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An die Kulturwelt bekannt als Manifest der 93 war ein Manifest das im September 1914 von Ludwig Fulda als Schriftfuhrer verfasst von 93 Wissenschaftlern Kunstlern und Schriftstellern Deutschlands unterzeichnet und im Oktober 1914 veroffentlicht wurde Das Manifest richtet sich in erster Linie an die im Ersten Weltkrieg noch neutralen Staaten und bestreitet die Vorwurfe welche die Kriegsgegner gegen Deutschland erhoben Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte 2 Wortlaut 3 Unterzeichner 4 Rezeption 5 Literatur 6 Weblinks 7 EinzelnachweiseGeschichte BearbeitenIm Zuge des deutschen Einmarsches in das neutrale Belgien bei Beginn des Ersten Weltkrieges war es zu zahlreichen Ubergriffen deutscher Militars auf die belgische Zivilbevolkerung gekommen Der deutsche Vormarsch stand unter erheblichem Zeitdruck da das strategische Konzept des Schlieffen Plans die militarische Niederwerfung Frankreichs in kurzester Zeit vorsah um anschliessend gegen die russische Offensive im Osten vorgehen zu konnen Vielfach reagierten deutsche Militars drastisch auf tatsachliche oder vermeintliche Sabotageakte belgischer Zivilpersonen Dabei kamen insgesamt mehrere Tausend belgische Zivilisten zu Tode Rape of Belgium Besondere Besturzung bis Emporung erregte auch im neutralen Ausland die Zerstorung der Universitatsstadt Lowen als unter anderem ein unersetzlicher Bestand an mittelalterlichen Buchern und Handschriften der Universitatsbibliothek Lowen in Flammen aufging Die deutschen Armeen wurden daher vor allem im angelsachsischen Raum als kulturzerstorende Barbaren und Hunnen portratiert Als Reaktion auf diese alliierten Vorwurfe beschlossen fuhrende deutsche Publizisten und Intellektuelle ein Manifest abzufassen in dem die Vorwurfe als ungerechtfertigt und die deutschen Massnahmen als Selbstverteidigung in Notwehr dargestellt wurden Der Tenor des Manifestes widerspiegelt die nationalistisch erregte Stimmung des Augusterlebnisses Hinsichtlich der Anzahl der Unterzeichner aber auch der Radikalitat der Aussagen wurde das Manifest von der Erklarung der Hochschullehrer des Deutschen Reiches mit mehr als 3000 Unterzeichnern vom 16 Oktober 1914 noch ubertroffen 1 Der Aufruf wurde vom Kaufmann Erich Buchwald angeregt der uber diese Angelegenheit schon mit dem Schriftsteller Hermann Sudermann geredet hatte An der Vorbereitung waren neben verschiedenen Wissenschaftlern und Schriftstellern auch Vertreter des Aussenministeriums der Chef des Nachrichtenburos des Reichsmarineamtes Heinrich Lohlein und andere der Politik nahestehende Personlichkeiten beteiligt Ludwig Fulda verfasste schliesslich das Manifest in sprachlicher Anlehnung an die 95 Thesen von Martin Luther Die Initiatoren warben seit dem 19 September 1914 personlich und telegraphisch um Unterstutzer Das Spektrum der Unterzeichner war breit gestreut Ausgewiesene Pazifisten wie Albert Einstein Friedrich Wilhelm Foerster Sohn Wilhelm Foersters oder Hermann Hesse wurden indes erst gar nicht gefragt Viele der Unterzeichner vor allem Mitglieder des Goethe Bundes unterzeichneten wohl ohne den Text gekannt zu haben 2 So distanzierte sich etwa Lujo Brentano sehr bald offentlich von dem Aufruf mit der Angabe er habe den Text bei Zusage der Zustimmung nicht gekannt 3 Auch Max Planck machte spater seine Distanzierung geltend hatte aber etwa zwei Wochen spater wie etwa Otto Hahn auch die Erklarung der Hochschullehrer unterzeichnet Die Veroffentlichung erfolgte in allen grossen Zeitungen Deutschlands 4 Wortlaut Bearbeiten An die Kulturwelt Ein AufrufWir als Vertreter deutscher Wissenschaft und Kultur erheben vor der gesamten Kulturwelt Protest gegen die Lugen und Verleumdungen mit denen unsere Feinde Deutschlands reine Sache in dem ihm aufgezwungenen schweren Daseinskampfe zu beschmutzen trachten Der eherne Mund der Ereignisse hat die Ausstreuung erdichteter deutscher Niederlagen widerlegt Um so eifriger arbeitet man jetzt mit Entstellungen und Verdachtigungen Gegen sie erheben wir laut unsere Stimme Sie soll die Verkunderin der Wahrheit sein Es ist nicht wahr dass Deutschland diesen Krieg verschuldet hat Weder das Volk hat ihn gewollt noch die Regierung noch der Kaiser Von deutscher Seite ist das Ausserste geschehen ihn abzuwenden Dafur liegen der Welt die urkundlichen Beweise vor Oft genug hat Wilhelm II in den 26 Jahren seiner Regierung sich als Schirmherr des Weltfriedens erwiesen oft genug haben selbst unsere Gegner dies anerkannt Ja dieser namliche Kaiser den sie jetzt einen Attila zu nennen wagen ist jahrzehntelang wegen seiner unerschutterlichen Friedensliebe von ihnen verspottet worden Erst als eine schon lange an den Grenzen lauernde Ubermacht von drei Seiten uber unser Volk herfiel hat es sich erhoben wie ein Mann Es ist nicht wahr dass wir freventlich die Neutralitat Belgiens verletzt haben Nachweislich waren Frankreich und England zu ihrer Verletzung entschlossen Nachweislich war Belgien damit einverstanden Selbstvernichtung ware es gewesen ihnen nicht zuvorzukommen Es ist nicht wahr dass eines einzigen belgischen Burgers Leben und Eigentum von unseren Soldaten angetastet worden ist ohne dass die bitterste Notwehr es gebot Denn wieder und immer wieder allen Mahnungen zum Trotz hat die Bevolkerung sie aus dem Hinterhalt beschossen Verwundete verstummelt Arzte bei der Ausubung ihres Samariterwerkes ermordet Man kann nicht niedertrachtiger falschen als wenn man die Verbrechen dieser Meuchelmorder verschweigt um die gerechte Strafe die sie erlitten haben den Deutschen zum Verbrechen zu machen Es ist nicht wahr dass unsere Truppen brutal gegen Lowen gewutet haben An einer rasenden Einwohnerschaft die sie im Quartier heimtuckisch uberfiel haben sie durch Beschiessung eines Teils der Stadt schweren Herzens Vergeltung uben mussen Der grosste Teil von Lowen ist erhalten geblieben Das beruhmte Rathaus steht ganzlich unversehrt Mit Selbstaufopferung haben unsere Soldaten es vor den Flammen bewahrt Sollten in diesem furchtbaren Kriege Kunstwerke zerstort worden sein oder noch zerstort werden so wurde jeder Deutsche es beklagen Aber so wenig wir uns in der Liebe zur Kunst von irgend jemand ubertreffen lassen so entschieden lehnen wir es ab die Erhaltung eines Kunstwerks mit einer deutschen Niederlage zu erkaufen Es ist nicht wahr dass unsere Kriegfuhrung die Gesetze des Volkerrechts missachtet Sie kennt keine zuchtlose Grausamkeit Im Osten aber trankt das Blut der von russischen Horden hingeschlachteten Frauen und Kinder die Erde und im Westen zerreissen Dumdumgeschosse unseren Kriegern die Brust Sich als Verteidiger europaischer Zivilisation zu gebarden haben die am wenigsten das Recht die sich mit Russen und Serben verbunden und der Welt das schmachvolle Schauspiel bieten Mongolen und Neger auf die weisse Rasse zu hetzen Es ist nicht wahr dass der Kampf gegen unseren sogenannten Militarismus kein Kampf gegen unsere Kultur ist wie unsere Feinde heuchlerisch vorgeben Ohne den deutschen Militarismus ware die deutsche Kultur langst vom Erdboden getilgt Zu ihrem Schutz ist er aus ihr hervorgegangen in einem Lande das jahrhundertelang von Raubzugen heimgesucht wurde wie kein zweites Deutsches Heer und deutsches Volk sind eins Dieses Bewusstsein verbrudert heute 70 Millionen Deutsche ohne Unterschied der Bildung des Standes und der Partei Wir konnen die vergifteten Waffen der Luge unseren Feinden nicht entwinden Wir konnen nur in alle Welt hinausrufen dass sie falsches Zeugnis ablegen wider uns Euch die Ihr uns kennt die Ihr bisher gemeinsam mit uns den hochsten Besitz der Menschheit gehutet habt Euch rufen wir zu Glaubt uns Glaubt dass wir diesen Kampf zu Ende kampfen werden als ein Kulturvolk dem das Vermachtnis eines Goethe eines Beethoven eines Kant ebenso heilig ist wie sein Herd und seine Scholle Dafur stehen wir Euch ein mit unserem Namen und mit unserer Ehre 93 Unterzeichnende Manifest vom 4 Oktober 1914 5 Unterzeichner BearbeitenAdolf von Baeyer Peter Behrens Emil Adolf von Behring Wilhelm von Bode Alois Brandl Lujo Brentano Justus Brinckmann Johannes Ernst Conrad Franz Defregger Richard Dehmel Adolf Deissmann Friedrich Wilhelm Dorpfeld Friedrich von Duhn Paul Ehrlich Albert Ehrhard Carl Engler Gerhard Esser Rudolf Christoph Eucken Herbert Eulenberg Heinrich Finke Emil Fischer Wilhelm Foerster Ludwig Fulda Eduard Gebhardt Johann Jacobus Maria de Groot Fritz Haber Ernst Haeckel Max Halbe Adolf von Harnack Carl Hauptmann Gerhart Hauptmann Gustav Hellmann Wilhelm Herrmann Andreas Heusler Adolf von Hildebrand Ludwig Hoffmann Engelbert Humperdinck Leopold Graf von Kalckreuth Arthur Kampf Friedrich August von Kaulbach Theodor Kipp Felix Klein Max Klinger Alois Knoepfler Anton Koch Paul Laband Karl Lamprecht Philipp Lenard Maximilian Lenz Max Liebermann Franz von Liszt Karl Ludwig Manzel Joseph Mausbach Georg von Mayr Sebastian Merkle Eduard Meyer Heinrich Morf Friedrich Naumann Albert Neisser Walther Hermann Nernst Wilhelm Ostwald Bruno Paul Max Planck Albert Plehn Georg Reicke Max Reinhardt Alois Riehl Carl Robert Wilhelm Rontgen Max Rubner Fritz Schaper Adolf Schlatter August Schmidlin Gustav von Schmoller Reinhold Seeberg Martin Spahn Franz von Stuck Hermann Sudermann Hans Thoma Wilhelm Trubner Karl Gustav Vollmoeller Richard Voss Karl Vossler Siegfried Wagner Heinrich Wilhelm Waldeyer August von Wassermann Felix von Weingartner Theodor Wiegand Wilhelm Wien Ulrich von Wilamowitz Moellendorff Richard Willstatter Wilhelm Windelband Wilhelm WundtRezeption Bearbeiten nbsp Destroy This Mad Brute Enlist US Propagandaplakat von 1917 das Deutschland als wilde Bestie zeichnet Der Knuppel ist in Anspielung auf das Manifest der 93 mit Kultur beschriftet Dem Manifest wurde als Mittel der Propaganda im Ersten Weltkrieg im In und Ausland eine beachtliche Aufmerksamkeit zuteil Es galt Kritikern als ein Beispiel fur eine arrogante und naive Selbstuberschatzung der damaligen deutschen Intellektuellen Im Inland trug der Aufruf zur allgemeinen Kriegsbegeisterung in Deutschland bei und war auch Folge derselben Die Begrundung des Krieges mit dem Begriff der Kultur wurde allgemein als Ausdruck eines nationalen Sonderwegsbewusstseins wahrgenommen Am deutschen Wesen soll die Welt genesen 6 Demgegenuber fanden deutsche Gegendarstellungen kaum Beachtung Die angebliche Gegendarstellung in Ludwig Steins Zeitschrift Nord und Sud mit der Unterschrift von etwa vierzig Personlichkeiten 7 hat es nie gegeben 8 Der von Georg Friedrich Nicolai um die gleiche Zeit verfasste Aufruf an die Europaer wurde lediglich von Albert Einstein Otto Buek und Wilhelm Foerster der damit seine vorige Unterstutzung des Manifests der 93 zurucknahm unterzeichnet wahrend die uberwiegende Mehrheit der Angeschriebenen es ablehnte ihn offentlich zu unterstutzen so dass Nicolai auf eine umgehende Veroffentlichung in Deutschland verzichtete Erwartungsgemass bestenfalls kuhl distanziert reagierte man auf das Manifest in den neutralen Niederlanden in Schweden und in den USA Kaum beeindruckt zeigte sich die Offentlichkeit in Grossbritannien Britische Wissenschaftler veroffentlichten am 21 Oktober 1914 ihre Antwort an die deutschen Professoren Den Hass auf Deutschland verstarkt hat der Aufruf in Frankreich 3 Der franzosische Ministerprasident Georges Clemenceau bezeichnete im Dezember 1918 die Erklarung der 93 als das schlimmste deutsche Kriegsverbrechen schlimmer als die Verwustungen Frankreichs und die Verschleppung von Zivilisten 9 Literatur BearbeitenUlf Gerrit Meyer Rewerts Hagen Stockmann Das Manifest der 93 Ausdruck oder Negation der Zivilgesellschaft In Johanna Klatt Robert Lorenz Hrsg Manifeste Geschichte und Gegenwart des politischen Appells Bielefeld 2011 ISBN 978 3 8376 1679 8 S 113 134 Renate Feyl Bilder ohne Schatten Greifenverlag zu Rudolstadt 1977 enthalt biographische Skizzen zu den Unterzeichnern des Manifest der 93 Ernst Haeckel Wilhelm Foerster und Wilhelm von Bode Karl Leutner Herbert Scurla 10 Deutsche auf die wir stolz sind Folge 1 von 2 Verlag der Nation 1955 enthalt biographische Skizzen zu den Unterzeichnern des Manifest der 93 Ernst Haeckel Wilhelm Rontgen Max Planck und Paul Ehrlich Jurgen von Ungern Sternberg Wolfgang von Ungern Sternberg Der Aufruf An die Kulturwelt Das Manifest der 93 und die Anfange der Kriegspropaganda im Ersten Weltkrieg mit einem Beitrag von Trude Maurer Menschen und Strukturen Historisch sozialwissenschaftliche Studien Band 21 2 erweiterte Auflage Peter Lang Frankfurt am Main u a 2013 ISBN 978 3 631 64167 5 Herbert Gantschacher Kriegspropaganda und das Manifest der 93 in Herbert Gantschacher VIKTOR ULLMANN ZEUGE UND OPFER DER APOKALYPSE WITNESS AND VICTIM OF THE APOCALYPSE Testimone e vittima dell Apocalisse Pric in zrtev apokalipse Svedek a obet apokalypsy Ungekurzte Originalausgabe in deutscher und englischer Sprache mit Zusammenfassungen in italienischer slowenischer und tschechischer Sprache ARBOS Edition ISBN 978 3 9503173 3 6 Arnoldstein Klagenfurt Salzburg Wien Prora Prag 2015 S 38 Weblinks BearbeitenText des Manifests in Abschrift Text des Manifests in Original S 593 Jurgen von Ungern Sternberg Interview Der Aufruf An die Kulturwelt Eine trotzige Uberreaktion Sozialistische Positionen Deutsche Kriegskultur 1914 Der Aufruf An die Kulturwelt das Manifest der 93 und die Anfange der Kriegspropaganda im ersten Weltkrieg in der Google BuchsucheEinzelnachweise Bearbeiten Hans Ulrich Wehler Deutsche Gesellschaftsgeschichte Band 4 Vom Beginn des Ersten Weltkriegs bis zur Grundung der beiden deutschen Staaten 1914 1949 Munchen 2003 S 19 Jurgen von Ungern Sternberg im Interview mit der Gerda Henkel Stiftung a b Rudiger vom Bruch u a Gelehrtenpolitik Sozialwissenschaften und akademische Diskurse in Deutschland im 19 und 20 Jahrhundert Stuttgart 2006 S 164 Die Spiegelserie uber den 1 Weltkrieg und die Folgen Spiegel special 1 2004 An die Kulturwelt Memento vom 17 Februar 2010 im Internet Archive Jurgen von Ungern Sternberg Wolfgang von Ungern Sternberg Der Aufruf An die Kulturwelt Das Manifest der 93 und die Anfange der Kriegspropaganda im Ersten Weltkrieg mit einem Beitrag von Trude Maurer Menschen und Strukturen Historisch sozialwissenschaftliche Studien Band 21 2 erweiterte Auflage Peter Lang Frankfurt am Main u a 2013 ISBN 978 3 631 64167 5 Peter Hoeres Der Krieg der Philosophen Die deutsche und britische Philosophie im Ersten Weltkrieg Ferdinand Schoningh 2004 ISBN 978 3 506 71731 3 J und W von Ungern Sternberg a O S 205 f Gerd Krumeich Ungezwungen begehen in FAZ 18 November 2017 S 14 Nationalsozialist nach 1945 staatlicher Funktionar der DDR Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Manifest der 93 amp oldid 234542951