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Der Begriff Volksglaube findet sich in der deutschsprachigen Geisteswissenschaft seit dem spaten 18 Jahrhundert Oft wird er synonym zum pejorativ besetzen Begriff Aberglauben verwendet also auf als heidnisch oder okkult empfundene Uberzeugungen und Handlungen bezogen Andere Autoren bezeichnen mit Volksglauben die so genannte Volksfrommigkeit also vom kirchlichen Lehramt nicht vorgesehene aber sanktionierte oder geduldete Glaubenspraktiken Im Laufe der andauernden Diskussion um den Begriff und seine Tauglichkeit wurden auch Definitionen versucht welche die Gesamtheit der Erscheinungsformen eines regional verbreiteten Glaubens neutral und umfassend einschliessen sollten so definiert etwa das Worterbuch der Deutschen Volkskunde von Oswald A Erich und Richard Beitl Volksglaube als das was das Volk zumal in Bezug auf die ausser und ubernaturliche Welt fur wahr halt wozu letztlich nicht nur religiose Glaubensinhalte sondern unter anderem auch ausserwissenschaftliche Vorstellungen von Heilpraktiken zahlen Inhaltsverzeichnis 1 Begriffsgeschichte 2 Siehe auch 3 Literatur 4 EinzelnachweiseBegriffsgeschichte BearbeitenDer Begriff ist wie Volkslied und Volksgeist eines der vielen Komposita auf Volk die durch das Werk Johann Gottfried Herders weite Verbreitung fanden Bei Herder steht das Wort jedoch noch nicht fur die Eigenart eines Volkes sondern quasi als menschliche Universalie So gilt ihm die Vorstellung von der Unsterblichkeit der Seele als allgemeiner Volksglaube auf der Erde das Einzige das den Menschen im Tode vom Thier unterscheidet und das Christentum als Volksglaube der alle Volker zu Einem Volk machte Von Herders Vorstellung dass sich gerade in der gemeinen von der Aufklarung unberuhrten Landbevolkerung die charakteristischen Eigenarten eines Volkes in reiner Form zeigten leitet sich die Aneignung des Begriffs durch die deutsche Romantik her So verdeutlichte Friedrich Carl von Savigny der Begrunder der historischen Rechtsschule 1814 in seiner Streitschrift Vom Beruf unserer Zeit seine Rechtsauffassung mit der beruhmten Formulierung dass alles Recht erst durch Sitte und Volksglaube dann durch Jurisprudenz erzeugt wird uberall also durch innere stillwirkende Krafte nicht durch die Willkuhr eines Gesetzgebers 1 Der Volksglaube ist mithin all das was das Volk in stiller Ubereinkunft von jeher als rechtens empfindet Eine negative Konnotation tragt das Wort im Werk von Jacob Grimm was mit dessen streng protestantischer Weltsicht zusammenhangen mag die ihm anderen Weltsichten gegenuber nur wenig Verstandnis aufzubringen erlaubte 2 So verwendet er in seiner Deutschen Mythologie Volksglauben unterschiedslos neben Aberglauben fur magische Praktiken in denen er Relikte einer germanisch vorchristlichen Vorstellungswelt sah Im Deutschen Worterbuch wird so zwar zunachst im Herderschen Sinne ausgefuhrt Volksglaube bezeichne die im volke lebenden vorstellungen uber das verhaltnis des menschen zu welt und gott die volksthumliche form der religion sowie allgemein jedes furwahrhalten das im volke sich zeigt das christenthum Im engeren Sinne bezeichne es jedoch die vorstellungen die aus alter grosztentheils heidnischer zeit stammen und vom rationalismus als aberglauben bezeichnet werden 3 In der Volkskunde setzte sich die Diskussion um die Begrifflichkeiten im 19 und 20 Jahrhundert fort Einerseits vermieden viele Volkskundler zunehmend den Begriff Aberglaube da dieser eine pejorative Konnotation tragt und somit ein Werturteil ausspreche das eine objektive Beschreibung verunmogliche Diese Diskussion ging der Titelwahl eines der ehrgeizigsten volkskundlichen Projekte des 20 Jahrhunderts voraus dem Handworterbuch des deutschen Aberglaubens 1927 1942 Im Vorwort ausserten die Herausgeber ihre Ansicht dass ihnen der Begriff Volksglaube misslich erscheine denn unter Volksglauben mussen wir doch den ganzen Umfang der religiosen Betatigungen und Empfindungen des Volkes verstehen seine Auffassung und Gestaltung des Christentums mindestens in gleichem Masse wie die vor und nebenchristlichen Rudimente die es sich bewahrt hat Im Volksglauben scheinen uns die christlichen Bestandteile einen weit breiteren und wesentlicheren Umfang einzunehmen als im sog Aberglauben 4 Andererseits schien vielen die Bezeichnung magischer Praktiken oder Handlungen die in Konkurrenz oder Gegensatz zum Anspruch des christlichen Glaubens standen als eigentlicher Volksglauben problematisch In der heutigen volkskundlichen Forschung hat sich fur den hier beschriebenen Grenzbereich zwischen kirchlichem und magischem Glauben jedoch zunehmend der Begriff der Volksfrommigkeit durchgesetzt Siehe auch BearbeitenGlucksbringer Unglucksbringer Geschenk Literatur BearbeitenVolksglaube In Oswald A Erich und Richard Beitl Worterbuch der deutschen Volkskunde 2 Auflage Kroner Stuttgart 1955 S 795 799 Volksglaube In Reallexikon der Germanischen Altertumskunde RGA 2 Auflage Band 32 Walter de Gruyter Berlin New York 2006 ISBN 3 11 018387 0 S 578 580 Martin Scharfe Uber die Religion Glaube und Zweifel in der Volkskultur Bohlau Verlag Koln Weimar 2004 ISBN 3 412 07504 3 Einzelnachweise Bearbeiten Friedrich Carl von Savigny Vom Beruf unserer Zeit fur Gesetzgebung und Rechtswissenschaft Heidelberg 1814 S 13 RGA Bd 32 S 479 volksglaube In Jacob Grimm Wilhelm Grimm Deutsches Worterbuch Leipzig 1854 1960 dwb uni trier de Hanns Bachtold Staubli Vorwort In Handworterbuch des deutschen Aberglaubens Bd 1 De Gruyter Berlin 1927 S 5 7 Normdaten Sachbegriff GND 4063834 0 lobid OGND AKS Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Volksglaube amp oldid 217063925