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Unter deutschem Recht wird rechtshistorisch das auf germanischen Stammesrechten beruhende und dabei insbesondere auf sachsische und frankische Rechtsauffassungen zuruckgehende Recht verstanden Es bildet zusammen mit dem romischen Recht und dem kanonischen Recht eine Trias von Rechtsquellen die ab dem Hochmittelalter das Gemeine Recht bildeten und damit massgeblich fur die Entwicklung des europaischen Rechts waren 1 Das deutsche Recht in diesem Sinne darf nicht mit dem heute in Deutschland geltenden Recht verwechselt werden Der Begriff bezieht sich allein auf eine historische Epoche und deren Rechtstraditionen die im fruhmittelalterlichen 6 Jahrhundert beginnt und bis ins fruhe 12 Jahrhundert reicht Zwar streitig dennoch mehrheitlich geht die moderne Forschung davon aus dass sich im Mittelalter ein einheitliches gesamtdeutsches Recht gebildet habe Bis heute bestehen die deutsch kanonisch romischrechtlichen Traditionen in Deutschland nebeneinander Die geltende Rechtsordnung speist sich aus allen diesen Quellen So sind beispielsweise im deutschen BGB die Regelungen des Eigentums romischrechtlich beeinflusst die des Besitzes deutschrechtlich Inhaltsverzeichnis 1 Germanisches bis mittelalterliches Recht 2 Zweite Halfte des 15 Jahrhunderts bis zur Rechtsvereinheitlichung Ende des 19 Jahrhunderts 3 Literatur 4 Weblinks 5 EinzelnachweiseGermanisches bis mittelalterliches Recht BearbeitenDas altere germanische Recht war ein mundlich uberliefertes Gewohnheitsrecht der Volksgerichte Thing Zur Zeit der Volkerwanderung entstanden fur die Angehorigen der einzelnen Stamme jeweils Stammesrechte germanische Volksrechte 2 Im Frankischen Reich trat das auf koniglichen Verordnungen Kapitularien beruhende Reichsrecht hinzu fruhmittelalterliche Kaiserstaatsgewalt umgeben von fest umrissenen adelig klerikalen Kulturstrukturen In der Zeit des Mittelalters entwickelten sich die aus den fruhmittelalterlichen Ranggesellschaften herruhrenden Stammesrechte zu Landrechten fur die Bevolkerung eines bestimmten geografischen Raumes Daneben bestanden Sonderrechte fur bestimmte Berufs oder Personenkreise Lehns Hof und Stadtrechte Grundsatzliche Orientierung fur die Rechtsordnung gaben die Besitzverhaltnisse an Grund und Boden sowie die mit ihm verbundenen Leistungen und Abgabepflichten Die Rechtsordnung des Adels bestand im Wesentlichen im Lehnsrecht Die Bauern waren zum Teil freie und rechtlich unabhangige Grundbesitzer und zum Teil in kirchliche oder adelige Grundherrschaft eingegliedert Die Reichsgesetzgebung beschrankte sich im Ubrigen auf einzelne Verfassungsgesetze so beispielsweise die Goldene Bulle von 1356 Im 13 Jahrhundert entstandene Rechtsbucher wie das Muhlhauser Reichsrechtsbuch der Sachsenspiegel oder der Schwabenspiegel trugen zu grosserer Rechtsangleichung bei Insbesondere der Sachsenspiegel uberdauerte die Zeit des spateren Mittelalters und der fruhen Neuzeit recht unbeschadet weshalb Quellenzitate des Mittelalters 3 hieraus bei Heineccius und Beyer dominierten 4 Das deutsche Recht des Mittelalters war inhaltlich stark von sittlich rechtlicher Auseinandersetzung gepragt und trug einen genossenschaftlich orientierten sozialen Geist Elementare Gefuhle wie Rache bei Ehr und Korperverletzung und Werte wie Kraft und Mut waren ausserordentlich vital 5 Im naturalwirtschaftlich gepragten Agrarland Deutschland ankerte die Gesellschaftsordnung im Feudalismus Die Oberschicht der sich in verschiedene standische Gruppen unterteilende landbesitzende Adel baut sich auf der einen Seite auf die Unterschicht die landbebauende bauerliche Bevolkerung entwickelt sich auf der anderen Seite 6 Erst mit Anbruch des Hochmittelalters mithin ab der zweiten Halfte des 12 Jahrhunderts entwickelten sich mit den Stadten Handel und Gewerbe im geldwirtschaftlichen Sinne und damit ordnungsrechtliche Aspekte der Verhaltnisse am Grundbesitz Ein Staat mit Beamtenapparat stehendem Heer und Polizei war freilich noch nicht vorhanden Die im Hochmittelalter geschaffene Standeordnung blieb in ihren Grundzugen bis zu den Zeiten der franzosischen Revolution bestehen Markiert war die Gesellschaftsordnung durch ein beschrankt befugtes Burgertum und den Vorzug des Adels bei gleichzeitigem Ausschluss der Bauern von der politischen Willensbildung 5 Hervorzuheben ist dass das Hochmittelalter ein besonders ausgepragtes Prozesswesen kannte Anders als heute oblagen dem Richter im Rechtsverfahren nur die Verhandlungsfuhrung und die Verkundung des Urteils das er bei den Schoffen in den Grafengerichten waren das Grundbesitzer des Gerichtssprengels zu erfragen hatte Dem Richter selbst kam keine Entscheidungsgewalt zu Die zugrundeliegenden Parteiantrage erzeugten strenge Bindungswirkung was zum Brauch fuhrte sie an Fursprecher zu delegieren um ihnen Disponibilitat zu verleihen Als Beweismittel dienten der Eid haufig ausgetragen mit Eideshelfern und der gerichtliche Zweikampf der als Gottesurteil uber Schuld und Unschuld entschied Urteile waren nicht im modernen Sinne rechtsmittelbehaftet konnten aber gescholten werden was in der Folge einen unmittelbaren Prozess zwischen der vortragenden Partei und dem Richter nach sich zog An Strafen war aus der germanischen Zeit die Busszahlung tradiert aus dem Fruhmittelalter korperliche Verstummelungen Daneben trat im Hochmittelalter eine insgesamt scharfere Gangart durch peinliche Befragungen talionsrechtliche Spiegelstrafen und die Todesstrafe unter Martern fur die das Spatmittelalter und die ersten Jahrhunderte der Neuzeit beruchtigt werden sollten 5 Zweite Halfte des 15 Jahrhunderts bis zur Rechtsvereinheitlichung Ende des 19 Jahrhunderts BearbeitenZwischen dem 13 und 16 Jahrhundert entstanden die Universitaten des Mittelalters Mit ihnen entwickelte sich ein gelehrter Juristenstand der in Latein unterrichtete Ausgebildet wurde im geschriebenen romischen und dem von der katholischen Kirche geschaffenen kanonischen Recht Durch das Auftauchen der ersten gelehrten Juristen in der deutschen Rechtspraxis begann die Rezeption des romischen Rechts denn die mittelalterliche Kultur war eine lateinisch gepragte Kultur Es entstand eine Vielzahl schriftlich festgehaltener offizieller und privater Arbeiten 6 Aus der Kaiser Friedrich III zugeschriebenen Reformation der Verfassungsstrukturen lasst sich zudem ablesen dass Rechtsdoktoren in den 1440er Jahren in erheblicher Anzahl bereits ihre Stimmen bei Ratsversammlungen und in der Gerichtsbarkeit erhoben 7 Seit der zweiten Halfte des 15 Jahrhunderts wurde das deutsche Recht durch das spatromische Recht des Corpus Iuris Civilis und das in Italien gelehrte zeitgenossische Recht beeinflusst Das romische Recht galt zwar nur subsidiar zu den Orts und Landrechten doch wurden diese vielfach romanisiert also an das romische Recht angepasst Der Ubergang vom mundlichen Verfahren zum geheimen Aktenprozess bewirkte eine Entfremdung zwischen Justiz und Volk Eine entscheidende Wende trat mit der Aufklarung ein denn es wurde eine neue Gesellschaftslehre entwickelt die sich von der Gesellschaftsform des Mittelalters verabschiedete Die Gliederung nach Geburts und Berufsstanden machte dem Ideal Platz dass alle Menschen in gleicher Weise frei sind was neue rechtliche Institutionen an die Tagesordnung rief und den Gedanken einer modernen Demokratie entstehen liess 6 Seit dem 18 Jahrhundert erstarkte so das deutsche Recht wieder insbesondere unter dem Einfluss des Naturrechts Die neuen Gesetzbucher so das PrALR und das osterreichische ABGB erneuerten eine Reihe germanischer Rechtsgedanken Straf Verfahrens und burgerliches Recht wurden einem Gesellschaftsideal unterworfen das auf innere Zweckmassigkeit und Humanitat ausgerichtet war nbsp Deutsche Rechts und Gerichtskarte 1895 Indem sie die gemeinsame Grundlage der deutschen Partikularrechte aufdeckte erwarb sich im 19 Jahrhundert die deutsche Historische Rechtsschule um Friedrich Carl von Savigny grosse Verdienste um das deutsche Recht Triebfedern um den Begrunder des germanistischen Zweigs der Rechtsschule Karl Friedrich Eichhorn waren Jacob Grimm und Georg Beseler und Otto von Gierke Mit der Reichsgrundung von 1871 wurde eine weitgehende Rechtseinheit gewonnen und die Phase der grossen Kodifikationen eingeleitet z B StGB StPO ZPO HGB BGB Im Prozessrecht kehrte man zu den Grundsatzen der Offentlichkeit und der Mundlichkeit zuruck In dieser Zeit endete die direkte Wirksamkeit der Traditionen des deutschen Rechts das fortan vor allem rechtshistorisch von Bedeutung war 6 Literatur BearbeitenHermann Conring Der Ursprung des deutschen Rechts OT De origine iuris Germanici 1643 Ubers von Ilse Hoffmann Meckenstock hrsg von Michael Stolleis Insel Verlag Frankfurt am Main u a 1994 ISBN 3 458 16653 X Jacob Grimm Deutsche Rechtsalterthumer Nachdruck der 4 durch Andreas Heusler und Rudolf Hubner besorgten Auflage von 1899 2 Bande Akademie Verlag Berlin 1956 Konrad Beyerle Hg Deutschrechtliche Beitrage Forschungen und Quellen zur Geschichte des deutschen Rechts Winter Heidelberg 1906 1933 Hermann Conrad Deutsche Rechtsgeschichte Ein Lehrbuch Bd 1 Fruhzeit und Mittelalter 2 neubearbeitete Auflage C F Muller Karlsruhe 1962 Bd 2 Neuzeit bis 1806 C F Muller Karlsruhe 1966 Adalbert Erler Ekkehard Kaufmann Hg Wolfgang Stammler Begr Dieter Werkmuller Red Ruth Schmidt Wiegand philolog Beratung Handworterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte 5 Bande Erich Schmidt Verlag Berlin 1971 1998 ISBN 3 503 00015 1 in Bd I Hans Thieme Art Deutsches Privatrecht Sp 702 709 ders Art Deutsches Recht Sp 709 712 Helmut Coing Epochen der Rechtsgeschichte in Deutschland 4 unveranderte Auflage Beck Munchen 1981 ISBN 3 406 02448 3 Hans Hattenhauer Die geistesgeschichtlichen Grundlagen des deutschen Rechts 3 uberarbeitete und erweiterte Auflage Muller Heidelberg 1983 ISBN 3 8114 1883 1 Heinrich Mitteis Deutsche Rechtsgeschichte Ein Studienbuch 19 erganzte Auflage neubearbeitet von Heinz Lieberich Beck Munchen 1992 ISBN 3 406 36506 X Dieter Simon Hg Eherecht und Familiengut in Antike und Mittelalter Schriften des Historischen Kollegs Kolloquien Bd 22 Munchen 1992 ISBN 978 3 486 55885 2 IX 168 Seiten Digitalisat Rudolf Hoke Osterreichische und deutsche Rechtsgeschichte 2 verbesserte Auflage Bohlau Wien u a 1996 ISBN 3 205 98179 0 Karl Siegfried Bader Gerhard Dilcher Deutsche Rechtsgeschichte Land und Stadt Burger und Bauer im alten Europa Springer Berlin u a 1999 ISBN 3 540 66307 X Gerhard Kobler Deutsche Rechtsgeschichte Ein systematischer Grundriss der geschichtlichen Grundlagen des deutschen Rechts von den Indogermanen bis zur Gegenwart 6 durchgesehene Auflage Vahlen Munchen 2005 ISBN 3 8006 3209 8 Adolf Laufs Rechtsentwicklungen in Deutschland 6 uberarbeitete und erweiterte Auflage de Gruyter Berlin 2006 ISBN 978 3 89949 301 6 Karl Kroeschell Deutsche Rechtsgeschichte Bd 1 Bis 1250 13 uberarbeitete Auflage Bohlau Koln u a 2008 ISBN 978 3 412 11006 2 Bd 2 1250 1650 zusammen mit Albrecht Cordes und Karin Nehlsen von Stryk 9 aktualisierte Auflage Bohlau Koln u a 2008 ISBN 978 3 412 27605 8 Bd 3 Seit 1650 5 durchgesehene Auflage Bohlau Koln u a 2008 ISBN 978 3 412 10706 2 Ulrich Eisenhardt Deutsche Rechtsgeschichte 5 uberarbeitete Auflage Beck Munchen 2008 ISBN 978 3 406 58090 1 Albrecht Cordes Heiner Luck Dieter Werkmuller Hg Ruth Schmidt Wiegand Christa Bertelsmeier Kierst philolog Beratung Handworterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte 2 vollig uberarbeitete und erweiterte Auflage Bd 1 Aachen Geistliche Bank Erich Schmidt Verlag Berlin 2008 ISBN 978 3 503 07912 4 in Bd I Klaus Luig Art Deutsches Privatrecht Sp 993 1003 Albrecht Cordes Art Deutsches Recht Sp 1003 1007 Weblinks BearbeitenMeyers Grosses Konversations Lexikon Deutsches Recht Grimm Jacob Deutsche Rechtsalterthumer 4 Ausg Leipzig 1899 Bd 1 und Grimm Jacob Deutsche Rechtsalterthumer 4 Ausg Leipzig 1899 Bd 2 in der Digitalen Bibliothek des Max Planck Instituts fur europaische RechtsgeschichteEinzelnachweise Bearbeiten Rudolph Sohm Frankisches Recht und romisches Recht Prolegomena zur deutschen Rechtsgeschichte In ZRG Germanistische Abteilung Band 1 1880 S 1 84 Georg Beseler Germanist der Historischen Rechtsschule belebte den Volksrechtsbegriff im 19 Jahrhundert fur die Rechtsquellenlehre wiedr nachdem bereits der Begrunder der Historischen Rechtsschule Friedrich Carl von Savigny den im 19 Jahrhundert ebenfalls rege diskutierten Volksgeistbegriff ins Zentrum seines Dogmas der Geschichtlichkeit des Rechts gestellt hatte Klaus Luig Die Anfange der Wissenschaft vom deutschen Privatrecht In Ius Commune hrsg von Helmut Coing Band 1 Vittorio Klostermann Frankfurt a M 1967 S 195 222 Gunter Gudian Gemeindeutsches Recht im Mittelalter In Ius Commune hrsg von Helmut Coing Band 2 Vittorio Klostermann Frankfurt a M 1969 S 33 42 Gudian hebt den Sachsenspiegel hervor da uber ihn die verbreitetsten Rechtskenntnisse bestanden a b c Helmut Coing Epochen der Rechtsgeschichte in Deutschland 4 unveranderte Auflage Beck Munchen 1981 ISBN 3 406 02448 3 S 10 33 a b c d Helmut Coing Epochen der Rechtsgeschichte in Deutschland 4 unveranderte Auflage Beck Munchen 1981 ISBN 3 406 02448 3 S 5 8 Hermann Conring Der Ursprung des deutschen Rechts OT De origine iuris Germanici 1643 Ubers von Ilse Hoffmann Meckenstock hrsg von Michael Stolleis Insel Verlag Frankfurt am Main u a 1994 ISBN 3 458 16653 X S 206 216 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Deutsches Recht Rechtstradition amp oldid 236050879