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Homunculus ist eine Weiterleitung auf diesen Artikel Weitere Bedeutungen sind unter Homunculus Begriffsklarung aufgefuhrt Der Homunkulus oder lateinisch Homunculus Menschlein 1 bezeichnet einen kunstlich geschaffenen kleinen Menschen Die Idee des Homunkulus wurde im Spatmittelalter im Kontext alchemistischer Theorien entwickelt Haufig erscheint der Homunkulus als damonischer Helfer magischer Praktiken Das Motiv des Homunkulus wurde in der Literatur oft aufgegriffen insbesondere um die Ambivalenz der modernen Technik zu illustrieren Die vielleicht bekannteste Verwendung der Homunkulus Idee findet sich in Goethes Faust II Homunkulus des niederlandischen Wissenschaftlers Nicolas HartsoekerHistorisches Modell des Homunkulus Kunstkammer im Landesmuseum Wurttemberg Leihgabe des SMNS Der Begriff des Homunculus hat zudem in der Philosophie und Neurowissenschaft weitere Bedeutungen erhalten In der Philosophie der Wahrnehmung und der Philosophie des Geistes wird mit dem Begriff Homunkulus auf die Idee Bezug genommen dass es im Kopf nochmals ein Wesen gebe das Reize wahrnehme und Erlebnisse habe Zwar glaubt vermutlich kein Philosoph dass es einen Homunkulus im Kopf gibt allerdings werfen Philosophen gelegentlich bestimmte Theorien auf welche die Existenz eines derartigen Wesens unausgesprochen enthalten Wenn man etwa annimmt dass in der visuellen Wahrnehmung ein Bild auf die Netzhaut projiziert wird das als Bild dann in das Gehirn gesendet wird dann musste es im Kopf nochmals ein Wesen geben das sich diese Bilder anschaut Mit solchen Gedankengangen sollen bestimmte Vorstellungen uber die Wahrnehmung und den Geist ad absurdum gefuhrt werden In der Neuroanatomie wird veranschaulichend von einem sensorischen Homunkulus und einem motorischen Homunkulus gesprochen Diese Homunculi entstehen als epistemische Hilfskonstruktionen wenn man die Gehirnregionen den Korperteilen zuordnet fur die sie jeweils zustandig sind Inhaltsverzeichnis 1 Kulturgeschichte 1 1 Fruhe Konzepte 1 2 Spatere Konzepte 1 3 Der Homunkulus in Goethes Faust 2 Der Homunkulus in der Philosophie 2 1 Philosophie der Wahrnehmung 2 2 Daniel Dennett und das cartesianische Theater 2 3 Gilbert Ryle und das Gespenst in der Maschine 3 Homunkulus in der Neuroanatomie 4 Rezeption in der Popularkultur 5 Literatur 6 Weblinks 7 EinzelnachweiseKulturgeschichte BearbeitenFruhe Konzepte Bearbeiten Das Wort homunculus ist bereits bei Cicero Plautus und Apuleius belegt 2 Dort bedeutet es als Diminutiv von homo d h als Verkleinerungsform des lateinischen Wortes fur Mensch nichts anderes als kleiner Mensch Menschlein Ein kulturhistorisch bedeutsames Konzept wurde mit diesem Wort erst im Spatmittelalter verbunden als die viel alteren Spekulationen uber die Erzeugung kunstlicher Menschen vgl den Pygmalion und Golem Mythos eine neue chemisch medizinische Richtung einschlugen Der Arzt Arnaldus von Villanova soll sich im 13 Jahrhundert bereits uber die alchemistische Herstellung von kunstlichen Menschen Gedanken gemacht haben Es gibt sogar noch fruhere Berichte uber Homunculi In den Pseudoklementinen 4 Jahrhundert n Chr wird behauptet dass Simon Magus einen Menschen geschaffen hatte indem er Luft in Wasser Wasser in Blut und schliesslich Blut in Fleisch verwandelt habe 3 4 nbsp ParacelsusGenau beschrieben wird die angebliche Herstellung eines Homunkulus in der Schrift De natura rerum 1538 die allgemein Paracelsus zugeschrieben wird 5 Dort bekommt auch der Begriff des Homunkulus zum ersten Mal seine alchemistische Bedeutung Paracelsus war ein Arzt Alchemist und Mystiker des fruhen 16 Jahrhunderts In De natura rerum wird aus der Tatsache der Putrefaktion dem Verfaulen und Verwesen organischer Stoffe in warm feuchter Umgebung abgeleitet dass auch die Entwicklung des bebruteten Vogeleies und die Entwicklung des mannlichen Samens in der Gebarmutter eine solche Putrefaktion darstelle Somit liesse sich eine kunstliche warm feuchte Umgebung fur das Wachstum eines Lebewesens schaffen Paracelsus gibt eine konkrete Anleitung fur die Erzeugung eines Homunkulus Man musse menschliche Spermien 40 Tage in einem Gefass im warmenden Pferdemist verfaulen lassen Was sich dann rege sei einem Menschen gleich doch durchsichtig 40 Wochen lang musse man dieses Wesen dann bei konstanter Warme mit dem Arcanum des Menschenbluts nahren und schliesslich werde ein menschliches Kind entstehen jedoch viel kleiner als ein naturlich geborenes Kind Spatere Konzepte Bearbeiten In der Tradition der Alchemie war die Idee der Erzeugung von neuem Leben verbreitet Organisches Material schien einen Seelenstoff zu enthalten aus dem man neues kunstliches Leben gestalten konne Noch Pierre Borel der Leibarzt Ludwigs XIV behauptete im spaten 17 Jahrhundert dass durch die Destillation von Menschenblut eine menschliche Gestalt entstehe Ahnliches wird von dem britischen Chemiker und Mystiker Robert Fludd berichtet der angeblich einen Menschenkopf in der Retorte zuchtete Mit dem Beginn der Neuzeit kann man jedoch auch einen gewissen Wandel des Homunkuluskonzeptes beobachten der letztlich die Weiterentwicklung der Naturwissenschaften widerspiegelt War der Homunkulus zu Beginn noch ein vorwiegend alchemistisch mystisches Konzept transformiert sich die Idee einer Zuchtung und Zeugung kunstlicher Menschen gemass den Fortschritten der empirischen Wissenschaften Die jeweils avanciertesten Diskurse Mechanik Elektromagnetismus Genetik inspirieren diesen alten menschlichen Traum bis zu den Klon und KI Phantasien der heutigen Tage Derartige naturwissenschaftliche Ideen klingen schon in der fruhen Neuzeit in Francis Bacons Wissenschaftsutopie Nova Atlantis 1626 an In Nova Atlantis entwirft Bacon eine utopische Idealgesellschaft die im Wesentlichen von dem Haus Salomons einer Art Wissenschaftsakademie beherrscht ist Dieses Haus Salomons beherrscht durch wissenschaftlichen Fortschritt wunderbare Techniken unter anderem ist eine starke Modifizierung lebender Organismen moglich nbsp Robert HamerlingDabei wird das Motiv des Homunkulus nicht nur verwendet um einen Fortschrittsoptimismus im Geiste Bacons zum Ausdruck zu bringen Der osterreichische Dichter Robert Hamerling setzte etwa die Figur des Homunkulus ein um eine scharfe Kritik an einer zunehmend materialistisch orientierten Weltanschauung zu uben 6 In dem 1888 veroffentlichten satirischen Epos Homunkulus beschreibt Hamerling einen Professor der einen Homunkulus schafft Dieser ist mit seiner Erschaffung allerdings nicht zufrieden zu klein und schrumpelig sei sein Ausseres In seinem weiteren Leben macht der Homunkulus Karriere als Geschaftsmann und Verleger Er grundet eine Zeitschrift die fur den Abdruck von Gedichten kein Honorar zahlt sondern ein Honorar fordert Mit dem Verkauf dieser Zeitschrift wird der Homunkulus reich verliert sein Geld jedoch wieder in einem Borsencrash Nach einem Suizidversuch baut er eine Schule fur Affen auf die das Ziel hat bessere Menschen zu zuchten Da dieses Projekt und auch weitere Unternehmungen scheitern entwickelt sich der Homunkulus schliesslich zu einem radikalen Misanthropen der sich als Einsiedler zuruckzieht und an einem Luftschiff baut Schliesslich fahrt der Homunkulus rastlos mit diesem Luftschiff umher und verwustet dabei viele Landstriche Der Literaturwissenschaftler Klaus Volker kommentiert Hamerlings Homunkulusfigur wie folgt Hamerling benutzt die Homunkulus Gestalt in seinem Epos als Metapher fur die in seinen Augen unheilvoll materialistische Gesinnung seiner Zeit fur Profitgier und Unmenschlichkeit Das Humunkeltum das das kunstliche Geschopf auf Erden etablieren mochte ist die Vision einer von Geld und Technik verunstalteten Welt 7 Allerdings erklart Volker auch dass Hamerling den Anspruch einer Wissenschaftskritik nicht einlosen konne da sich sein Werk schliesslich in nationalistischen und antisemitischen Stereotypen verliere Der Homunkulus in Goethes Faust Bearbeiten Das Motiv des Homunkulus ist unter anderem von Goethe wahrend seiner Arbeit an Faust II zwischen 1825 und 1831 als Idee eines auf chemischem Wege erzeugten Menschen aufgenommen worden Mit dazu beigetragen hat die erste erfolgreiche Umwandlung von anorganischer in organische Materie im Jahr 1828 die Harnstoffsynthese durch Friedrich Wohler In einem Entwurf vom 17 Dezember 1826 beschreibt Goethe explizit Wagner als Schopfer des Homunculus in der endgultigen Fassung fehlt dieser Teil Der Dichter und enge Vertraute Goethes Johann Peter Eckermann erklarte daher dass Mephistopheles der eigentliche Schopfer des Homunkulus sei Endgultig klaren lasst sich diese Frage nicht mehr Es ist moglich die Idee des Homunkulus durch Goethes Naturphilosophie zu erklaren Goethe war der Meinung dass es einen besonderen Lebenssaft gebe der allen Lebewesen zukomme und organisches und anorganisches Material grundsatzlich voneinander trenne Man nennt eine solche Position Vitalismus Im Rahmen dieser Theorie ist die Schaffung von Lebewesen aus anorganischem Material nicht denkbar Wenn jedoch wie bei der Erzeugung von Homunculi organische Materialien ins Spiel kommen ware die Erzeugung von kunstlichen Wesen grundsatzlich denkbar Schon bei Goethe ist das Motiv des Homunculus mit der Idee einer erfolgreichen Naturwissenschaft verknupft So lasst er Wagner sprechen nbsp Wagner brutet den Homunkulus im Glaskolben aus Es leuchtet seht Nun lasst sich wirklich hoffen Dass wenn wir aus viel hundert Stoffen Durch Mischung denn auf Mischung kommt es an Den Menschenstoff gemachlich componiren In einen Kolben verlutiren Und ihn gehorig cohobiren So ist das Werk im Stillen abgethan Es wird die Masse regt sich klarer Die Ueberzeugung wahrer wahrer Was man an der Natur Geheimnisvolles pries Das wagen wir verstandig zu probiren Und was sie sonst organisiren liess Das lassen wir krystallisiren 8 Der Homunkulus in der Philosophie BearbeitenIn der Philosophie wird der Begriff des Homunkulus in einer Weise verwendet die sich vom alchemistischen und literarischen Gebrauch erheblich unterscheidet Seit der fruhen Neuzeit wurde versucht auch lebendige Organismen als Funktionsgebilde zu betrachten und damit entstand das Problem erklaren zu mussen an welcher Stelle eines untersuchten Ablaufs sich das selbstorganisierte Handeln vom fremdorganisierten Funktionieren abgrenze Ein Losungsversuch war der Homunculus der die Vorstellung des Menschen vor der Maschine in einen betrachteten Organismus verlagerte 9 In der Philosophie der Wahrnehmung und in der Philosophie des Geistes werden Positionen als Homunkulustheorien bezeichnet wenn sie einen Ort im Korper postulieren an dem ein bewusstes Wesen oder ein Geist aufzufinden sei Meist hat die Rede von einem Homunkulus dabei eine kritische Funktion Bestimmten Theorien wird vorgeworfen dass sie die Existenz eines Homunkulus implizieren wurden Da es jedoch keinen Homunkulus gebe bzw mit einer solchen Annahme nur das zu klarende Problem vom Organismus auf den Homunkulus verschoben werde seien diese Theorien abzulehnen Philosophie der Wahrnehmung Bearbeiten nbsp Rene Descartes Illustration des WahrnehmungsprozessesIn der Philosophie der Wahrnehmung wird wohl am deutlichsten wie es zu der Annahme eines Homunkulus kommen kann Viele klassische Theorien der Wahrnehmung konnen als Abbildtheorien bezeichnet werden So war etwa schon Rene Descartes bewusst dass bei der visuellen Wahrnehmung auf der Netzhaut ein Bild generiert wird Descartes schloss aus diesem Sachverhalt dass Menschen nicht direkt die materielle Welt sondern innere Bilder wahrnehmen 10 Der Gegenwartsphilosoph Lambert Wiesing kommentiert Der wahrnehmende Mensch betrachtet immer schon wie der Besucher einer Camera obscura ausschliesslich Bilder die sich zwischen ihm und der angeblich gesehenen Welt befinden 11 Nun scheint die Annahme eines inneren Bildes jedoch nur unproblematisch zu sein wenn es einen Betrachter gibt der dieses Bild anschaut Unbetrachtete Bilder konnen schliesslich zu keinem bewussten Wahrnehmungserlebnis fuhren Dies ist der Grund warum viele klassische Theorien der Wahrnehmung einen Homunkulus postulieren Bei Descartes hatte der Homunkulus die Form eines immateriellen Geistes dem an der Zirbeldruse Epiphyse Informationen uber die materielle Welt prasentiert werden sollten nbsp John LockeNeben Descartes ist die Erkenntnistheorie John Lockes ein klassisches Beispiel fur eine Homunkulustheorie Nach Locke muss jede Idee im Bewusstsein nochmals wahrgenommen werden Wiesing kommentiert So wie auch schon in der Camera obscura jemand stehen muss um die Bilder an der Wand sehen zu konnen so muss auch im Bewusstseinszimmer ein Betrachter der Ideen unterstellt werden ein Homunkulus der sich die Reprasentationen im Geist anschaut 11 S 26 Nun gibt es jedoch ein klassisches Argument gegen derartige Homunkulustheorien Selbst wenn es einen Homunkulus geben wurde so musste man sich fragen wie es ihm gelingt das innere Bild wahrzunehmen Wenn der Homunkulus das innere Bild wahrnimmt indem er selbst wieder ein inneres Bild erzeugt so scheint man einen weiteren Homunkulus postulieren zu mussen der das innere Bild des Homunkulus wahrnimmt Man kann dieses Problem immer weiter fortfuhren denn naturlich kann man auch fragen wie der zweite Homunkulus das innere Bild des ersten Homunkulus wahrnehmen kann Philosophen sprechen bei derart fortfuhrbaren Problemen von einem infiniten Regress Wenn man jedoch behauptet dass der Homunkulus nicht ein inneres Bild erzeugen musse so kann man fragen wieso nicht gleich vollstandig auf innere Bilder und Abbildtheorien verzichtet wird Viele Wahrnehmungstheoretiker ziehen aus dieser Homunkulusargumentation den Schluss dass man den Prozess der Wahrnehmung nicht durch innere Bilder oder Abbildtheorien erklaren sollte Dies bedeutet allerdings nicht dass die Idee innerer Bilder grundsatzlich verkehrt sein muss So hat die Frage nach inneren Bildern in der Kognitionswissenschaft in der Imagery debate viel Aufmerksamkeit gefunden Daniel Dennett und das cartesianische Theater Bearbeiten nbsp Cartesianisches TheaterDie philosophische Debatte um Homunculi ist jedoch nicht alleine auf Philosophie der Wahrnehmung begrenzt Der Philosoph Daniel Dennett vertritt etwa die These dass zahlreiche Theorien des Geistes meist unbewusst die Existenz eines Homunkulus annehmen 12 Dies geschehe genau dann wenn davon ausgegangen wird dass alle Informationen an einem Ort im Gehirn zusammengefuhrt werden mussen um zu Bewusstsein zu kommen Die kognitive Neurowissenschaft hat etwa herausgefunden dass es Regionen im Gehirn gibt die selektiv auf bestimmte Formen Farben oder Bewegungen ansprechen Die von Dennett kritisierten Theorien gehen nun davon aus dass bei der Wahrnehmung etwa eines fliegenden blauen Balls die Informationen uber die verschiedenen Eigenschaften zusammengefuhrt werden mussen um zu der Wahrnehmung eines fliegenden blauen Balls zu gelangen Dennett behauptet dass ein derartiges Zusammenfuhren der Informationen nur bei der Annahme eines Homunkulus notwendig sei und versucht diesen Punkt durch die Metapher des cartesianischen Theaters deutlich zu machen Wie bereits beschrieben ging Descartes davon aus dass dem Geist ein inneres Bild prasentiert werden musse um zu einer Wahrnehmung zu gelangen Dennett argumentiert nun dass die gemeinsame Prasentation von Eigenschaften wie Farbe Form und Bewegung nur notwendig sei wenn man von einem Beobachter im Gehirn ausgehe der all die verteilt reprasentierten Informationen zusammentrage Dennett erklart Wenn eine bestimmte Beobachtung durch einen spezialisierten Teil des Gehirns gemacht wurde ist der Informationsgehalt gegeben und muss nicht zu einer erneuten Beobachtung zu einem zentralen Beobachter geschickt werden 12 S 113 Diesen Homunkulustheorien stellt Dennett das eigene Modell der verschiedenen Entwurfe multiple drafts model entgegen Diesem Modell zufolge werden in verschiedenen Gehirnregionen unterschiedliche Interpretationen eines Inputs entwickelt die miteinander konkurrieren jedoch nie an einer zentralen Stelle verglichen werden Schliesslich setze sich eine Interpretation dadurch durch dass sie zu einem bestimmten Output fuhre Dennetts Kritik am cartesianischen Theater ist recht unterschiedlich aufgenommen worden Zwar stimmen die meisten Theoretiker Dennett darin zu dass es keinen raumlich identifizierbaren Ort gibt an dem alle Informationen zusammengefuhrt werden Dennoch wird oft argumentiert dass Menschen einheitliche Wahrnehmungen haben und nicht nur Informationen uber einzelne Eigenschaften Nimmt man etwa einen fliegenden blauen Ball wahr so ergebe sich eine einheitliche Wahrnehmungssituation die durch Dennetts Modell der verschiedenen Entwurfe nicht erklart werden konne Vielmehr musse man einen Mechanismus identifizieren durch den die Verknupfung der einzelnen Eigenschaften zu einer einheitlichen Wahrnehmung moglich gemacht werde In den Neurowissenschaften ist die Suche nach einem derartigen Mechanismus unter dem Begriff des Bindungsproblems bekannt geworden Die modernen Vorschlage zur Losung des Bindungenproblems gehen jedoch nicht von einem Ort aus an dem alle Informationen zusammengefuhrt werden Vielmehr behaupten etwa Neurowissenschaftler wie Wolf Singer 13 und Christoph von der Malsburg 14 dass ein synchrones Feuern von verschiedenen Neuronenverbanden die Zusammenfugung von Eigenschaften wie Farbe Form oder Bewegung moglich mache Gilbert Ryle und das Gespenst in der Maschine Bearbeiten Eine wohl noch scharfere Kritik der Homunkulustheorien findet sich bei Gilbert Ryle 15 dem Lehrer von Daniel Dennett Zwar spricht Ryle von einem Gespenst in der Maschine und nicht von einem Homunkulus dennoch stimmen seine und Dennetts Argumentation in wesentlichen Punkten uberein Auch Ryle setzt bei Descartes an und erklart dass das Postulat einer immateriellen res cogitans einer denkenden Sache zu zahllosen Verwirrungen in der Philosophie gefuhrt habe Der zentrale Fehler ist nach Ryle dass man mentale Zustande wie Wahrnehmungen Erinnerungen oder Empfindungen als innere Zustande begreife die also im Korper lokalisiert seien Nach Ryle fuhrt eine solche Vorstellung zu dem Bild eines Gespenstes das eine Maschine den Korper steuere Die Alternative zu diesem Bild von inneren Zustanden ist nach Ryle ein methodologischer Behaviorismus Menschen konnen genau dann bestimmte Wahrnehmungen Gedanken oder Empfindungen zugesprochen werden wenn sie ein bestimmtes Verhalten oder zumindest eine Verhaltensdisposition zeigen Mentale Zustande sind fur Ryle also nichts Inneres sondern die Disposition sich auf bestimmte Weise zu verhalten Heute wird der Behaviorismus von den meisten Philosophen abgelehnt Es wird allgemein nicht davon ausgegangen dass das Postulat innerer mentaler Zustande zu einem Homunkulusproblem fuhrt Allerdings stimmt gerade Dennetts Position in wesentlichen Punkten mit Ryles Theorie uberein Auch Dennett geht davon aus dass es keinen inneren Zustand sei es ein Gehirnprozess oder ein immaterieller Zustand gebe der mit einem mentalen Zustand zu identifizieren sei Vielmehr glaubt er dass es zahllose Prozesse gebe von denen sich einige schliesslich durchsetzten und zu einem bestimmten Verhalten fuhrten Die Zuschreibung von mentalen Zustanden fande dann infolge von den beobachtbaren Verhaltensmustern statt Homunkulus in der Neuroanatomie Bearbeiten nbsp Bekannte Darstellung eines kortikalen Homunkulus nach Wilder Penfield Gezeigt ist der motorische Kortex In den Neurowissenschaften wird seit den 1950er Jahren der Begriff Homunkulus metaphorisch gebraucht In der Anatomie des Gehirns werden die Reprasentationen von Korperregionen auf den primaren Rindenfeldern im Bereich der Zentralfurche als sensorischer Homunkulus Gyrus postcentralis bzw motorischer Homunkulus Gyrus praecentralis verstanden Fur alle sensiblen und motorischen Bahnen gibt es eine Punkt zu Punkt Zuordnung zwischen der Korperperipherie und dem Gehirn So ist z B eine bestimmte Zellgruppe in der Grosshirnrinde Cortex fur die bewusste Wahrnehmung eines Schmerzreizes in einem ganz genau definierten Hautareal und zwar nur fur dieses zustandig Das Gehirn kann also allein aus der aktivierten Zellgruppe im Cortex schlussfolgern in welchem Korperabschnitt der Schmerz auftritt Diese Projektionen vom Korper auf das Gehirn entsprechen den sensorischen und motorischen Rindenfeldern Die Grosse des Zellgebietes im Rindenfeld entspricht nicht genau dem Ausmass des Areals im Korper Fur besonders feinsensible oder feinmotorische Korperabschnitte z B Finger stehen recht grosse Rindenareale zur Verfugung Andere Korperteile die keine fein abgestimmten Bewegungen ausfuhren und die nicht so schmerzempfindlich sind z B Bauch haben nur relativ kleine Rindenfelder Der Homunkulus der durch die symbolische Nachzeichnung der mit den Cortexarealen assoziierten Korperteile entsteht ist also gegenuber der tatsachlichen Korpergestalt stark verzerrt Die prinzipielle Zuweisbarkeit von Korperregion und Hirnrindenarealen Somatotopie war bereits im 19 Jahrhundert von John Hughlings Jackson postuliert worden Der kanadische Neurochirurg Wilder Penfield konnte diese Vermutungen experimentell stutzen und die exakte Zuordnung beobachten 16 Er skizzierte die Grossenproportionen und bezeichnete die Zeichnung im Ruckgriff auf den kulturhistorischen Kontext scherzhaft als Homunkulus 17 Bis heute halt sich in fast allen Lehrbuchern der Neuroanatomie der fehlerhafte somatosensible Homunkulus mit falscher Zuordnung der Genitalien im Gyrus postcentralis Hierbei findet sich standardmassig eine Zuordnung der Sensibilitat der Genitalien in der Fissura longitudinalis cerebri am tiefsten Punkt Dies widerspricht den Prinzipien der Somatotopie Es konnte 2005 gezeigt werden dass auch die Lage der Genitalien der Somatotopie folgt 18 Hiernach wird das Genital nicht unterhalb der Sensorik der Fusssohle projiziert sondern an seinem logisch richtigen Punkt folgend der Somatotopie auf Hohe des Beckens nbsp Aufteilung motorischer sensorischer Cortex und HomunculiRezeption in der Popularkultur BearbeitenIm sechsteiligen Stummfilm Homunculus 1916 unter der Regie von Otto Rippert geht es um die Erschaffung eines kunstlichen Menschen In Umberto Ecos Roman Das Foucaultsche Pendel 1988 Kap 43 scherzt Lorenza einen Homunkulus zu erstellen Im Fantasy Roman Der Rote Lowe 1946 von Maria Szepes lasst sich die Hauptfigur auf einen faustahnlichen Teufelspakt mit einer damonenhaften Schlusselfigur ein deren Name Homunculus ist Im Sammelkartenspiel Magic The Gathering gibt es mehrere Karten mit dem Kreaturtyp Homunculus Im Film Manhattan 1979 spricht Woody Allen uber einen Homunkulus Im Europa Horspiel Draculas Insel Kerker des Grauens 1981 von H G Francis aus der Gruselserie stellt sich der Schiffskapitan Humunk nach einem todlichen Zwischenfall als kunstlicher Mensch und eine Art Maschine heraus wobei er als Homunkulus bezeichnet wird Unter seiner gummiartigen Haut besteht er aus einem Eisenskelett Die Figur Fliegenbein in dem Fantasy Roman Drachenreiter 1997 von Cornelia Funke ist ein Homunkulus Im Sammelkartenspiel Yu Gi Oh 1999 in Europa ab 2001 tragt eine Karte die Bezeichnung Homunkulus Geschopf der Alchemie Im Fantasy Roman Otherland 2001 von Tad Williams wird im 4 Teil ein Homunkulus vom Wutschbaum enthullt Im Manga Anime Fullmetal Alchemist 2001 sind mehrere Homunculi die Gegenspieler der Protagonisten Im Videospiel Shadow of Memories 2001 kommt ein Homunkulus vor der uber eine Zeitmaschine verfugt Im Videospiel SpellForce The Order of Dawn 2003 kann der Avatar einen Homunkulus zum Leben erwecken Der Roman Die Stadt der Traumenden Bucher 2004 von Walter Moers erzahlt von einer Figur namens Homunkoloss oder auch Schattenkonig die in einem alchimistischen Experiment aus Mischwesen zwischen Mensch und Buch hergestellt wurde Im Videospiel Castlevania Dawn of Sorrow 2005 zahlt der Homunkulus zu den Gegnern Im Spiel hat dieser einen damonischen Ursprung In der TV Serie The Big Bang Theory S03E03 2009 bezeichnet Dr Sheldon Cooper seinen Mitbewohner Leonard als Homunkulus eine originalgetreue menschliche Miniatur Die osterreichische Band Angizia behandelt einen Homunkulus in ihrem Album kokon Ein schaurig schones Schachtelstuck 2011 In der Science Fiction Serie Perry Rhodan erschuf sich die Superintelligenz ES einen Diener namens Homunk 19 Im Prolog des Fantasy Epos Planet Fantasia wird die Entstehung des Protagonisten und Homunkulus Jack mittels Nekromantie und Alchemie beschrieben In der Anime Serie Fate Zero wurde der Homunkulus Irisviel von Einzbern erschaffen In der Romanreihe Tantei wa Mō Shindeiru existieren Menschen die ein Homunkulus eingepflanzt bekommen haben Im Roman stellen diese eine kunstlich erschaffene unsichtbare Waffe dar die von ihrem Wirt gesteuert wird und unterschiedliche ubermenschliche Fahigkeiten besitzen Literatur BearbeitenKlaus Volker Hrsg Kunstliche Menschen Phantastische Bibliothek Band 308 Suhrkamp Frankfurt am Main 1994 ISBN 3 518 38793 6 Lambert Wiesing Philosophie der Wahrnehmung Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft Band 1562 Suhrkamp Frankfurt am Main 2004 ISBN 3 518 29162 9 Wilder Penfield Theodore Rasmussen The Cerebral Cortex of Man A Clinical Study of Localization of Function The Macmillan Comp New York 1950 Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Homunculus Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien nbsp Wiktionary Homunkulus Bedeutungserklarungen Wortherkunft Synonyme UbersetzungenEinzelnachweise Bearbeiten Karl Ernst Georges Ausfuhrliches lateinisch deutsches Handworterbuch 8 verbesserte und vermehrte Auflage Hahnsche Buchhandlung Hannover 1918 zeno org abgerufen am 4 Februar 2019 Homunkulus In Handworterbuch des deutschen Aberglaubens Walter de Gruyter 1932 Wolfgang U Eckart Die Idee des kunstlichen Menschen Prometheus Monster Puppe SWR2 Manuskript In SWR2 Wissen Aula Sudwestdeutscher Rundfunk 5 August 2018 S 4 abgerufen am 29 Oktober 2023 Klaus Volker Nachwort In Klaus Volker Hrsg Kunstliche Menschen Phantastische Bibliothek Band 308 Suhrkamp Frankfurt am Main 1994 ISBN 3 518 38793 6 Paracelsus De natura rerum Wiederabgedruckt in Klaus Volker Nachwort In Klaus Volker Hrsg Kunstliche Menschen Phantastische Bibliothek Band 308 Suhrkamp Frankfurt 1994 ISBN 3 518 38793 6 Robert Hamerling Homunkulus 1888 Klaus Volker Nachwort In Klaus Volker Hrsg Kunstliche Menschen Phantastische Bibliothek Band 308 Suhrkamp Frankfurt 1994 ISBN 3 518 38793 6 S 461 464 Johann Wolfgang von Goethe Faust II Zweiter Akt Laboratorium 1832 Werner A Muller Monika Hassel Entwicklungsbiologie und Reproduktionsbiologie des Menschen und bedeutender Modellorganismen Springer Berlin 1999 ISBN 3 642 28382 9 S 1f Rene Descartes Dioptrik 1637 a b Lambert Wiesing Philosophie der Wahrnehmung Suhrkamp Verlag Frankfurt am Main 2004 ISBN 3 518 29162 9 S 24 a b Consciousness Explained deutsch Philosophie des menschlichen Bewusstseins Little Brown Boston 1991 ISBN 0 316 18066 1 Charles Gray Wolf Singer Stimulus specific neuronal oscillations in the cat visual cortex A cortical functional unit In Society of Neuroscience Abstracts 1987 Christoph von der Malsburg The Correlation Theory of Brain Function In Technical Report 81 2 Biophysical Chemistry MPI 1981 Gilbert Ryle The Concept of Mind Chicago 1949 dt Der Begriff des Geistes Wilder Penfield Theodore Rasmussen The Cerebral Cortex of Man A Clinical Study of Localization of Function The Macmillan Comp New York 1950 Homunkulus Das neue Exponat im turmdersinne ab 19 Februar 2004 PDF 2 0 MB Turm der Sinne 2004 abgerufen am 14 Marz 2019 Christian A Kell Katharina von Kriegstein Alexander Rosler Andreas Kleinschmidt Helmut Laufs The sensory cortical representation of the human penis revisiting somatotopy in the male homunculus In J Neurosci 25 25 22 Jun 2005 S 5984 5987 Homunk In Perrypedia Abgerufen am 3 September 2012 nbsp Dieser Artikel wurde am 19 Dezember 2006 in dieser Version in die Liste der lesenswerten Artikel aufgenommen Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Homunkulus amp oldid 238592440