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Vitalismus von lateinisch vitalis Lebenskraft gebend habend von vita Leben ist eine Sammelbezeichnung fur Lehren die als Grundlage alles Lebendigen eine Lebenskraft vis vitalis 1 oder einen besonderen Lebensstoff 2 als eigenstandiges Prinzip annehmen Bei Georg Ernst Stahl stellt die Seele Lebenskraft und Lebensprinzip dar Damit wird ein Wesensunterschied zwischen Organischem und Anorganischem behauptet Die neuzeitliche Lehre vom Vitalismus wurde ankupfend an Stahl und Haller von Theophile de Bordeu in Montpellier 3 begrundet Ein Anhanger des Vitalismus wird als Vitalist bezeichnet Inhaltsverzeichnis 1 Begrifflichkeit 2 Vertreter und Zeiten 2 1 Antike 2 2 Neuzeit 2 3 Moderne 3 Literatur 4 Weblinks 5 EinzelnachweiseBegrifflichkeit BearbeitenDie Bezeichnung Vitalismus ist ein Kampfbegriff aus dem 19 Jahrhundert Ein Gegenentwurf ist der Mechanizismus Um 1878 bis 1900 trat insbesondere in der Medizin neben die mechanistische Erfassung des Lebens und der Krankheit die neue vitalistische 4 Vitalismus und Mechanizismus werden als uberholte Anschauungen bezeichnet statt ihrer bevorzugt die Wissenschaft im 20 und 21 Jahrhundert beide Entwurfe im Systemismus zusammenzufuhren Vertreter und Zeiten BearbeitenAntike Bearbeiten Die Vertreter des Vitalismus werden als Vitalisten bezeichnet Als ein Vorlaufer des Vitalismus kann Aristoteles gelten der das Lebendige als durch ein Lebensprinzip ermoglicht betrachtete welches er Entelechie nannte Allerdings kann seine Metaphysik auch funktionalistisch materialistisch gedeutet werden Weitere Begriffe die die belebte im Unterschied zur unbelebten Natur kennzeichnen waren calor innatus eingepflanzte Warme als gespeichert im Herzen gedacht 5 succus nervosus spiritus animalis Archaus Lebenstonus anima Principe vital oder Lebenkraft 6 In der Physiologie wurden die Seelenformen Platons 5 4 Jahrhundert v Chr die Trager der vitalen Krafte 7 Neuzeit Bearbeiten Bedeutende Vertreter des Vitalismus im engeren Sinne als Lehre von einer Lebenskraft die allen Organen und Geweben als letztes Prinzip des Lebens zukommt und deren normales Funktionieren Gesundheit und deren Versagen Krankheit bedeutet 8 waren Jan Baptist van Helmont 1577 1644 Georg Ernst Stahl 1659 1734 Albrecht von Haller 1708 1777 Theophile de Bordeu 1722 1776 und Johann Friedrich Blumenbach 1752 1840 Die Schule von Montpellier vertritt im ausgehenden 18 und beginnenden 19 Jahrhundert eine eigene Art des Vitalismus die sich von Stahls Anima Lehre Animismus abhebt Ebenfalls Einfluss hatte Stahl auch auf die Weiterentwicklung medizinischer Theorie im Sinne des Vitalismus in Deutschland etwa auf Caspar Friedrich Wolff Hieronymus David Gaub Immanuel Kant Johann Friedrich Blumenbach und Carl Friedrich Kielmeyer Zu den fuhrenden Vitalisten gehorten in Deutschland auch Johann Christian Reil und Christoph Wilhelm Hufeland Im Zeitalters des Vitalismus wurde 1771 1772 der Sauerstoff entdeckt 1777 bis 1789 eine Sauerstoffverbrennungstheorie durch Lavoisier der den Atmungsvorgang mit einer langsamen Verbrennung verglich entwickelt sowie die Kontaktelektrizitat tierische Elektrizitat von Luigi Galvani entdeckt und die moderne Atomtheorie durch John Dalton begrundet 9 Im 19 und fruhen 20 Jahrhundert vertraten auch die Denker der Lebensphilosophie Positionen des Vitalismus Gustav von Bunge erwartete 1887 von der Zukunft eine vitalistische Medizin Der letzte bedeutende Biologe der eine vitalistische Position mit seiner 1893 publizierten neovitalistischen Theorie vertrat Neovitalismus als Bezeichnung fur die neue Richtung der vitalistischen Medizin 1888 von Eduard von Rindfleisch gepragt war Hans Driesch 1867 1941 dessen Lehre in der ersten Halfte des 20 Jahrhunderts Verbreitung fand 10 Er griff dabei den aristotelischen Begriff der Entelechie auf Moderne Bearbeiten Seither besonders seit der Synthese von Harnstoff im Jahr 1828 durch Friedrich Wohler sowie dem Sturz des einseitigen Vitalismus durch Rudolf Hermann Lotze 11 1842 1843 und erst recht seit der spontanen Entstehung von Aminosauren in den Versuchen von Stanley Miller und Harold C Urey 1959 gilt der vitalistische Ansatz in der Biologie als uberholt Es wird dort geschlossen dass Lebenskraft bzw Lebensenergien zur Herstellung organischer Substanzen nicht notwendig sind Von Vitalisten wird hierzu allerdings darauf hingewiesen dass die manipulierte oder spontane Entstehung von einzelnen Lebensbausteinen keineswegs mit der Entstehung belebter Substanz gleichzusetzen sei Merkmale oder Elemente einer vitalistischen Deutung finden sich auch in den Arbeiten von Franz Anton Mesmer animalischer Magnetismus Karl von Reichenbach Od Alfred Russel Wallace a new power vitality Henri Bergson elan vital Alfred North Whitehead creativity Pierre Teilhard de Chardin Radiale Energie Wilhelm Reich Orgon Adolf Portmann Selbstdarstellung Arthur Koestler The Ghost in the Machine Ken Wilber holon Ervin Laszlo Akashic field und Rupert Sheldrake Morphogenetisches Feld sowie in der fernostlichen Vorstellung einer Lebenskraft Prana oder Qi die auch von der modernen westlichen Esoterik aufgegriffen wurde In neuerer Zeit griffen einige Zellbiologen diese Bezeichnung in einem ubertragenen Sinn wieder auf als molekularen Vitalismus 12 Literatur BearbeitenOtto Butschli Mechanismus und Vitalismus W Engelmann Leipzig 1901 Digitalisat Paul Diepgen Heinz Goerke Aschoff Diepgen Goerke Kurze Ubersichtstabelle zur Geschichte der Medizin 7 neubearbeitete Auflage Springer Berlin Gottingen Heidelberg 1960 S 27 und 28 34 Das Zeitalter des Vitalismus Von Albrecht von Haller bis zum Ausklang der Romantik Eve Marie Engels Die Teleologie des Lebendigen Kritische Uberlegungen zur Neuformulierung des Teleologieproblems in der angloamerikanischen Wissenschaftstheorie Duncker und Humblot Berlin 1982 ISBN 3 428 05150 5 Philipp Sarasin Reizbare Maschinen Eine Geschichte des Korpers 1765 1914 Suhrkamp Verlag Frankfurt am Main 2001 ISBN 3 518 29124 6 Weblinks Bearbeiten nbsp Wiktionary Vitalismus Bedeutungserklarungen Wortherkunft Synonyme UbersetzungenEinzelnachweise Bearbeiten Brigitte Lohff Lebenskraft In Werner E Gerabek Bernhard D Haage Gundolf Keil Wolfgang Wegner Hrsg Enzyklopadie Medizingeschichte De Gruyter Berlin New York 2005 ISBN 3 11 015714 4 S 832 Rudolf Eisler Handworterbuch der Philosophie Berlin 1913 S 364 Paul Diepgen Heinz Goerke Aschoff Diepgen Goerke Kurze Ubersichtstabelle zur Geschichte der Medizin 7 neubearbeitete Auflage Springer Berlin Gottingen Heidelberg 1960 S 30 Paul Diepgen Heinz Goerke Aschoff Diepgen Goerke Kurze Ubersichtstabelle zur Geschichte der Medizin 7 neubearbeitete Auflage Springer Berlin Gottingen Heidelberg 1960 S 45 Jutta Kollesch Diethard Nickel Antike Heilkunst Ausgewahlte Texte aus dem medizinischen Schrifttum der Griechen und Romer Philipp Reclam jun Leipzig 1979 Reclams Universal Bibliothek Band 771 6 Auflage ebenda 1989 ISBN 3 379 00411 1 S 183 f Brigitte Lohff Vitalismus In Werner E Gerabek Bernhard D Haage Gundolf Keil Wolfgang Wegner Hrsg Enzyklopadie Medizingeschichte De Gruyter Berlin New York 2005 ISBN 3 11 015714 4 S 1449 1451 hier S 1449 f Paul Diepgen Heinz Goerke Aschoff Diepgen Goerke Kurze Ubersichtstabelle zur Geschichte der Medizin 7 neubearbeitete Auflage Springer Berlin Gottingen Heidelberg 1960 S 9 Paul Diepgen Heinz Goerke Aschoff Diepgen Goerke Kurze Ubersichtstabelle zur Geschichte der Medizin 7 neubearbeitete Auflage Springer Berlin Gottingen Heidelberg 1960 S 30 Paul Diepgen Heinz Goerke Aschoff Diepgen Goerke Kurze Ubersichtstabelle zur Geschichte der Medizin 7 neubearbeitete Auflage Springer Berlin Gottingen Heidelberg 1960 S 27 30 Vgl Paul Diepgen Heinz Goerke Aschoff Diepgen Goerke Kurze Ubersichtstabelle zur Geschichte der Medizin 7 neubearbeitete Auflage Springer Berlin Gottingen Heidelberg 1960 S 27 46 und 63 Paul Diepgen Heinz Goerke Aschoff Diepgen Goerke Kurze Ubersichtstabelle zur Geschichte der Medizin 7 neubearbeitete Auflage Springer Berlin Gottingen Heidelberg 1960 S 36 M Kirschner J Gerhart T Mitchison Molecular vitalism In Cell Nr 100 2000 S 79 88 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Vitalismus amp oldid 236615461