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Wolfgang Fikentscher 17 Mai 1928 in Nurnberg 12 Marz 2015 in Riederau am Ammersee war ein deutscher Jurist und Rechtsanthropologe Wolfgang Fikentscher Inhaltsverzeichnis 1 Leben 2 Werk 3 Schriften 4 Literatur 5 Weblinks 6 EinzelnachweiseLeben BearbeitenFikentscher absolvierte von 1947 bis 1950 ein Studium der Rechtswissenschaft an den Universitaten Erlangen und Munchen Wahrend seines Studiums wurde er Mitglied des Akademischen Gesangvereins Munchen im Sondershauser Verband 1 Nach dem Ersten Staatsexamen begann er seinen beruflichen Werdegang als Mitarbeiter in der Rechtsabteilung der Firma Wacker Chemie Burghausen Munchen damals unter Alliierter Kontrolle der I G Farben 1952 promovierte er zum Dr jur an der LMU in Munchen bei Alfred Hueck zum Thema Arbeitskampfrecht 2 Anschliessend erwarb er in drei Semestern an der University of Michigan Law School den Master of Laws in Ann Arbor wo er sich vor allem mit dem Antitrust Recht befasste Parallel zum Referendariat lehrte er Arbeitsrecht an DGB Gewerkschaftsschulen Kochel Niederpocking 1956 legte er in Munchen das Zweite Staatsexamen ab Ebendort habilitierte er sich 1957 bei Hueck und Eugen Ulmer mit der Habilitationsschrift Wettbewerb und gewerblicher Rechtsschutz 3 und erhielt die Lehrbefugnis fur Zivil Handels und Arbeitsrecht sowie Rechtsvergleichung Anschliessend ging er gerade mal 30 jahrig zunachst als Privatdozent an die Westfalische Wilhelms Universitat WWU in Munster und nahm dort 1958 einen Ruf auf ein Ordinariat fur Zivil Handels und Gesellschaftsrecht Internationales Privatrecht sowie Rechtsvergleichung an Zudem war er Direktor des dortigen Instituts fur Rechtsvergleichung Im akademischen Jahr 1963 64 war er Dekan anschliessend Prodekan der Rechtswissenschaftlichen Fakultat der WWU 1965 folgte er einem Ruf an die Universitat Tubingen wo er Zivilrecht Europarecht Internationales Privatrecht und Rechtsvergleichung lehrte In Tubingen veranlasste ihn der Dialog mit kritischen Studierenden zu einer wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Marxismus Leninismus gegen dessen Wirtschafts und Gesellschaftslehre er die freiheitliche Ordnung verteidigte Fikentscher wechselte 1971 an die Ludwig Maximilians Universitat Munchen LMU wo er bis zu seiner Emeritierung 1996 den Lehrstuhl fur Burgerliches und Handelsrecht Gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht sowie Privatrechtsvergleichung innehatte Auch als Emeritus hatte er bis zu seinem Tod einen Lehrauftrag an der Munchner Juristischen Fakultat von 1996 bis 2000 lehrte er auch an der University of California School of Law at Berkeley in den USA Rechtsanthropologie Dieses Fach dem schon lange seine ganze Leidenschaft gehorte unterrichtete er bis kurz vor seinem Ableben an der Universitat Munchen Zudem war Fikentscher seit 1972 auswartiges wissenschaftliches Mitglied des Max Planck Instituts fur Immaterialguter und Wettbewerbsrecht 1977 wurde er als ordentliches Mitglied in die Philosophisch historische Klasse der Bayerischen Akademie der Wissenschaften gewahlt deren Kommission fur kulturanthropologische Studien er uber viele Jahre leitete 1994 erhielt er gemeinsam mit seinem Freund dem US amerikanischen Okonomen Robert D Cooter von der University of California Berkeley fur seine kulturanthropologischen Studien den Max Planck Forschungspreis Fikentscher war Trager des Bundesverdienstkreuzes 1 Klasse und des Bayerischen Verdienstordens 1995 erhielt er den Doktor juris honoris causa der Universitat Zurich 1998 ehrten ihn seine Schuler und Kollegen zu seinem 70 Geburtstag mit einer umfangreichen Festschrift 4 Mitgliedschaften Fellowships Humanwissenschaftliches Zentrum der LMU Munchen Parmenides Foundation for the Study in the Humanities and Social Sciences Munchen Netherlands Institute for Advanced Study in the Social Sciences NIAS Wassenaar Niederlande 1971 72 Santa Fe Institute Santa Fe New Mexico 1992 3 1995 6 2002 Gruter Institute for Law and Behavioral Research seit 1992 Gastprofessuren Georgetown University Law Center 1962 1966 University of Michigan School of Law Ann Arbor 1966 1987 Yale University Law School und Department of Anthropology 1986 Universitat Nanjing 1993 University of California School of Law at Berkeley 1980 1 1988 1992 1996 2000 Fikentscher war mit Irmgard Fikentscher 5 geb van der Berge verheiratet hatte vier Kinder und vier Enkelkinder Werk BearbeitenSchwerpunkte seiner wissenschaftlichen Arbeit waren das Immaterialguterrecht das Wettbewerbsrecht die Rechtsvergleichung und die Rechtsanthropologie Die ungeheure thematische Breite und der Tiefgang des wissenschaftlichen Schaffens Wolfgang Fikentschers verbluffen Durch eine humanistische Bildung die Wirren des Krieges und die Erfahrungen des Nationalsozialismus gepragt gehorte er zu den ersten jungen Juristen die sich zum Ziele setzten im Nachkriegsdeutschland eine neue freie und gerechte Gesellschaft aufzubauen So fand er zunachst seine Berufung im Kartellrecht dessen Entstehung und Fortentwicklung in Deutschland und Europa er wesentliche beeinflusste Von der mit seinem Schwager Knut Borchardt verfassten Schrift Wettbewerb Wettbewerbsbeschrankung Marktbeherrschung 6 sowie seiner Habilitationsschrift heisst es bei seinem Freund Richard Buxbaum dass sie die Fundamente des modernen europaischen Wettbewerbsrechts gelegt hatten 7 Viel zitiert ist sein doppelbandiges Wirtschaftsrecht 8 das nicht nur das deutsche und europaische sondern auch das internationale Recht abdeckt In der ordoliberalen Tradition stehend waren die Freiheit des Einzelnen und Sozialstaatlichkeit fur Wolfgang Fikentscher kein Widerspruch Das Kartellrecht sah er als die Grundlage des Sozialstaates an und bemuhte sich deshalb nach Kraften die Wettbewerbsordnung auch international als Grundlage fur die globalisierte Wirtschaft zu verankern So wurden schon seine fruhen Ideen richtungweisend fur Antworten auf die spater geausserte berechtigte Globalisierungskritik Bereits in den 1980er Jahren beteiligte sich Wolfgang Fikentscher als Ratgeber der UNCTAD an der Vorbereitung des Code of Conduct on Transfer of Technology Die Ende der 1980er Jahre eingelauteten Verhandlungen uber die Reform des Welthandelssystems veranlassten ihn eine internationale Gruppe von Kartellrechtswissenschaftlern zusammenzurufen mit der er schliesslich 1993 am Vorabend des Abschlusses des Abkommens zur Grundung der Welthandelsorganisation WTO einen Entwurf fur ein Abkommen zu einem internationalen Kartellrecht Draft International Antitrust Code vorlegte Der Abschluss eines solchen Abkommens lasst bis heute auf sich warten der Draft ist jedoch bis heute wissenschaftlicher Massstab fur ein zukunftiges Weltkartellrecht geblieben Seine Veroffentlichungen zum Kartellrecht und zum internationalen Wirtschaftsrecht waren einflussreich auf die deutsche griechische und taiwanesische RoC Gesetzgebung und Rechtslehre VR China Trotz seiner Hingabe zum Wirtschaftsrecht war Wolfgang Fikentscher auch einer der bekanntesten Zivilrechtswissenschaftler Deutschlands Die Studierenden kennen ihn vor allem durch das seit 1965 in 12 Auflagen erschienene Lehrbuch zum Schuldrecht zuletzt zusammen mit seinem Schuler Andreas Heinemann 9 Wolfgang Fikentschers Freiheitsverstandnis erklart auch sein Bestreben die Denkweisen des Anderen nachvollziehen zu konnen Dies hat ihn in seinem funfbandigen Werk Methoden des Rechts 1975 1977 10 zu einer Vertiefung in der Rechtsvergleichung gefuhrt Spater hat Fikentscher in erster Linie zu dem in Deutschland eher unbekannten Gebiet der Rechtsanthropologie geforscht Unter Bezugnahme auf Feldforschung etwa bei Indianern insb Pueblobewohnern in New Mexico und Arizona USA und taiwanesischen Ureinwohnern versuchte Fikentscher Grundaxiome menschlichen Rechts und Wirtschaftsdenkens zu ermitteln 11 Es war fur ihn nur ein kleiner Schritt zur geliebten Rechtsanthropologie aber ein grosser Schritt um die Grenzen der traditionellen Rechtswissenschaften zu uberwinden Fur sein Werk Modes of Thought 1995 12 musste er erst einen risikobereiten Verlag finden Die spatere Bitte des Verlegers um eine Zweitauflage bereitete Wolfgang Fikentscher grosse Freude Die Bekanntschaft mit Margret Gruter hat ihn schliesslich auch die Grenzen des Rechts zur Biologie uberschreiten lassen Wolfgang Fikentscher wollte nicht nur verstehen wie Menschen denken sondern wieso sie in einer bestimmten Weise denken und handeln So trifft der Weltwirtschaftsrechtler den Anthropologen Eine rechtliche Ordnung fur die globalisierte Wirtschaft darf nicht nur gleichmachen sondern muss die unterschiedlichen kulturellen und biologisch gepragten Traditionen Denkweisen und Bedurfnisse der Menschen zur Kenntnis nehmen Einen Niederschlag gefunden hat diese Auffassung u a in seiner Monographie Culture Law and Economics 13 die auf seine rechtsanthropologischen Vorlesungen an der University of California Berkley zuruckgeht Beseelt durch dieselbe Uberzeugung schlug er noch im Jahre 2013 in dem Werk FairEconomy 14 zusammen mit Philipp Hacker und Rupprecht Podszun einen alternativen Weg zur Losung der Weltwirtschafts und Finanzkrise vor In einem seiner letzten Werke verwendet Fikentscher den Begriff des neuen Achsenzeitalters zur Beschreibung der Zustande auf der Welt Noch kurz vor seinem Ableben arbeitete er intensiv an einer Kritik an den Verhandlungen uber das transatlantische Freihandelsabkommen zwischen den USA und der EU TTIP und hat sich bis zuletzt besonders fur die Lehre der Rechtsanthropologie engagiert 15 Ein Teil seiner aussert umfangreichen Bibliothek wurde durch die Familie der Universitat Augsburg zur Verfugung gestellt 15 Schriften BearbeitenFair Economy Crises Culture Competition and the Role of Law mit Philipp Hacker und Rupprecht Podszun Heidelberg New York 2013 Springer Law and Anthropology Munchen 2009 C H Beck amp Bayerische Akademie der Wissenschaft Modes of Thought 2 Aufl Tubingen 2004 Mohr Siebeck Culture Law and Economics Three Berkeley Lectures Munchener Schriften zum Europaischen und Internationalen Kartellrecht Vol 6 Bern und Durham 2004 Stampfli amp Carolina Academic Press Die Freiheit und ihr Paradox Grafelfing 1997 Resch Demokratie eine Einfuhrung Munchen 1993 Piper Wirtschaftsrecht Band I Weltwirtschaftsrecht Europaisches Wirtschaftsrecht Band II Deutsches Wirtschaftsrecht Munchen 1983 C H Beck Ubersetzung ins Chinesische Beijing 2010 von Zhang Shiming Methoden des Rechts in vergleichender Darstellung Band 1 5 Tubingen 1975 1977 Mohr Siebeck Zur politischen Kritik an Marxismus und Neomarxismus als ideologischen Grundlagen der Studentenunruhen 1965 69 Recht und Staat in Geschichte und Gegenwart Heft 392 393 J C B Mohr Paul Siebeck Tubingen 1971 Wettbewerb und gewerblicher Rechtsschutz Munchen 1958 C H Beck A Theory of Legal Monopolies LL M Paper University of Michigan Ann Arbor Michigan USA 1953 Schadensersatz aus rechtswidrigem Streik unter besonderer Berucksichtigung des politischen Streiks ungedr Diss Munchen 1952Literatur BearbeitenThomas M J Mollers Wolfgang Fikentscher In JuristenZeitung 11 2015 S 569 570 Thomas M J Mollers Wolfgang Fikentscher zum 70 Geburtstag In Neue Juristische Wochenschrift Band 51 Nr 21 1998 S 1542 Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Wolfgang Fikentscher Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Literatur von und uber Wolfgang Fikentscher im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek Lebenslauf von Wolfgang Fikentscher PDF Datei 67 kB Nachruf Fikentscher Wolfgang 17 5 1928 12 3 2015 Jahrbuch 2015 Josef Drexl PDF Datei 153 kB SchriftenverzeichnisEinzelnachweise Bearbeiten Verband Alter SVer VASV Anschriftenbuch und Vademecum Ludwigshafen am Rhein 1959 S 41 Schadensersatz aus rechtswidrigem Streik unter besonderer Berucksichtigung des politischen Streiks Belegexemplar DNB 480328749 bei der Deutschen Nationalbibliothek Wettbewerb und gewerblicher Rechtsschutz Die Stellung d Rechts d Wettbewerbsbeschrankungen in d Rechtsordnung Wolfgang Fikentscher Belegexemplar DNB 451264347 bei der Deutschen Nationalbibliothek Festschrift fur Wolfgang Fikentscher C H Beck 1998 Belegexemplar 953349780 Wolfgang Fikentscher im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek bei der Deutschen Nationalbibliothek Irmgard Fikentscher Dr Wolfgang Fikentscher In Website Frankfurter Allgemeine Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH 21 Marz 2015 abgerufen am 29 Juni 2023 Wettbewerb Wettbewerbsbeschrankung Marktbeherrschung 1957 Belegexemplar DNB 450557502 bei der Deutschen Nationalbibliothek Festschrift fur Wolfgang Fikentscher zum 70 Geburtstag hrsg von Bernhard Grossfeld 1991 S1 Belegexemplar DNB 953349780 bei der Deutschen Nationalbibliothek Wirtschaftsrecht 1983 Belegexemplar DNB 550818456 bei der Deutschen Nationalbibliothek Schuldrecht Allgemeiner und Besonderer Teil Wolfgang Fikentscher Andreas Heinemann Belegexemplar 1253838992 Wolfgang Fikentscher im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek bei der Deutschen Nationalbibliothek Belegexemplar 750518316 Wolfgang Fikentscher im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek bei der Deutschen Nationalbibliothek vgl den Nachruf Prof Drexel in GRUR Int 2015 517 Belegexemplar DNB 944256368 bei der Deutschen Nationalbibliothek Culture Law and Economics 2004 FairEconomy a b Universitat Augsburg Sammlung Rechtsanthropologie Prof Dr h c Wolfgang Fikentscher In Website Universitat Augsburg Universitat Augsburg KdoR abgerufen am 29 Juni 2023 Normdaten Person GND 120398265 lobid OGND AKS LCCN n80109158 NDL 00439501 VIAF 66527886 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Fikentscher WolfgangKURZBESCHREIBUNG deutscher Jurist und RechtsanthropologeGEBURTSDATUM 17 Mai 1928GEBURTSORT NurnbergSTERBEDATUM 12 Marz 2015STERBEORT Riederau am Ammersee Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Wolfgang Fikentscher amp oldid 238738264