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Alkibiades I auch Erster Alkibiades oder Grosser Alkibiades lateinisch Alcibiades maior ist ein philosophischer literarisch gestalteter Dialog in altgriechischer Sprache aus dem 4 Jahrhundert v Chr In der Antike wurde er Platon zugeschrieben doch in der modernen Forschung bestehen erhebliche Zweifel an seiner Echtheit Forscher die den Dialog fur unecht halten pflegen jedoch davon auszugehen dass er in Platons Umfeld entstanden ist und wohl von einem seiner Schuler verfasst wurde Die Bezeichnung Alkibiades I dient der Unterscheidung vom Alkibiades II dem Zweiten oder Kleinen Alkibiades einem ebenfalls Platon zugeschriebenen aber ganz sicher unechten Dialog Den Inhalt bildet ein fiktives Gesprach zwischen dem Philosophen Sokrates und dem noch nicht zwanzigjahrigen Alkibiades der spater als Politiker und Feldherr beruhmt wurde und sehr umstritten war Alkibiades entwickelt einen starken politischen Ehrgeiz doch zeigt sich im Verlauf der Diskussion dass es ihm an klaren Grundsatzen und einem durchdachten Konzept fehlt Seine Inkompetenz wird im Gesprach auf einen Mangel an Selbsterkenntnis zuruckgefuhrt In diesem Zusammenhang stellt sich die philosophische Frage was erkannt wird wenn jemand sich selbst erkennt Die Antwort lautet dass es sich um eine Erkenntnis der Seele uber ihre eigene Natur handelt Das durch Selbsterkenntnis erlangte Wissen soll die Pflege der Seele den rechten Umgang mit ihr ermoglichen Zugleich bildet es die Voraussetzung fur ethisches Handeln insbesondere in der Politik In der Antike galt der Alkibiades I als Grundlagenschrift der platonischen Anthropologie und wurde von den Platonikern sehr geschatzt Inhaltsverzeichnis 1 Ort Zeit und Teilnehmer 2 Inhalt 2 1 Der Anlass des Gesprachs 2 2 Das Erfordernis der Bildung 2 3 Selbsterkenntnis und Verantwortung fur sich selbst 3 Echtheitsfrage und Entstehungszeit 4 Textuberlieferung 5 Rezeption 5 1 Antike 5 2 Mittelalter und Fruhe Neuzeit 5 3 Moderne 6 Ausgaben und Ubersetzungen 7 Literatur 8 Weblinks 9 AnmerkungenOrt Zeit und Teilnehmer BearbeitenDer fiktive Dialog spielt sich in Athen ab Der Zeitpunkt zu dem der Autor das Gesprach stattfinden lasst ist aus dem angegebenen Alter des Alkibiades zu erschliessen es ist wohl das Jahr 432 v Chr oder die Zeit kurz davor 1 Alkibiades wird so dargestellt wie seine Zeitgenossen und die Nachwelt ihn wahrzunehmen pflegten Er ist reich und vornehm eine sehr attraktive Erscheinung ehrgeizig und hochmutig und schatzt die Tapferkeit uber alles Im Verlauf des Gesprachs gelingt es Sokrates die Selbstsicherheit des jungen Mannes zu erschuttern und ihm seine Unwissenheit vor Augen zu fuhren Den Hintergrund der Begegnung bildet die homoerotische Werbung des Sokrates um den schonen Jungling Fur den stolzen Alkibiades bedeutet die geistige Auseinandersetzung mit dem weit uberlegenen Sokrates eine Demutigung die er aber dem Philosophen nicht verubelt da er ihn bewundert 2 Inhalt BearbeitenDer Anlass des Gesprachs Bearbeiten Das Gesprach setzt unvermittelt ein Sokrates hat Alkibiades aufgesucht um eine Klarung ihres Verhaltnisses herbeizufuhren In den letzten Jahren hat Alkibiades zahlreiche Bewunderer seiner Schonheit gehabt die ihn erotisch begehrten Der erste unter ihnen war Sokrates der sich aber bisher schweigend im Hintergrund gehalten hat da sein Daimonion eine innere Stimme ihm zur Zuruckhaltung riet Nun will Sokrates mit seinem Anliegen hervortreten Alkibiades hat mit seinem Hochmut alle anderen Liebhaber vertrieben indem er sie ihre Unterlegenheit spuren liess nur Sokrates ist ubrig geblieben Alkibiades fuhlt sich von ihm belastigt mochte aber den Grund der Hartnackigkeit des Philosophen erfahren 3 Das Erfordernis der Bildung Bearbeiten nbsp Sokrates romische Buste 1 Jahrhundert Louvre Paris Sokrates der den grenzenlosen politischen Ehrgeiz seines Gesprachspartners kennt bietet sich ihm als Ratgeber an Er will ihn davon uberzeugen dass solche Beratung fur die Erlangung der ersehnten politischen Fuhrungsrolle unerlasslich sei Alkibiades beabsichtigt als Redner vor die Volksversammlung zu treten denn nur so kann man sich im demokratischen Athen Einfluss verschaffen Er mochte bei Entscheidungen uber Krieg oder Frieden mitreden und seiner Ansicht Geltung verschaffen Sokrates weist ihn darauf hin dass er damit einen Anspruch auf Kompetenz erhebe dem er dann auch genugen musse Nun muss Alkibiades aber auf eindringliches Befragen zugeben dass er uber keine besonderen Kenntnisse verfugt die ihn dafur qualifizieren konnten Er besitzt nur sein Schulwissen das in der Politik nutzlos ist Sokrates macht ihm klar dass die Entscheidung uber Krieg oder Frieden eine Frage der Gerechtigkeit sei Alkibiades raumt ein dass er zwar schon als Kind uberzeugt war zu wissen was Recht und Unrecht ist aber daruber noch nie ernsthaft nachgedacht oder eine kompetente Belehrung erhalten hat Er hat sich immer nur an den gangigen Meinungen der unwissenden Menge orientiert obwohl diese widerspruchlich sind Somit versteht er von Gerechtigkeit nichts 4 Gegen diese Erwagungen wendet Alkibiades ein auf die Gerechtigkeit komme es eigentlich nicht an denn in der Politik gehe es nicht um das Gerechte sondern um das Vorteilhafte Dieses Argument nutzt ihm aber nichts weil sich auch hier zeigt dass ihm Sachkenntnis fehlt Er behauptet das Vorteilhafte sei etwas anderes als das Gerechte denn das Gerechte habe sich schon oft als nachteilig erwiesen und unrechtes Handeln als vorteilhaft Da er aber nicht darlegen kann worin das Vorteilhafte besteht kann er seine Ansicht nicht begrunden Es stellt sich heraus dass er uber etwas redet was er nicht definieren kann Sokrates bringt ihn durch eine Reihe von didaktischen Fragen zur Einsicht dass zwischen dem Gerechten und dem Vorteilhaften kein Unterschied besteht Nach dieser Meinungsanderung ist Alkibiades verwirrt da er nun das ganze Ausmass seiner Unwissenheit erkennt Wenn er Wissen hatte wurde er nicht derart in seinen Ansichten schwanken Wie die Diskussion gezeigt hat ist das Hauptproblem der Unwissenden nicht ihr Mangel an Sachkenntnis sondern ihre Illusion den Durchblick zu haben Wer Staatsmann werden will muss zunachst seine Kompetenz realistisch einschatzen und sich die notige Bildung verschaffen Die beiden Gesprachspartner sind sich einig dass dies bei den athenischen Politikern kaum je der Fall sei Von einem wirklich Verstandigen erwartet Sokrates dass er auch anderen Verstandigkeit beibringen kann Aber sogar dem beruhmten Staatsmann Perikles dem Vormund des Alkibiades sei es nicht gelungen seine Fahigkeiten anderen zu vermitteln als Vater habe er versagt seine beiden Sohne seien missraten Niemand sei durch den Umgang mit Perikles weiser geworden 5 Darauf wendet sich das Gesprach der Frage nach einer erfolgreichen Padagogik zu Sokrates lobt die hervorragende Erziehung welche die Grosskonige der Perser ihren Sohnen zuteilwerden lassen wahrend die Athener die padagogische Betreuung ihrer Kinder vernachlassigen Fur vorbildlich halt er auch die Prinzipien nach denen sich die Konige von Sparta richten Den Herrschern dieser beiden Staaten den traditionellen Gegenspielern Athens hat ein Ignorant wie Alkibiades nichts entgegenzusetzen Er muss noch viel lernen Sokrates betont dass auch fur ihn selbst das Lernen nie ende Im Streben nach Erkenntnis und Tuchtigkeit durfe man nicht nachlassen 6 Selbsterkenntnis und Verantwortung fur sich selbst Bearbeiten Bei der folgenden Erorterung der Frage was die Voraussetzungen fur eine gute Regierung sind gerat Alkibiades erneut in Verwirrung und muss einsehen dass er nichts davon versteht Sokrates verhilft ihm zu der Einsicht dass die Fahigkeit eines Menschen fur das Seinige seinen Besitz zu sorgen etwas anderes ist als die Fahigkeit fur sich selbst zu sorgen das heisst sich selbst zu verbessern Sorge fur sich selbst setzt Selbsterkenntnis voraus Zunachst kommt es darauf an zu verstehen was mit sich selbst gemeint ist Das Selbst an sich oder Selbst selbst auto to auto auto tauto 7 kann nicht der Korper sein auch nicht ein aus Korper und Seele zusammengesetztes Ganzes sondern nur die Seele die lenkende Instanz die sich des Korpers bedient Sie allein macht nach Sokrates Uberzeugung den Menschen aus sie ist sein Selbst Der Korper ist nur ein Werkzeug und gehort als solches zum Besitztum dem Seinigen des Menschen Dies hat auch fur die Liebe Konsequenzen Wer den Korper des Alkibiades liebt der liebt nicht ihn selbst sondern nur einen Gegenstand der Alkibiades gehort Die Liebe zum Korper endet wenn dieser seine Attraktivitat einbusst Anders verhalt es sich mit der Liebe zur Seele Darum halt Sokrates im Gegensatz zu den anderen Liebhabern an Alkibiades fest obwohl dieser kein Jugendlicher mehr ist also das Alter uberschritten hat auf das sich das Interesse der Homoerotiker zu konzentrieren pflegt Der Leib hat seine Blutezeit schon hinter sich die Seele hingegen soll jetzt erbluhen 8 Wie die Seele sich selbst erkennen kann veranschaulicht Sokrates mit dem beruhmten Spiegelvergleich Da sie nicht imstande ist sich selbst unmittelbar wahrzunehmen benotigt sie einen Spiegel so wie auch ein Auge sich selbst nur in einem ausseren Objekt durch Spiegelung sehen kann Fur das Auge kann dieser Spiegel das Auge eines anderen Menschen sein wenn es in dessen Pupille blickt in den hochstrangigen Teil des fremden Auges sieht es zugleich sich selbst So muss auch die Seele in eine andere Seele schauen um sich zu erkennen und zwar in deren hochsten gottlichsten Teil in dem die Weisheit ihren Sitz hat Indem sie ihre Aufmerksamkeit auf das Gottliche richtet kann sie am besten zur Selbsterkenntnis gelangen 9 Selbsterkenntnis bedeutet wie Sokrates weiter ausfuhrt Besonnenheit sophrosyne Nur dank ihr kann der Mensch wissen was fur ihn gut und was ubel ist Daher muss sich jemand der im Staat eine Fuhrungsrolle anstrebt zuerst Gerechtigkeit und Besonnenheit zu eigen machen um diese Tugenden dann auch verbreiten zu konnen Solange man dazu nicht in der Lage ist soll man nicht fuhren sondern in einer untergeordneten Stellung verbleiben und sich von einem Besseren regieren lassen Davon lasst sich Alkibiades uberzeugen Er will sich nun Sokrates anschliessen und unter dessen Leitung um Gerechtigkeit bemuhen 10 Echtheitsfrage und Entstehungszeit BearbeitenSeit dem 19 Jahrhundert ist die Echtheit des Dialogs sehr umstritten 11 Die Datierung seiner Entstehung hangt mit der Beurteilung der Echtheitsfrage zusammen Konsens besteht daruber dass der Alkibiades I falls er nicht von Platon stammt im Kreis seiner Schuler in der Akademie entstanden ist Die Befurworter der Unechtheit weisen auf verdachtige sprachliche Besonderheiten hin Sie machen geltend die Struktur erinnere zwar an Platons fruhe Dialoge was eine Einordnung unter die spateren Werke ausschliesse der Alkibiades I weise aber bestimmte fur die Fruhwerke typische Merkmale nicht auf Das Gesprach zeige einen auffallend lehrhaften Charakter die Gedankenfuhrung sei zu methodisch zu linear und zu platt sie entspreche eher einer Lehrschrift als einer dialogischen Wahrheitssuche es fehle die fur Platon typische Tiefgrundigkeit Vertreter der Gegenposition bestreiten die Stichhaltigkeit dieser Argumentation die auf Vorurteilen und voreiligen Schlussen basiere 12 Pamela Clark trug 1955 die Hypothese vor dass Platon nur das letzte Drittel des Alkibiades I verfasst habe vielleicht nach dem Tod eines seiner Schuler welcher der Autor des ersten Teils sei 13 Schon 1809 hatte Friedrich Schleiermacher die Idee eines nur teilweise authentischen Werks ins Spiel gebracht er hatte die Moglichkeit erwogen es konne sich um einen Entwurf Platons handeln den spater ein Schuler ausgearbeitet habe 14 Falls Platon der Autor ist gehort der Dialog nach Ansicht vieler Forscher aus inhaltlichen Grunden zu seinen fruhen oder mittleren Werken 15 Als Alterswerk betrachtet ihn aber Nicholas Denyer er pladiert fur Entstehung in den fruhen funfziger Jahren des 4 Jahrhunderts 16 nbsp Der Anfang des Alkibiades I in der altesten erhaltenen mittelalterlichen Handschrift dem 895 geschriebenen Codex ClarkianusTextuberlieferung BearbeitenAus der Antike liegen Fragmente aus zwei Papyrus Handschriften des 2 Jahrhunderts vor Die mittelalterliche Textuberlieferung besteht aus sechs Handschriften Die alteste von ihnen wurde im Jahr 895 im Byzantinischen Reich fur Arethas von Caesarea angefertigt 17 Rezeption BearbeitenAntike Bearbeiten Die Echtheit des Dialogs ist in der Antike nie bezweifelt worden Er wurde geschatzt eifrig studiert und kommentiert Insbesondere die Anthropologie des Alkibiades I die Gleichsetzung des Menschen mit der Vernunftseele fand ein starkes aber zwiespaltiges Echo Diese grundlegende Lehre des Platonismus verbindet sich fur die Nachwelt seit der Antike vor allem mit dem Alkibiades I denn dort ist sie mit besonderer Klarheit und Entschiedenheit dargelegt und gegen die konkurrierenden anthropologischen Modelle abgegrenzt 18 Vermutlich hat Aristoteles in seinem heute verlorenen Dialog Erotikos den Gedanken des sich spiegelnden Auges aus dem Alkibiades I ubernommen 19 Im 2 Jahrhundert v Chr hat sich der Geschichtsschreiber Polybios bei der literarischen Schilderung eines Gesprachs das er mit dem jungeren Scipio gefuhrt hatte moglicherweise vom Alkibiades I anregen lassen 20 In der Tetralogienordnung die anscheinend im 1 Jahrhundert v Chr eingefuhrt wurde gehort der Alkibiades I zur vierten Tetralogie Der Doxograph Diogenes Laertios zahlte ihn zu den maieutischen Dialogen und gab als Alternativtitel Uber die Natur des Menschen an Dabei berief er sich auf eine heute verlorene Schrift des Mittelplatonikers Thrasyllos 21 Unter antiken Platonikern war die Meinung verbreitet der Alkibiades I sei der zum Einstieg in die Platon Lekture am besten geeignete Dialog daher solle man mit ihm beginnen Die Selbsterkenntnis deren Notwendigkeit im Alkibiades I dargelegt wird galt als Ausgangspunkt der Philosophie 22 Moglicherweise war Antiochos von Askalon der im 1 Jahrhundert v Chr eine platonische Schule grundete der erste der die Lekture des Alkibiades I an den Anfang des Platon Studiums stellte 23 Der romische Dichter Persius 34 62 griff in seiner vierten Satire das Szenario der Zurechtweisung und Belehrung des Alkibiades durch Sokrates auf 24 Der Philosoph und Schriftsteller Plutarch benutzte den Dialog als Quelle fur die Lebensbeschreibung des Alkibiades in seinen Parallelbiographien Im 3 Jahrhundert schrieb der Mittelplatoniker Demokritos einen Kommentar zum Alkibiades I der heute verloren ist 25 Der spatantike Kirchenvater Eusebios von Caesarea fugte in seine Praeparatio evangelica einen langen Auszug aus dem Alkibiades I ein Sein Zitat bietet eine etwas langere Version des Textes als die Fassung der Dialoghandschriften 26 Ob der zusatzliche Text den auch Johannes Stobaios uberliefert aus der Urfassung stammt oder interpoliert ist ist in der Forschung umstritten Falls es ein Einschub ist kommt als Urheber ein mittelplatonischer Kommentator des Dialogs in Betracht dann handelt es sich um ein in Dialogform gebrachtes Kommentarstuck Moglicherweise folgt Eusebios einer fruhen judisch christlichen Tradition der Deutung des Alkibiades I 27 Der Neuplatoniker Iamblichos um 320 325 zahlte den Alkibiades I zu einer Gruppe von zehn besonders wichtigen Dialogen Platons Er stellte ihn an den Anfang des Unterrichts in seiner Schule und verfasste einen Kommentar dazu der bis auf Fragmente verloren ist Einen weiteren Kommentar schrieb der Neuplatoniker Proklos 485 Von Iamblichos Einschatzung des Dialogs ausgehend bezeichnete er den Alkibiades I als den Anfang der gesamten Philosophie ebenso wie auch der Selbsterkenntnis Im Alkibiades I sei wie in einem Samenkorn die ganze Philosophie Platons enthalten die in den anderen Dialogen entfaltet werde 28 Nur der Anfangsteil von Proklos Werk ist vollstandig uberliefert 29 vom Rest liegen nur Fragmente vor Auch Damaskios nach 538 der letzte Leiter der neuplatonischen Philosophenschule in Athen kommentierte den Alkibiades I wobei er sich mit der Auffassung des Proklos kritisch auseinandersetzte Aus diesem Werk sind nur einige Zitate uberliefert Der letzte antike Kommentar zum Alkibiades I von dem die Nachwelt weiss stammt von dem Neuplatoniker Olympiodoros dem Jungeren nach 565 einem in Alexandria tatigen Gelehrten Er ist in einer Schulernachschrift ganzlich erhalten geblieben 30 nbsp Der Anfang des Alkibiades I in der Erstausgabe Venedig 1513 nbsp Alkibiades und SokratesMittelalter und Fruhe Neuzeit Bearbeiten Im 10 Jahrhundert verfasste der einflussreiche muslimische Philosoph al Farabi eine Ubersicht zu Platons Schriften mit dem Titel Die Philosophie Platons ihre Teile und die Ordnung ihrer Teile von ihrem Anfang bis zum Ende Dabei begann er der Sitte antiker Platoniker folgend mit dem Alkibiades I Offenbar hielt er sich hinsichtlich der Reihenfolge an seine Quelle In der lateinischsprachigen Gelehrtenwelt des Mittelalters war der Dialog unbekannt Erst in der Epoche des Renaissance Humanismus wurde er wiederentdeckt Wie schon in der Antike fand der Alkibiades I auch in der Fruhen Neuzeit bei den Gebildeten Wertschatzung und galt allgemein als echt Im 15 Jahrhundert machte der Humanist Marsilio Ficino das Werk durch Ubersetzung ins Lateinische einer breiteren Bildungsschicht zuganglich Er begann die Einleitung argumentum zu seiner Ubersetzung mit den Worten dieser Dialog sei schoner als Alkibiades und wertvoller als alles Gold 31 1484 erschien in Florenz der erste Druck von Ficinos lateinischen Ubersetzungen der Werke Platons darunter der Alkibiades I Der griechische Text wurde 1513 in Venedig von Aldo Manuzio im Rahmen der Erstausgabe editio princeps von Platons Werken herausgebracht Moderne Bearbeiten In der Moderne setzte der Zweifel an der Echtheit des Alkibiades I ein Mit dem Urteil uber die Echtheitsfrage ist in der Forschung die Einschatzung der philosophischen und literarischen Qualitat verknupft Als Erster sprach sich Friedrich Schleiermacher 1809 gegen die Authentizitat aus Er beurteilte das Werk als ziemlich geringfugig und schlecht daher konne es nicht von Platon stammen wenngleich darin auch einzelne sehr schone und acht platonische Stellen zu finden seien 32 Schleiermachers Urteil war folgenreich es leitete eine verbreitete anhaltende Geringschatzung des Alkibiades I ein Ulrich von Wilamowitz Moellendorff der von der Unechtheit uberzeugt war beurteilte den Dialog sehr negativ Er nannte ihn Schafmist 33 und schrieb in seiner Platon Monographie der Verfasser des Werks sei talentlos gewesen und habe Platons Angaben uber das Daimonion des Sokrates missverstanden und verflacht 34 Die Anhanger der Gegenmeinung verstummten aber nicht Ein namhafter Befurworter der Echtheit und Verteidiger der literarischen Qualitat des Dialogs war Paul Friedlander 35 Seit dem spaten 20 Jahrhundert melden sich vermehrt positiver urteilende und fur Echtheit pladierende Forscher zu Wort 36 Der Philosoph Michel Foucault befasste sich in seinen Vorlesungen am College de France eingehend mit dem Alkibiades I 37 denn er betrachtete ihn als Dokument eines geistesgeschichtlichen Wandels und sah in ihm zugleich eine Einfuhrung in die klassische Philosophie 38 Ausserdem war er von Platons Autorschaft uberzeugt Foucault meinte der Alkibiades I belege eine fundamentale Neuerung im Denken Er sei die erste Theorie des Selbst Diese basiere auf der Entdeckung der Subjektseele ame sujet der Einfuhrung des Konzepts eines subjektiven reflexiven Selbst Die Frage nach dem eigenen Selbst beziehe sich nicht auf die Natur des Menschen sondern auf das Subjekt Mit ihr habe die Geschichte der Subjektivitat begonnen 39 Ausgaben und Ubersetzungen BearbeitenAusgaben teilweise mit Ubersetzung Antonio Carlini Hrsg Platone Alcibiade Alcibiade secondo Ipparco Rivali Boringhieri Torino 1964 S 68 253 kritische Edition mit italienischer Ubersetzung Nicholas Denyer Hrsg Plato Alcibiades Cambridge University Press Cambridge 2001 ISBN 0 521 632811 Textausgabe ohne Ubersetzung mit Kommentar Gunther Eigler Hrsg Platon Werke in acht Banden 4 Auflage Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2005 ISBN 3 534 19095 5 S 527 637 Abdruck der kritischen Ausgabe von Maurice Croiset 9 Auflage Paris 1966 mit der deutschen Ubersetzung von Friedrich Schleiermacher 2 verbesserte Auflage Berlin 1826 Ubersetzungen Otto Apelt Platon Alkibiades I II In Otto Apelt Hrsg Platon Samtliche Dialoge Bd 3 Meiner Hamburg 2004 ISBN 3 7873 1156 4 mit Einleitung und Erlauterungen Nachdruck der 3 Auflage Leipzig 1937 Klaus Doring Platon Erster Alkibiades Ubersetzung und Kommentar Platon Werke hrsg von Ernst Heitsch u a Bd IV 1 Vandenhoeck amp Ruprecht Gottingen 2016 ISBN 978 3 525 30438 9 Franz Susemihl Alkibiades der Erste In Erich Loewenthal Hrsg Platon Samtliche Werke in drei Banden Bd 1 unveranderter Nachdruck der 8 durchgesehenen Auflage Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2004 ISBN 3 534 17918 8 S 815 871Antike Kommentare John M Dillon Hrsg Iamblichi Chalcidensis in Platonis dialogos commentariorum fragmenta Brill Leiden 1973 ISBN 90 04 03578 8 S 72 83 229 238 kritische Ausgabe der Fragmente mit englischer Ubersetzung und Kommentar des Herausgebers William O Neill Ubersetzer Proclus Alcibiades I A translation and commentary 2 Auflage Nijhoff Den Haag 1971 ISBN 90 247 5131 4 Alain Philippe Segonds Hrsg Proclus Sur le Premier Alcibiade de Platon 2 Bande Paris 1985 1986 kritische Ausgabe des griechischen Textes mit franzosischer Ubersetzung Leendert Gerrit Westerink Hrsg Olympiodorus Commentary on the First Alcibiades of Plato North Holland Publishing Company Amsterdam 1956 Nachdruck mit Korrekturen und Erganzungen Hakkert Amsterdam 1982 ISBN 90 256 0840 XLiteratur BearbeitenUbersichtsdarstellungen Michael Erler Platon Grundriss der Geschichte der Philosophie Die Philosophie der Antike hrsg von Hellmut Flashar Band 2 2 Schwabe Basel 2007 ISBN 978 3 7965 2237 6 S 290 293 663 665 Franz von Kutschera Platons Philosophie Bd 3 Mentis Paderborn 2002 ISBN 3 89785 266 7 S 253 262Kommentar Klaus Doring Platon Erster Alkibiades Ubersetzung und Kommentar Platon Werke hrsg von Ernst Heitsch u a Bd IV 1 Vandenhoeck amp Ruprecht Gottingen 2016 ISBN 978 3 525 30438 9Untersuchungen Diego De Brasi Un esempio di educazione politica una proposta di analisi dell Alcibiade primo In Wurzburger Jahrbucher fur die Altertumswissenschaft Neue Folge Bd 32 2008 S 57 110 Jill Gordon Eros and Philosophical Seduction in Alcibiades I In Ancient Philosophy 23 2003 S 11 30 Francois Renaud Self Knowledge in the First Alcibiades and in the commentary of Olympiodorus In Maurizio Migliori u a Hrsg Inner Life and Soul Psyche in Plato Academia Verlag Sankt Augustin 2011 ISBN 978 3 89665 561 5 S 207 223Weblinks BearbeitenAlkibiades I in deutscher Ubersetzung nach Schleiermacher Alkibiades I griechischer Text nach der Ausgabe von John Burnet 1901 Anmerkungen Bearbeiten Michael Erler Platon Basel 2007 S 291 Jean Francois Pradeau Introduction In Chantal Marbœf Jean Francois Pradeau Ubersetzer Platon Alcibiade Paris 1999 S 19f Debra Nails The People of Plato Indianapolis 2002 S 311 Siehe zum Alkibiadesbild David Gribble Alcibiades and Athens Oxford 1999 S 217 222 Alkibiades I 103a 104e Vgl zum erotischen Hintergrund des Dialogs Jill Gordon Eros and Philosophical Seduction in Alcibiades I In Ancient Philosophy 23 2003 S 11 30 hier 11 13 27 29 Alkibiades I 104e 113c Alkibiades I 113d 119c Alkibiades I 119d 124e Alkibiades I 129b1 130d4 Alkibiades I 124e 132a Alkibiades I 132b 133c Siehe zum Verstandnis der Stelle Jacques Brunschwig Sur quelques emplois d ὄpsis In Zetesis Album amicorum Antwerpen 1973 S 24 39 hier 24 32 Vgl Francesco Bearzi Alcibiade I 132d 133c7 una singolare forma di autocoscienza In Studi Classici e Orientali 45 1995 S 143 162 Christopher Gill Self Knowledge in Plato s Alcibiades In Suzanne Stern Gillet Kevin Corrigan Hrsg Reading Ancient Texts Bd 1 Leiden 2007 S 97 112 Alkibiades I 133c 135e Ubersichten uber die Forschungsmeinungen finden sich bei Chantal Marbœf Jean Francois Pradeau Ubersetzer Platon Alcibiade Paris 1999 S 219f und Diego De Brasi Un esempio di educazione politica una proposta di analisi dell Alcibiade primo In Wurzburger Jahrbucher fur die Altertumswissenschaft Neue Folge Bd 32 2008 S 57 110 hier S 57f Anm 1 Fur Einzelheiten siehe Monique Dixsaut Le naturel philosophe Paris 1985 S 377 Michael Erler Platon Basel 2007 S 290f Nicholas Denyer Hrsg Plato Alcibiades Cambridge 2001 S 14 26 Maurice Croiset Hrsg Platon Œuvres completes Bd 1 9 Auflage Paris 1966 S 49 58 Eugen Dont Vorneuplatonisches im Grossen Alkibiades In Wiener Studien 77 1964 S 37 51 Jean Francois Pradeau Introduction In Chantal Marbœf Jean Francois Pradeau Ubersetzer Platon Alcibiade Paris 1999 S 24 29 Diego De Brasi Un esempio di educazione politica una proposta di analisi dell Alcibiade primo In Wurzburger Jahrbucher fur die Altertumswissenschaft Neue Folge Bd 32 2008 S 57 110 hier 58 64 David Gribble Alcibiades and Athens Oxford 1999 S 260 262 Julia Annas Self knowledge in Early Plato In Dominic J O Meara Hrsg Platonic Investigations Washington D C 1985 S 111 138 hier 111 133 Pamela M Clark The Greater Alcibiades In The Classical Quarterly 5 1955 S 231 240 Vgl Monique Dixsaut Le naturel philosophe Paris 1985 S 377 Friedrich Schleiermacher Platons Werke Teil 2 Bd 3 Berlin 1809 S 298 Siehe dazu Diego De Brasi Un esempio di educazione politica una proposta di analisi dell Alcibiade primo In Wurzburger Jahrbucher fur die Altertumswissenschaft Neue Folge Bd 32 2008 S 57 110 hier S 64 67 Nicholas Denyer Hrsg Plato Alcibiades Cambridge 2001 S 11 14 Vgl Pamela M Clark The Greater Alcibiades In The Classical Quarterly 5 1955 S 231 240 Jean Francois Pradeau Introduction In Chantal Marbœf Jean Francois Pradeau Ubersetzer Platon Alcibiade Paris 1999 S 81 Oxford Bodleian Library Clarke 39 Codex B der Platon Textuberlieferung Siehe zur Textuberlieferung Nicholas Denyer Hrsg Plato Alcibiades Cambridge 2001 S 26 Antonio Carlini Hrsg Platone Alcibiade Alcibiade secondo Ipparco Rivali Torino 1964 S 7 46 Zur Nachwirkung des anthropologischen Konzepts siehe Jean Pepin Idees grecques sur l homme et sur Dieu Paris 1971 S 71 203 Paul Friedlander Socrates enters Rome In American Journal of Philology 66 1945 S 337 351 hier 348 351 Paul Friedlander Socrates enters Rome In American Journal of Philology 66 1945 S 337 351 hier 341 348 skeptisch ist aber diesbezuglich Julia Annas Self knowledge in Early Plato In Dominic J O Meara Hrsg Platonic Investigations Washington D C 1985 S 111 138 hier S 112 Anm 6 Diogenes Laertios 3 57 59 Belege bei Heinrich Dorrie Matthias Baltes Der Platonismus in der Antike Bd 2 Stuttgart Bad Cannstatt 1990 S 96 109 vgl S 356 369 Jean Pepin Idees grecques sur l homme et sur Dieu Paris 1971 S 116 Anm 1 Vgl Alain Philippe Segonds Hrsg Proclus Sur le Premier Alcibiade de Platon Bd 1 Paris 1985 S XII f Pierre Boyance Ciceron et le Premier Alcibiade In Revue des Etudes latines 41 1963 S 210 229 Jean Pepin Idees grecques sur l homme et sur Dieu Paris 1971 S 116 Anm 1 Siehe dazu Vasily Rudich Platonic Paideia in the Neronian Setting Persius Fourth Satire In Hyperboreus 12 2006 S 221 238 hier 224 230 Vgl Walter Kissel Hrsg Aules Persius Flaccus Satiren Heidelberg 1990 S 495 498 Olympiodoros In Alcibiadem primum 113c hrsg Leendert G Westerink Olympiodorus Commentary on the First Alcibiades of Plato Amsterdam 1982 S 70 griechischer Text der Stelle und Ubersetzung bei Heinrich Dorrie Matthias Baltes Der Platonismus in der Antike Band 3 Stuttgart Bad Cannstatt 1993 S 41 und Kommentar S 194 Eusebios von Caesarea Praeparatio evangelica 11 27 5 19 Siehe dazu Michael Erler Platon Basel 2007 S 291 Chantal Marbœf Jean Francois Pradeau Ubersetzer Platon Alcibiade Paris 1999 S 221 228 David M Johnson God as the True Self Plato s Alcibiades I In Ancient Philosophy 19 1999 S 1 19 hier 11 14 Burkhard Reis Im Spiegel der Weltseele In John J Cleary Hrsg Traditions of Platonism Aldershot 1999 S 83 113 Francesco Bearzi Alcibiade I 132d 133c7 una singolare forma di autocoscienza In Studi Classici e Orientali 45 1995 S 143 162 hier 144f Text und Ubersetzung der Proklos Stelle bei Heinrich Dorrie Matthias Baltes Der Platonismus in der Antike Bd 2 Stuttgart Bad Cannstatt 1990 S 102 105 vgl S 362f Der erhaltene Teil reicht bis Alkibiades I 116b Eine ausfuhrliche Darstellung der neuplatonischen Rezeption des Alkibiades I gibt Alain Philippe Segonds Hrsg Proclus Sur le Premier Alcibiade de Platon Bd 1 Paris 1985 S XIX LXXVI Marsilii Ficini Opera Bd 2 Paris 2000 Nachdruck der Ausgabe Basel 1576 S 1133 Friedrich Schleiermacher Platons Werke Teil 2 Bd 3 Berlin 1809 S 292 f William M Calder III Bernhard Huss Hrsg The Wilamowitz in me Los Angeles 1999 S 118 Nr 63 die Argumentation ist S 120 122 dargelegt Ulrich von Wilamowitz Moellendorff Platon Sein Leben und seine Werke 5 Auflage Berlin 1959 S 84 Anm 3 S 296 Anm 1 Paul Friedlander Platon Bd 2 3 verbesserte Auflage Berlin 1964 S 214 226 332 335 William M Calder III Bernhard Huss Hrsg The Wilamowitz in me Los Angeles 1999 S 118 120 Nr 63 Nicholas Denyer Hrsg Plato Alcibiades Cambridge 2001 S 14 f Michael Erler Platon Basel 2007 S 291 Michel Foucault Hermeneutik des Subjekts Frankfurt am Main 2004 Ubersetzung der Originalausgabe L hermeneutique du sujet 2001 S 53 63 66 70 75 86 94 109 113 118 509 602 Michel Foucault Hermeneutik des Subjekts Frankfurt am Main 2004 S 94 Michel Foucault Hermeneutik des Subjekts Frankfurt am Main 2004 S 63f 70 75 86 113 225 229 Vgl dazu die Kritik von Christopher Gill Self Knowledge in Plato s Alcibiades In Suzanne Stern Gillet Kevin Corrigan Hrsg Reading Ancient Texts Bd 1 Leiden 2007 S 97 112 hier 100 111 Normdaten Werk GND 4476091 7 lobid OGND AKS LCCN nr2002012592 VIAF 186642097 nbsp Dieser Artikel wurde am 11 April 2014 in dieser Version in die Liste der lesenswerten Artikel aufgenommen Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Alkibiades I amp oldid 237682791