Die Ehrenparade der Nationalen Volksarmee zum 40. Jahrestag der DDR am 7. Oktober 1989 war eine Militärparade der Nationalen Volksarmee (NVA) in Ost-Berlin aus Anlass des 40. Jahrestages der Deutschen Demokratischen Republik.
Rahmenbedingungen Bearbeiten
Feiern zum 40. Jahrestag der DDR Bearbeiten
Die Feierlichkeiten zum 40. Tag der Republik in Berlin fanden vom 6. bis 7. Oktober 1989 statt und umfassten:
- den Fackelzug der Freien Deutschen Jugend (FDJ) am Abend des 6. Oktober zwischen Brandenburger Tor und Marx-Engels-Platz
- die Ehrenparade der Nationalen Volksarmee (NVA) am 7. Oktober auf der Karl-Marx-Allee zwischen Strausberger Platz und Alexanderplatz
- einen festlichen Empfang für die Staatsgäste am Abend des 7. Oktober 1989 im Palast der Republik
Erinnerungen Gorbatschows Bearbeiten
Als besonderer Gast war bei allen drei Feierlichkeiten der sowjetische Generalsekretär des ZK der KPdSU und Vorsitzende des Obersten Sowjets der UdSSR Michail Gorbatschow anwesend. Nach dem Eindruck Gorbatschows wurde der zwischen Brandenburger Tor und Marx-Engels-Platz verlaufende Fackelzug der FDJ am Abend des 6. Oktober 1989 – dem Vorabend der großen Ehrenparade der NVA – zu einem Menetekel für das SED-Regime:
„Vor den Tribünen, auf denen die Führung der DDR und die ausländischen Gäste Platz genommen hatten, zogen Marschblöcke aus allen Bezirken der Republik vorbei. Ein beeindruckender Anblick: Orchester spielten auf, Trommelwirbel erklang, Scheinwerferlicht strahlte. Wenn die Fackeln aufflackerten, sah man – was vielleicht am eindrucksvollsten war – Tausende und Abertausende junger Gesichter. Man erzählte mir, daß die Teilnehmer an diesem Fackelzug sorgfältig ausgewählt worden waren und daß es sich vorwiegend um Aktivisten der Freien Deutschen Jugend, junge Mitglieder der SED und der ihr nahestehenden Parteien und gesellschaftlichen Organisationen handelte. Um so aufschlußreicher waren die Losungen und Sprechchöre in ihren Reihen: ‚Perestroika!‘, ‚Gorbatschow! Hilf!‘ Aufgeregt trat Mieczysław Rakowski [er und Jaruzelski standen ebenfalls auf der Ehrentribüne] an mich heran: ‚Michail Sergejewitsch, verstehen Sie, was für Losungen sie da schreien?‘ Dann dolmetschte er: ‚Sie fordern: ‹Gorbatschow, rette uns!› Das ist doch das Aktiv der Partei! Das ist das Ende!‘“
Beim Fackelzug und der Ehrenparade befanden sich Gorbatschow und der DDR-Staatsratsvorsitzende und SED-Generalsekretär Erich Honecker auf der Haupttribüne in Gesellschaft von Raissa Gorbatschowa, Willi Stoph, dem Ministerpräsidenten der DDR, und vielen weiteren hochrangigen Vertretern des Systems und Ehrengästen aus dem In- und Ausland.
Proteste Bearbeiten
Die Veranstaltungen zum 40. Jahrestag der DDR fanden in einer Zeit großer Umwälzungen in Osteuropa statt, und schon im Vorfeld war es zu Pannen gekommen: Absagen geladener Festgäste, Fernbleiben von für Ordensverleihungen Vorgesehenen, gestrichene Veranstaltungsvorhaben mancherorts. Die Feiern waren von Protesten begleitet. Mehr als 1000 Demonstranten wurden verhaftet.
Am Tag des Jubiläums wurde westlichen Journalisten die Einreise verweigert. Da und dort hatten Gegenveranstaltungen Zulauf. In Friedensgebeten wurde auf den 40. Republikgeburtstag teilweise kritisch Bezug genommen.
Nur einen Monat später fiel die Berliner Mauer. DDR-Staatschef Erich Honecker trat nur kurz nach dem Republikgeburtstag zurück (am 18. Oktober 1989). Knapp ein Jahr nach dieser Parade feierte Deutschland seine Wiedervereinigung. Die Militärparade am 7. Oktober 1989 war die letzte Ehrenparade der NVA anlässlich eines Jahrestages der DDR. Mit ihr endete in Deutschland die „große Zeit der Militärparaden“.
Ehrenparade der Nationalen Volksarmee Bearbeiten
Organisation Bearbeiten
Die alljährliche Ehrenparade der Nationalen Volksarmee der DDR zum Tag der Republik wurde bis 1989 vom Chef der Landstreitkräfte der NVA, Generaloberst Horst Stechbarth, kommandiert. Die Direktübertragung der Parade im Fernsehen der DDR wurde 1989 von dem Reporter Bert Sprafke kommentiert. Paraden der Nationalen Volksarmee in Ost-Berlinfanden auch zum Tag der Nationalen Volksarmee (1. März) statt.
Ehrentribüne Bearbeiten
Die auf die Fahrbahnen der Karl-Marx-Allee ausgerichtete Haupttribüne mit den staatlichen Ehrengästen befand sich auf der Nordseite der Karl-Marx-Allee, und zwar zwischen den in Plattenbauweise errichteten Hochhäusern Karl-Marx-Allee Nr. 11 und Karl-Marx-Allee Nr. 19 (ungefähre Position).
Hinter der Tribüne stand eine hohe rote Wand mit der in großen weißen Blockbuchstaben ausgeführten Schrift „40 Jahre DDR“, darunter war das Staatswappen der DDR zu sehen. Entlang der Karl-Marx-Allee unmittelbar gegenüber dieser Tribüne hatten die Militärkapellen Aufstellung genommen, welche für die musikalische Umrahmung der Ehrenparade zu sorgen hatten.
Ehrengäste auf der Tribüne Bearbeiten
Ämterbezeichnung am 7. Oktober 1989
1. Reihe (v. l. n. r.) Bearbeiten
- Yassir Arafat: Vorsitzender der PLO
- Daniel Ortega: Staatspräsident, Vorsitzender der FSLN (Nicaragua)
- 4 Personen
- Nicolae Ceaușescu: Präsident, Staatsratsvorsitzender, Generalsekretär des ZK der RKP (Rumänien)
- Todor Schiwkow: Erster Sekretär der BKP (Bulgarien)
- Wojciech Jaruzelski: Staatspräsident, General (Polen)
- Miloš Jakeš: Generalsekretär der KPTsch (Tschechoslowakei)
- Michail Gorbatschow: Generalsekretär der KPdSU (Sowjetunion)
- Erich Honecker: Virsitzender des Staatsrats der DDR, Generalsekretär des ZK der SED (DDR)
- Heinz Keßler: Mitglied des Politbüros der SED, Minister für Verteidigung, Armeegeneral (DDR)
- Willi Stoph: Mitglied des Politbüros der SED, Vorsitzender des Ministerrates, Armeegeneral (DDR)
- Horst Sindermann: Mitglied des Politbüros der SED, Volkskammerpräsident (DDR)
- 1 Person
- Oskar Fischer: Außenminister der DDR
- Hermann Axen: Mitglied des Politbüros der SED (DDR)
- Hans-Joachim Böhme: Mitglied des Politbüros der SED (DDR)
- Horst Dohlus: Mitglied des Politbüros der SED (DDR)
- Werner Eberlein: Mitglied des Politbüros der SED (DDR)
- Kurt Hager: Mitglied des Politbüros der SED, Chefideologe der SED (DDR)
- Joachim Herrmann: Mitglied des Politbüros der SED (DDR)
- Werner Jarowinsky: Mitglied des Politbüros der SED (DDR)
- Margot Honecker: Ministerin für Volksbildung, Ehefrau von Erich Honecker (DDR)
- Günther Kleiber: Mitglied des Politbüros der SED (DDR)
- Egon Krenz: Mitglied des Politbüros der SED (DDR)
- Werner Krolikowski: Mitglied des Politbüros der SED (DDR)
- Erich Mielke: Mitglied des Politbüros der SED, Minister für Staatssicherheit, Armeegeneral (DDR)
- Günter Mittag: Mitglied des Politbüros der SED (DDR)
- 1 Person
- Siegfried Lorenz: Mitglied des Politbüros der SED (DDR)
- 1 Person
- Günter Schabowski: Mitglied des Politbüros der SED (DDR)
- Harry Tisch: Mitglied des Politbüros der SED, Vorsitzender des FDGB (DDR)
- Gerald Götting: Vorsitzender der CDU (DDR)
(Quelle:)
2. Reihe (v. l. n. r.) Bearbeiten
- Mieczysław Rakowski: ehemaliger Ministerpräsident (Polen)
- 2 Freie Plätze
- Raissa Gorbatschowa: Ehefrau von Michail Gorbatschow (zwischen Keßler und Honecker)
Ablauf und beteiligte Einheiten Bearbeiten
- Glockenschläge vom Roten Rathaus um 10 Uhr
- Abspielen der nach sowjetischem Vorbild gestalteten Paradefanfare
- Vorfahrt des Kommandierenden der Ehrenparade, Generaloberst Stechbarth, zum NVA-Parademarsch Nr. 1 in einer GAZ-13 Tschaika
- Meldung Stechbarths an den ebenfalls zum NVA-Parademarsch Nr. 1 in einer GAZ-13 Tschaika vorgefahrenen Minister für Nationale Verteidigung, Armeegeneral Keßler.
- Fahrt beider Generäle in ihren Paradefahrzeugen zum NVA-Parademarsch Nr. 1 zu den angetretenen Truppenteilen
- Begrüßung der teilnehmenden Einheiten durch Minister Keßler, worauf diese nach sowjetischem Vorbild jeweils mit einem schnellen „Hurra! Hurra! Hurra!“ antworteten:
- Gruß an die motorisierten Einheiten
- Gruß an die Angehörigen der Militärakademie „Friedrich Engels“
- Gruß an die Angehörigen der Offiziershochschulen „Ernst Thälmann“ und „Franz Mehring“
- Gruß an die Angehörigen der Offiziershochschulen „Karl Liebknecht“ und „Rosa Luxemburg“
- Fahrt von Minister Keßler zur Haupttribüne mit den staatlichen Ehrengästen
- Meldung Keßlers an den Generalsekretär der SED und Staatsratsvorsitzenden der DDR, Erich Honecker. Keßler blieb anschließend zusammen mit Stechbarth neben Honecker auf der Tribüne.
- Auferstanden aus Ruinen, gespielt von einem vereinigten Musikkorps des Zentralen Orchesters der NVA und der Grenztruppen der DDR
- Kommando zum Abmarsch durch den Kommandierenden der Ehrenparade, Generaloberst Stechbarth.
- Vorbeimarsch von Einheiten zu Fuß:
- Angehörige der Militärakademie „Friedrich Engels“
- Angehörige der Offiziershochschule „Ernst Thälmann“ (Landstreitkräfte)
- Angehörige der Offiziershochschule „Franz Mehring“ (Luftstreitkräfte)
- Angehörige der Offiziershochschule „Rosa Luxemburg“ (Grenztruppen)
- Angehörige der Offiziershochschule „Karl Liebknecht“ (Volksmarine)
- Vorbeifahrt von motorisierten Einheiten:
- Angehörige des Luftsturmregiments 40 „Willi Sänger“ in leichten Luftlandefahrzeugen
- Angehörige des Aufklärungsbataillons AB-1 „Dr. Richard Sorge“ in Schützenpanzerwagen
- Angehörige des Mot.-Schützenregiments MSR-1 „Hans Beimler“ in Schützenpanzerwagen
- Angehörige der NVA mit Minenwerfern auf Lastkraftwagen
- Angehörige der NVA mit Raketenwerfern auf Lastkraftwagen
- Angehörige der NVA mit 152-mm-Kanonenhaubitzen mit Tatra-Lastkraftwagen als Zugmaschinen
- Angehörige der Grenztruppen mit Schützenpanzerwagen
- Angehörige der Grenztruppen mit Flugabwehrgeschützen auf Kettenfahrzeugen
- Angehörige des Panzerregiments PR-23 „Julian Marchlewski“ in T-72-Panzern
- Angehörige der NVA mit Panzerjäger-Ausrüstung
- Angehörige der NVA mit schwimmfähigen 122-mm-Panzerhaubitzen
- Angehörige des Artillerieregiments AR-1 „Rudolf Gyptner“ mit 152-mm-Kanonenhaubitzen
- Angehörige der NVA mit Luftabwehr-Radar auf Radpanzerwagen
- Angehörige der NVA mit 9K33-Osa-Waffensystemen auf Basisfahrzeugen des Typs BAZ-5937
- Angehörige der NVA mit 2K12-Kub-Waffensystemen auf ZIL-131-Lastkraftwagen
- Angehörige des Fla-Raketenregiments 5 „Bernhard Bästlein“ mit 2K11-Krug-Waffensystemen
- Angehörige der NVA mit schweren Fliegerabwehrraketen mit Lastkraftwagen als Zugmaschinen
- Angehörige der NVA mit leichten Fliegerabwehrraketen auf Lastkraftwagen
- Angehörige des Küstenraketenregiments 18 „Waldemar Verner“ mit mobilen Startrampen
- Angehörige der NVA mit taktischen Raketen (u. a. 9K79 und 9K714) auf mobilen Startrampen
- Vorbeimarsch des vereinigten Musikkorps an der Ehrentribüne
Siehe auch Bearbeiten
Einzelnachweise und Fußnoten Bearbeiten
- Foto: Ehrenparade am 40. Jahrestag der DDR.
- Gorbatschow soll widerstrebend anwesend gewesen sein, dies jedoch im Geiste der Kameradschaft mit anderen sozialistischen Staaten.
- Michail Gorbatschow: Erinnerungen. Berlin 1995, S. 934.
- Oktober 1989 – Eine Prügelorgie zum Fest.
- Demonstrationen am 7. und 8. Oktober 1989 in Berlin.
- Lothar Heinke: Der letzte Tanz der Totgesagten beim 40. Geburtstag der DDR; Tagesspiegel, 6. Oktober 2014.
- Militärparade zum 40. Jubiläum der DDR (7. Oktober 1989).
- Neubert 2008, S. 123.
- 100 Jahre Militärparaden auf dem Roten Platz, 1 DVD (Buchhandelslink)
- NVA Ehrenparade zum 40. Jahrestag der DDR 1989 (Fernsehen der DDR) auf YouTube.
- Ungefähre Position der Haupttribüne mit den staatlichen Ehrengästen: 52° 31' 17.0 N, 13° 25' 13.1 O. Koordinaten: 52° 31′ 17″ N, 13° 25′ 13,1″ O
- (Nicht mehr online verfügbar.) Archiviert vom 15. Januar 2022; abgerufen am 14. Januar 2022 (deutsch, 00:01:15 bis 00:01:57). am Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- Die Teilnahme der KRT an der Ehrenparade der NVA anlässlich des 40. Jahrestag der DDR 1989
Literatur Bearbeiten
- Rüdiger Wenzke (Hg.), Heiner Bröckermann, et al.: »Damit hatten wir die Initiative verloren«: Zur Rolle der bewaffneten Kräfte in der DDR 1989/90. 2015 (Online-Teilansicht)
Weblinks Bearbeiten
Bilder und Berichte Bearbeiten
- Militärparade zum 40. Jubiläum der DDR (7. Oktober 1989).
- 6. bis 7. Oktober: 40. Jahrestag der DDR (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im Oktober 2022. Suche in Webarchiven.)
- Thomas Loy: Erinnerung: Republikgeburtstag auf der Paradestraße; Tagesspiegel, 6. Oktober 2009.
- Christoph Bock: Gorbatschow hat den berühmten Satz nie gesagt; Welt.de, 6. Oktober 2014.
- Feier des 40-jährigen Bestehens der Deutschen Demokratischen Republik in Berlin Ost: Yassir Arafat (3.v.li., Palästinensische Autonomiegebiete PLO-Vorsitzender) neben Präsident Daniel Ortega (2.v.re., Nicaragua)