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Unter Talion alternativ ius talionis oder Talionsprinzip versteht man eine Rechtsfigur nach der zwischen dem Schaden der einem Opfer zugefugt wurde und dem Schaden der dem Tater zugefugt werden soll ein Gleichgewicht angestrebt wird Der Ausdruck ius talionis setzt sich zusammen aus lateinisch ius Recht und lateinisch talio Vergeltung im Sinne eines Ausgleichs 1 Der vorantike altorientalische Ausdruck Auge um Auge Zahn um Zahn ist davon ein Spezialfall in dem dieses Gleichgewicht nach einer Korperverletzung durch Zufugen eines gleichartigen Schadens hergestellt werden soll wie du mir so ich dir Davon ist die Spiegelstrafe zu unterscheiden die eine Anknupfung an Organe mit denen die Tat begangen wurde vornimmt z B das Abhauen der Diebeshand Die Talion ist ein Unterfall der Vergeltung die auch solche Schadigungen eines Taters umfasst die uber die Talion hinausgehen und ist zur Zeit der Privatstrafe bei der die Bestrafung des Taters dem Opfer zugesprochen wurde vom Schadensersatz kaum zu unterscheiden Der hebraisch biblische Kontext in dem die Formel Auge fur Auge auftritt und die judische Tradition widersprechen der Auslegung als Talionsprinzip Es wird kein Fall einer korperlichen Talion in der Bibel berichtet noch lag die altorientalische Talion in der Absicht der hebraischen Bestimmungen und Rechtssatze Die rabbinische Tradition lehrte seit je her dass es sich vielmehr um einen finanziellen Ausgleich handelt der sich nach der Hohe des Schadens richtet absteigend Brandmal gt Wunde gt Beule 2 Inhaltsverzeichnis 1 Alteste Belege 2 Gesellschaftliche Bedingungen 3 Gesetze 4 Beteiligte 5 Die Talion selbst 6 Zitierte Literatur 7 Weblinks 8 FussnotenAlteste Belege BearbeitenAls altester Beleg fur die Verschriftlichung des ius talionis gilt der Codex Ur Nammu eine Sammlung von Rechtssatzen des Konigs Ur Nammu 2112 2095 v Chr Der erste Rechtssatz lautet Wenn ein Mann einen Mord begangen hat soll besagter Mann getotet werden Auch der zeitlich spatere Codex des Lipit Istar von Isin 1934 1923 v Chr wendet diesen Grundgedanken an Wenn jemandes Sklavin oder Sklave im Inneren der Stadt entflohen ist und nachgewiesen wird dass er sich im Hause eines Anderen einen Monat lang aufgehalten hat wird er Sklaven fur Sklaven geben 12 Beim Codex Hammurapi ist in der Regel der Spezialfall Auge um Auge angeordnet 3 Im Ubrigen ist es schwierig bei inkommensurablen Verhaltnissen zwischen Schaden und Strafe zu beurteilen ob es sich um eine Talion handeln soll oder ob auch eine besondere Praventionsabsicht hinter der Strafe steht die zu einer die Talion uberschiessenden Strafe fuhrt So heisst es in den 3 4 Wenn ein Burger vor Gericht zu falschem Zeugnis auftritt und seine Aussage nicht beweist so wird wenn dieses Gericht ein Halsgericht ist dieser Burger getotet Wenn er zu einem Zeugnis uber Getreide oder Geld auftritt muss er die jeweilige Strafe dieses Prozesses tragen Hier hat das Opfer noch keinen Schaden erlitten er drohte ihm nur gleichwohl ist der Gedanke des Gleichgewichts unverkennbar Als gepragte Formel taucht Auge um Auge in der Tora als Rechtssatz auf Rechtswegen sollte Auge fur Auge sein Zahn fur Zahn Hand fur Hand Fuss fur Fuss Brandmal fur Brandmal Wunde fur Wunde Beule fur Beule daher muss der Tater Geld dafur geben Schemot Mischpatim Ex 21 24 25 2 4 Ex 21 23f EU Lev 24 19f EU Dtn 19 21f EU Dieser Rechtssatz belegt eine wichtige Phase in der Erweiterung und Entwicklung des hebraischen Strafrechts private Rache Familienrache und Stammesrache wurden so begrenzt Hinzu kommt dass die Tora Korperverletzungen in allen sozialen Schichten und Geschlechtern d h an Armen und Reichen Frauen und Mannern vollstandig gleich behandelt 2 Der Philosoph Philon von Alexandria bezeichnete diesen als Interpret und Lehrer der Gleichheit 5 Forscher nehmen oft an dass die Talion sich aus der mit nomadischem Sippenrecht verbundenen Blutrache entwickelt habe und diese eindammen sollte Die bis dahin mehrfache Vergeltung an der Sippe des Taters wie sie etwa noch als vergangene Historie in der Torah Gen 4 15 EU Darum soll jeder der Kain erschlagt siebenfacher Rache verfallen anklingt sollte auf das Ausmass des erlittenen Schadens begrenzt und nur an der Person des Taters vollzogen werden Das reagierte offenbar auf ausufernde Blutfehden bei denen ganze Sippen sich generationenlang gegenseitig auszuloschen trachteten Aber es ist aus der Zeit vor der Verschriftlichung des Rechts kein derartiger Brauch uber eine uberschiessende Rache als historisch vollzogen uberliefert Dass die Bibelstellen historische Rechtsauffassung schildern die nun gemildert wurde ist zweifelhaft Die uberschiessende Rache kann durchaus schon immer missbilligt worden sein Ein altromisches Gesetz leges regiae aus der Konigszeit liess es anfanglich noch zu dass der an einem freien Menschen vorsatzlich begangene Mord parricidium durch die Angehorigen des betroffenen Familienverbandes gens mit der Blutrache geracht werden konnte 6 Um einer ausufernden Sippenfehde entgegenzusteuern durfte der Morder nur dann ohne vorangegangenes Gerichtsverfahren getotet werden wenn die Taterschaft als zweifelsfrei erwiesen galt Der Blutracher der diesem einschrankenden Grundsatz zuwiderhandelte wurde selbst als parricidas Morder angesehen Gesellschaftliche Bedingungen BearbeitenDas Prinzip der identischen Vergeltung oder ius talionis setzt voraus dass in einer Gesellschaft zu ahndende Taten als Konflikte zwischen Menschen angesehen werden die durch einen Ausgleich behoben werden konnen Bei kultischen Vergehen hat dieses Institut daher keinen Sinn Daher kann man davon ausgehen dass ein ius talionis dort keinen Raum hat wo eine Gewichtsbestimmung einer Untat aus religiosen Grunden keinen Platz hat So gibt es akephale Gesellschaften Afrikas bei denen die Untaten Beleidigungen der Erde und der Ahnen darstellen die ihrerseits uber den Tater die Ubel bringen Die Massnahmen des Clans haben dagegen nicht den Zweck irgendeine Gleichwertigkeit der Busse mit der Tat zu verwirklichen sondern den Zorn der Erde und der Ahnen abzuwenden 7 Auch dann wenn das Recht nicht dem Frieden innerhalb der Gesellschaft sondern der Durchsetzung eines Staatszieles dient hat eine solche Gewichtung keine Funktion Daher gibt es im Alten Mittleren und Neuen Reich Agyptens keine Anzeichen fur die Anwendung eines ius talionis Im Alten und Mittleren Reich diente das Recht der Durchsetzung eines Staatszieles im Neuen Reich war dem Recht der unerforschliche Ratschluss der Gotter ubergeordnet 8 Eine weitere Bedingung ist dass es sich bei den Vergehen nur um vorsatzliche Taten oder um reines Erfolgsstrafrecht handelt Aber in den uberlieferten Rechtsvorstellungen ist eine Milderung fur nichtvorsatzliche Taten die Regel soweit es sich nicht um reinen Schadensersatz handelt was nicht immer zu trennen ist So bestimmt die romische Zwolftafelgesetzgebung dass die nicht vorsatzliche Totung eines Menschen Si telum manu fugit magis quam iecit arietem subicito mit einer Sachleistung gesuhnt wird Der Widder oder Schafkopf sollte stellvertretend fur den fahrlassig handelnden Verantwortlichen zum Gegenstand der Rache werden 9 Gesetze BearbeitenNeben den angefuhrten altesten Belegen sind auch im europaischen Raum gesetzliche Regelungen uberliefert die dem Talionsgedanken Rechnung tragen Das um 451 v Chr datierte romische Zwolftafelgesetz regelte fur den Fall einer schweren Korperverletzung die den Verlust eines wichtigen Korpergliedes zur Folge hatte der Tater mit einer gleichartigen korperlichen Vergeltung bestraft werden konnte wenn kein sonstiger Opferausgleich hergestellt wurde Si membrum rupsit ni cum eo pacit talio esto 10 Weiter findet sich im Konigsgesetz von 818 819 die Bestimmung dass bei der Totung eines Menschen in der Kirche aus Notwehr ausser Busszahlungen fur die Besudelung der Kirche durch das Blut des Getoteten auch eine Busse durch die Geistlichen verhangt wurde die der Tat die er beging entspricht 11 In der Lex Frisionum wird fur einen getoteten Knecht eine Busse gemass dem wie er eingeschatzt wird und sein Herr beschwore mit seinem Eide dass er diesen Preis gehabt habe angeordnet Deutlich wird die Talion noch durch die Bestimmung dass der Anstifter eines Totschlags wenn der Tater gefasst wurde keine Busse zu zahlen braucht aber die Fehde der Verwandten des getoteten Mannes zu dulden habe bis er wie er kann ihre Freundschaft zuruck erlangt hat 12 Das alteste norwegische Rechtsbuch das Gulathingslov hat fur die meisten Straftaten Geldbussen festgesetzt Aber auch gleichartige Erwiderung der Totung kommt vor Wenn ein Mann einen anderen auf dem Schiffe erschlagt da ist es gut wenn man Rache nimmt oder den Totschlager uber Bord wirft 13 Bemerkenswert ist dabei dass die Rache hier nicht den Verwandten zusteht sondern bei sofortiger Ausfuhrung der Schiffsbesatzung Auch in der Gragas ist die Rache erlaubt bis zur Zeit des nachsten Allthing Dann ist die Totung vor das Allthing zu bringen Die Rache durfen nur die vollziehen die vor dem Allthing klageberechtigt waren in den ersten zwolf Stunden aber jedermann 14 Im Ubrigen wird durch Gerichtsentscheid regelmassig die Friedlosigkeit verhangt was einem Todesurteil das durch die Klagerseite zu vollstrecken ist gleichkommt Auf den Tater ist ein gesetzliches Kopfgeld ausgesetzt An Schwangeren darf keine Rache geubt werden auch wenn sie friedlos sind 15 Bemerkenswert ist dass ein Vergleich zwischen dem Tater und der Familie des Opfers ohne Erlaubnis des Allthings verboten ist 16 Auch ist es dem der die Achtung betrieben hat untersagt auf die Erschlagung zu verzichten und den Friedlosen laufen zu lassen 17 Im Uplandslag des schwedischen Konigs Birger wird der Mord des Knechtes an seinem Herrn mit dessen Tod geahndet 18 Im Ubrigen gilt das Wergeld Beteiligte BearbeitenDie Sippenverbundenheit der Menschen fuhrte in fruhen Kulturstufen dazu dass sich nicht Tater und Opfer gegenuberstanden sondern die Sippe des Taters und die Sippe des Opfers Im Codex Hammurapi finden sich in 210 und 230 dafur Beispiele In 209 heisst es Wenn ein Burger eine Tochter eines Burgers schlagt und dabei eine Fehlgeburt verursacht so soll er zehn Scheqel Silber fur die Leibesfrucht zahlen 210 fahrt dann fort Wenn diese Frau stirbt soll man ihm eine Tochter toten In 229 ist entschieden Wenn ein Baumeister einem Burger ein Haus baut aber seine Arbeit nicht auf solide Weise ausfuhrt so dass das Haus das er gebaut hat einsturzt und er den Tod des Eigentumers des Hauses herbeifuhrt so wird dieser Baumeister getotet 230 fahrt dann fort Wenn er den Tod eines Sohnes des Eigentumers des Hauses herbeifuhrt so soll man einen Sohn des Baumeisters toten Diese Grundanschauung der Sippenverbundenheit des Individuums ist auch im vorschriftlichen skandinavischen Recht nachweisbar So schreibt der norwegische Konig Hakon Hakonsson 1217 1263 in der Einleitung zu seinem Frostathingslov Jedermann wird wissen wie es ein grosser und ubler Missbrauch lange in diesem Lande gewesen ist dass wenn ein Mann getotet wird da wollen die Verwandten des Erschlagenen sich den aus dem Geschlechte des Toters aussuchen um ihn zu erschlagen der der beste ist obwohl er bei der Totung weder Mitwisser war noch sie wollte noch dabei geholfen hat und sie wollen sich nicht an dem rachen der getotet hat obgleich das moglich ware Und so hat der wertlose Mann Nutzen von seiner Schlechtigkeit und seinem Unheil und der Schuldlose busst seine Besonnenheit und mannliche Trefflichkeit Und so mancher hat auf diese Weise eine grosse Einbusse des Geschlechtes erlitten und wir haben die besten unserer Leute im Lande verloren Und deshalb bestimmen wir dieses als eine Sache ohne Zulassung einer Busse und mit Beschlagnahme des ganzen Vermogens bei jedem der an einem anderen Rache nimmt als an dem der totet oder toten lasst Diesen Grundsatz ubernahm auch der norwegische Konig Magnus Hakonsson in seinem Landrecht das die einzelnen Gaurechte abloste Neidingswerk ist wenn jemand sich an einem anderen racht als dem Tater oder Anstifter 19 Schon im Gulathingslov gab es Sippenbussen 20 und auch die Rechtsfigur der Ringbussgemeinschaft und Nasenbussgemeinschaft des altnorwegischen Rechts 21 zeigt diese Eingebundenheit Die Ringbussgemeinschaft war die Gruppe der nachsten Verwandten auf der Vaterseite und die Nasenbussgemeinschaft die auf der Mutterseite die ebenfalls berechtigt waren je nach Verwandtschaftsgrad vom Tater Busse zu empfangen Die Verwandtschaft des Taters war ebenfalls busspflichtig Im Frostathingslov heisst es Der Toter oder der Sohn des Toters soll bussen dem Sohn des Getoteten eine gewogene Ertog und dreizehn gewogene Ore im Hauptring Der Vater des Toters dem Vater des Toten ebensoviel Der Bruder des Toters soll bussen dem Bruder des Toten zehn gewogene Ore und so weiter bis hin zu den Vettersohnen 22 Die gleiche Erscheinung findet man im Alteren Westgotalag 23 Nach dem Uplandslag des Konigs Birger von Schweden haftete die Hundertschaft das heisst die Dorfgemeinschaft fur die Totschlagsbusse wenn man den Totschlager nicht feststellen konnte 24 Die gleiche Vorstellung findet man im mittelalterlichen Russland wo die unterste Ebene der Dorfgemeinschaft Werw genannt fur die Taten ihrer Mitglieder einzustehen hatte In 23 Codex Hammurapi haftet die Stadt und der Vorsteher fur den Schaden den ein Einwohner durch einen Raub erlitten hat wenn der Rauber nicht gefasst wurde Auch der Koran scheint von dieser Einbindung zu wissen wenn er in Sure 2 178 feststellt O ihr die ihr glaubt Euch ist bei Totschlag Vergeltung vorgeschrieben Ein Freier fur einen Freien ein Sklave fur einen Sklaven und ein Weib fur ein Weib Allerdings betont auch der Koran dass niemand die Last eines anderen tragt Sure 53 36 38 Im israelitischen Recht schrankte die Tora diese vorher geubte sippenmassige Verbindung der Tatersippe und der Opfersippe ein Dtn 24 16 EU verankert die individuelle Zurechenbarkeit eines Vergehens und markiert damit einen Rechtsfortschritt Es sollen nicht Vater fur die Sohne und nicht Sohne fur die Vater getotet werden Jeder soll fur seine eigene Verfehlung getotet werden Die Talion selbst BearbeitenWie bereits ausgefuhrt ist es schwierig festzustellen ob in einer Rechtsordnung Schaden und Strafe im Gleichgewicht stehen sollten Deutlich wird das nur wenn sich theoretische und programmatische Ausserungen rund um die Rechtsregel finden lassen die belegen dass man mit dem Schaden den man dem Tater zudiktierte tatsachlich eine Talion beabsichtigte Auch wenn angeordnet wird dass die Opferseite die Busse bestimmen durfte 25 sind andere Zwecke als die Talion nicht ersichtlich Dies ist vor allem dann anzunehmen wenn die Vollstreckung einer Leibesstrafe durch eine Busszahlung abgewendet werden konnte Auch geben Bussmasse fur Verwundungen an den Geschadigten einen Anhaltspunkt fur die Anwendung der Talion Auch andere Zusammenhange lassen einen solchen Ruckschluss zu so z B wenn in dem bereits im vorigen Abschnitt angefuhrten 209 Codex Hammurapi aus der Totung der Tochter des Taters im Falle des Todes des Opfers geschlossen werden kann dass die zehn Scheqel Silber fur die Leibesfrucht wenn nur diese stirbt eine Gleichwertigkeit darstellen sollen Da die Wahrheitsfindung im Prozess fast ausschliesslich auf Zeugenaussagen beruhte war die falsche Anschuldigung einer der neuralgischen Punkte der Rechtspflege Hier wird das ius talionis daher schon auf die Gefahrdung des zu Unrecht Beschuldigten angewendet so wortlich im Alten Testament So sollt ihr ihm tun was er plante seinem Bruder zu tun Dtn 19 19 EU Im Codex Lipit Istar soll der falsche Anklager die Strafe erleiden die der Beschuldigte zu tragen gehabt hatte 26 und die Verleumdung einer Jungfrau sie sei nicht mehr Jungfrau wurde mit 10 Scheqel Silber bewertet 27 Bei manchen Tatbestanden insbesondere im Bereich des Sexualstrafrechts ist nicht ein Gleichgewicht zwischen Schaden und Busse sondern zwischen dem Grad gesellschaftlicher Missbilligung und Busse anzunehmen So bestimmen die Gesetze AEthelberhts von Kent Wenn der Konig in jemandes Wohnung trinkt und jemand da etwas Unrechts begeht busse er die doppelte Busse 28 Die Talion wurde nicht immer von einem Richter festgesetzt Manchmal waren es verstandige Manner Wenn jemand einen Mann an der Nase verwundet soll ein Entstellungsgeld entrichtet werden und so uberall wo nicht Haar oder Kleidung den Schaden verhullt Und das Entstellungsgeld soll so viel betragen als unparteiische Manner schatzen 29 Es gibt viele Beispiele nach denen der Verletzte die Talion unter Zeugen selbst festsetzen durfte 30 Gleichwohl werden nur sehr selten unverhaltnismassige Forderungen berichtet Offenbar wusste der Verletzte in welchem Rahmen er sich zu bewegen hatte und eine unbillige Forderung hatte seine Ehre innerhalb der Gemeinschaft vernichtet oder der angestrebte anschliessende Friede ware nicht zustande gekommen 31 Doch haufig sind in den Rechtsbuchern Tarife fur bestimmte Verletzungen genannt die auch fur ahnlich andere Verletzungen den Rahmen vorgaben 32 Ansonsten scheint das Wergeld die Talion fur ein Leben gewesen zu sein Im Edictus Rothari wird fur die Totung eines Freien ein Wergeld verlangt War das Opfer aber der Herr des Taters folgte die Todesstrafe 33 Hinsichtlich des Opfers entsprachen sich also Todesstrafe und Wergeld als Talion Eine ahnliche Relation findet sich in der Lex Gundobada des Konigs Gundobad von Burgund Konig von 480 bis 516 wenn fur die Totung eines koniglichen Gutsverwalters ein Wergeld verlangt wird ist der Tater jedoch Knecht die Todesstrafe zu verhangen ist 34 Beim Gattenmord galten bei den Langobarden Manner mehr als Frauen Totete der Mann seine Frau musste er 1200 Schilling zahlen halb dem Konig halb den Verwandten wie fur die Totung einer fremden Frau so dass der Genugtuungsbetrag nur 600 Schilling betrug Totete die Frau ihren Mann wurde sie mit dem Tode bestraft 35 Eine bemerkenswerte Talionsregel fur den Schadensersatz enthalt das Gesetz AEthelberhts von Kent Wenn ein Freier bei eines freien Mannes Frau liegt erkaufe er sie mit ihrem Wergelde und erwerbe eine andere Frau aus seinem eigenen Vermogen und bringe sie ihm heim 36 Es gibt auch eine umgekehrte Durchbrechung der Talion Im Uplandlag wird eine Hochstbusse von vierzig Mark bestimmt 37 Zitierte Literatur BearbeitenFranz Beyerle Hrsg Die Gesetze der Langobarden Germanenrechte Bd 3 ZDB ID 1029124 6 Bohlau Weimar 1947 Franz Beyerle Hrsg Gesetze der Burgunden Germanenrechte Bd 10 Bohlau Weimar 1936 Karl August Eckhardt Die Gesetze des Karolingerreiches 714 911 Band 1 Salische und ribuarische Franken Germanenrechte Bd 2 1 Bohlau Weimar 1934 Andreas Heusler Islandisches Recht Die Graugans Germanenrechte Bd 9 Bohlau Weimar 1937 hier Gragas Wolfgang Helck Wesen Entstehung und Entwicklung altagyptischen Rechts In Wolfgang Fikentscher Herbert Franke Oskar Kohler Hrsg Entstehung und Wandel rechtlicher Traditionen Veroffentlichungen des Instituts fur Historische Anthropologie e V Bd 2 Alber Freiburg Breisgau 1980 ISBN 3 495 47423 4 S 303 324 Max Kaser Das Romische Privatrecht 2 Auflage C H Beck Munchen Wurzburg 1971 ISBN 3 406 01406 2 39 S 147 148 41 S 155 157 Wolfgang Kunkel Martin Schermaier Romische Rechtsgeschichte 13 Auflage Bohlau Koln u a 2001 ISBN 978 3 8252 2225 3 S 34 43 Rudolf Meissner Ubersetzer Norwegisches Recht Das Rechtsbuch des Frostothings Germanenrechte Bd 4 Bohlau Weimar 1939 Rudolf Meissner Ubersetzer Norwegisches Recht Das Rechtsbuch des Gulathings Germanenrechte Bd 6 Bohlau Weimar 1935 Rudolf Meissner Ubersetzer Landrecht des Konigs Magnus Hakonarson Germanenrechte Nordgermanisches Recht NF Bd 2 ZDB ID 634842 7 Bohlau Weimar 1941 Felix Niedner Ubersetzer Die Geschichte vom Skalden Egil Thule Bd 3 ZDB ID 516164 2 Diederichs Dusseldorf u a 1963 Eckart Otto Die Geschichte der Talion In Eckart Otto Kontinuum und Proprium Studien zur Sozial und Rechtsgeschichte des Alten Orients und des Alten Testaments Wiesbaden 1996 S 224 245 Reinhold Schmid Hrsg Die Gesetze der Angelsachsen In der Ursprache mit Ubersetzung Erlauterungen und einem antiquarischen Glossar 2 vollig umgearbeitete und vermehrte Auflage Brockhaus Leipzig 1858 Rudiger Schott Afrikanische Rechtstraditionen der Bulsa in Nord Ghana In Wolfgang Fikentscher Herbert Franke Oskar Kohler Hrsg Entstehung und Wandel rechtlicher Traditionen Veroffentlichungen des Instituts fur Historische Anthropologie e V Bd 2 Alber Freiburg Breisgau 1980 ISBN 3 495 47423 4 S 265 301 Claudius von Schwerin Schwedische Rechte Alteres Westgotalag Uplandslag Germanenrechte Bd 7 Bohlau Weimar 1935 Weblinks Bearbeiten nbsp Wiktionary Talion Bedeutungserklarungen Wortherkunft Synonyme Ubersetzungen nbsp Wiktionary Talionsprinzip Bedeutungserklarungen Wortherkunft Synonyme UbersetzungenFussnoten Bearbeiten Duden Talion Rechtschreibung Bedeutung Definition Herkunft Abgerufen am 11 April 2018 a b c wurden im Mittelalter in vielen europaischen Landern grausame gerichtliche Vergeltungsbrauche eingefuhrt und man nahm an dass sie biblischen Bestimmungen entsprachen Doch in Wirklichkeit wird weder irgendein Fall einer korperlichen Talion in der Bibel berichtet noch war eine solche Talion die Absicht des biblischen Gesetzes wie wir heute aufgrund der Kenntnis alterer altorientalischer Gesetzeskodizes wissen Die rabbinische Behauptung hier gehe es um einen finanziellen Ausgleich nicht um buchstabliche korperliche Talion war daher korrekt zitiert nach W Gunther Plaut Hrsg Annette Bockler Autoris Ubers u Bearb Walter Homolka Einf Schemot Shemot Exodus 2 Aufl 1 Aufl der Sonderausg Gutersloher Verlagshaus Gutersloh 2008 ISBN 978 3 579 05493 3 S 243 ff 196 ff Aus der zeitlichen Reihenfolge ist keine Rechtsentwicklung zu entnehmen Denn die jeweiligen Rechtssammlungen stammen aus verschiedenen Regionen und Rechtstraditionen Otto Geschichte S 229 Anm in Klammern nach Moses Mendelssohn Philon von Alexandria Uber die Einzelgesetze III S 33 ff zitiert nach W Gunther Plaut Hrsg Annette Bockler Autoris Ubers u Bearb Walter Homolka Einf Schemot Shemot Exodus 2 Aufl 1 Aufl der Sonderausg Gutersloher Verlagshaus Gutersloh 2008 ISBN 978 3 579 05493 3 S 243 ff leges regiae qui hominem liberum dolo sciens morti duit parricidas esto Schott S 275 Helck S 316 323 ff XII tab 8 24 Wenn die Waffe mehr der Hand entflohen ist als dass jemand sie geworfen hat so soll der Werfer einen Widder als Strafe zahlen XII tab 8 2 Wenn jemand einem anderen ein Glied verletzt hat und sich nicht mit ihm einigt soll Gleiches mit Gleichem vergolten werden Eckhardt S 113 Eckhardt III S 67 Gulathingslov Nr 171 Gragas S 135 Gragas S 156 Gagas S 159 Gragas S 170 f von Schwerin Uplandslag Nr 15 Landrecht Titel IV Nr 4 Im 6 Kapitel uber die Mannheiligkeit Kap 6 des Frostathingslov Kap 6 Nr 41 von Schwerin S 13 von Schwerin Upplandslag Nr 8 Ex 21 22 25 EU 17 33 Aethelbirht s Gesetze Kap 1 Nr 3 Schmid S 3 Frostathingslov IV Nr 45 Ex 21 22 EU Wenn Manner raufen und dabei eine schwangere Frau treffen so dass sie eine Fehlgeburt hat ohne dass ein weiterer Schaden entsteht dann soll der Tater eine Busse bezahlen die ihm der Ehemann der Frau auferlegt In der Egils saga fallte Egill Skallagrimsson in einer Sache die seinen Sohn THorstein betraf eine Entscheidung die dessen Gegner aus seinem Bezirk verbannte Dies wurde als zu hart kritisiert und fuhrte dazu dass der Streit fortgesetzt wurde Die Geschichte vom Skalden Egil S 251 ff Ein abgehauener Daumen oder eine abgehauene Nase 12 Ore eine halbe Mark beim nachsten Finger wenn die Schnurrbartlippe mit abgeht 3 Mark usw Frostathingslov IV Nr 45 Gesetzbuch Rotharis Nr 13 Lex Gundobada Nr 50 Gesetzbuch Rotharis Nr 200 203 Aethelbirht s Gesetze Nr 31 Schmid S 5 Nr 29 4 Immer wenn die Wunde auf vierzig Mark kommt da habe niemals irgendeiner das Recht wegen mehr Wunden zu klagen als einer Hat er mehr Wunden als eine seien sie nicht zu vergelten Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Talion amp oldid 232728451