www.wikidata.de-de.nina.az
Hipparchos altgriechisch Ἵpparxos Hipparchos ist ein antiker literarischer Dialog der angeblich von Platon stammt aber in der Forschung uberwiegend fur unecht gehalten wird Wiedergegeben wird ein fiktives Gesprach zwischen dem Philosophen Sokrates und einem nicht namentlich genannten Freund Der Dialog ist nach dem 514 v Chr ermordeten Tyrannen Hipparchos benannt dessen langst vergangene Herrschaftszeit thematisiert wird Ein Alternativtitel lautet Der Gewinnliebende Die beiden Gesprachspartner gehen der Frage nach worauf das Gewinnstreben eigentlich abzielt und wie es philosophisch zu beurteilen ist Der Anfang des Hipparchos in der altesten erhaltenen mittelalterlichen Handschrift dem 895 geschriebenen Codex Clarkianus Inhaltsverzeichnis 1 Inhalt 2 Verfasser Entstehungszeit und Quellen 3 Rezeption 4 Ausgaben und Ubersetzungen 5 Literatur 6 Weblinks 7 AnmerkungenInhalt BearbeitenDer Zeitpunkt und Anlass des Gesprachs wird nicht mitgeteilt Einen Anhaltspunkt bietet nur der Umstand dass Sokrates der 399 v Chr als Siebzigjahriger starb sich selbst als alt bezeichnet Der Dialog beginnt unvermittelt mit der Frage des Sokrates an seinen jungen Freund was unter Gewinnstreben und unter gewinnliebenden oder gewinnsuchtigen Menschen zu verstehen ist das griechische Wort philokerdḗs gewinnliebend impliziert nicht so zwangslaufig wie das deutsche suchtig eine negative Wertung Der Freund der das Gewinnstreben grundsatzlich verurteilt meint gewinnsuchtig seien diejenigen die aus Wertlosem einen Gewinn ziehen mochten Zwar sei ihnen eigentlich die Wertlosigkeit des Erstrebten klar doch wegen ihres schlechten Charakters seien sie ausserstande aus diesem Wissen Konsequenzen zu ziehen und ihre Sucht zu uberwinden Dagegen wendet Sokrates ein dass kein Fachmann etwa ein Bauer Pferdezuchter oder Steuermann in seinem Beruf Waren Saatgut Futter Segel und Steuer verwende deren Untauglichkeit ihm bekannt sei Da somit niemand aus Wertlosem Gewinn erwarte wenn er uber die Wertlosigkeit Bescheid wisse sei niemand im Sinne der vorgeschlagenen Begriffsbestimmung gewinnsuchtig Sokrates legt dar dass ein fehlgeleitetes Gewinnstreben auf Unwissenheit uber den mangelnden Wert des Erstrebten beruhen musse Das Erstrebte werde immer fur etwas Gutes gehalten Das Gute aber erstrebe jeder So gesehen sei somit jeder Mensch gewinnsuchtig Der Freund versucht diesem Gedankengang auszuweichen indem er Gewinnsucht als Streben nach unredlichem Gewinn bestimmt Solcher Gewinn sei in Wirklichkeit ein Schaden Sokrates zeigt dass dieser Einwand seine Argumentation nicht entkraftet der zufolge jeder Gewinn prinzipiell ein Gut ist und als solches geliebt und erstrebt wird was der Freund bereits eingeraumt hat Darauf beschuldigt ihn der Freund er wolle ihn mit raffinierter Debattierkunst hereinlegen Dagegen verwahrt sich Sokrates mit langeren Ausfuhrungen uber den verstorbenen Hipparchos der ein weiser Herrscher gewesen sei und segensreiche Massnahmen getroffen habe Hipparchos habe seinen Untertanen den Grundsatz ans Herz gelegt dass man einen Freund nicht hinters Licht fuhren durfe Er Sokrates halte sich an dieses Gebot Das ubertrieben wirkende Lob das Sokrates der Weisheit des Tyrannen Hipparchos spendet weist einen ironischen Aspekt auf 1 Dann wenden sie sich wieder dem ursprunglichen Thema zu Sokrates untersucht die Annahme es gebe schlechten Gewinn um sie zu widerlegen Er beharrt auf seiner These Gewinn jeder Art sei immer ein Gut und Verlust sei immer ein Ubel Daher seien auch alle rechtschaffenen Menschen gewinnliebend denn ihr Bestreben richte sich auf den Erwerb des Guten und somit ebenso wie bei den schlechten Menschen auf einen Gewinn Ob es sich im Einzelfall tatsachlich um einen Gewinn handelt ergebe sich aus dem realen Wert des betreffenden Besitztums und aus dem Verhaltnis von Aufwand und Ertrag Der wirkliche Wert der erstrebten Dinge sei zwar unterschiedlich doch andere dies nichts daran dass jeder das was ihm gut vorkomme gewinnen wolle Somit sei die Gewinnliebe eine Eigenschaft aller Menschen und niemand sei berechtigt sie einem anderen vorzuwerfen Der Freund kann den Argumenten des Sokrates nichts mehr entgegensetzen Er bekennt aber weiterhin nicht davon uberzeugt zu sein dass jede Art von Gewinn gut sei Verfasser Entstehungszeit und Quellen BearbeitenDie Mehrzahl der modernen Altertumswissenschaftler geht davon aus dass der Hipparchos nicht von Platon verfasst worden ist sondern von einem unbekannten Schriftsteller der den Stil der Dialoge Platons imitierte Gegen die Echtheit werden Besonderheiten wie die Anonymitat von Sokrates Gesprachspartner und die Abruptheit des Beginns sowie sprachliche Einzelheiten und literarische Mangel ins Feld gefuhrt Hinzu kommt dass keiner der echten Dialoge Platons nach einer Person benannt ist die nicht am Gesprach teilnimmt 2 Die Forscher welche die Echtheit fur moglich oder plausibel halten versuchen die einzelnen Argumente als nicht stichhaltig zu erweisen 3 Joachim Dalfen glaubt dass der Hipparchos und andere unechte Dialoge Arbeiten sind mit deren Anfertigung Platon seine ersten Schuler beauftragte Mit dieser Hypothese erklart Dalfen die Nahe dieser Werke zu Platons Fruhschriften und das Fehlen von Elementen die fur die spateren echten Dialoge typisch sind 4 nbsp Marsilio Ficinos Einleitung argumentum zu seiner lateinischen Ubersetzung des Hipparchos in der Handschrift Citta del Vaticano Biblioteca Apostolica Vaticana Urb lat 185 fol 7r 15 Jahrhundert nbsp Der Anfang des Hipparchos in der Erstausgabe Venedig 1513Unstrittig ist in der neueren Forschung dass das Werk zu Platons Lebzeiten entstanden ist Der unbekannte Verfasser gehorte offenbar der Platonischen Akademie an Als wahrscheinliche Entstehungszeit gilt aus stilistischen und inhaltlichen Grunden das fruhe 4 Jahrhundert 5 Beruhrungspunkte mit fruhen Dialogen Platons deuten darauf dass dem Autor des Hipparchos das damals schon vorliegende Werk Platons vertraut war Er kannte auch das Geschichtswerk des Thukydides dessen Darstellung von Hipparchos Leben und Tod er literarisch umgestaltet hat 6 Rezeption BearbeitenIn der Tetralogienordnung die anscheinend im 1 Jahrhundert v Chr eingefuhrt wurde gehort der Hipparchos zur vierten Tetralogie Der Doxograph Diogenes Laertios fuhrt ihn unter den echten Werken Platons an Er zahlt ihn zu den ethischen Dialogen und nennt den Alternativtitel Der Gewinnliebende der auch in der handschriftlichen Uberlieferung des Werks bezeugt ist Dabei beruft sich Diogenes Laertios auf eine heute verlorene Schrift des Mittelplatonikers Thrasyllos 7 Nur ganz vereinzelt ist aus der Antike ein Zweifel an der Echtheit des Werks uberliefert Aelian beendet seine Darstellung von Hipparchos Bildungsbestrebungen mit den Worten Dies berichtet Platon sofern der Hipparchos wirklich von Platon stammt 8 In der arabischsprachigen Welt war der Hipparchos im Mittelalter nicht ganz unbekannt der Philosoph al Farabi verfasste eine Schrift uber die Philosophie Platons in der er die Thematik des Dialogs knapp zusammenfasste 9 Der Humanist Marsilio Ficino hielt den Hipparchos fur echt und ubersetzte ihn ins Lateinische Die Ubersetzung veroffentlichte er 1484 in Florenz in der Gesamtausgabe seiner lateinischen Platon Ubersetzungen Die erste Ausgabe des griechischen Textes erschien 1513 bei Aldo Manuzio in Venedig eine von dem Humanisten Etienne Dolet angefertigte franzosische Ubersetzung 1544 in Lyon Im 19 Jahrhundert sprach sich zuerst August Bockh 1806 fur die Unechtheit des Hipparchos aus seiner Einschatzung folgten Friedrich Schleiermacher und andere Altertumswissenschaftler Die Einordnung unter die pseudoplatonischen Schriften setzte sich in der modernen Forschung durch obwohl die gegenteilige Minderheitsmeinung im 20 Jahrhundert immer wieder Anhanger gefunden hat 10 Ausgaben und Ubersetzungen BearbeitenAntonio Carlini Hrsg Platone Alcibiade Alcibiade secondo Ipparco Rivali Boringhieri Torino 1964 S 322 359 kritische Ausgabe mit italienischer Ubersetzung Domenico Massaro Laura Tusa Massaro Hrsg Platone Ipparco Rusconi Milano 1997 ISBN 88 18 70188 6 Einleitung griechischer Text nach der Ausgabe von John Burnet 1901 ohne den kritischen Apparat italienische Ubersetzung Kommentar Charlotte Schubert Platon Hipparchos Vandenhoeck amp Ruprecht Gottingen 2018 ISBN 978 3 525 35690 6 Einleitung deutsche Ubersetzung und Kommentar Joseph Souilhe Hrsg Platon Œuvres completes Band 13 Teil 2 Dialogues suspects Les Belles Lettres Paris 1930 S 44 71 kritische Ausgabe mit franzosischer Ubersetzung Franz Susemihl Ubersetzer Hipparchos In Erich Loewenthal Hrsg Platon Samtliche Werke in drei Banden Bd 1 unveranderter Nachdruck der 8 durchgesehenen Auflage Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2004 ISBN 3 534 17918 8 S 872 883 nur Ubersetzung Literatur BearbeitenMichael Erler Platon Grundriss der Geschichte der Philosophie Die Philosophie der Antike hrsg von Hellmut Flashar Band 2 2 Schwabe Basel 2007 ISBN 978 3 7965 2237 6 S 295 297 665f Stefan Schorn Der historische Mittelteil des pseudoplatonischen Hipparchos In Klaus Doring Michael Erler Stefan Schorn Hrsg Pseudoplatonica Franz Steiner Stuttgart 2005 ISBN 3 515 08643 9 S 225 254Weblinks BearbeitenHipparchos griechischer Text nach der Ausgabe von John Burnet Hipparchos deutsche Ubersetzung von Friedrich Schleiermacher Hipparchos englische Ubersetzung von Walter Rangeley Maitland Lamb Hipparchos englische Ubersetzung von Benjamin Jowett Anmerkungen Bearbeiten Michael Erler Platon Basel 2007 S 296 Guido Calogero L autenticita dell Ipparco platonico In Guido Calogero Scritti minori di filosofia antica Napoli 1985 S 293 311 hier 305f Paul Friedlander Platon Band 2 3 Auflage Berlin 1964 S 114f Stefan Schorn Der historische Mittelteil des pseudoplatonischen Hipparchos In Klaus Doring Michael Erler Stefan Schorn Hrsg Pseudoplatonica Stuttgart 2005 S 228f 239 242 Michael Erler Platon Basel 2007 S 295 Holger Thesleff Platonic Patterns Las Vegas 2009 S 374f Joseph Souilhe Hrsg Platon Œuvres completes Band 13 Teil 2 Dialogues suspects Paris 1930 S 52 54 Vgl zum sprachlichen Aspekt Gerard R Ledger Re counting Plato A Computer Analysis of Plato s Style Oxford 1989 S 157 169 er halt die sprachliche Argumentation gegen die Echtheit nicht fur zwingend Zu den Anhangern der Echtheitshypothese gehoren Guido Calogero L autenticita dell Ipparco platonico In Guido Calogero Scritti minori di filosofia antica Napoli 1985 S 293 311 Paul Friedlander Platon Band 2 3 Auflage Berlin 1964 S 108 116 301 304 Domenico Massaro Introduzione In Domenico Massaro Laura Tusa Massaro Hrsg Platone Ipparco Milano 1997 S 12 37 und Jason A Tipton Love of Gain Philosophy and Tyranny A Commentary on Plato s Hipparchus In Interpretation Bd 26 Nr 2 1999 S 201 216 Fur teilweise Authentizitat pladiert Eugen Dont Die Stellung der Exkurse in den pseudoplatonischen Dialogen In Wiener Studien 76 1963 S 27 51 hier 42f Dont sieht in den Ausfuhrungen des Sokrates zu Hipparchos die im Gesprach als Fremdkorper wirken einen nachtraglichen Einschub von fremder Hand in einem ansonsten echten Werk Platons diese Hypothese hat sich aber in der Forschung nicht durchgesetzt Joachim Dalfen Beobachtungen und Gedanken zum pseudo platonischen Minos und zu anderen spuria In Klaus Doring Michael Erler Stefan Schorn Hrsg Pseudoplatonica Stuttgart 2005 S 51 67 Joachim Dalfen Platon Minos Gottingen 2009 S 29 67 Zur Datierungsfrage siehe Michael Erler Platon Basel 2007 S 295 Stefan Schorn Der historische Mittelteil des pseudoplatonischen Hipparchos In Klaus Doring Michael Erler Stefan Schorn Hrsg Pseudoplatonica Stuttgart 2005 S 248f Vgl Gerard R Ledger Re counting Plato A Computer Analysis of Plato s Style Oxford 1989 S 223f Siehe dazu Stefan Schorn Der historische Mittelteil des pseudoplatonischen Hipparchos In Klaus Doring Michael Erler Stefan Schorn Hrsg Pseudoplatonica Stuttgart 2005 S 230 234 Diogenes Laertios 3 59 Aelian Varia historia 8 2 Muhsin Mahdi Alfarabi Philosophy of Plato and Aristotle 2 Auflage Ithaca 2001 S 58f englische Ubersetzung von al Farabis Werk Eine Zusammenstellung der Stellungnahmen aus dem 19 und 20 Jahrhundert bietet Stefan Schorn Der historische Mittelteil des pseudoplatonischen Hipparchos In Klaus Doring Michael Erler Stefan Schorn Hrsg Pseudoplatonica Stuttgart 2005 S 225 Ausfuhrlicher ist die Darstellung der Forschungsgeschichte bei Domenico Massaro in Domenico Massaro Laura Tusa Massaro Hrsg Platone Ipparco Milano 1997 S 17 24 Normdaten Werk GND 4476213 6 lobid OGND AKS LCCN no99085771 VIAF 177237288 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Hipparchos Dialog amp oldid 218940392