerufen am 14 Juli 2022 Gemeindehaus in der Wallonerkirche Am rechten Fleck In Archiv Bau der Woche auf www german architects com 16 Marz 2016 abgerufen am 3 Februar 2020 Gemeindehaus in der Wallonerkirche In Hannes Meyer Preis 2018 Lobende Erwahnung auf der Homepage des Bundes Deutscher Architekten BDA Abgerufen am 3 Februar 2020 Gotischer Flugelaltar der Wallonerkirche St Augustin 1488 Bilder Abgerufen am 15 Juli 2022 Magdeburg Wallonerkirche Altarretabel In Inschriftenkatalog Die Inschriften der Stadt Halle an der Saale Abgerufen am 15 Juli 2022 Magdeburg Wallonerkirche Taufbecken In Inschriftenkatalog Die Inschriften der Stadt Halle an der Saale Abgerufen am 15 Juli 2022 Magdeburgs verschwundene Altstadtkirchen Abgerufen am 28 November 2021 Ausstellung Abgerufen am 28 November 2021 Kirchengebaude in Magdeburg Evangelische Kirche in Mitteldeutschland Magdeburger Dom St Ambrosius St Briccius St Eustachius und Agathe Sankt Egidius St Georg St Gertraud St Gertrauden Hoffnungskirche Ida Hubbe Stift St Johann der Taufer Kreuzkirche St Laurentius Martin Gallus Kirche Gemeindezentrum St Michael St Nicolai St Pauli St Petrus und Paulus Beyendorf Kirche der Pfeifferschen Stiftungen Samariterkirche Reformationskirche St Sebastian Lemsdorf St Sophie St Stephani St Stephanus St Thomas WallonerkircheBistum Magdeburg Kathedrale St Sebastian St Adalbert St Agnes St Andreas St Josef Magdalenenkapelle St Maria Hilf St Marien St Marienstift Kapelle St Mechthild St Norbert St PetriNeuapostolische Kirche Mitteldeutschland Neuapostolische Kirche Magdeburg Sud Neuapostolische Kirche Magdeburg NeustadtEhemalige Kirchen Alexiuskapelle Deutsch reformierte Kirche Franzosisch reformierte Kirche Gertraudkapelle Heilig Geist Kirche Immanuel St Jakobi St Johannes Baptist Salbke St Johannis St Katharinen Lutherkirche Mauritiuskloster St Martin St Martini Matthauskirche St Ulrich und Levin 52 13442 11 64624 Koordinaten 52 8 3 9 N 11 38 46 5 O Abgerufen 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