www.wikidata.de-de.nina.az
Das pyramidale System PS ist ein System der Bewegungssteuerung bei Saugetieren Es bezeichnet eine Ansammlung zentraler Motoneuronen und ihrer in der Pyramidenbahn zusammen verlaufenden Nervenzellfortsatze 1 Das pyramidale System ist bei Primaten und vor allem beim Menschen besonders gut ausgebildet Zusammen mit dem extrapyramidalen System steuert es alle willkurlichen und einen Teil der unwillkurlich ablaufenden Bewegungen Motorik Freipraparierte Pyramidenbahn rot im Bereich des Hirnstammes Seitenansicht von rechts Inhaltsverzeichnis 1 Namensherkunft 2 Aufbau und Funktion 3 Pyramidenbahn 4 Schaden des pyramidalen Systems 5 Literatur 6 EinzelnachweiseNamensherkunft BearbeitenDer Name leitet sich von der anatomischen Struktur Pyramis medullae oblongatae von griech pyramis Pyramide ab ein Vorsprung auf der Vorderflache des Myelencephalons welche an eine schlanke auf den Kopf gestellte Pyramide erinnert 2 3 Falschlicherweise wird oft angenommen der Namen kame von der pyramidenahnlichen Struktur der Perikaryen seiner Ursprungszellen Pyramidenzellen Dies ist auch insofern unrealistisch da Pyramidenzellen nicht nur als Ursprung der Pyramidenbahn vorkommen siehe unten Aufbau und Funktion BearbeitenDas pyramidale System ist fur die Feinmotorik und die willkurliche Motorik zustandig Es hat seinen Ursprung in der Primar motorischen Rinde Gyrus praecentralis also in einem definierten Teil der Grosshirnrinde Dort sitzen die Zellkorper der zentralen Motoneurone bei denen es sich histologisch um Pyramidenzellen handelt Einige auffallig grosse Motoneurone werden als Betz Riesenzellen bezeichnet Die meisten Zellen die das pyramidale System bilden sind jedoch kleinere Pyramidenzellen der motorischen Rinde Die axonalen Fasern der Motoneurone laufen von der Hirnrinde uber die Capsula interna den Hirnstamm und die weisse Substanz des Ruckenmarks zum unteren Motoneuron LMN Das pyramidale System ist beim Menschen besonders gut entwickelt wahrend es bei Tieren nur eine untergeordnete Rolle spielt Betz Riesenzellen sind in der Schicht V Lamina V der motorischen Rinde des Isocortex anzutreffen siehe dazu auch die allgemeine Zytoarchitektonik des Isocortex Genannte Riesenzellen senden zwar alle ihre Axone in die Pyramidenbahn ihr Anteil an diesen Fasern liegt jedoch unter 5 Uber 90 der Fasern wird von kleineren Pyramidenzellen gestellt Solche kleine Pyramidenzellen sind aber uberall im Isocortex und daher uberall auf der Grosshirnrinde vertreten siehe insbesondere Schicht III Lamina III 70 der Nervenzellen im Kortex sind Pyramidenzellen Von ihnen wird der Hauptteil der Informationsverarbeitung getragen Ihr Vorkommen ist also keineswegs auf die motorische Rinde beschrankt Betzsche Riesenzellen bilden in dieser Hinsicht eine Ausnahme 4 5 Pyramidenbahn Bearbeiten nbsp Pyramidenbahn in rot nbsp Querschnitt durch das RuckenmarkPyramidenbahn rot 5 Der Hauptteil des PS ist die Pyramidenbahn Tractus corticospinalis Sie ist beidseits an der Unterseite der Medulla oblongata Myelencephalon als seichter Langswulst Pyramis Pyramide sichtbar In der Pyramidenkreuzung Decussatio pyramidum am Ubergang zwischen Nachhirn und Ruckenmark kreuzen 70 bis 90 Prozent der Neuriten als Tractus corticospinalis lateralis auf die jeweils andere Seite kontralateral die restlichen laufen als Tractus corticospinalis anterior paramedian im Vorderstrang des Ruckenmarks und kreuzen segmental ins Vorderhorn der kontralateralen Seite des Ruckenmarks Einige Bahnen kreuzen uberhaupt nicht sondern verbleiben ipsilateral Das Ausmass der Kreuzung ist aber bei den einzelnen Saugern unterschiedlich Beim Menschen und auch beim Hund kreuzt die Mehrzahl der Fasern Bei Huftieren kreuzt nur etwa die Halfte der Bahnen Siehe auch Kontralateralitat des Vorderhirns Das PS zieht vorwiegend zu den Interneuronen des Ruckenmarks und steuert uber diese die motorischen Wurzelzellen die motorischen Vorderhornzellen im Ruckenmark Einige Fasern gehen direkte monosynaptische Verbindungen ein Schaden des pyramidalen Systems BearbeitenEine einseitige Schadigung des pyramidalen Systems etwa durch einen Schlaganfall fuhrt bei Menschen und anderen Primaten infolge der Pyramidenkreuzung meist zu einer Lahmung Parese der Gegenseite des Korpers Die Lahmung ist nicht vollstandig also keine Plegie da eine extrapyramidale Steuerung in der Regel weiterbesteht und einige Funktionen ubernehmen kann Typisch sind jedoch die sogenannten Pyramidenbahnzeichen der Verlust der Feinmotorik Mitbewegungen anderer Muskelgruppen oder der Gegenseite und eine allgemeine Ungeschicklichkeit Tatsachlich sind diese Symptome jedoch immer Folge einer Lasion mehrerer kortikofugaler Bahnen die nicht nur die Pyramidenbahn betreffen sondern etwa auch die rubrospinale und die laterale reticulospinale Bahn Im Fall einer ausserst seltenen isolierten Schadigung der Pyramidenbahn ubernehmen andere motorische Bahnen weitgehend deren Funktion sodass lediglich geringfugige Storungen der Feinmotorik zu erwarten sind 6 Bei vielen Saugetieren sind die Ausfalle weit weniger dramatisch da das pyramidale System bei ihnen nicht so bedeutsam ist Hier beschranken sich die Schadigungen auf Haltungsstorungen des Halses und den Ausfall der Stellungsreaktionen selbst wenn man den gesamten motorischen Cortex einer Seite entfernt Die arttypischen Bewegungsmuster sind kaum verandert da sie vorwiegend vom extrapyramidalen System und damit von anderen Gehirnteilen ausgehen Die Kreuzung der Pyramidenbahn wurde 1709 erstmals von Domenico Mistichelli 1675 1715 beschrieben Ein Jahr spater wies Francois Pourfour du Petit die Kontralateralitat des motorischen Systems nach Literatur BearbeitenMartin Trepel Neuroanatomie 3 Auflage Urban amp Fischer 2003 ISBN 3 437 41297 3 Franz Viktor Salomon Nervensystem Systema nervosum In Salomon Geyer Gille Hrsg Anatomie fur die Tiermedizin Enke Stuttgart 2004 ISBN 3 8304 1007 7 S 464 577 Einzelnachweise Bearbeiten Hermann Voss Robert Herrlinger Taschenbuch der Anatomie Band III Nervensystem Sinnessystem Hautsystem Inkretsystem Fischer Jena 1964 S 20 Pyramidenbahn Spektrum de abgerufen am 14 Marz 2018 Michael Schunke Erik Schulte Udo Schumacher Ill von Markus Voll Prometheus Kopf Hals und Neuroanatomie 123 Tabellen 4 uberarb u erw Auflage Thieme Stuttgart 2015 ISBN 978 3 13 139544 3 S 298 ff Alfred Benninghoff Kurt Goerttler Lehrbuch der Anatomie des Menschen Dargestellt unter Bevorzugung funktioneller Zusammenhange 3 Band Nervensystem Haut und Sinnesorgane Urban und Schwarzenberg Munchen 1964 S 234 247 Manfred Spitzer Geist im Netz Modelle fur Lernen Denken und Handeln Spektrum Heidelberg 1996 ISBN 3 8274 0109 7 S 95 Stefan Silbernagl Florian Lang Hrsg Taschenatlas der Pathophysiologie 2 Auflage Georg Thieme Verlag KG Stuttgart 2005 ISBN 3 13 102192 6 S 310 Normdaten Sachbegriff GND 4385324 9 lobid OGND AKS Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Pyramidales System amp oldid 234257747