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Tetralogie altgriechisch tetralogia tetralogia ist die schon in der Antike gebrauchliche Bezeichnung fur eine Vierergruppe von inhaltlich zusammenhangenden Werken insbesondere Theaterstucken Wohl schon im 1 Jahrhundert v Chr spatestens ab dem 1 Jahrhundert n Chr wurden die Werke des Philosophen Platon in neun Tetralogien eingeteilt Tetralogienordnung Bei den 36 in der Tetralogienordnung enthaltenen Werken handelt es sich um 34 fiktive literarisch gestaltete Dialoge die Rede Apologie des Sokrates und eine Sammlung von 13 Platon zugeschriebenen Briefen Einige der Werke stammen in Wirklichkeit nicht von Platon Inhaltsverzeichnis 1 Die Tetralogienordnung 2 Entstehung und Einteilungsprinzip der Tetralogienordnung 3 Rezeption 4 Literatur 5 AnmerkungenDie Tetralogienordnung BearbeitenTetralogie DialogeTetralogie I Euthyphron Apologie Kriton PhaidonTetralogie II Kratylos Theaitetos Sophistes PolitikosTetralogie III Parmenides Philebos Symposion PhaidrosTetralogie IV Alkibiades I Alkibiades II Hipparchos AnterastaiTetralogie V Theages Charmides Laches LysisTetralogie VI Euthydemos Protagoras Gorgias MenonTetralogie VII Hippias minor Hippias maior Ion MenexenosTetralogie VIII Kleitophon Politeia Timaios KritiasTetralogie IX Minos Nomoi Epinomis 13 BriefeIn der Tetralogienordnung sind auch Werke enthalten die nach dem gegenwartigen Forschungsstand moglicherweise oder sicher nicht von Platon stammen Weitere unter seinem Namen uberlieferte Werke die sicher nicht von ihm verfasst sind wurden nicht in die Tetralogienordnung aufgenommen da sie schon in der Antike als unecht galten sie werden unter der Bezeichnung Appendix Platonica Anhang zu Platon zusammengefasst Entstehung und Einteilungsprinzip der Tetralogienordnung BearbeitenEin Vorlaufer der Tetralogienordnung war die Einteilung in Trilogien Dreiergruppen Diese Einteilung vertrat vor allem der in Alexandria tatige bedeutende Grammatiker Aristophanes von Byzanz der im 3 und fruhen 2 Jahrhundert v Chr lebte 1 Fur die Trilogienordnung liessen sich Hinweise Platons auf Dreiergruppen geltend machen doch konnte nur ein Teil des Gesamtwerks 15 Dialoge nach diesem Prinzip geordnet werden Als Urheber der Tetralogienordnung werden in den Quellen zwei Mittelplatoniker genannt Derkylides oder Derkyllides und Thrasyllos 36 Die Glaubwurdigkeit dieser Angaben ist in der Forschung umstritten Uber Derkylides Leben ist nichts uberliefert nicht einmal seine ungefahre Lebenszeit ist bekannt daher ist auch unklar ob ihm oder Thrasyllos die zeitliche Prioritat zukommt Nach den Angaben des Philosophiegeschichtsschreibers Diogenes Laertios haben Thrasyllos und andere die Einteilung der Werke Platons in Tetralogien vertreten 2 Wie Diogenes berichtet behauptete Thrasyllos Platon selbst habe seine Dialoge nach dem Muster der tragischen Tetralogie veroffentlicht sei also dem Vorbild der Tragodiendichter gefolgt die bei den Theaterwettkampfen mit je einer Tetralogie ihrer Stucke gegeneinander antraten Dieser Gedanke nimmt auf den dramatischen Charakter des Dialoggeschehens Bezug 3 Einer von Diogenes mitgeteilten Uberlieferung zufolge ging man von 56 echten Werken Platons aus wobei die einzelnen Bucher zweier sehr umfangreicher Dialoge Politeia 10 Bucher und Nomoi 12 Bucher als separate Werke gezahlt wurden Dies entspricht aber nicht der von Diogenes uberlieferten Tetralogienordnung die nur 36 Werke umfasst wobei die Politeia und die Nomoi ebenso wie die Briefsammlung als jeweils ein Werk zahlen 4 Nach der Darstellung des Mittelplatonikers Albinos der um die Mitte des 2 Jahrhunderts lebte haben Derkylides und Thrasyllos die Einteilung in Tetralogien vorgenommen 5 In der Forschung dominiert die Ansicht dass die Tetralogienordnung nicht von Thrasyllos stammt Man vermutet dass er nur wesentlich zu ihrer Verbreitung beigetragen und vielleicht auch Anderungen vorgenommen hat was dazu fuhrte dass die Einteilung fur die Nachwelt mit seinem Namen verbunden blieb Die Vertreter dieser Meinung weisen darauf hin dass der beruhmte Gelehrte Varro in seinem zwischen 47 und 45 v Chr entstandenen Werk De lingua Latina Platons Dialog Phaidon statt ihn namentlich zu nennen als den vierten bezeichnet 6 Der Phaidon ist der vierte Dialog der ersten Tetralogie Daraus wird gefolgert dass Varro spatestens 45 v Chr die Tetralogienordnung gekannt habe Demnach kann deren Einfuhrung nicht dem im Jahr 36 n Chr gestorbenen Thrasyllos zugeschrieben werden 7 Da nach dieser verbreiteten Forschungsmeinung Thrasyllos nicht als Urheber in Betracht kommt nehmen manche Forscher an dass die Tetralogienordnung auf Derkylides zuruckgeht Wenn dies zutrifft fallt die Tatigkeit des Derkylides wohl in die erste Halfte des 1 Jahrhunderts v Chr denn aus der Zeit vor 47 45 v Chr gibt es keinerlei Hinweise auf die Existenz der Tetralogienordnung Allerdings ist diese Auffassung umstritten Eine Gegenhypothese lautet dass der Urheber der Tetralogienordnung unbekannt ist und dass Derkylides im 1 Jahrhundert n Chr lebte nach der Zeit des Thrasyllos 8 Eine andere Forschungsmeinung der zufolge die Tetralogienordnung alter ist als die Trilogienordnung wie schon Ulrich von Wilamowitz Moellendorff glaubte hat sich nicht durchgesetzt Einzelne Forscher haben Entstehung im 3 Jahrhundert v Chr Ernst Bickel Antonio Carlini 9 oder sogar schon im 4 Jahrhundert v Chr James A Philip 10 vermutet 11 Der in der Forschung vorherrschenden Auffassung wonach Varro das Tetralogienschema gekannt hat widerspricht Harold Tarrant der in Thrasyllos den Urheber des Schemas sieht 12 Nach welchem Kriterium der Urheber der Tetralogienordnung bei der Gruppierung der Werke vorging ist unbekannt Jedenfalls teilte er sie nicht wie in der Moderne ublich nach der mutmasslichen Reihenfolge ihrer Entstehung ein sondern nach einem inhaltlichen Gesichtspunkt Dieser ist aber bestenfalls ansatzweise erkennbar Die erste Tetralogie umfasst wie Diogenes Laertios feststellt vier Werke die von der philosophischen Lebensfuhrung handeln Dieses Thema behandelt Platon aber auch in anderen Dialogen und fur die ubrigen Tetralogien ist kein Klassifikationsprinzip klar ersichtlich Die Dialoge der ersten Tetralogie in denen das Verhalten des vorbildlichen Philosophen Sokrates in der Zeit vor seinem Tod dargestellt wird wurden vermutlich als protreptisch betrachtet und deswegen an den Anfang gestellt 13 Die Tetralogienordnung war wohl als Empfehlung fur die Reihenfolge in der die Werke gelesen werden sollten gedacht Mogliche Gruppierungskriterien des Tetralogienschemas erortern Harold Tarrant Michael R Dunn und Alfred Dunshirn 14 Diogenes Laertios berichtet ferner Thrasyllos habe jeden Dialog mit zwei Titeln bezeichnet Der erste weitaus gebrauchlichere Titel Haupttitel ist meist der Name eines Dialogteilnehmers der zweite Untertitel bezieht sich auf den Inhalt z B Phaidon oder Uber die Seele Die Haupttitel waren schon im 4 Jahrhundert v Chr gangig ein Untertitel ist bereits im 3 Jahrhundert v Chr bezeugt doch hat vermutlich erst der Urheber der Tetralogienordnung den durchgangigen Gebrauch von Doppeltiteln eingefuhrt 15 Rezeption BearbeitenIn der Zeit des Mittel und Neuplatonismus stand fur die Platoniker die sich mit der Ordnung von Platons Werken auseinandersetzten ein didaktischer Gesichtspunkt im Vordergrund Man fragte nach der Reihenfolge in der man die Dialoge lesen soll Unter diesem Aspekt missbilligte im 2 Jahrhundert Albinos die Tetralogieneinteilung Er meinte diese Ordnung nach Personen und Lebensumstanden also nach einem literarisch biographischen Aspekt sei als Lektureplan fur den Unterricht unbrauchbar wenn auch vielleicht in anderer Hinsicht nutzlich 16 Auch der anonyme spatantike Autor der Prolegomena zur Philosophie Platons der zur Schulrichtung Olympiodoros des Jungeren zahlt lehnte die Tetralogienordnung ab er versuchte die Behauptung ihrer Befurworter sie stamme von Platon selbst zu widerlegen 17 Obwohl das Tetralogienschema keinem konsequent durchgefuhrten ohne Erklarung einsichtigen Einteilungsprinzip folgt hat es sich in der Textuberlieferung durchgesetzt Die meisten mittelalterlichen Platon Handschriften aus dem Byzantinischen Reich halten das Schema ein 18 Auch mittelalterlichen arabischen Autoren Ibn an Nadim al Mubassir 11 Jahrhundert Ibn al Qifṭi 1172 1248 und Ibn Abi Usaibiʿa war die Existenz der Tetralogien bekannt 19 1593 veroffentlichte der Philosoph Francesco Patrizi eine Abhandlung Uber die Ordnung der Dialoge De dialogorum ordine in der er die Tetralogieneinteilung verwarf Die 1578 veroffentlichte bis ins fruhe 19 Jahrhundert massgebliche Platon Ausgabe von Henricus Stephanus bietet eine andere Reihenfolge der Werke Die moderne Forschung hat der Tetralogienordnung schon im 19 Jahrhundert nur eine rezeptionsgeschichtliche Bedeutung zugemessen Der namhafte Platon Ubersetzer Friedrich Schleiermacher 1768 1834 lehnte sie ab Der bedeutende Philosophiehistoriker Eduard Zeller fallte ein vernichtendes Urteil uber alle antiken Klassifizierungen der Werke Platons 20 Aber noch die 1900 1907 von John Burnet herausgebrachte kritische Gesamtausgabe der Werke Platons in den Oxford Classical Texts OCT und die neue Gesamtausgabe die seit 1995 in dieser Reihe erscheint folgen der Reihenfolge der Tetralogien Literatur BearbeitenJaap Mansfeld Prolegomena Questions to be settled before the study of an author or a text Brill Leiden 1994 ISBN 90 04 10084 9 S 58 107 Harold Tarrant Thrasyllan Platonism Cornell University Press Ithaca London 1993 ISBN 0 8014 2719 3Anmerkungen Bearbeiten Diogenes Laertios 3 61 f Diogenes Laertios 3 61 Zu moglichen Ansatzpunkten bei Platon siehe Terence H Irwin The Platonic Corpus In Gail Fine Hrsg The Oxford Handbook of Plato Oxford 2008 S 63 87 hier 68 f Diogenes Laertios 3 56 61 Zum Vergleich mit dem Theater siehe Jaap Mansfeld Prolegomena Leiden 1994 S 60 f Heinrich Dorrie Matthias Baltes Der Platonismus in der Antike Bd 2 Stuttgart Bad Cannstatt 1990 S 338 f Albinos Eisagoge 4 griechischer Text der Stelle mit Ubersetzung bei Heinrich Dorrie Matthias Baltes Der Platonismus in der Antike Bd 2 Stuttgart Bad Cannstatt 1990 S 98 f und Kommentar S 357 f Varro De lingua Latina 7 37 Anton Hermann Chroust The Organization of the Corpus Platonicum in Antiquity In Hermes 93 1965 S 34 46 Michael Erler Platon Grundriss der Geschichte der Philosophie Die Philosophie der Antike Band 2 2 Basel 2007 S 13 Herwig Gorgemanns Platon Heidelberg 1994 S 37 Heinrich Dorrie Matthias Baltes Der Platonismus in der Antike Bd 2 Stuttgart Bad Cannstatt 1990 S 339 Jaap Mansfeld Prolegomena Leiden 1994 S 66 und Anm 114 Jaap Mansfeld Prolegomena Leiden 1994 S 64 66 Harold Tarrant Thrasyllan Platonism Ithaca 1993 S 11 13 72 76 78 81 Ernst Bickel Geschichte und Recensio des Platontextes In Rheinisches Museum fur Philologie Neue Folge Bd 92 1943 1944 S 97 159 hier 103 105 f 128 131 Antonio Carlini Studi sulla tradizione antica e medievale del Fedone Rom 1972 S 24 27 James A Philip The Platonic Corpus In Nicholas D Smith Hrsg Plato Critical Assessments Bd 1 London 1998 S 17 28 Siehe dazu Friedrich Solmsen The Academic and the Alexandrian Editions of Plato s Works In Illinois Classical Studies 6 1981 S 102 111 hier 106 Michael Erler Platon Grundriss der Geschichte der Philosophie Die Philosophie der Antike Band 2 2 Basel 2007 S 14 Heinrich Dorrie Matthias Baltes Der Platonismus in der Antike Bd 2 Stuttgart Bad Cannstatt 1990 S 335 337 Harold Tarrant Thrasyllan Platonism Ithaca 1993 S 14 17 Jaap Mansfeld Prolegomena Leiden 1994 S 62 f Carl Werner Muller Die Kurzdialoge der Appendix Platonica Munchen 1975 S 27 41 328 f und Carl Werner Muller Appendix Platonica und Neue Akademie In Klaus Doring u a Hrsg Pseudoplatonica Stuttgart 2005 S 171 173 Harold Tarrant Thrasyllan Platonism Ithaca 1993 S 11 14 73 76 89 107 Heinrich Dorrie Matthias Baltes Der Platonismus in der Antike Bd 2 Stuttgart Bad Cannstatt 1990 S 340 f Harold Tarrant Thrasyllan Platonism Ithaca 1993 S 95 103 Michael R Dunn The Organization of the Platonic Corpus between the First Century B C and the Second Century A D Dissertation Yale 1974 S 73 97 Michael R Dunn Iamblichus Thrasyllus and the Reading Order of the Platonic Dialogues In Ransom Baine Harris Hrsg The Significance of Neoplatonism Norfolk 1976 S 59 80 Alfred Dunshirn Zur Performativitat der Platonlekture In Wiener Jahrbuch fur Philosophie 39 2007 S 7 23 Alfred Dunshirn In welcher Reihenfolge die Dialoge Platons lesen In Gymnasium 115 2008 S 103 122 Alfred Dunshirn Logos bei Platon als Spiel und Ereignis Wurzburg 2010 S 143 270 Vgl Jaap Mansfeld Prolegomena Leiden 1994 S 67 71 Michael Erler Platon Grundriss der Geschichte der Philosophie Die Philosophie der Antike Band 2 2 Basel 2007 S 19 vgl Robert G Hoerber Thrasylus Platonic Canon and the Double Titles In Phronesis 2 1957 S 10 20 Harold Tarrant Thrasyllan Platonism Ithaca 1993 S 91 94 Jaap Mansfeld Prolegomena Leiden 1994 S 71 74 Albinos Eisagoge 4 griechischer Text der Stelle mit Ubersetzung bei Heinrich Dorrie Matthias Baltes Der Platonismus in der Antike Bd 2 Stuttgart Bad Cannstatt 1990 S 98 f und Kommentar S 357 f und bei Burkhard Reis Der Platoniker Albinos und sein sogenannter Prologos Wiesbaden 1999 S 314 f Prolegomena zur Philosophie Platons 24 25 25 36 Westerink Leendert G Westerink Hrsg Prolegomenes a la philosophie de Platon Paris 1990 S 37 f vgl Burkhard Reis Der Platoniker Albinos und sein sogenannter Prologos Wiesbaden 1999 S 140 f Ernst Bickel Geschichte und Recensio des Platontextes In Rheinisches Museum fur Philologie Neue Folge Bd 92 1943 1944 S 97 159 hier 98 f zu einer Abweichung vom Schema siehe Burkhard Reis Der Platoniker Albinos und sein sogenannter Prologos Wiesbaden 1999 S 259 262 267 Michael R Dunn The Organization of the Platonic Corpus between the First Century B C and the Second Century A D Dissertation Yale 1974 S 73 120 144 Carl Werner Muller Die Kurzdialoge der Appendix Platonica Munchen 1975 S 27 f Anm 4 Eduard Zeller Die Philosophie der Griechen in ihrer geschichtlichen Entwicklung Teil 2 Abteilung 1 5 Auflage Leipzig 1922 S 494 496 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Tetralogie Platon amp oldid 227089281