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Das Handworterbuch des deutschen Aberglaubens Siglen HWdAgl HDA HdA ist ein volkskundliches Nachschlagewerk Die 10 bandige Enzyklopadie wurde zwischen 1927 und 1942 von Hanns Bachtold Staubli unter Mitwirkung von Eduard Hoffmann Krayer im Verlag Walter de Gruyter herausgegeben Neben dem Handworterbuch des deutschen Marchens dem Handworterbuch der Sage und dem Atlas der deutschen Volkskunde gehorte es zu den volkskundlichen Grossprojekten die das junge Fach unter den akademischen Wissenschaften etablieren sollte 1 Das HdA gilt heute sowohl inhaltlich als auch hinsichtlich seiner theoretischen und methodischen Grundlagen als wissenschaftlich veraltet Es ist v a noch als Dokument der Fachgeschichte relevant 2 Europaische Ethnologen Volkskundler kritisieren immer wieder dass das HdA heute noch von Journalisten und anderen Laien benutzt wird 3 4 Inhaltsverzeichnis 1 Entstehungsgeschichte 2 Rezeption 3 Literatur 4 Weblinks 5 EinzelnachweiseEntstehungsgeschichte BearbeitenIn den 1920er Jahren begann die deutschsprachige Volkskunde sich zu institutionalisieren und als universitares Fach zu etablieren Um ihre Forschungsergebnisse sowohl den eigenen als auch den Vertretern der Nachbardisziplinen leichter zuganglich zu machen wurden mehrere enzyklopadische Projekte gestartet etwa das Handworterbuch des deutschen Marchens und das Handworterbuch des deutschen Volkslieds Von diesen wurde letztlich nur das HdA abgeschlossen 5 Der Plan zu einem Lexikon des deutschen Aberglaubens wurde von Eduard Hoffmann Krayer und seinem Schuler Hanns Bachtold Staubli initiiert Die beiden Schweizer Volkskundler wollten ursprunglich lediglich Adolf Wuttkes Der deutsche Volksaberglaube der Gegenwart 1860 neu bearbeiten Wuttkes Werk war mittlerweile sowohl hinsichtlich der seitdem neu gewonnenen Materialmenge als auch in Bezug auf seine naturmythologischen Interpretationen veraltet 6 Das HdA wurde vom Inhaber des Walter de Gruyter Verlags Gerhard Ludtke ermoglicht der sich fur das aus unternehmerischer Hinsicht unrentable Projekt eingesetzt hatte 7 Nachdem in den Anfangsjahren zunachst eine mehrbandige Uberblicksdarstellung geplant gewesen war begann 1925 die Arbeit an einem Werk im Lexikonformat 8 Grundlage des HdA bildeten die von Bachtold Staubli erstellten ca 600 000 bis 1 5 Millionen Karteikarten Diese waren von ihm in ehrenamtlicher Tatigkeit neben seinem Beruf in Handarbeit erstellt worden und enthielten sowohl handschriftliche Notizen als auch aus anderen Werken ausgeschnittene und eingeklebte Zettel 9 Der Umfang des HdA wuchs wahrend der Arbeit immer weiter an so dass von 1927 bis 1942 schliesslich zehn Bande erschienen Das HdA verkaufte sich allerdings nur schlecht Mit Bachtold Staublis Gesundheitszustand nahm auch die Produktivitat des Projekts ab und in den spateren Banden fielen immer mehr Stichworter aus 10 Rezeption BearbeitenDie zeitgenossische Rezeption des HdA war weitgehend positiv es galt als grosse Arbeitserleichterung fur Volkskunde und Nachbardisziplinen Kritik wurde fast nur am Inhalt bzw am Fehlen einzelner Artikel geubt Teilweise wurde das Werk aber auch damals schon als zwar umfangreiche aber unreflektierte Materialsammlung kritisiert 11 Die HdA Eintrage zu Freimaurer Jude und Ritualmord waren vom Volkskundler Will Erich Peuckert verfasst worden Peuckert widersprach in ihnen den von den Nationalsozialisten verbreiteten Verschworungstheorien Aus diesem und weiteren Grunden wurde ihm am 13 Mai 1935 vom Reichsministerium fur Wissenschaft Erziehung und Volksbildung die universitare Lehrerlaubnis entzogen 12 Heute gilt das HdA als wissenschaftlich fundamental veraltet Christoph Daxelmuller fasste die Kritik in seinem Vorwort zur Neuauflage von 1987 in drei Problemen zusammen Erstens folgt es noch einem phanomenologischen Ansatz der die dargestellten Phanomene aus ihrem historischen und sozialen Kontext reisst 13 Das HdA bietet also oberflachliche Vergleiche von unzulassig objektivierten Konzepten wie Hostienzauber und Blutaberglaube Als Trager dieser Phanomene nimmt das HdA nicht konkrete Menschen wahr sondern ein diffuses Volk 14 Zweitens kann das HdA seinen Anspruch nicht einlosen einen neutralen Aberglaubens Begriff zu verwenden Die Herausgeber hatten Aberglaube dem Begriff Volksglaube vorgezogen da sie auch gelehrte Vorstellungen mit aufnehmen wollten Bei Aberglaube handele es sich allerdings um eine Kategorie mit der eine kleine Minderheit elitarer Theologen und Wissenschaftler all das pejorativ ausgrenzt was sie subjektiv fur falsch halten Es ist also nicht moglich Uberzeugungen und Praktiken objektiv einer Kategorie Aberglauben zuzuordnen Zudem folgt das HdA der veralteten romantischen Theorie der zufolge der Aberglaube der Landbevolkerung auf Relikte des vorchristlichen Heidentums zuruckgehen solle 15 Und drittens habe das HdA in der Offentlichkeit zu einer verzerrten Darstellung der Volkskunde gefuhrt Die Disziplin gelte heute oft als eine Wissenschaft vom Magischen Irrationalen und Okkulten deren Aufgabe es sei die moderne Gegenwart mit der archaischen Vergangenheit zu verbinden Gerade in der journalistischen Darstellung von Volkskunde und Volksreligiositat habe das HdA hier sehr viel geistiges Unheil angerichtet 16 Daxelmuller zufolge kann das HdA heute nur noch benutzt werden wenn man sich mit dem wissenschaftshistorischen Kontext seiner Entstehungszeit hervorragend auskennt 17 Der Volkskundler Willi Hofig schliesst sich diesem Urteil 2009 an und meint dass die Nutzung des HDA mit praktisch unzumutbaren Voraussetzungen belastet sei einem Anspruch dem heute kaum jemand wird genugen konnen 18 Wahrend das HdA eigentlich fur ein volkskundliches Fachpublikum verfasst wurde fand es auch das Interesse einer burgerlichen Offentlichkeit Parallel zur Abnahme seiner wissenschaftlichen Akzeptanz gewann es zunehmende Popularitat unter Laien So wurde die 2006 erschienene CD ROM Version als Lesebuch des Aberglaubes beworben Die Volkskundlerin Michaela Fenske fasst zusammen Die weitgehend entkontextualisierte positivistische Sammlung von Praktiken und Vorstellungen aus der Glaubenswelt der Agrargesellschaft von der Disziplin in grossen Strecken als veraltet kritisiert bescherte und beschert burgerlichen Lesern und Leserinnen einen exotischen Lesegenuss 19 Der Volkskundler Dieter Harmening urteilte 2009 uber das HdA Es ist ein Gemisch dessen spekulativer Kraft sich der Laie nur schwer wenn uberhaupt zu entziehen vermag und auch der Fachmann nicht der etwas ferner vom Thema siedelt Er warnt insbesondere Journalisten davor es zu verwenden 20 Den Ansatz der modernen Aberglaubensforschung formuliert Harmening in seinem eigenen Worterbuch des Aberglaubens so Erst historische Superstitionsforschung vermag den universalistischen Begriffsapparat zu falsifizieren indem sie Fragen zu beantworten sucht nach Herkunft und Prozessen der Uberlieferung Welche Materialien werden auf welchen Wegen woher und wohin weitergereicht von wem und wie werden sie aufgenommen und wie verandern sie ihre Form ihre Bedeutung und ihren Gebrauch Sieht man allein auf die Autoren und Werke von denen die Uberlieferung getragen ist so lassen sich zahlreiche Gedanken und Formen als von bestimmten kulturhistorisch beschreibbaren Umfeldern her gepragt erkennen werden hinter ihnen jeweils zeitgenossische wissenschaftliche Lehren und von diesen begrundete Praktiken sichtbar Dieter Harmening 21 Allerdings gibt es in jungerer Zeit auch wieder positivere Bewertungen des HdA 22 Nach Roland Linde sei es ein immer noch unentbehrliches Nachschlagewerk 23 Und Eva Kreissl zufolge solle das HdA mit gleicher Vorsicht gelesen werden wie die Online Enzyklopadie Wikipedia 24 Literatur BearbeitenHanns Bachtold Staubli E duard Hoffmann Krayer Hrsg Handworterbuch des deutschen Aberglaubens 10 Bande Berlin Leipzig 1927 1942 Neudruck ebenda 1987 Christoph Daxelmuller Vorwort In Hanns Bachtold Staubli Hrsg Handworterbuch des deutschen Aberglaubens Band 1 Unveranderter Photomechanischer Nachdruck von 1927 Walter de Gruyter Berlin New York 1987 ISBN 3 11 011194 2 S v xl Michaela Fenske Kulturwissenschaftliches Wissen Goes Public Einblicke in den Aktionsraum von Wissenschaft und Offentlichkeit am Beispiel volkskundlicher Enzyklopadien In Historische Anthropologie 19 Jahrgang Heft 1 2011 S 112 122 Dieter Harmening Worterbuch des Aberglaubens 2 durchgesehene und erweiterte Auflage Reclam Stuttgart 2009 ISBN 978 3 15 018620 6 Weblinks Bearbeiten nbsp Wikisource Handworterbuch des deutschen Aberglaubens Quellen und Volltexte Digitalisate im Internet ArchiveEinzelnachweise Bearbeiten Fenske 2011 S 116 Daxelmuller 1987 S vi xxxiv Daxelmuller 1987 S xxxiv Harmening 2009 S 16 Daxelmuller 1987 S vi f Daxelmuller 1987 S xi f Daxelmuller 1987 S xii Daxelmuller 1987 S xv Daxelmuller 1987 S xvi f Daxelmuller 1987 S xviii f Daxelmuller 1987 S xix xxi Harm Peer Zimmermann Walther Steller in Breslau 1920 bis 1937 Volkskunde und Frisistik im Zeichen des Nationalsozialismus In Nordfriesisches Jahrbuch Neue Folge Band 30 1994 S 41 54 Hier S 47 Daxelmuller 1987 S xxi Daxelmuller 1987 S xxiii Daxelmuller 1987 S xxii xxviii xxxi Daxelmuller 1987 S xxxiii f Daxelmuller 1987 S xxv Willi Hofig Rezension zu Handworterbuch des deutschen Aberglaubens Hrsg unter besonderer Mitwirkung von Eduard Hoffmann Krayer und Mitarbeit zahlreicher Fachgenossen von Hanns Bachtold Staubli Bd 1 10 Berlin de Gruyter 1927 42 CD ROM Digitale Bibliothek 145 Berlin Directmedia 2006 In Fabula Band 50 Nr 1 2 2009 S 128 131 Hier S 130 Fenske 2011 S 117 Vgl auch ebd S 113 Harmening 2009 S 16 Harmening 2009 S 16f Fenske 2011 S 122 Roland Linde Schatzgraberei und Magie Fallbeispiele aus der Grafschaft Lippe In Jan Carstensen Gefion Apel Hrsg Verflixt Geister Hexen und Damonen Schriften des LWL Freilichtmuseums Detmold Westfalisches Landesmuseum fur Volkskunde Band 35 Waxmann Munster New York Munchen Berlin 2013 ISBN 978 3 8309 2885 0 S 159 167 hier S 167 Anm 17 Eva Kreissl Aberglaube als Kulturtechnik Ein Forschungsprojekt am Grazer Volkskundemuseum In Jan Carstensen Gefion Apel Hrsg Verflixt Geister Hexen und Damonen Schriften des LWL Freilichtmuseums Detmold Westfalisches Landesmuseum fur Volkskunde Band 35 Waxmann Munster New York Munchen Berlin 2013 ISBN 978 3 8309 2885 0 S 85 95 Hier S 89 Sp 2 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Handworterbuch des deutschen Aberglaubens amp oldid 231224914