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Als Westgotische Architektur bezeichnet man den praromanischen Baustil des Westgotenreiches das in der Spatantike im Westen des Romischen Reiches zunachst als Tolosanisches Reich entstand und bis zur maurischen Eroberung 711 n Chr als Reich von Toledo auf der Iberischen Halbinsel bestand Im christlich gebliebenen Norden entwickelte sich als Vorlaufer der romanischen Architektur die asturische Praromanik In Al Andalus dem sudlichen Teil der Halbinsel schufen unter maurischer Herrschaft lebende Christen die mozarabische Architektur die von der Architektur des Islam gepragt war Sie verbreitete sich mit Fortschreiten der Reconquista im christlichen Spanien Santa Lucia del Trampal aus dem 7 JahrhundertSan Pedro de la Nave Inhaltsverzeichnis 1 Geschichtlicher Hintergrund 2 Architektur 2 1 Baumaterial 2 2 Grundriss 2 3 Decken und Gewolbe 2 4 Hufeisenbogen 2 5 Saulen Kapitelle und Kampfer 2 6 Camara oculta 3 Westgotische Bauwerke 3 1 Frankreich 3 2 Spanien 3 3 Portugal 4 Literatur 5 Weblinks 6 EinzelnachweiseGeschichtlicher Hintergrund Bearbeiten nbsp Entwicklung des Westgotenreiches Rotorange Westgoten in Aquitanien ab 418 orange und hellorange Ausbreitung des Westgotenreiches bis 507 orange Westgotenreich mit Septimanien zwischen 507 und 552 grun Suebenreich ab 585 zum Westgotenreich nbsp WestgotenreichBlaugrun zwischen 552 und 585 rot Suebenreich hellgrun Basken gelb Ostromische Provinz Spania von 552 553 bis 625Die Westgoten gelangten wahrend der Volkerwanderung ins heutige Westfrankreich wo sie zunachst als Foederaten des Romischen Reichs siedelten Dort entstand das Tolosanisches Reich benannt nach der Hauptstadt Tolosa dem heutigen Toulouse Die Westgoten dehnten das Reich im Norden bis zur Loire und im Osten bis zur Rhone aus Im Suden erstreckte es sich uber grosse Teile der Iberischen Halbinsel Unter Konig Eurich reg 466 484 erreichte es seine grosste Ausdehnung Im Jahr 507 eroberten die Franken unter Konig Chlodwig I reg 482 511 den grossten Teil der westgotischen Gebiete nordlich der Pyrenaen ausgenommen Septimanien Roussillon und eines Teils des Languedoc Die Westgoten zogen sich auf die Iberische Halbinsel zuruck Neue Hauptstadt wurde zunachst Barcino Barcelona Unter dem Konig Leovigild reg 569 586 wurde Toledo Hauptstadt des nach ihr benannten Toledanischen Reiches Die Westgoten waren Anhanger des Arianismus einer christlichen Lehre der zufolge Jesus Christus nicht als wesensgleich mit Gottvater sondern nur als wesensahnlich und von diesem geschaffen angesehen wurde Diese Lehre widersprach der katholischen Trinitatslehre und war ein Hindernis fur die Assimilation der Westgoten mit den uberwiegend hispanischen Einwohnern der Halbinsel Die Westgoten stellten nur etwa 10 der Bevolkerung dar hatten aber die politische Macht inne Im Jahr 587 trat Konig Rekkared I reg 586 601 zum katholischen Glauben uber und anlasslich des dritten Konzils von Toledo im Jahr 589 folgte ihm die westgotische Bevolkerung Dies loste eine religiose Bewegung aus in deren Folge neue Kloster und Kirchen gegrundet wurden Das toledanische Westgotenreich bestand bis zur maurischen Eroberung der Iberischen Halbinsel im Jahr 711 Architektur Bearbeiten nbsp Sao Frutuoso de MonteliosDer uberwiegende Teil der aus westgotischer Zeit erhaltenen Gebaude sind Kirchen Profanbauten sind nicht erhalten sie wurden ublicherweise damals nicht aus Stein sondern aus verganglichen Materialien wie Lehm Holz und Schilfstroh errichtet Heute sind davon nur noch in Ausnahmefallen wenige archaologische Spuren nachweisbar Baumaterial Bearbeiten Die Kirchen der Westgotenzeit sind ab der zweiten Halfte des 6 Jahrhunderts meist aus grossen sorgfaltig behauenen Steinquadern errichtet die in regelmassigen Schichten und ohne Mortel aneinandergefugt wurden Sie erinnern an romische Bauten Zwischenzeitlich war diese Technik aufgegeben worden 1 Dies hebt sie deutlich von den fruhchristlichen Bauten der Iberischen Halbinsel ab die aus Bruchsteinmauerwerk opus incertum Mauerziegeln und Holz errichtet waren Grundriss Bearbeiten Der Grundriss der Kirchen ist haufig ein griechisches Kreuz z B in Santa Comba de Bande Sao Frutuoso de Montelios und Santa Maria de Melque Uber dem Schnittpunkt der Kreuzarme erhebt sich ein quadratischer turmartiger Aufbau Bei der Kapelle Sao Frutuoso de Montelios die in ihrem Aufbau an das Mausoleum der Galla Placidia in Ravenna erinnert enden drei Arme in hufeisenformigen Apsiden In Santa Maria de Melque schliesst sich an den ostlichen Arm eine hufeisenformige Apsis an Die Kirchen San Juan de Banos und Santa Maria de Quintanilla de las Vinas von der nur noch die Apsis und ein verkurztes Querhaus erhalten sind entsprechen der Gebaudeform der fruhchristlichen Basilika Sie sind dreischiffig und ihr Grundriss ist ein lateinisches Kreuz An das Langhaus schliessen sich im Osten in der Regel eine oder mehrere Apsiden an die quadratisch halbrund oder hufeisenformig sein konnen Auffallig sind an manchen Kirchen seitlich weit uber die Flucht des Langhauses hinaus ragende Querhauser deren Arme je eine weitere nach Osten gerichtete Apsis haben so etwa ursprunglich in San Juan de Banos die Seitenarme des Querschiffs sind hier nicht erhalten Die Eingange dieser Kirchen befinden sich im Westen Allerdings gab es auch Kirchen mit je einer Apsis an jedem Ende des Langhauses Hier waren die Zugange dann seitlich gelegt Typisch fur grossere Kirchen ist eine Solea 2 ein mit Schranken abgegrenzter Bereich im Chorraum wohl eine bauliche Trennung zwischen Gottesdienstbesuchern und Priestern nbsp Santa Comba de Bande nbsp Sao Frutuoso de Montelios nbsp Santa Maria de Melque nbsp Santa Maria de Quintanilla de las Vinas nbsp San Juan de BanosDecken und Gewolbe Bearbeiten Bei den Kirchen mit basilikalem Grundriss tragen die Haupt und Seitenschiffe Holzdecken Bei den Zentralbauten besitzen die Kreuzarme in der Regel ein Tonnengewolbe Die Apsiden sind mit Tonnengewolben oder Kalotten gedeckt Hufeisenbogen Bearbeiten Hufeisenbogen kommen in der westgotischen Architektur haufig vor Sie wurden bereits in Syrien und Kleinasien verwendet und finden sich in den fruhchristlichen Kirchen der Spatantike 3 Sie werden oft als typisch maurisches Stilelement betrachtet und finden sich auch in den Bauwerken der mozarabischen Architektur und im maurischen Spanien Im Unterschied zum mozarabischen Hufeisenbogen ist der westgotische nicht so eng geschlossen und nicht von einem Alfiz eingefasst Auch verzichtet der westgotische Hufeisenbogen oft auf einen Schlussstein und weist auf beiden Seiten die gleiche Anzahl Keilsteine auf Die unteren Keilsteine sind grosser als die oberen Laibung und Bogenrucken verlaufen konzentrisch Hufeisenbogen wurden sowohl fur Gurt als auch fur Schildbogen verwendet Wie in San Juan de Banos oder San Pedro de la Nave stehen sie zwischen Haupt und Seitenschiffen und verbinden die Apsis mit dem Langhaus Auf ihnen ruht der Vierungsaufsatz nbsp Santa Comba de Bande nbsp Santa Maria de Melque nbsp San Juan de BanosSaulen Kapitelle und Kampfer Bearbeiten nbsp San Pedro de la Nave Daniel in der LowengrubeFur Saulen und Kapitelle wurden haufig Spolien aus romischer Zeit verwendet In Santa Comba de Bande sind die Kapitelle Nachahmungen korinthischer Vorbilder In Santa Maria de Melque verlauft sowohl aussen unter dem Dachansatz als auch innen unter dem Ansatz des Gewolbes ein schlichter profilierter Fries der sich auch auf den Kampfern fortsetzt In San Juan de Banos zieren Rosetten und Vierpasse die Friese des Innenraumes und den Hufeisenbogen des Portals In Santa Maria de Quintanilla de las Vinas sind auch die Keilsteine des Triumphbogens mit einem Fries aus Weinranken die sich um Trauben Blatter und Vogel schlingen versehen Figurliche Darstellungen findet man an den beiden Kampferblocken auf denen der Triumphbogen aufliegt Auf beiden Seiten halten zwei Engel ein Medaillon mit einer bartigen Figur Die rechte Figur ist durch einen Strahlenkranz uber dem Kopf und die Inschrift SOL Sonne bezeichnet die linke Figur mit einer Mondsichel und den Buchstaben LUNA Mond SOL und LUNA gelten als Symbole fur Christus Auf Steinblocken in der Apsis sind Figuren dargestellt die Bucher in Handen halten und als Evangelisten gedeutet werden In San Pedro de la Nave verlauft an den Kampfern ein Fries von Weinranken Vogeln und menschlichen Kopfen Ein anderer Fries weist geometrische Motive wie Quadrate und in Taubandern gefasste Kreise mit Weinreben Blutenblattern und Sonnenradern auf An zwei Kapitellen sind biblische Szenen dargestellt Abraham opfert seinen Sohn Isaak und Daniel in der Lowengrube seitlich die Apostel Simon Petrus Paulus Thomas und Philippus Die figurlichen Szenen gelten als Vorlaufer des Skulpturenschmucks romanischer Kapitelle nbsp San Pedro de la Nave nbsp Santa Maria de Quintanilla de las Vinas SOL nbsp Santa Maria de Quintanilla de las Vinas LUNA nbsp Sao Giao bei NazareCamara oculta Bearbeiten Wie auch in den Kirchen der asturischen Praromanik und den mozarabischen Kirchen weisen die Kirchen San Pedro de la Nave oder Santa Comba de Bande uber der Apsis eine sogenannte camara oculta eine verborgene oder blinde Kammer auf Wahrend diese Kammern in den asturischen Kirchen eine grosse oft als Dreierarkade gestaltete Offnung nach aussen besitzen z B San Tirso in Oviedo oder San Pedro de Nora sind die Kammern der westgotischen Kirchen nur zum Kircheninnenraum geoffnet und nur uber eine Leiter zuganglich Ihre Bedeutung ist nicht geklart Westgotische Bauwerke BearbeitenFrankreich Bearbeiten In der ehemaligen franzosischen Region Languedoc Roussillon heute Okzitanien dem einstigen Septimanien das auch nach der frankischen Eroberung des tolosanischen Reiches zum Westgotenreich gehorte sind noch an einigen landlichen Kapellen des 9 und 10 Jahrhunderts Merkmale der westgotischen Architektur nachzuweisen Chapelle Saint Jerome in Argeles sur Mer im Departement Pyrenees Orientales 10 Jahrhundert Chapelle Saint Georges in Lunas im Departement Herault Chapelle Saint Laurent in Moussan im Departement Aude 9 Jahrhundert Chapelle Saint Martin de Fenollar in Maureillas las Illas im Departement Pyrenees Orientales 10 Jahrhundert Chapelle Saint Nazaire in Roujan im Departement Herault 9 10 Jahrhundert Kirche Saint Martin in Saint Martin des Puits im Departement Aude 9 Jahrhundert Chapelle Saint Michel in Sournia im Departement Pyrenees Orientales 10 Jahrhundert Ehemalige Kathedrale Notre Dame du Bourg in Digne les Bains 4 Baptisterium St Jean in Poitiers Auf den Fundamenten eines alteren Gebaudes wurde um 500 ein Neubau errichtet 5 In Toulouse der Hauptstadt der ehemaligen Region Midi Pyrenees heute Okzitanien Der Palast der westgotischen Konige wurde 1988 zum Teil archaologisch ausgegraben Allein der Westflugel hatte eine Grundflache von 90 30 m Sidonius Apollinaris hat die Anlage beschrieben 6 Notre Dame de la Daurade Die westgotische Kirche stand als Chor der mittelalterlichen Kirche bis sie 1761 fur einen Neubau abgerissen wurde 7 St Pierres des Cuisines wurde auf einem Friedhof ausserhalb der Stadtmauer errichtet Die Kirche ist als Bodendenkmal 1984 bis 1986 ausgegraben worden 8 Ein Profanbau ungeklarter Funktion des 5 Jahrhunderts lag unmittelbar nordlich von St Pierres des Cuisines und wurde 1995 entdeckt 9 Vorgangerbau der mittelalterlichen Basilika Saint Martin de Tours in Tours 10 Spanien Bearbeiten Hauptartikel Liste westgotischer Architekturdenkmaler in Spanien Baskenland Ermita San Julian y Basilisa in Zalduendo Provinz Alava Extremadura Santa Lucia del Trampal in Alcuescar Provinz Caceres Galicien Santa Comba de Bande Provinz Ourense Kastilien La Mancha San Pedro de la Mata Provinz Toledo Santa Maria de Melque bei La Puebla de Montalban Provinz Toledo Kastilien Leon Krypta von San Antolin in der Kathedrale San Antolin in Palencia San Juan de Banos Provinz Palencia San Pedro de la Nave Provinz Zamora Santa Maria de Quintanilla de las Vinas Provinz Burgos Portugal Bearbeiten Sao Frutuoso de Montelios bei Braga Regiao Norte Sao Pedro de Balsemao bei Lamego Regiao Centro Die Friedhofskirche von Mertola wurde im 19 Jahrhundert und 1980 ausgegraben Inschriften belegen die Jahre 462 und 507 bis 571 11 In der Romischen Villa Torre de Palma bei Monforte wurde im 6 Jahrhundert eine altere Basilika umgebaut unter anderem eine Apsis an jedem Ende angefugt und im 7 Jahrhundert ein mehrraumiges Baptisterium angebaut Die Anlage ist ein Bodendenkmal und wurde 1947 sowie 1983 bis 1997 ausgegraben 12 Sao Giao bei Nazare Regiao Centro Literatur BearbeitenJaime Cobreros Guia del Prerromanico en Espana Madrid 2006 ISBN 84 9776 215 0 Jacques Fontaine L Art Preroman Hispanique Band 1 2 Auflage Editions Zodiaque Abbaye de la Pierre Qui Vire 1973 Jacques Lugand Jean Nougaret Robert Saint Jean Languedoc Roman Band 1 2 Auflage Editions Zodiaque Abbaye de la Pierre Qui Vire 1985 ISBN 2 7369 0017 0 Pedro de Palol Max Hirmer Kunst des fruhen Mittelalters vom Westgotenreich bis zum Ende der Romanik Hirmer Verlag Munchen 1991 ISBN 3 7774 5730 2 Helmut Schlunk Theodor Hauschild Denkmaler der fruhchristlichen und westgotischen Zeit Hispania Antiqua Verlag Philipp von Zabern Mainz 1978 ISBN 3 8053 0276 2 Matthias Untermann Architektur im fruhen Mittelalter Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2006 ISBN 978 3 534 03122 1 Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Westgotische Architektur Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien L Espagne wisigothique franzosisch Einzelnachweise Bearbeiten Untermann Architektur im fruhen Mittelalter S 30 Untermann Architektur im fruhen Mittelalter S 28 Palol Hirmer Kunst des fruhen Mittelalters S 16 Untermann Architektur im fruhen Mittelalter S 19 Untermann Architektur im fruhen Mittelalter S 20 Untermann Architektur im fruhen Mittelalter S 17 Untermann Architektur im fruhen Mittelalter S 17f Untermann Architektur im fruhen Mittelalter S 18 Untermann Architektur im fruhen Mittelalter S 18f Untermann Architektur im fruhen Mittelalter S 19 Untermann Architektur im fruhen Mittelalter S 30 Untermann Architektur im fruhen Mittelalter S 29f Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Westgotische Architektur amp oldid 236638844