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Die Stammesgesellschaft ist eine in der Geschichte der Menschheit bereits sehr fruh auftretende Sozialstruktur und politische Organisationsform die auch heute noch in einigen Kulturarealen gegenwartig und wirksam ist Sie wird von einigen Autoren als einfachste Form einer Ranggesellschaft betrachtet bei der die Macht von der Gemeinschaft an fahige Fuhrungspersonlichkeiten verliehen wird Andere Autoren sehen sie als spezielle Auspragung herrschaftsfreier akephaler Gesellschaften 1 Tipis Gemalde von George Catlin aus den 1830ern die nordamerikanischen Sioux Indianer bildeten eine komplexe Stammesgesellschaft Aufgrund der Erkenntnis dass sich Feldbauern oder Hirtennomaden der Neuzeit uberwiegend in Stammen organisiert haben am bekanntesten sind die Indianerstamme Nordamerikas 2 wird vermutet dass die Volker der jungsteinzeitlichen Kulturen in gleicher Weise organisiert waren Bekannt ist es beispielsweise von den fruhen Griechen und Italikern Gentilorganisation der Griechen und Romer in Volksstamme Viele Ethnien Zentralasiens oder Amerikas sind noch heute Stammesgesellschaften innerhalb der modernen Nationalstaaten Inhaltsverzeichnis 1 Abstammungsmythen und historische Belege 2 Die Ranggesellschaft 3 Siehe auch 4 Literatur 5 EinzelnachweiseAbstammungsmythen und historische Belege BearbeitenZur Stammesgesellschaft gehort oft ein Mythos uber den Ursprung des Stammes eine gentilizische Stammesorganisation eine Pubertats und Stammesinitiation ein durch die Rechtsprechung ausgebildetes und sich wandelndes Stammesrecht eine politisch unmittelbar entscheidende Versammlung von Stammesgenossen und das Aufgebot der Stammeskrieger Die Stammesgesellschaft betrachtet sich als die Nachkommenschaft eines gottlichen Stammvaters und daher als eine einzige grosse Familie Ihre ethnischen Religionen sind ursprunglich animistisch alles ist beseelt oder polytheistisch viele Gotter und schliessen in vielen Fallen die Verehrung der Vorfahren ein Ahnenkult Ein bekanntes Beispiel fur eine Stammesgesellschaft ist das Volk der Israeliten das sich nach den Erzahlungen des Tanach bereits in vorstaatlicher Zeit durch seine gemeinsame Abstammung von den Erzeltern seinen Stammesgott JHWH und dessen traditionelles Recht Bundesbuch verbunden wusste und eine Gliederung in Stamme die zwolf Stamme Israels und Sippen kannte Ein solches System bestand auch bei den antiken Griechen Romern Germanen und in vielen Gegenden im Altertum Als Beleg fur ein damals allgemein verbreitetes System wird die Vergleichbarkeit von zwei Stellen aus Homers Ilias und der Germania des Tacitus gesehen In der Ilias rat Nestor dem Agamemnon Stelle das Heer nach Phylen und Phratrien auf Agamemnon so kann die Phyle der Phyle beistehen und die Phratrie der Phratrie Handelst du danach und folgen dir die Achaier so wirst du bald erkennen wer von den Fuhrern und Mannschaften feige oder auch tuchtig sich zeigt sie kampfen im Kreise der ihren 2 Gesang Vers 362 Entsprechendes schreibt Tacitus uber die Germanen Besonders spornt sie zur Tapferkeit an dass nicht Zufall und willkurliche Zusammenstellung sondern Familien und Geschlechter die Reiterhaufen oder die Schlachtkeile bilden 3 Die Ranggesellschaft Bearbeiten Ingolf nimmt Island in Besitz Gemalde von Johan Peter Raadsig 1850 Die Wikinger des Fruhmittelalters lebten in einer typischen Ranggesellschaft Der vom US amerikanischen Ethnologen Morton Fried in den 1960er Jahren gepragte Begriff Ranggesellschaft vereint Stammesgesellschaften und Hauptlingstumer Im Gegensatz zu den herrscherlosen akephalen Gesellschaften wird nach Fried die Fuhrerschaft von einer oder mehreren Personen akzeptiert Zumeist werden diese Fuhrer als Hauptling bezeichnet englisch chief Zwischen Hauptlingen von Stammen und von Hauptlingstumern bestehen aber deutliche Unterschiede Stammeshauptlinge mussen sich durch besondere Fahigkeiten ausgezeichnet haben besonders talentierte Jager wurden Jagdhauptling Strategen Kriegshauptling andere Friedenshauptling 4 Daraus folgt auch dass die Autoritat der Stammeshauptlinge verliehen wurde und sie ihr Amt oftmals nur zeitweise ausubten im Unterschied zu Hauptlingstumern Stammeshauptlinge verfugten kaum uber wirkliche Machtbefugnisse 5 In Ranggesellschaften gibt es keine sozialen Klassenunterschiede die durch den unterschiedlichen Zugang zu Ressourcen gekennzeichnet sind Es gibt demnach keine regierende Elite die exklusiv uber die Produktionsmittel verfugt und politischen Zwang ausuben kann 6 Ein bekanntes Beispiel fur eine historische Ranggesellschaft ist das fruhmittelalterliche Merowingerreich bei dem sich die mittelalterliche Standeordnung noch nicht entwickelt hatte 7 Siehe auch BearbeitenStammesverband eine Konfoderation Stammesgesellschaft im Historischen Materialismus Tribalismus Stammestum Phyle griechisch Stamm Gens romisch Sippe Horde Wildbeuter Lineage Abstammungsgruppe Clan mythische Abstammungsgruppe EthnogeneseLiteratur BearbeitenStefan Breuer Zur Soziogenese des Patrimonialstaates In Stefan Breuer Hubert Treiber Entstehung und Strukturwandel des Staates Beitrage zur sozialwissenschaftlichen Forschung Band 38 Westdeutscher Verlag Opladen 1982 ISBN 3 531 11609 6 S 163 227 S Humphreys Anthropology and the Greeks London 1978 Kapitel 8 englisch Adam Kuper The invention of the Primitive Society Transformation of an Illusion Routledge London 1988 englisch Einzelnachweise Bearbeiten Dieter Steiner Stufen der Transformation von egalitaren zu herrschaftlichen Gesellschaften In Soziales im engeren Sinne Eigene Webseite Zurich 1998 abgerufen am 27 Oktober 2019 emeritierter Professor fur Humanokologie Dieter Haller Dtv Atlas Ethnologie 2 vollstandig durchgesehene und korrigierte Auflage dtv Munchen 2010 ISBN 978 3 423 03259 9 S 165 167 und 196 197 Tacitus Germania K 7 Walter Hirschberg Hrsg Worterbuch der Volkerkunde Neuausgabe 2 Auflage Reimer Berlin 2005 ISBN 3 496 02650 2 S 161 und 304 Dieter Haller Dtv Atlas Ethnologie 2 vollstandig durchgesehene und korrigierte Auflage dtv Munchen 2010 ISBN 978 3 423 03259 9 S 196 Dieter Steiner Politische Aspekte von Stammesgesellschaften In Soziales im engeren Sinne Eigene Webseite Zurich 1998 abgerufen am 27 Oktober 2019 Heiko Steuer Adelsgraber Hofgrablegen und Grabraub In Ulrich Nuber Hrsg Der Sudwesten im 8 Jahrhundert aus historischer und archaologischer Sicht Thorbecke Ostfildern 2004 ISBN 3 7995 7363 1 S 193 217 hier S 211 Sonderdruck PDF 530 kB 26 Seiten auf uni freiburg de Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Stammesgesellschaft amp oldid 212609354