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Der Moto r cortex von lateinisch motor Beweger von lateinisch cortex Rinde auch motorische bzw somatomotorische Rinde ist ein histologisch abgrenzbarer Bereich der Grosshirnrinde Neocortex und das funktionelle System von dem aus willkurliche Bewegungen gesteuert und aus einfachen Bewegungsmustern komplexe Abfolgen zusammengestellt werden Er bildet die ubergeordnete Steuereinheit des Pyramidalen Systems und liegt in den hinteren posterioren Zonen des Frontallappens Funktionelle Organisation der Grosshirnrinde Aufsicht auf die linke Hemisphare von der Seite Primar motorisches Areal Pra Supplementar motorische Areale Primar sensible Areale Sensible Assoziationsareale Horfelder SehfelderReflexhafte Bewegungen Muskeleigenreflexe und Fremdreflexe entstehen hingegen auf niederem Niveau im Ruckenmark oder im Hirnstamm und sind daher auch nicht willentlich beeinflussbar Andere funktionelle Systeme wirken an Bewegungsleistungen mit Fur die Steuerung des Muskeltonus sind die Basalganglien wichtig Zur raumlichen Bemessung Abschatzung der notigen Kraft und Schnelligkeit und Glattung der Bewegungen ist die Mitarbeit des Kleinhirns notwendig Diese sind wie die Olive und der Nucleus ruber Elemente des extrapyramidalmotorischen Systems Diese kategorische Einteilung pyramidal extrapyramidal ist aber inzwischen verlassen worden da sich die kortikalen und subkortikalen Systeme weitgehend uberschneiden und auch nicht motorische Hirnareale wie beispielsweise der hintere posteriore Parietalcortex eine entscheidende Rolle fur die Planung und Ausfuhrung einfacher und komplexer motorischer Handlungen z B zielgerichtetes Greifen von Objekten besitzt Inhaltsverzeichnis 1 Definition und anatomische Eingrenzung 2 Histologie 3 Funktionelle und histologische Einteilung 3 1 Primar motorische Rinde M1 3 2 Pramotorische Rinde PMA PM PMC 3 3 Supplementar motorische Rinde SMA 3 4 Pyramidenbahn 4 Neuronale Verbindungen 4 1 Afferenzen 4 2 Verbindungen innerhalb des Motorcortex 4 3 Efferenzen 5 Pathologie 5 1 Folgen einer Lasion des Motorcortex 5 2 Wichtige Krankheitsbilder 6 Evolutionare Aspekte 7 Geschichte 8 Bedeutung 9 Ausblick 10 Literatur 11 Weblinks 12 EinzelnachweiseDefinition und anatomische Eingrenzung BearbeitenFruher wurde die Gesamtheit des erregbaren Cortex als motorischer Cortex angesehen Darunter verstand man die Summe der Grosshirngebiete bei deren ausserer elektrischer Stimulation sichtbare Bewegungen hervorgerufen werden konnen Da dies bei ausreichend hohen Reizspannungen auch an praktisch allen assoziativen und einigen sensiblen Arealen moglich ist tendiert man heute dazu unter Motorcortex nur die vor der Zentralfurche Sulcus centralis gelegenen Areale die einen typischen cytoarchitektonischen Aufbau besitzen zu fassen Dazu gehoren der Gyrus praecentralis und die hinteren posterioren Anteile der Gyri frontalis superior frontalis medius und frontalis inferior sowie der vordere anteriore Abschnitt des Lobulus paracentralis Histologie Bearbeiten nbsp Schichtaufbau der Hirnrindelinks Golgi Impragnation Zellen rechts Weigertfarbung Fasern Histologisch gehort der Motorcortex zum Isocortex Das bedeutet dass er einen definierten sechsschichtigen Grundaufbau hat den er mit allen phylogenetisch jungen Arealen der Grosshirnrinde teilt Die innere Kornerzellschicht die in sensorischen Arealen sehr ausgepragt ist und auch in prafrontalen Regionen vorkommt fehlt hier beziehungsweise ist nicht von der ausseren Pyramidenzellschicht abgrenzbar Man spricht deshalb auch von agranularem Cortex Aufgrund der nur hier vorkommenden Riesenneurone in der 5 Schicht Betz Riesenzellen wird die primar motorische Rinde auch als Area gigantocellularis bezeichnet Die frontal angrenzenden Felder sind ahnlich aufgebaut besitzen allerdings keine Rieseneurone sie werden deshalb auch als Area paragigantocellularis zusammengefasst Die primarmotorische Rinde erreicht in einigen Gebieten Lobulus paracentralis mit 3 bis 5 mm die grosste Breite des Cortex uberhaupt Die Schichten heissen im Einzelnen I Lamina molecularis Molekularschicht II Lamina granularis externa aussere Kornerzellschicht III Lamina pyramidalis externa aussere Pyramidenzellschicht IV Lamina granularis interna innere Kornerzellschicht Diese Schicht ist im Motorcortex histologisch nicht sichtbar Im Grunde ist es eine reine Definitionsfrage ob man ihre Existenz dort ablehnt 1 oder sie als mit der III Schicht verschmolzen ansieht 2 V Lamina pyramidalis interna oder Lamina ganglionaris innere Pyramidenzellschicht Hier liegen die Pyramidenzellen die die Bewegungsanweisungen schliesslich durch ihre Zellfortsatze Axone an periphere Motoneurone weiterleiten Darunter sind in der primar motorischen Rinde auch die sogenannten Betz Riesenzellen die zu den grossten Zellen im menschlichen Organismus gehoren Sie sind allerdings deutlich in der Unterzahl VI Lamina multiformis vielformige Schicht Funktionelle und histologische Einteilung BearbeitenFunktionell wird die primar motorische Rinde in angelsachsischer Literatur M1 von der supplementar motorischen Rinde supplementary motor area SMA und der pramotorischen Rinde premotor area PMA oder auch nur PM unterschieden Letztere dienen nach heutigem Verstandnis dem Erstellen bestimmter Bewegungsabfolgen aus einem erlernten Fundus von Bewegungen und der Vorbereitung willkurlicher sowohl bewusster als auch unbewusster Bewegungen Die in der primar motorischen Rinde liegenden Motoneurone sind der hauptsachliche gemeinsame Ausgang des Motorcortex da vor allem ihre Axone das Ruckenmark und die motorischen Hirnnervenkerne erreichen Nach dortiger Umschaltung auf das periphere Motoneuron Vorderhornzelle gelangen die Befehle schliesslich zur Willkur Muskulatur Nach dem histologischen Hirnatlas von Korbinian Brodmann siehe Brodmann Areal entspricht das Areal 4 der primar motorischen Rinde die supplementar motorische Rinde und die pramotorische Rinde werden vom Areal 6 gebildet Moderne Unterteilungen die sich mehr an der Funktion orientieren unterscheiden insgesamt sieben bis neun Felder wobei diese Unterteilungen nur auf Grund von Untersuchungen an nicht humanen Primaten wie z B Rhesus Affen erfolgt sind z B nach G Rizzolatti F1 M1 bis F7 Primar motorische Rinde M1 Bearbeiten nbsp Motorischer rechts und sensorischer HomunculusDie primar motorische Rinde liegt zum uberwiegenden Teil auf der Rindenwolbung vor der Zentralfurche Gyrus praecentralis Bemerkenswert ist die sogenannte Somatotopie das heisst dass benachbarte Regionen des Korpers auch in ihren Reprasentationen auf der primar motorischen Rinde nebeneinander liegen Der Korper ist somit verkleinert und kopfstehend als Homunculus auf der Hirnrinde abgebildet Allerdings sind die Proportionen des Homunculus verzerrt da bestimmte Korperbereiche eine sehr fein abgestimmte Motorik besitzen dies gilt beim Menschen vor allem fur die Hand und die Sprechmuskulatur Andere Regionen konnen hingegen nur vergleichsweise grob bewegt werden Rucken oder haben einen hoheren Anteil automatischer Regulation Halte und Stutzmuskulatur Die jeweiligen Rindenareale sind entsprechend grosser oder kleiner Die Somatotopie in M1 ist jedoch immer noch deutlich grober ausgepragt als die der primaren sensorischen Hirnrinde S1 Area 3b welche eine punktgenaue Reprasentation der Korperoberflache besitzt Die absteigenden efferenten Bahnen die die Hirnrinde verlassen bilden zusammen den Tractus corticonuclearis der die motorischen Hirnnervenkerne versorgt und den Tractus corticospinalis also die Pyramidenbahn Pramotorische Rinde PMA PM PMC Bearbeiten Dieses recht ausgedehnte Rindengebiet Brodmann Areae 6 und 8 Areae extrapyramidales liegt vor der primar motorischen Rinde und befindet sich etwas seitlicher lateral auf der Konvexitat der Hirnoberflache wahrend die supplementar motorische Rinde zur Kopfmitte zu medial und uberwiegend jenseits der Mantelkante sozusagen auf den sich gegenuberliegenden Flachen der Hirnhemispharen lokalisiert ist Die Aufgabe dieses Feldes ist es Bewegungsentwurfe zu erstellen und mit dem Kleinhirn und den Basalganglien abzustimmen Dabei fliessen auch sensorische Informationen die beispielsweise das notwendige Ausmass einer Bewegung definieren ein Eine wichtige Unterteilung des Pramotorcortex ist die in den dorsalen Pramotorcortex dPMC oder PMd und in den etwas tiefer zur Sylvischen Fissur hin gelegenen ventralen Pramotorcortex vPMC oder PMv Beide Cortices sind insbesondere in die Transformation von visuellen Informationen zum Beispiel Position und Form eines Gegenstandes in motorische Programme involviert Dabei kodieren Neurone des dPMC bevorzugt fur die Position eines Objektes im Raum wohingegen der vPMC die Hand und Fingeroffnung zum Greifen eines Objektes steuert Beide Areale besitzen intensive Verbindungen zum Parietalcortex wobei dPMC eher vom Lobulus parietalis superior SPL und vPMC vom Lobulus parietalis inferior IPL und insbesondere vom Sulcus intraparietalis IPS Projektionen erhalt Die parietalen Areale sind dagegen stark mit den visuellen Rindenarealen verbunden Auf Grund dieser anatomischen Begebenheiten hat Rizzolatti eine Theorie zur kortikalen Kontrolle von Greifbewegungen konzipiert namlich dass visuelle Information aus dem primaren visuellen Cortex V1 uber hohere visuelle Areale V2 V8 zum Parietalcortex gelangt in welchem die Information auf Lokalisation und Form analysiert wird welches an die entsprechenden pramotorischen Areale weitergeleitet wird die letztendlich den primar motorischen Cortex ansteuern Die Prufung dieses Konzepts ist Gegenstand der aktuellen Hirnforschung 3 Einige Nervenzellen im pramotorischen Areal sind sowohl bei der Planung und Ausfuhrung als auch bei der passiven Beobachtung derselben Bewegung bei einem anderen Individuum aktiv sogenannte Spiegelneurone 4 5 Man vermutet ihre Bedeutung in imitativen Lernprozessen siehe auch Lernen am Modell Neuere Hypothesen gehen aber eher davon aus dass die Spiegelneurone die auch in anderen Hirnarealen wie zum Beispiel dem Lobulus parietalis inferior zu finden sind eher das Verstandnis einer Aktion kodieren Bei Makaken feuern einige Spiegelneurone nur wenn der Affe nach einem Apfel greift nicht aber wenn die Bewegung ohne Apfel ausgefuhrt wird Man vermutet dass Storungen dieses Verstandnisnetzwerkes eine pathophysiologische Grundlage fur Autismus sein konnte Auch das fur die Sprachproduktion wichtige Broca Areal motorisches Sprachzentrum Areal 44 und Areal 45 und das sogenannte frontale Augenfeld Areal 8 gehoren funktionell zum PMA obwohl sie strukturell eher ein prafrontales Muster besitzen granularer Cortex Hier zeigt sich jedoch die ausgesprochene funktionelle Heterogenitat des Pramotorcortex Supplementar motorische Rinde SMA Bearbeiten nbsp Die Pyramidenbahn besteht aus den Fortsatzen der zentralen MotoneuroneDie supplementar motorische Rinde spielt eine Rolle beim Erlernen von Handlungsabfolgen 6 und bei der Vorbereitung komplexer Bewegungsmuster 7 Versuche an Affen zeigten dass die vorubergehende Blockade der SMA zur Unfahigkeit fuhrt Bewegungen zu initiieren 8 Hinweis auf die vorbereitende und bewegungseinleitende Funktion der supplementar motorischen Rinde ist auch eine gesteigerte elektrophysiologische Aktivitat die sich dort bereits mehr als eine Sekunde vor dem sichtbaren Einsetzen einer Bewegung nachweisen lasst das sogenannte Bereitschaftspotential 9 Siehe auch Libet Experiment Die SMA besitzt auch eine wichtige Funktion zur Kontrolle von bimanuellen d h beidhandigen Bewegungen Professor Tanji beschrieb in den 80er Jahren bei Makaken erstmals das Vorkommen von Neuronen die sowohl bei einhandigen wie auch beidhandigen Handbewegungen feuerten Die exklusive Rolle der SMA fur bimanuelle Aktionen ist aber mittlerweile revidiert worden da auch anderen Regionen wie z B M1 bimanuelle Neurone besitzen Funktionelle Bildgebungsstudien beim Menschen haben gezeigt dass sich die Netzwerke d h die beteiligten Regionen nicht stark zwischen uni und bimanuellen Bewegungen unterscheiden Dahingegen haben Konnektivitatsuntersuchungen also Untersuchungen wie Areale miteinander interagieren gezeigt dass bei beidhandigen Bewegungen eine intensive Kopplung beider Hirnhemispharen auftritt und dass auch hier die SMA eine wichtige Integrationsrolle zu spielen scheint Interessanterweise besitzt die linke SMA eine Dominanz uber die rechte SMA so dass einige Forscher hier ein biologisches Aquivalent fur Handigkeit sehen Pyramidenbahn Bearbeiten Die Pyramidenbahn Tractus corticospinalis ist die Zusammenfassung aller Nervenzellfortsatze die aus der primar motorischen Rinde stammen und Befehle an das Ruckenmark oder Hirnnervenkerne weiterleiten Sie haben einen gemeinsamen und in sich wiederum somatotop gegliederten Verlauf Rein funktionell betrachtet ist die Pyramidenbahn ein unmittelbarer Bestandteil der motorischen Rinde Die absteigenden Axone stammen zu ca 25 von kleineren Pyramidenzellen der primar motorischen Rinde weitere 30 entstammen den sekundar und supplementarmotorischen Arealen und 40 haben ihr Soma sogar im somatosensorischen Cortex Areae 1 2 3 5 und 7 nach Brodmann Nur etwa funf Prozent gehen von den grossen Betz Riesenzellen des primaren Motorcortex aus Die somatosensorischen Fasern scheinen funktionell aber weniger bedeutsam zu sein da sie keine monosynaptischen Verbindungen mit den motorischen Vorderhornzellen eingehen Sie konnten jedoch eine wichtige Funktion fur die Funktionserholung nach Hirnschadigungen z B nach einem Schlaganfall besitzen Neuronale Verbindungen BearbeitenAfferenzen Bearbeiten Die zufuhrenden Bahnen des Motorcortex stammen vorwiegend aus dem Thalamus insbesondere aus dessen ventralen Bezirken Dort werden Informationen aus dem Kleinhirn und den Basalganglien sowie sensible Reize aus dem lemniskalen System zusammengefasst Die Bahnen aus den Basalganglien vor allem aus dem Globus pallidus gelangen vorwiegend in die pra und supplementar motorische Rinde Uber Assoziationsfasern also Verbindungen innerhalb der Hirnrinde einer Hemisphare erhalten die pramotorischen Gebiete umfangreiche sensible und sensorische Informationen aus dem Parietallappen die supplementar motorischen Areale hingegen werden vor allem vom prafrontalen Cortex gespeist der mit hoheren kognitiven Leistungen Bewusstsein Absicht Motivation in Verbindung gebracht wird Dies wird als Hinweis auf die Rolle der SMA als Freigeber einer geplanten Bewegung interpretiert Verbindungen aus dem Gyrus cinguli der dem limbischen System zugerechnet wird bestehen zu allen Teilen des Motorcortex Verbindungen innerhalb des Motorcortex Bearbeiten Innerhalb der motorischen Rinde verlaufen die Bahnen uberwiegend von den pra und supplementar motorischen Feldern zur primar motorischen Rinde Die vorderen Anteile der PMA und SMA scheinen die Funktion der hinteren zu kontrollieren und gegebenenfalls zu hemmen entsenden aber keine direkten Fasern in die M1 Efferenzen Bearbeiten Die Riesenpyramidenzellen der primar motorischen Rinde entsenden ihre Axone praktisch ausschliesslich in die Pyramidenbahn wo sie etwa 5 der Fasern ausmachen Zudem strahlen dort die Axone der kleinen pracentralen Pyramidenzellen 25 45 und Fasern aus der pramotorischen und supplementar motorischen Rinde 5 10 sowie aus dem somatosensiblen Cortex 20 50 ein 10 11 Kollateralen das heisst Abzweigungen der Axone der Motoneurone erreichen den Nucleus ruber und die Reticularis Kerne des verlangerten Marks Ein grosser Teil der Bahnen endet zudem an den Kerngebieten der Pons und am Nucleus olivaris von wo sie in das Kleinhirn weitergeleitet werden oder verlasst bereits in der Capsula interna die Pyramidenbahn um den Thalamus und das Corpus striatum anzusteuern Der Anteil der Nervenzellfortsatze die die Pyramidenbahn bis in das Ruckenmark begleiten liegt bei 15 Insgesamt verlassen die Axone von geschatzten zwei bis drei Millionen motorischen Neuronen die Grosshirnrinde Bei einer Gesamtzahl von rund zehn Milliarden Nervenzellen ist diese Zahl uberraschend gering Die pra und supplementar motorischen Felder entsenden ungeachtet ihrer Verbindungen zum primar motorischen Cortex auch Efferenzen zur Formatio reticularis des Hirnstammes Von dort wird vorwiegend die tonisch aktive Rumpfmuskulatur gesteuert Pathologie BearbeitenFolgen einer Lasion des Motorcortex Bearbeiten Eine Schadigung des ersten Motoneurons in der primar motorischen Rinde fuhrt unabhangig von der Schadigungsursache zu charakteristischen Bewegungsstorungen in den Muskelgruppen die von dem betroffenen Rindenbezirk kontrolliert werden Da die meisten absteigenden Bahnen siehe Pyramidenbahn im Hirnstamm auf die Gegenseite kreuzen sogenannte Pyramidenkreuzung Decussatio pyramidum tritt die Lahmung normalerweise vor allem an der gegenuberliegenden Korperseite in Erscheinung Hemiparese Praktisch immer ist die Kontrolle der rumpffernen distalen Muskulatur ausgepragter eingeschrankt als die der rumpfnahen proximalen Muskulatur John Hughlings Jackson teilte die Bewegungsstorungen in Plus und Minussymptome ein Plussymptome sind vermehrter muskularer Widerstand bei passiver Bewegung spastische Tonuserhohung gesteigerte Muskeleigenreflexe die Auslosbarkeit von pathologischen Reflexen wie dem Babinski Zeichen Auftreten von Massenbewegungen sowie Mitbewegungen der GegenseiteZu dem Minussymptomen gehoren Minderung der entwickelten Muskelkraft Parese Beeintrachtigung selektiver Bewegungen und Verlust von Prazisionsbewegungen Beeintrachtigung der Fahigkeit zu schnell alternierenden Bewegungen Dysdiadochokinese Beeintrachtigung der Fahigkeit die Kraft rasch zu entwickeln und langere Zeit konstant zu halten motor impersistence Schadigungen der vorgelagerten Rindenareale kommen selten isoliert vor und fuhren zu komplexen Bewegungsstorungen Ahnliche Storungen konnen auch bei Lasionen der parietalen Assoziationsrinde und zumindest teilweise bei krankhaften Prozessen der Basalganglien und des Kleinhirns auftreten allgemeine koordinative Ungeschicklichkeit Ataxie die aber auch bei Kleinhirnschadigung oder sensiblem Defizit auftreten kann gestortes Bewegungsgedachtnis Unfahigkeit Bewegungsplane korrekt umzusetzen ideokinetische Apraxie Unfahigkeit Bewegungsplane zu erstellen und dabei einzelne Handlungen sinnvoll und in der richtigen Reihenfolge zu kombinieren ideatorische Apraxie gestorte Einleitung einer Bewegung Starthemmung die auch beim Morbus Parkinson auftrittWichtige Krankheitsbilder Bearbeiten Die haufigste Ursache einer akuten Hirnschadigung mit motorischer Beeintrachtigung ist der Hirninfarkt durch Gefassverschluss im Gebiet der mittleren Hirnarterie Arteria cerebri media Wenn die bei den meisten Menschen dominante linke Hemisphare betroffen ist kommt es oftmals zusatzlich zu Sprachstorungen siehe Aphasie Gleichzeitig vorliegende apraktische und ataktische Symptome werden nicht selten durch die Lahmung maskiert Auch beim viel selteneren Verschluss der vorderen Hirnarterie Arteria cerebri anterior ist ein Teil des Motorcortex einbezogen typischerweise entsprechend dem Homunculus der fur die Kontrolle der unteren Extremitat Andere Ursachen fur Schadigungen der motorischen Rinde sind Hirnblutungen Entzundungen Hirntumoren und Verletzungen Eine seltene Krankheit die mit der Degeneration der corticalen Motoneurone einhergeht ist die spastische Spinalparalyse Auch bei Sauerstoffmangel wahrend der Geburt kann eine Schadigung der empfindlichen Nervenzellen des Motorcortex auftreten das daraus resultierende Krankheitsbild heisst infantile Zerebralparese Eine neurodegenerative Erkrankung des alteren Menschen die neben den Vorderhornzellen auch zentrale Motoneurone erfasst ist die Amyotrophe Lateralsklerose Epilepsien sind kurz andauernde anfallsartige Funktionsstorungen zahlreicher Nervenzellen Beim generalisierten tonisch klonischen Anfall grand mal wird die motorische Rinde beider Seiten massiv erregt Folge ist neben anderen Erscheinungen das charakteristische krampfhafte Zucken das den gesamten Korper erfasst Hingegen breiten sich bei einer anderen Form der Epilepsie den fokalen Jackson Anfallen die Krampfpotentiale langsam uber die primar motorische Rinde nur einer Seite aus und fuhren somit entsprechend der Somatotopie zu einem Wandern der Zuckungen march of convulsion uber die Muskelgruppen einer Gliedmasse Das Bewusstsein ist dabei erhalten Nach Abklingen der Krampfpotentiale ist die motorische Funktion fast immer ungestort Eine Ausnahme hiervon ist die Toddsche Lahmung die einen Schlaganfall imitieren kann Evolutionare Aspekte BearbeitenIm Laufe der Evolution ist eine Tendenz zur Ausbildung einer immer hoheren Komplexitat der Gehirnstrukturen und zur zunehmenden Verlagerung von Steuerungsprozessen in die Hirnrinde corticalisation festzustellen Der Motorcortex ist eine relativ junge Entwicklung und kommt nur bei Saugetieren vor Die Ausfuhrung von Bewegungen wird bei Fischen Amphibien Reptilien und auch Vogeln von einem als Archistriatum bezeichneten Kerngebiet im Gehirn gesteuert bei Saugern entspricht dem das Corpus striatum das auch hier an Bewegungsablaufen beteiligt ist Besonders Primaten haben ein ausgepragtes motorisches Rindengebiet Zudem besitzen sie anders auch als alle anderen Sauger viele monosynaptische also direkte Verbindungen des Motorcortex zu den Motoneuronen im Hirnstamm und Ruckenmark Daraus lasst sich ableiten dass die bewusste geplante und fein abgestufte Bewegung einzelner Muskeln nur ihnen moglich ist wahrend bei den meisten Tieren Bewegungsprogramme wahrscheinlich automatischer und ohne grosse willkurliche Eingriffsmoglichkeiten ablaufen Huftiere besitzen im Vergleich dazu eine schwach entwickelte Pyramidenbahn die bereits in der Halsschwellung des Ruckenmarks Intumescencia cervicalis endet und vor allem fur die Mimik eine Rolle spielt Bei Hunden erreichen zwar noch etwa 30 der pyramidalen Fasern die Lendenschwellung des Ruckenmarks Intumescencia lumbalis allerdings enden die Fasern immer an Interneuronen nie direkt an der Vorderhornzelle Eine komplette Schadigung des Motorcortex einer Seite fuhrt daher bei fast allen Nicht Primaten nie zu Plegien sondern zu kontralateralen Storungen der Haltungs und Stellreaktionen Beim Menschen hat sich in seiner evolutionaren Entwicklung insbesondere die Steuerung der Hand und der Sprechmuskulatur immer weiter verfeinert Er besitzt zudem ein im Tierreich einmalig hohes Potential lebenslang neue Bewegungsablaufe zu erlernen Geschichte BearbeitenIm Prinzip war schon seit 1870 bekannt dass die Reizung bestimmter Rindenfelder zu definierten motorischen Reaktionen fuhrt Gustav Theodor Fritsch und Eduard Hitzig hatten damals aufschlussreiche Experimente am Hund durchgefuhrt 12 deren Ergebnisse von David Ferrier durch Versuche am Affen bestatigt und konkretisiert werden konnten 13 John Hughlings Jackson hingegen leitete allein aus der genauen Beobachtung fokaler Anfalle vor allem der oben geschilderten und nach ihm benannten Jackson Anfalle im Wesentlichen zutreffende Theorien uber die Organisation der motorischen Systeme ab Die Entdeckung der Bedeutung und der somatotopen Gliederung der primar motorischen Rinde beim Menschen geht auf den kanadischen Neurochirurgen Wilder Penfield zuruck Durch schwache elektrische Reizung der Hirnrinde von wachen Patienten bei offener Schadelkalotte das Gehirn selbst ist nicht schmerzempfindlich konnte er die Lage einiger Funktionen klaren 1949 entdeckte er so dass sich durch Stimulation des Gyrus praecentralis Zuckungen in konkreten Muskelgruppen auslosen lassen 14 Bedeutung BearbeitenDie ausserordentliche Bedeutung der motorischen Areale auch hinsichtlich philosophischer Erwagungen liegt darin dass sie gewissermassen die Schnittstelle zwischen Bewusstsein und Materie darstellen Nur uber diese Verbindung ist der Mensch in der Lage absichtsvoll und gerichtet seine Umwelt zu beeinflussen sich fortzubewegen und Kontakt zu anderen Individuen aufzunehmen Eindrucksvoll offenbart sich die Wichtigkeit des Motorcortex dann wenn bei vollstandigem Verlust seiner Funktion in der Regel durch Lasion der absteigenden efferenten Bahnen jede willkurliche Kontrolle uber den Korper verloren geht Patienten mit dem so genannten Locked in Syndrom sind bei vollem Bewusstsein und nehmen ihre Umwelt wahr konnen aber nicht mehr reagieren und sind somit praktisch vollig in sich selbst eingeschlossen locked in Lediglich uber vertikale Augenbewegungen ist noch eine Verstandigung moglich Ausblick BearbeitenDerzeit gibt es vielversprechende Versuche gelahmten Menschen mit intaktem Motorcortex z B infolge einer Querschnittsverletzung uber sogenannte Brain Computer Interfaces einen allerdings sehr begrenzten Aktionsrahmen zuruckzugeben Die neuromotorischen Prothesen werden direkt auf die Hirnoberflache im Gebiet der primar motorischen Rinde gesetzt Sie bestehen aus einem Feld von kleinen Elektroden die die Potentiale abgreifen die bei einer Bewegung entstehen movement related potential Auch wenn die physiologische Fortleitung unterbrochen ist konnen so eventuell in Zukunft in einem begrenzten Umfang tetraplegisch Gelahmten Handlungsoptionen gegeben werden wie hier beispielsweise die Steuerung eines Cursors am Computerbildschirm oder die Kontrolle eines Roboterarms 15 Literatur BearbeitenOtto Detlev Creutzfeldt Cortex cerebri Springer Berlin 1983 ISBN 3 540 12193 5 Walle Nauta Michael Feirtag Neuroanatomie Eine Einfuhrung Spektrum Heidelberg 1991 ISBN 3 89330 707 9 Karl Zilles G Rehkamper Funktionelle Neuroanatomie Springer Berlin 1993 ISBN 3 540 54690 1 Detlev Drenckhahn W Zenker Benninghoff Anatomie Urban amp Schwarzenberg Munchen 1994 ISBN 3 541 00255 7 Alexa Riehle Eilon Vaadia Motor Cortex in Voluntary Movements Methods and New Frontiers in Neuroscience CRC Press 2004 ISBN 0 8493 1287 6 Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Motorcortex Sammlung von Bildern Videos und AudiodateienEinzelnachweise Bearbeiten nach K Zilles G Rehkamper Funktionelle Neuroanatomie Springer Berlin 1993 ISBN 3 540 54690 1 nach D Drenckhahn W Zenker Hrsg Benninghoff Anatomie 15 Aufl Urban amp Schwarzenberg Munchen 1994 ISBN 3 541 00255 7 C Grefkes G R Fink The functional organization of the intraparietal sulcus in humans and monkeys In J Anat 2005 207 1 S 3 17 PMID 16011542 Giacomo Rizzolatti et al Premotor cortex and the recognition of motor actions In Brain Res Cogn Brain Res 1996 3 2 S 131 141 PMID 8713554 R Hari et al Activation of human primary motor cortex during action observation a neuromagnetic study In Proc Natl Acad Sci U S A 1998 95 25 S 15061 5 PMID 9844015 U Halsband R K Lange Motor learning in man A review of functional and clinical studies In J Physiol Paris 2006 99 4 6 S 414 424 PMID 16730432 R Q Cui L Deecke High resolution DC EEG analysis of the Bereitschaftspotential and post movement onset potentials accompanying uni or bilateral voluntary finger movements In Brain Topogr 1999 11 3 S 233 249 PMID 10217447 I Kermadi et al Effects of reversible inactivation of the supplementary motor area SMA on unimanual grasp and bimanual pull and grasp performance in monkeys In 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