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Der Minos altgriechisch Minws Minōs ist ein kurzer literarischer Dialog in altgriechischer Sprache der angeblich von Platon stammt aber heute in der Forschung als unecht gilt Der unbekannte Verfasser lebte im 4 Jahrhundert v Chr Der Anfang des Minos in der altesten erhaltenen mittelalterlichen Handschrift Paris Bibliotheque Nationale Gr 1807 9 Jahrhundert Es wird ein fiktives Gesprach zwischen dem Philosophen Sokrates und einem nicht namentlich genannten Freund wiedergegeben Sie erortern die Frage der Norm an der sich die staatliche Gesetzgebung auszurichten hat Es zeigt sich dass weder uberlieferte Sitten noch willkurliche Beschlusse einer gesetzgebenden Instanz eine unanfechtbare schlechthin richtige Grundlage bieten konnen Nach dem Befund der beiden Gesprachspartner muss sich ein weiser Gesetzgeber ebenso wie ein Verfasser von Fachliteratur an den objektiven naturgesetzlichen Gegebenheiten orientieren die fur seinen Zustandigkeitsbereich gelten Als klassisches Beispiel fuhrt Sokrates die Gesetzgebung des kretischen Konigs Minos an die er als vorbildlich darstellt Nach Minos ist daher der Dialog benannt Er ist eine wichtige Quelle fur die fruhe Geschichte des Naturrechtsgedankens Inhaltsverzeichnis 1 Gesprachssituation und Dialoggestaltung 2 Inhalt 3 Verfasser Entstehungszeit und ideengeschichtliche Einordnung 4 Zielsetzung und Interpretation 5 Rezeption 6 Ausgaben und Ubersetzungen 7 Literatur 8 Weblinks 9 AnmerkungenGesprachssituation und Dialoggestaltung BearbeitenEine einleitende Rahmenhandlung fehlt Das Geschehen wird nicht von einem Berichterstatter erzahlt sondern setzt unvermittelt ein und wird durchgangig in direkter Rede wiedergegeben Diese Darstellungsweise wird in der Fachliteratur als dramatische Form bezeichnet Wann und in welcher Umgebung sich der fiktive Dialog abspielt und aus welchem Anlass er begonnen wurde teilt der Autor nicht mit Der Schauplatz kann sich nur in Athen der Heimatstadt des Sokrates befinden Einen Anhaltspunkt fur die chronologische Einordnung bietet nur der Umstand dass Sokrates der 399 v Chr als Siebzigjahriger starb ebenso wie sein Gesprachspartner schon in fortgeschrittenem Alter ist wie aus einer Bemerkung am Schluss hervorgeht 1 Die Gesprachsgestaltung folgt einem Muster das dem Leser der echten Werke Platons aus den fruhen Dialogen vertraut ist Das Ziel ist wie gewohnlich die richtige Definition eines Begriffs in diesem Fall des Begriffs Gesetz griechisch nomos 2 Korrekt ist eine Definition wenn sie die Beschaffenheit ihres Gegenstands genau angibt und damit dessen Besonderheit herausarbeitet So soll das Wesen die Natur des Untersuchungsobjekts philosophisch erfasst werden Sokrates lenkt das gemeinsame Bemuhen um Erkenntnis und bestimmt den Ablauf des dialogischen Geschehens Mit Fragen findet er heraus inwieweit Ubereinstimmung uber einzelne Annahmen und Bewertungen besteht und vergewissert sich dass eine gemeinsame Gesprachsbasis gegeben ist Definitionsvorschlage werden der Reihe nach auf ihre Tauglichkeit gepruft 3 Der Freund zeigt kaum ein eigenes Profil er folgt willig wenngleich manchmal nur zogernd den Uberlegungen des Sokrates Im Lauf der Untersuchung wird in allen angesprochenen Punkten Ubereinstimmung erzielt Es gelingt aber nicht die Ausgangsfrage zu klaren was ein Gesetz eigentlich ist das heisst wodurch es seines Namens wurdig wird Es bleibt offen worin genau die Leistung eines guten Gesetzgebers besteht Somit endet der Dialog in einer Aporie einer Lage in der sich keine Losung abzeichnet 4 Inhalt BearbeitenDer Dialog beginnt unvermittelt mit der Frage des Sokrates was das Gesetz fur uns sei das heisst wie uber die korrekte Bestimmung dieses Begriffs Einverstandnis zu erzielen sei Auf die Gegenfrage was fur ein Gesetz er meine antwortet Sokrates mit einer Erlauterung Er erklart es gehe ihm um das Gesetz schlechthin um Gesetz als allgemeinen Begriff Der Begriff konne nicht Verschiedenartiges einschliessen So wie Gold in sich keine Unterschiedlichkeit aufweise und die Frage Was fur ein Gold daher sinnlos sei musse auch das Gesetz insoweit es um den Begriff als solchen gehe etwas Einheitliches sein 5 Der erste Definitionsvorschlag des Freundes lautet Gesetz sei das Geltende also das als herkommliche Sitte Befolgte oder als traditionelle Einrichtung Anerkannte Dagegen erhebt Sokrates den Einwand dass das Sprechen vom Gesprochenen zu unterscheiden sei das Sehen vom Gesehenen und das Horen vom Gehorten So wie diese Tatigkeiten nicht anhand ihrer jeweiligen Erzeugnisse bestimmt werden konnen ist nach Sokrates Verstandnis das Wesen der Gesetzgebung der gesetzgeberischen Tatigkeit nicht durch den blossen Hinweis auf ihr Erzeugnis zu erfassen Vielmehr kommt es auf das Verstehen des Akts an So wie optische und akustische Eindrucke Resultate des Wahrnehmens von etwas Vorhandenem sind muss auch das als gesetzlich Anerkannte eine Art Eindruck sein das Ergebnis eines Wahrnehmungsakts der sich auf eine objektive Realitat bezieht Das fur legal Befundene ist das Produkt des Erfassens einer objektiven Gegebenheit die der Gesetzgeber entdeckt hat so wie ein Sehender mit seinen Augen etwas herausfindet Diesen Entdeckungsvorgang zu verstehen ist die Aufgabe dessen der begreifen will worin Gesetzgebung besteht Der Freund sieht das ein 6 Nun schlagt der Freund vor das Gesetz als das zu bestimmen was ein Staat in Kraft gesetzt hat etwa wie es in der attischen Demokratie durch Volksentscheid geschieht Demnach ist das Gesetz der Ausdruck derjenigen politischen Meinung die sich jeweils durchgesetzt hat Dies ist jedoch eine rein formale wertfreie Definition die hinsichtlich der Gerechtigkeit und Tauglichkeit einer Gesetzgebung nichts aussagt Das empfinden Sokrates und sein Freund als unbefriedigend denn sie sind beide der Uberzeugung das Gesetz musse einen Wert darstellen etwas Schones und Gutes sein Wenn das Gesetz ein Gut ist dann gehort zu seinen Eigenschaften notwendigerweise die Gerechtigkeit Dies trifft aber nicht auf alle Beschlusse von gesetzgebenden Instanzen zu Somit kann ein schlechter Beschluss eine ungerechte Vorschrift gar nicht als Gesetz bezeichnet werden Gesetz im eigentlichen Sinn ist also nur das was sich an einer guten der Wahrheit entsprechenden Meinung orientiert Eine wahre Meinung ist wie Sokrates feststellt eine Entdeckung exheuresis Findung des unwandelbar Seienden einer objektiven uberzeitlichen Realitat Diese Wirklichkeit muss die Norm der Gesetzgebung sein Das Gesetz will wie Sokrates es ausdruckt ein Herausfinden des Seienden sein Dagegen richtet sich nun aber der Einwand des Freundes die konkret bestehenden Gesetze seien veranderlich und in verschiedenen Staaten verschieden was nicht der Fall ware wenn sie auf der Entdeckung eines naturgegebenen Sachverhalts basierten Dabei beachtet der Freund nicht dass Sokrates nur vom Willen gesprochen hat und nicht von dessen konkreter Verwirklichung im Einzelfall 7 Nach der Uberlegung die Sokrates nun anstellt muss das Gerechte immer und uberall gerecht sein und das Schone schon ebenso wie Schweres stets schwer und Leichtes leicht ist Also kann auch das Gesetzliche nicht wandelbar oder ortsabhangig sein Wer das Seiende die naturgemasse Norm verfehlt der weicht vom objektiv Gesetzlichen ab In der Medizin der Landwirtschaft der Gartnerei und der Kochkunst bestehen naturliche Gesetzmassigkeiten deren Kenntnis immer und uberall von der jeweiligen Fachliteratur in gleicher Weise vermittelt wird Ebenso gibt es auch in der Kunst der Verwaltung eines Staatswesens das schlechthin Richtige das zu erkennen und zu verwirklichen die Aufgabe der zustandigen Fachleute der Gesetzgeber ist Wenn diese Aufgabe korrekt erfullt wird verdient die schriftliche Fixierung des als richtig Erkannten die Bezeichnung Gesetz Was aber zu Unrecht ohne Kenntnis der naturlichen Norm als Vorschrift festgelegt worden ist das ist in Wirklichkeit gesetzwidrig obwohl Unwissende es fur ein gultiges Gesetz halten Da die Norm des objektiv Gesetzlichen als Naturgegebenheit unveranderlich ist durfen auch die ihr folgenden Gesetze des Staates keiner Veranderung unterliegen Wer an solchen Gesetzen etwas andert zeigt damit seine Inkompetenz Die Gesetzgebung muss einem Fachmann vorbehalten bleiben der die fur seinen Zustandigkeitsbereich massgeblichen Natursachverhalte kennt so wie ein Landwirt ein Sportlehrer oder ein Schafhirt uber das fur seinen Beruf wesentliche Fachwissen verfugt Ein solcher Fachmann ist fur Sokrates ein Konig dabei denkt er nicht an gegenwartige Herrscher sondern an weise Konige der Vorzeit die er fur die idealen Gesetzgeber halt 8 Damit wendet sich das Gesprach einer fernen Vergangenheit zu von der Homer und Hesiod berichten Sokrates halt die Angaben dieser Dichter fur vertrauenswurdig Nach seiner Darstellung sind die altesten und besten Gesetze der Griechen diejenigen der Kreter Ihre Urheber seien die Konige Minos und Rhadamanthys Minos stehe bei den Athenern zu Unrecht in schlechtem Ruf da ihn die Tragodiendichter als Bosewicht dargestellt hatten um sich wegen eines alten Konflikts an ihm zu rachen In Wirklichkeit sei Minos ein guter Herrscher gewesen Er habe als Sohn des Gottes Zeus von seinem gottlichen Vater Belehrung empfangen und daher seinen Mitburgern eine optimale Gesetzgebung hinterlassen Aus diesem Weisheitsschatz habe der spartanische Gesetzgeber Lykurg geschopft 9 Sokrates gibt sich aber nicht damit zufrieden zu wissen welche Gesetze die besten sind Vielmehr kommt es aus seiner Sicht darauf an herauszufinden wie eine gute Gesetzgebung die Seelen der Staatsburger veredelt Die beiden Gesprachspartner mussen einraumen dass sie das nicht wissen Abschliessend bemerkt Sokrates solche Unwissenheit sei fur reife Manner wie sie eine Schande 10 Verfasser Entstehungszeit und ideengeschichtliche Einordnung BearbeitenIn der modernen Forschung hat sich die Auffassung durchgesetzt dass der Verfasser des Minos nicht Platon ist sondern ein unbekannter Schriftsteller der den Stil der Dialoge Platons imitiert hat Die Unechtheit wird aus formalen und inhaltlichen Merkmalen abgeleitet Es wird vorgebracht der Autor habe von Platon szenische und argumentationstechnische Elemente ubernommen die er aber anders oder verkurzt verwende oft ohne funktionalen Zusammenhang Ausserdem enthalte der Minos auch unplatonisches Gedankengut 11 Die gegenteilige Position hat relativ wenige Anhanger 12 Ein namhafter Befurworter der Echtheit war der Philosoph Leo Strauss 1899 1973 13 Glenn R Morrow vermutet einen Entwurf Platons der unfertig geblieben sei Er meint es handle sich um ein Spatwerk des Philosophen das etwa zur selben Zeit entstanden sei wie der Dialog Nomoi Gesetze vielleicht sei es ursprunglich als Einleitung zu diesem Werk gedacht gewesen 14 Als Entstehungszeit wird meist die zweite Halfte des 4 Jahrhunderts v Chr angenommen doch kann ein Entwurf oder eine Urfassung schon in der ersten Halfte entstanden sein Offenbar gehorte der Verfasser der Platonischen Akademie an 15 Joachim Dalfen hat fur eine fruhe Datierung pladiert und dies ausfuhrlich begrundet Er glaubt dass der Minos und andere unechte Dialoge Arbeiten seien mit deren Anfertigung Platon in den 380er Jahren seine ersten Schuler beauftragt habe Mit dieser Hypothese erklart Dalfen die Nahe dieser Werke zu Platons Fruhschriften und das Fehlen von Elementen die fur die spateren echten Dialoge typisch sind Damit widerspricht er der sehr verbreiteten Spatdatierung die mit mutmasslichen Beruhrungspunkten mit Platons spaten Schriften begrundet wird 16 Dalfens Fruhdatierung setzt voraus dass kein Zusammenhang mit dem Spatwerk Nomoi besteht In der Forschung ist verschiedentlich darauf hingewiesen worden dass trotz einer breiten thematischen Uberschneidung kein Einfluss der Nomoi auf den Minos erkennbar sei Dieser Ansicht ist neben Dalfen auch Carl Werner Muller der konstatiert die beiden Dialoge hatten abgesehen von der Thematik nichts miteinander zu tun Muller meint zwar dass die Anspielung auf das fortgeschrittene Alter der Gesprachspartner im Schlussteil des Minos einer Angabe in den Nomoi 17 nachgebildet sei doch erklart er dies mit der Hypothese der Schlussteil 321c4 d10 gehore nicht zum ursprunglichen Text sondern sei nachtraglich angefugt worden 18 Diese Hypothese hat allerdings nicht die Zustimmung von Dalfen gefunden Dalfen meint der Schluss sei nicht kunstlich aufgesetzt sondern kompositionell mit dem Vorausgehenden verbunden und habe eine wesentliche Funktion Er weise auf Platons Dialog Gorgias voraus in dem die Antwort auf die im Minos offen gebliebene Frage gegeben werde 19 Der Verfasser des Minos war anscheinend von der Lehre des Philosophen Antisthenes eines alteren Zeitgenossen Platons beeinflusst Besonders die Vorstellung eines konkret in einem Staat bestehenden Gesetzes das einer absoluten zeitlosen Norm entspricht und daher schlechthin richtig ist deutet auf Antisthenes denn Platon war diesbezuglich anderer Auffassung Platon sah in jeder Gesetzgebung einen prinzipiell unvollkommenen Versuch das Besondere allgemein zu regeln kein Gesetzestext konne jede situationsbedingt zu fallende Entscheidung vorwegnehmen Auf die Logik Erkenntnistheorie und Sprachphilosophie des Antisthenes durfte die Forderung nach strenger Ubereinstimmung von sprachlicher Bezeichnung Begriff und Seiendem zuruckzufuhren sein 20 Zielsetzung und Interpretation BearbeitenDer Verfasser des Minos wendet sich radikal gegen das in sophistischen Kreisen verbreitete von Sokrates Platon und den Platonikern bekampfte relativistische Verstandnis von Recht und Gerechtigkeit Er weigert sich die Gesetzgebung als blosse Konvention Kodifizierung ortlicher Gewohnheiten und Ergebnis willkurlicher politischer Beschlusse in den einzelnen Staaten aufzufassen Zwar verwendet er den Begriff Natur in diesem Zusammenhang nicht doch denkt er strikt naturrechtlich indem er ein uberpositives Recht annimmt das dem vom Menschen gesetzten positiven Recht ubergeordnet sei Demgemass fordert sein Sokrates eine konsequent von der Naturrechtsvorstellung ausgehende Terminologie Die Bezeichnung Gesetz billigt er nur denjenigen staatlichen Bestimmungen zu welche die von ihm angenommene objektive naturrechtliche Realitat wiedergeben Solche Bestimmungen basieren demnach auf der Entdeckung einer naturgesetzlichen uberzeitlichen Wirklichkeit Gesetz von deren Existenz der Autor uberzeugt ist In seinem Kampf gegen das sophistische Rechtsverstandnis bedient er sich allerdings selbst sophistischer Ausdrucksweisen 21 Seine grundsatzliche Missbilligung von Gesetzesanderungen zielt auf die demokratischen Gepflogenheiten der Athener die zu legislativen Neuerungen fuhren 22 Dieser wechselhaften Gesetzgebung stellt er die Stabilitat in den nichtdemokratischen Staaten Kreta und Sparta als Vorbild entgegen Damit bringt er eine in konservativen Kreisen Athens verbreitete Haltung zum Ausdruck hohe Wertschatzung fur das Althergebrachte das Vaterliche oder von den Vatern Ererbte insbesondere fur die vaterliche Verfassung und generelles Misstrauen gegenuber politischen Veranderungen Aus dieser Perspektive erscheint allein die Tatsache dass etwas alt ist als Beweis fur gute Qualitat Dahinter steht ein kulturpessimistisches Geschichtsbild die historische Entwicklung wird als Verfallsprozess der Zivilisation aufgefasst 23 Der Verfasser des Minos lasst seinen Sokrates behaupten die von Konig Minos eingefuhrten Gesetze bestunden auf Kreta noch in der Gegenwart unverandert und dies sei das beste Zeichen dafur dass der kretische Gesetzgeber hinsichtlich der Staatslenkung die Wahrheit uber das Seiende gut herausgefunden habe 24 nbsp Der Anfang des Minos in der Erstausgabe Venedig 1513Rezeption BearbeitenAntike und MittelalterIn der Antike zweifelte man nicht an der Echtheit des Minos Mehrere Autoren Strabon Plutarch Clemens von Alexandria und der spatantike Neuplatoniker Proklos nahmen auf einzelne Stellen Bezug und nannten ausdrucklich Platon als Verfasser 25 In der Tetralogienordnung der Werke Platons die anscheinend im 1 Jahrhundert v Chr eingefuhrt wurde wurde der Minos in die neunte Tetralogie eingereiht Der Philosophiegeschichtsschreiber Diogenes Laertios zahlte ihn zu den politischen Dialogen und gab als Alternativtitel Uber das Gesetz an Dabei berief er sich auf eine heute verlorene Schrift des Mittelplatonikers Thrasyllos 26 Die antike Textuberlieferung des Minos beschrankt sich auf einige Fragmente einer Papyrus Handschrift aus dem fruhen 3 Jahrhundert 27 Die alteste erhaltene mittelalterliche Minos Handschrift wurde um die Mitte des 9 Jahrhunderts im Byzantinischen Reich angefertigt Vermutlich war sie fur die Bibliothek des kaiserlichen Palastes bestimmt 28 Bei den lateinischsprachigen Gelehrten des Westens war der Minos im Mittelalter unbekannt Spatestens im 11 Jahrhundert entstand eine Ubersetzung des Dialogs ins Armenische 29 NeuzeitIm Westen wurde der Minos im Zeitalter des Renaissance Humanismus wiederentdeckt Der Humanist Marsilio Ficino zweifelte nicht an der Echtheit er ubersetzte das Werk ins Lateinische Ficino teilte die im Dialog vertretene Uberzeugung dass schlechte Einrichtungen nicht als Gesetze zu bezeichnen sind 30 Die Ubersetzung veroffentlichte er 1484 in Florenz in der Gesamtausgabe seiner lateinischen Platon Ubersetzungen Damit wurde der Dialog einem breiteren gebildeten Lesepublikum zuganglich Die Erstausgabe des griechischen Textes erschien im September 1513 in Venedig bei Aldo Manuzio als Teil der ersten Gesamtausgabe der Werke Platons Der Herausgeber war Markos Musuros Der spanische Theologe und Philosoph Francisco Suarez 1617 ein dezidierter Verteidiger des Naturrechtsgedankens zog den Minos in Ficinos Ubersetzung heran 31 Die ersten Forscher die den Dialog fur unecht befanden waren August Boeckh und Friedrich Schleiermacher Boeckh ausserte sich in einer 1806 erschienenen Untersuchung 32 Schleiermacher nahm 1805 in der Einleitung seiner deutschen Minos Ubersetzung zur Echtheitsfrage Stellung Sein Urteil uber die literarische Qualitat fiel vernichtend aus Das Ende des Werks sei fade und ungehorig Daran andere die Vermutung der Unvollstandigkeit nichts denn es handle sich auf jeden Fall um eine schlechte Arbeit und es sei unmoglich dass eine solche Anlage jemals zu etwas Gutem konnte gediehen sein Absicht und Gang des Gesprachs seien unplatonisch es werde mit ganz unsokratischem Leichtsinn vorgegangen Hinzu komme die Unbeholfenheit der Sprache 33 Ulrich von Wilamowitz Moellendorff bezeichnete 1919 den Minos als Erzeugnis eines ganz unphilosophischen und unplatonischen Verfassers 34 Seit der Mitte des 20 Jahrhunderts wird der Dialog oft als eine der ersten rechtsphilosophischen Schriften in der abendlandischen Geistesgeschichte und als wichtige Quelle fur die fruhe Geschichte des Naturrechtsgedankens gewurdigt 35 In der neueren Forschung mehren sich positive Einschatzungen Andre Archie und Joachim Dalfen sehen im Minos einen profunden und komplexen Dialog Christopher J Rowe halt ihn fur ein in vieler Hinsicht anziehendes und vollendetes Werk 36 David Mulroy bezeichnet ihn als ein Werk von hochster Qualitat dessen Vorzuge allerdings nicht offenkundig seien Er sei bemerkenswert kunstvoll und anregend 37 Claire McCusker verteidigt den Minos ausfuhrlich gegen den Vorwurf der Inkoharenz und findet in dem Dialog Uberlegungen die auch fur die aktuelle Naturrechtsdebatte relevant seien 38 Ausgaben und Ubersetzungen BearbeitenGunther Eigler Hrsg Platon Werke in acht Banden Band 8 2 4 Auflage Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2005 ISBN 3 534 19095 5 S 517 553 Abdruck der kritischen Ausgabe von Joseph Souilhe Paris 1930 mit einer von Klaus Schopsdau uberarbeiteten Fassung der deutschen Ubersetzung von Hieronymus Muller Leipzig 1866 Joachim Dalfen Ubersetzer Platon Minos Ubersetzung und Kommentar Ernst Heitsch Carl Werner Muller Hrsg Platon Werke Ubersetzung und Kommentar Band IX 1 Vandenhoeck amp Ruprecht Gottingen 2009 ISBN 978 3 525 30432 7 S 11 24 Franz Susemihl Ubersetzer Minos In Erich Loewenthal Hrsg Platon Samtliche Werke in drei Banden Bd 1 unveranderter Nachdruck der 8 durchgesehenen Auflage Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2004 ISBN 3 534 17918 8 S 891 905Literatur BearbeitenUbersichtsdarstellung Michael Erler Platon Grundriss der Geschichte der Philosophie Die Philosophie der Antike hrsg von Hellmut Flashar Band 2 2 Schwabe Basel 2007 ISBN 978 3 7965 2237 6 S 307 308 668 669Kommentar Joachim Dalfen Platon Minos Ubersetzung und Kommentar Ernst Heitsch Carl Werner Muller Hrsg Platon Werke Ubersetzung und Kommentar Band IX 1 Vandenhoeck amp Ruprecht Gottingen 2009 ISBN 978 3 525 30432 7 S 25 172Untersuchungen David Janssens Law s Wish the Minos on the Origin and the Unity of the Legal Order In Netherlands Journal of Legal Philosophy 32 2003 S 26 40 Victor Bradley Lewis Plato s Minos The Political and Philosophical Context of the Problem of Natural Right In The Review of Metaphysics 60 2006 S 17 53 Mark J Lutz Divine Law and Political Philosophy in Plato s Laws Northern Illinois University Press DeKalb 2012 ISBN 978 0 87580 445 3 S 12 32 Bernd Manuwald Zum pseudoplatonischen Charakter des Minos Beobachtungen zur Dialog und Argumentationsstruktur In Klaus Doring u a Hrsg Pseudoplatonica Franz Steiner Stuttgart 2005 ISBN 3 515 08643 9 S 135 153 Claire McCusker Between Natural Law and Legal Positivism Plato s Minos and the Nature of Law In Yale Journal of Law amp the Humanities 22 2010 S 83 104 Carl Werner Muller Cicero Antisthenes und der pseudoplatonische Minos uber das Gesetz In Carl Werner Muller Kleine Schriften zur antiken Literatur und Geistesgeschichte Teubner Stuttgart 1999 ISBN 3 519 07681 0 S 558 577Weblinks BearbeitenMinos griechischer Text nach der Ausgabe von John Burnet 1907 Minos deutsche Ubersetzung nach Friedrich Schleiermacher bearbeitet Minos englische Ubersetzung von Walter Rangeley Maitland Lamb Patrick Kernahan The Meaning of Law Plato s Minos 2004Anmerkungen Bearbeiten Michael Erler Platon Basel 2007 S 307 Zur Bedeutungsbreite des Begriffs nomos der neben staatlichen Gesetzen auch andere Handlungsnormen Brauchtum Sitte Konventionen Regeln bezeichnet siehe Joachim Dalfen Platon Minos Ubersetzung und Kommentar Gottingen 2009 S 68 78 Joachim Dalfen Platon Minos Ubersetzung und Kommentar Gottingen 2009 S 36 42 Joachim Dalfen Platon Minos Ubersetzung und Kommentar Gottingen 2009 S 41 f 63 Minos 313a b Minos 313b 314b Minos 314b 315d Siehe dazu David Janssens Law s Wish the Minos on the Origin and the Unity of the Legal Order In Netherlands Journal of Legal Philosophy 32 2003 S 26 40 hier 30 Minos 315e 318d Minos 318c 321c Minos 321c d Siehe die knappe Forschungsubersicht bei Michael Erler Platon Basel 2007 S 307 und die detaillierte Argumentation von Bernd Manuwald Zum pseudoplatonischen Charakter des Minos In Klaus Doring u a Hrsg Pseudoplatonica Stuttgart 2005 S 135 153 Zu ihnen zahlen Victor Bradley Lewis Plato s Minos The Political and Philosophical Context of the Problem of Natural Right In The Review of Metaphysics 60 2006 S 17 53 hier S 18 Anm 3 William S Cobb Plato s Minos In Ancient Philosophy 8 1988 S 187 207 und David Mulroy The Subtle Artistry of the Minos and the Hipparchus In Transactions of the American Philological Association 137 2007 S 115 131 hier S 115 Anm 1 S 130 f Leo Strauss On the Minos In Thomas L Pangle Hrsg The Roots of Political Philosophy Ithaca London 1987 Erstveroffentlichung 1968 S 67 79 hier 67 Glenn R Morrow Plato s Cretan City Princeton 1960 S 35 39 Michael Erler Platon Basel 2007 S 307 Margherita Isnardi Una nota al Minosse pseudoplatonico In La Parola del Passato 9 1954 S 45 53 hier 51 f Eugen Dont Die Stellung der Exkurse in den pseudoplatonischen Dialogen In Wiener Studien 76 1963 S 27 51 hier 44 46 Carl Werner Muller Cicero Antisthenes und der pseudoplatonische Minos uber das Gesetz In Carl Werner Muller Kleine Schriften zur antiken Literatur und Geistesgeschichte Stuttgart 1999 S 558 577 hier 563 f Joachim Dalfen Beobachtungen und Gedanken zum pseudo platonischen Minos und zu anderen spuria In Klaus Doring u a Hrsg Pseudoplatonica Stuttgart 2005 S 51 67 Joachim Dalfen Platon Minos Ubersetzung und Kommentar Gottingen 2009 S 29 67 Platon Nomoi 625b Carl Werner Muller Cicero Antisthenes und der pseudoplatonische Minos uber das Gesetz In Carl Werner Muller Kleine Schriften zur antiken Literatur und Geistesgeschichte Stuttgart 1999 S 558 577 hier S 563 565 und Anm 25 26 Joachim Dalfen Platon Minos Ubersetzung und Kommentar Gottingen 2009 S 168 Vgl Bernd Manuwald Zum pseudoplatonischen Charakter des Minos In Klaus Doring u a Hrsg Pseudoplatonica Stuttgart 2005 S 135 153 hier 141 f Michael Erler Platon Basel 2007 S 307 f Christopher Rowe Cleitophon and Minos In Christopher Rowe Malcolm Schofield Hrsg The Cambridge History of Greek and Roman Political Thought Cambridge 2000 S 303 309 hier 308 ausfuhrlich zum Einfluss der Philosophie des Antisthenes Carl Werner Muller Cicero Antisthenes und der pseudoplatonische Minos uber das Gesetz In Carl Werner Muller Kleine Schriften zur antiken Literatur und Geistesgeschichte Stuttgart 1999 S 558 577 hier 566 573 Siehe auch Carl Werner Muller Die Kurzdialoge der Appendix Platonica Munchen 1975 S 182 f 185 f und Joseph Souilhe Hrsg Platon Œuvres completes Bd 13 Teil 2 Dialogues suspects 2 Auflage Paris 1962 S 81 f Margherita Isnardi Una nota al Minosse pseudoplatonico In La Parola del Passato 9 1954 S 45 53 hier 46 48 Carl Werner Muller Cicero Antisthenes und der pseudoplatonische Minos uber das Gesetz In Carl Werner Muller Kleine Schriften zur antiken Literatur und Geistesgeschichte Stuttgart 1999 S 558 577 hier 571 f Siehe zu dieser Denkweise Joachim Dalfen Platon Minos Ubersetzung und Kommentar Gottingen 2009 S 134 136 Minos 321b Joachim Dalfen Platon Minos Ubersetzung und Kommentar Gottingen 2009 S 29 139 f Diogenes Laertios 3 56 60 Corpus dei Papiri Filosofici Greci e Latini CPF Teil 1 Bd 1 Firenze 1999 S 142 146 Parisinus Graecus 1807 siehe zu dieser Handschrift und ihrer Datierung Henri Dominique Saffrey Retour sur le Parisinus graecus 1807 le manuscrit A de Platon In Cristina D Ancona Hrsg The Libraries of the Neoplatonists Leiden 2007 S 3 28 Zur armenischen Ubersetzung siehe Frederick C Conybeare On the Ancient Armenian Version of Plato In American Journal of Philology 12 1891 S 193 210 hier 193 209 f Ada Neschke Hentschke Platonisme politique et theorie du droit naturel Bd 2 Leuven 2003 S 223 f 665 f Ada Neschke Hentschke Platonisme politique et theorie du droit naturel Bd 2 Leuven 2003 S 336 347 352 f Zusammenstellung der Stellen S 692 695 August Boeckh In Platonis qui vulgo fertur Minoem eiusdemque libros priores de legibus Halle 1806 Friedrich Schleiermacher Minos Einleitung In Friedrich Daniel Ernst Schleiermacher Uber die Philosophie Platons hrsg von Peter M Steiner Hamburg 1996 S 171 173 Ulrich von Wilamowitz Moellendorff Platon Beilagen und Textkritik 4 Auflage Dublin Zurich 1969 1 Auflage Berlin 1919 S 325 Victor Bradley Lewis Plato s Minos The Political and Philosophical Context of the Problem of Natural Right In The Review of Metaphysics 60 2006 S 17 53 hier S 17 19 und Anm 1 Andre Archie The Unity of Plato s Minos In Philotheos 7 2007 S 160 171 hier 160 Joachim Dalfen Platon Minos Ubersetzung und Kommentar Gottingen 2009 S 32 Anm 7 Christopher Rowe Cleitophon and Minos In Christopher Rowe Malcolm Schofield Hrsg The Cambridge History of Greek and Roman Political Thought Cambridge 2000 S 303 309 hier 307 David Mulroy The Subtle Artistry of the Minos and the Hipparchus In Transactions of the American Philological Association 137 2007 S 115 131 hier 115 130 f Claire McCusker Between Natural Law and Legal Positivism Plato s Minos and the Nature of Law In Yale Journal of Law amp the Humanities 22 2010 S 83 104 Vgl zur Koharenz des Dialogs Judith Best What Is Law The Minos Reconsidered In Interpretation 8 2 3 1980 S 102 113 und Victor Bradley Lewis Plato s Minos The Political and Philosophical Context of the Problem of Natural Right In The Review of Metaphysics 60 2006 S 17 53 hier 19 Normdaten Werk GND 4476500 9 lobid OGND AKS LCCN no2012062391 VIAF 180207839 nbsp Dieser Artikel wurde am 7 Mai 2015 in dieser Version in die Liste der lesenswerten Artikel aufgenommen Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Minos Dialog amp oldid 231048847